Literatur an sich

Die Faszination des geschriebenen Wortes - Romane, Stories, Gedichte und Dramatisches. Auch mit Platz für Selbstverfasstes.
e-noon
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Do 12. Jan 2012, 19:02 - Beitrag #1

Literatur an sich

Literatur - was will sie, was kann sie? Was soll sie?

Ich würde gerne wissen, wie und als was ihr Literatur wahrnehmt, was Kriterien einer Definition sein müssten und könnten, unter welchem Gesichtspunkt ihr Literatur lest - ästhetisch, moralisch, affektiv, sozial(kritisch), historisch, erbaulich, persönlich, ideell... - und welches Gemisch aus Sprache, Charakteren, Bildern, Handlungsverläufen und Ideen für euch Literatur ausmacht.

Dann würde ich auch noch gerne hören, worin eurer Meinung nach die Aufgabe der Literaturwissenschaft(en) besteht - reine Analyse oder auch Interpretation und Deutung, Umdeutung, Erschließung für heutiges Publikum auch im Sinne der Zerpflückung des Werkes?

Und schließlich noch (in Bezug auf die obige Frage) welcher Art die Ergebnisse sein sollen, die die Literaturwissenschaft produziert, sollten sie ein größtmögliches, aber neutrales Verständnis des Werkes ermöglichen, oder auch mögliche Lesarten und Interpretationen herausarbeiten, gar eine Aussage oder womöglich sogar (appellative) Botschaft des Werkes bestimmen?

Und was haltet ihr von modischen Strömungen in der Literaturwissenschaft, von freudianischen/genderzentrierten/queerstudiesmotivierten/poststrukturalistischen/konstruktivistischen Theorien, die auf Literatur angewandt werden?

Amely67
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Do 12. Jan 2012, 22:33 - Beitrag #2

Wie ich sie wahrnehme

Fachliteratur z.B. nehme ich als Förderung an. Ich lese gern Dinge, die mir zu Erkenntnissen verhelfen - wie " Neue Techniken für ein starkes Selbst - Psychokybernetik 2000" .
Dinge die mich leichter und unkomplizierter leben lassen wie " Die Kunst der Selbstorganisation. Jeder nimmt sich aus einem Buch heraus, was er für wichtig hält. So benutzt jeder ein und das Selbe Werk eben anders.
Manchmal lese ich zur Entspannung auch Romane - eher selten. Literatur ist etwas wundervolles - sie hat so viele nützliche Seiten, die man hier gar nicht alle aufzählen kann.
Wenn du Fragen hast, dann frag einfach. Ich schreibe gern.

Traitor
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Do 12. Jan 2012, 23:48 - Beitrag #3

Gegenfrage - wie sieht es mit der Abgrenzung zu "Literatur, was will sie? Was dient ihr?" aus? Willst du das ganze Thema hier neu aufrollen, oder sollen wir uns stattdessen lieber auf die Literarurwissenschaft konzentrieren?

Zu meinen Gesichtspunkten zur Literatur selbst also erstmal nur ein Verweis auf jeden Thread, im Zweifel sind aber auch Details ab Lager lieferbar.

