Zum Tode von Otfried Preußler

Die Faszination des geschriebenen Wortes - Romane, Stories, Gedichte und Dramatisches. Auch mit Platz für Selbstverfasstes.
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Do 21. Feb 2013, 04:07 - Beitrag #1

Zum Tode von Otfried Preußler

Wie bspw. hier nachzulesen verstarb Otfried Preußler am 18.2.13 im Alter von 89 Jahren in Prien.

Der Räuber Hotzenplotz war wohl auch bei mir eines der erste Bücher; ich denke in diesem und anderen seiner Werke wird Preußler noch vielen folgenden Generationen in ihren ersten Jahren nahe kommen.

Ipsissimus
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Do 21. Feb 2013, 11:23 - Beitrag #2

Ich hatte ihn erst recht spät wahrgenommen, "Krabat" war das erste und einzige Buch, das ich von ihm gelesen hatte, zu einem Zeitpunkt, an dem meine literarischen Ansprüche längst den Kinderschuhen entwachsen waren. Einige seiner Figuren, so der Räuber und die Hexe, waren mir vom Fernsehn bekannt, ohne dass ich sie mit ihm in Verbindung gebracht hatte.

Krabat halte ich bis heute für einen literarisch sehr gelungenen Roman, den ich allerdings für Kinder ungeeignet finde. Andererseits, in Zeiten, in denen man schon Sechsjährige nicht mehr effektiv vor Horror-Filmen beschützt, was bedeutet da noch "für Kinder geeignet"?

Krabat, und damit Preußler, wird in Erinnerung bleiben

Lykurg
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Do 21. Feb 2013, 11:42 - Beitrag #3

Auch mir ist vor allem Krabat in Erinnerung geblieben - Die kleine Hexe und Räuber Hotzenplotz habe ich als Kind gelesen bzw. vorgelesen bekommen, Krabat dann erst später selbst für mich entdeckt, der Eindruck ist mir dementsprechend sehr viel bewußter, allerdings finde ich es nicht kind-untauglich (ab 12?), auch wenn Erwachsene noch viel davon haben (wie auch Märchen und Sagen in dem Sinne keine Kindergeschichten sind).

Traitor
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Do 21. Feb 2013, 21:49 - Beitrag #4

Tatsache, der schreibt sich nur mit einem t, und da wollte ich schon "korrigierend" eingreifen...

Den Räuber kannte ich in recht früher Kindheit in irgendeiner Form, aber ob es das Originalbuch, ein Hörspiel und/oder TV war, weiß ich nicht mehr. Viel ist auch nicht hängen geblieben.

Krabat kam mir ein paar Jahre später erst als Hörspiel und dann auch als Buch unter, beides mochte ich nicht und das Buch habe ich wohl auch nie beendet. Was genau ihn mir verleidete, bin ich mir nicht mehr sicher. Die Volkstümelei trug sicher dazu bei (damals hielt ich sie für bayrisch, werde nun aber belehrt, dass sie wohl sorbisch ist), war vermutlich im Hörspiel auch akustisch überbetont. Und iirc war die Hauptfigur eher unsympathisch.

Die Hexe kenne ich eigentlich nur aus den aktuellen Bereinigungs-Diskussionen.

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Do 21. Feb 2013, 23:33 - Beitrag #5

Tja, die Bereinigung, ich las die er hätte er widerwillig (ggf. wegen Altersschwäche?) nur über sich und sein Werk ergehen lassen.

Maglor
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So 24. Feb 2013, 11:52 - Beitrag #6

Die kleine Hexe und den Räuber Hotzenplotz und den kleinen Wassermann hab ich vor vielen, vielen Jahren mal selbst gelesen, Krabat kenne ich hingegen nur aus dem Fernseher.

Maglor
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Mo 7. Sep 2015, 21:29 - Beitrag #7

Zurzeit lese ich Krabat. Da ich vor Jahren den Film gesehen habe (und auch den die ältere Verfilmung) sollte es eigentlich nicht ganz so spannend sein.
Beim Lesen merke ich aber schon, dass es ein Meisterwerk ist und nicht irgendeine Kindergeschichte mit dem heute üblichen Fantasy-Quatsch.
Erkennbar ist, dass sich Preußler intensiv mit den Themen auseinandergesetzt haben. Ich mag diese antiquierten Worte dir benutzt, die Referenzen auf den Aberglauben usw. Mir gefällt dieser Erzählstil. Nichts wird erklärt, nichts kommentiert keiner wird belehrt. Alles passiert einfach.