Dann würde ich auch noch gerne hören, worin eurer Meinung nach die Aufgabe der Literaturwissenschaft(en) besteht - reine Analyse oder auch Interpretation und Deutung, Umdeutung, Erschließung für heutiges Publikum auch im Sinne der Zerpflückung des Werkes?
Kann es "reine" Analyse oder Interpretation und Deutung geben? Meines Erachtens nur in wenigen, sehr sachlichen Aspekten. Aber selbst die klassische Stilanalyse kommt oft zu zwiespältigen, deutungsbedürftigen Ergebnissen. Ohne Deutung geht es also nicht. Umdeutung wiederum ist eigentlich fast jede Deutung in gewissem Maße, es sei denn, sie kann sich auf explizite Sekundäraussagen des Autors berufen. Bewusste Umdeutung entgegen sehr offensichtlichen Tendenzen des Werkes sollte aber doch besser unterbleiben. (Soviel schonmal zu den "Strömungen".) Erschließung für heutiges Publikum ist wichtig, gerät aber oft auch in Gefahr, umdeutend zu wirken, beispielsweise die hier irgendwann schonmal diskutierte Frage, ob Shakespeare in heutiger Volkssprache näher an der Originalrezipierbarkeit wäre als in der zur Liturgiesprache gewordenen Originalsprache. "Zerpflückung" schließlich ist wahlweise ein Zeichen schlechter Analyse, oder ein beliebtes Mittel zur Umdeutung.
Und schließlich noch (in Bezug auf die obige Frage) welcher Art die Ergebnisse sein sollen, die die Literaturwissenschaft produziert, sollten sie ein größtmögliches, aber neutrales Verständnis des Werkes ermöglichen, oder auch mögliche Lesarten und Interpretationen herausarbeiten, gar eine Aussage oder womöglich sogar (appellative) Botschaft des Werkes bestimmen?
Aussagen muss ein Werk schon selbst machen. Nur in Ausnahmefällen, wenn beispielsweise bei sehr alten oder fremden Kulturen entstammenden Werken die Aussage auf Symbolen oder Anspielungen basiert, die die meisten Leser nicht verstehen, kann und/oder sollte die Literaturwissenschaft "bestimmend", oder eigentlich lieber nur klärend, tätig werden. Ansonsten ist, wie gesagt, rein neutrale Analyse kaum möglich, eine größtmögliche Annäherung daran aber wünschenswerter Ansatz.
Und was haltet ihr von modischen Strömungen in der Literaturwissenschaft, von freudianischen/genderzentrierten/queerstudiesmotivierten/poststrukturalistischen/konstruktivistischen Theorien, die auf Literatur angewandt werden?
[spoiler]Nichts.[/spoiler]

@Amely: Fachliteratur trägt zwar eine "-literatur" im Namen, fällt aber ziemlich sicher nicht unter e-noons Literaturbegriff. Ratgeber im Besonderen könnte man aber vielleicht durchaus gewinn- oder zumindest spaßbringend unter literaraturwissenschaftlichen Gesichtspunkten interpretieren. ;) Und literaturwissenschaftliche Analyse wissenschaftlicher Werke dürfte sogar wirklich ein spannendes Feld sein, ich frage mich, ob da eigentlich im Grenzgebiet zur Wissenschaftsgeschichtswissenschaft (geht das schon wieder los...) irgendwo eine Orchidee blüht...
"Literatur ist etwas wundervolles" ist schön gesagt, aber dann sprichst du von "nützlichen Seiten". Schnöder Nutzen ist doch gerade nicht "wundervoll". Sicher zieht man aus mancher Literatur auch konkreten Nutzen, aber meistens ist sie doch nur für das Wunder an sich da und wird auch dafür konsumiert.

Lykurg
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Fr 13. Jan 2012, 02:47 - Beitrag #4

Der vorige Thread blieb im Thema ja ziemlich deutlich gespalten zwischen allgemeiner Literatur- und Oulipo-Diskussion (was auch daran lag, daß damals ein ironischer Einwurf meinerseits mißverstanden wurde). Hier bestünde die Möglichkeit, es noch einmal säuberlich aufzuziehen und aufzudröseln, wenn Bedarf daran besteht.

Begrifflichkeiten... Literatur ist, um mal wieder eine recht weitgefaßte Definition zu liefern, wohlgeformte verschriftlichte Sprache. Ob es mir gefällt, ist dafür unerheblich, entsprechend auch, was enthalten sein sollte und was nicht. - Ich versuche meine Leseweise dem Text angemessen zu gestalten, was zu einer weitestgehend ästhetischen oder analytischen Lektüre in wahlweise affirmativer, neutraler oder kritischer Haltung; empathisch-identifikatorisch oder distanziert, inhaltlich oder strukturell führen kann. Am liebsten lese ich allerdings genießerisch.