Lykurg
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Di 8. Sep 2015, 14:33 - Beitrag #8

Ja, Krabat ist auch als sorbische Heimatliteratur bemerkenswert, wenn auch vielleicht weniger authentisch als andere Fassungen der Sage - spannend fand ich aber eben auch in Wikipedia festzustellen, daß es ein historisch belegtes Vorbild für die Sage gibt, einen kroatischen Reiterobristen, der dem Kurfürsten das Leben gerettet haben soll und ein Gut bei Hoyerswerda erhielt.

Knorrige Figuren, die Mühlengesellen. Einer der vielen Punkte, in denen der Film natürlich nur abfallen konnte, auch wenn sie sich mit der Besetzung zumindest bemüht haben (besser auseinanderhalten als die Zwerge im Hobbit kann man sie jedenfalls). Aber nein, der Film ist so weit weg vom Buch, daß er ihm nichts an Spannung nimmt, finde ich.

Maglor
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Di 8. Sep 2015, 15:38 - Beitrag #9

Heimatliteratur klingt nicht ganz passend für ein Werk, welches einen satanischen Männerbund beschreibt. Der Teufel wird nie beim Namen genannt und das macht die Erzählung so reizvoll.
Die Geschichte ist vor aller christlich-satanischer Anspielungen, insbesondere Ostern, die Raunächte oder auch Reginsmál. Es erfasst mich nun der Wunsch mich näher mit der slawischen Mythologie zu beschäftigen. Irgendwie hat sie bisher Widerstand geleistet, nachdem ich mit Griechen und Germanen quasi schon abgerechnet habe.
Auch die detailverliebte Beschreibung des Müllerhandwerkes (in den 70ern in der Form bereits ausgestorben) ist sehr reizvoll und erinnert ein bisschen an Moby Dick.

Es ist meiner Meinung nach viel schwerer einen alte Stoff erfolgreich neu zu erzählen, als eine ganze neue Geschichte zu erfinden.

Bei den Müllergesellen hätte ich mir für eine Verfilmung solche Schreckgestalten gewünscht wie die Mönche in "Der Name der Rose".

Lykurg
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Di 8. Sep 2015, 16:45 - Beitrag #10

Der Begriff ist mit ein wenig Salz zu genießen, ähnlich deinem Vergleich mit Moby Dick. ;)
Hat deine Abrechnung mit der germanischen Sagenwelt dich eigentlich an Hohlbeins Hagen von Tronje vorübergeführt? Das finde ich ein sehr gelungenes Beispiel für Wiedererzählung eines bekannten Stoffes.

In guter Erinnerung habe ich als Kinder-/Jugendbuch "Die Abenteuer des starken Wanja", da ist schon ein bißchen was an slawischen Sagen verarbeitet, allerdings nicht so sehr der westslawischen - daß der dort nicht vorkommende 'schwarze Gott' Czernobog auch genau aus der Lausitz stammt, ist mir jetzt erst aufgefallen.

Maglor
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Di 8. Sep 2015, 19:58 - Beitrag #11

Zitat von Lykurg:In guter Erinnerung habe ich als Kinder-/Jugendbuch "Die Abenteuer des starken Wanja", da ist schon ein bißchen was an slawischen Sagen verarbeitet, allerdings nicht so sehr der westslawischen - daß der dort nicht vorkommende 'schwarze Gott' Czernobog auch genau aus der Lausitz stammt, ist mir jetzt erst aufgefallen.

Dass jenes Buch ebenfalls ein Werk Preußlers ist, ist dir aber gleich aufgefallen. ;)

Lykurg
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Mi 9. Sep 2015, 00:01 - Beitrag #12

Ups! :D Ich hatte es vergessen und habe es noch nicht einmal gemerkt, als ich sicherheitshalber nochmal den TItel googelte! (streng genommen also eher "als gut in Erinnerung"...) Paßt insofern also sehr gut in diesen Thread. Und ja, ist auch schön erzählt, finde ich - etwas fremdartig, deutlich märchenhafter als Hexe, Räuber und Krabat, aber ebenfalls mit dieser gewissen Nüchternheit, die du für die Schilderungen im Krabat feststelltest.