Saubere Analyse ist Grundlage einer belastbaren Deutung. Da mehrdeutige und deutungsbedürftige Texte meist interessanter sind als eindeutige offene, betreibe ich Analyse auch in der Absicht, eine schlüssige Deutung zu erreichen (dies natürlich auch, wenn ein Text in Teilen unverständlich ist, egal warum, und dies gehoben werden kann). Zerpflückung des Textes kann sich dabei als hilfreich erweisen, und dann soll man es selbstverständlich auch tun (dürfen).

Wenn das Werk (eventuell) eine appellative Botschaft beinhaltet, soll man eben dies auch feststellen (bzw. die Theorie aufstellen, daß es so sei). Neutralität ist noch nicht einmal für Einführungsheftchen erforderlich, wenn auch bei Nebeneinanderstellung verschiedener Deutungstraditionen ein denkbarer Ansatz. Der Leser des Sekundärtextes soll sich selbst ein Bild machen, darf sich aber durchaus auch an einer schlüssigen und hoffentlich gut lesbaren Argumentation berauschen, also den Sekundärtext auch als Text genießen (wobei Mehrdeutigkeit hier aber eher kein zentrales Qualitätsmerkmal mehr ist; Tertiärliteratur sollte vermieden werden).

Rein freudianische Deutungen sind mir selten untergekommen, wirklich gute konstruktivistische auch noch nicht; auch Poststrukturalisten kreisen recht regelmäßig enger um sich und ihre Methode als um den Gegenstand ihrer Untersuchung; generell bin ich aber jeder Methode aufgeschlossen, die neue, interessante und schlüssige Deutungsansätze liefert (oder schlüssig die Nichtdeutbarkeit eines Textes begründet).

Traitors feiner Unterscheidung zwischen "bestimmend" und "klärend" stimme ich teilweise zu; kein deutender Text kann für sich Letztgültigkeit beanspruchen, es handelt sich stets um einen Transferprozeß in die Gegenwart der Deutung; in einer veränderten Zeit, Sprache und Bewußtseinssituation werden sich auch andere Deutungsansätze anbieten, wenn der Text sie hergibt.

Ipsissimus
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Fr 13. Jan 2012, 13:51 - Beitrag #5

Literatur, was will sie

[indent]nichts, sie ist kein fühlendes Wesen, das etwas wollen kann
[/indent]
Literatur, was kann sie sie

[indent]vieles - die Welt interpretieren, unterhalten, täuschen

[/indent]Literatur, was soll sie

[indent]in erster Linie ihren Autoren und Autorinnen deren Lebensunterhalt sichern

die Zeit der Konsumenten beanspruchen

eine Mischung aus dem, was sie kann
[/indent]
wie nehme ich Literatur wahr?

[indent]erst mal als (zumeist) schwarze Buchstaben vor (zumeist) weißem Hintergrund, wobei die Farbgebung in weiten Grenzen fließend ist

dann als geschlossenes Ganzes - Literatur findet meist in Büchern statt, alternativ in Heften, womöglich auch in Zeitschriften, wobei bei letzterem die Übergänge zum Feuilleton fließend werden. Neuere Medien wie Internetseiten oder PDF-Reader subsumiere ich ihrer diesbezüglichen Funktion halber einfach mal unter Bücher, wobei das nochmal eine eigene Diskussion wäre

als inhaltliche Einheit - Literatur folgt einem Plot, der auch beliebig komplex sein darf, sich z.B: aus mehreren Sub-Plots zusammensetzen kann

[/indent]unter welchen Gesichtspunkten lese ich Literatur

[indent]gute Trivia lese ich ausführlich, in dem gleichen Sinne, wie ich mich in gute Action-Filme vertiefe

bei Literatur, die den Anspruch erhebt, inhaltlich ernst genommen zu werden, ich versuche, so schnell wie möglich zu erfassen, worauf sich dieser Anspruch inhaltlich gründet und wann ich die Welt zuletzt so gesehen habe. Sobald ich erkenne, dass der Punkt, um den es geht, einer Weltsicht zugehört, die ich hinter mir gelassen habe, beende ich die Lektüre
[/indent]


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