Maglor
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Mi 9. Sep 2015, 14:48 - Beitrag #13

Zitat von Lykurg:Der Begriff ist mit ein wenig Salz zu genießen, ähnlich deinem Vergleich mit Moby Dick. ;)

Bei Moby Dick wird die Arbeit und das Leben auf einem Walfangschiff bis ins Detail beschrieben. Die Arbeit wird dann in Beziehung zu einer Mythologie gesetzt bzw. dämonisiert. Auf ähnliche Weise läuft es bei Krabat mit dem Müllerhandwerk. Wen jetzt irgendwer anmerkt bei Moby Dick kämen aber gar keine Zauberer vor, sollte erstmal lieber den Roman lesen.

Ich fand der Meister hatte etwas sehr odinhaftes an sich. Insbesondere seine Einäugigkeit, aber auch seine Verwandlungskünste. Einige Episoden - insbesondere Kämpfe in Tiergestalt, Zauberring usw. - erinnerten mich an Reginsmál, ein isländisches Prequel zur Nibelungensage (gleichzeitig die Inspiriationsquelle für Wagner und Tolkien, leider nicht für Hohlbein). Tatsächlich gehören die Kämpfe in Tiergestalt zur ursprünglichen Krabatsage. Es handelt sich um ein beliebtes Topos, nicht erst seit Ovid.

Lykurg
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Do 10. Sep 2015, 11:49 - Beitrag #14

Ich habe es nur etwa zur Hälfte geschafft, steht bei mir noch im Wartelistenregal. An Zauberer kann ich mich nicht erinnern.^^ Allerdings sind magische Bezüge in der Farbe Weiß, den Anspielungen auf ägyptische Mythologie etc. natürlich schon gegeben.

Aber ja! Faszinierend - ich konnte es nicht lassen, eine Reihe von Motivwörterbüchern und die BDSL zu konsultieren - das Motiv der Einäugigkeit taucht nirgends auf, damit scheint sich noch niemand weiter befaßt zu haben. Wikipedia weiß dagegen mehr. Kyklopen (natürlich Polyphem!), der keltische Balor (wohl nicht Lugh, wie WP meint), und laut einem eher apokryphen Aeschylos-Fragment auch die Gorgonen - außerdem aber natürlich unser Hagen - die Dinge verdichten sich.

Gestaltwandler/Tierverwandlung dürfte besser erforscht sein, vermute ich mal, so omnipräsent wie das kulturell ist...

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Do 10. Sep 2015, 14:29 - Beitrag #15

Bereits Snorri Sturlusonn beschrieb Odin euhemeristisch als asiatischen Zauberer. So übernahm der Odin der nordischen Mythologie typische Eigenschaften eines Hexenmeisters - oder doch umgekehrt?
Der Grund für Odins Einäugigkeit ist eine Art Pakt, ähnlich dem Teufelspakt wie er in vielen Märchen vorkommt. Odin gab Mimir eines seiner Augen (Walvaters Pfand), um aus Mimirs Brunnen Weisheit zu trinken.
Das Motiv des einäugigen Hexenmeisters kommt auch bei Tolkien vor, wobei die Ursache von Saurons Einäugigkeit nie erklärt wird.

Polyphems Einäugigkeit ist etwas ganz anderes. Er ist einfach nur ein häßlicher Menschenfresser, kein Hexenmeister. Einäugigkeit ist da eher eine Vorstufe zur völligen Blindheit.
Hagen von Tronjes Einäugigkeit hat auch nichts magisches. Er ist nur einer von vielen Helden, die das Walthari-Lied nur verstümmelt überleben. Überhaupt ist dieser Hagen eigentlich nur ein prophaner Trojaner.

Lykurg
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Do 10. Sep 2015, 22:44 - Beitrag #16

Ich mußte natürlich auch an Sauron denken, aber ist er wirklich einäugig, oder ist sein Auge - Evil Eye entsprechend Balor - ein zusätzliches, magisches?
Auch wenn es bei Odin Resultat eines Paktes ist, bleibt es eine Verstümmelung, anders als bei von Natur aus einäugigen Wesen.

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Di 10. Nov 2015, 14:28 - Beitrag #17

Auch bei Sauron ist die Einäugigkit Resultat einer Verwandlung oder besser Entwandlung. Er existiert körperlich eigentlich nicht mehr und hat die Fähigkeit verloren, eine körperliche Gestalt anzunehmen. Solche Aspekte finden sich auch im Reginsmal. Ganz selbstverständlich verwandelt sich Fafnir in einen Drachen, nachdem er seinen Vater ermordet und den Nibelungenhort erbeitet hat. Ehrloses oder unmoralisches Verhalten führt zum optischen Gesichtsverlust. Aus Menschen werden Monster. Das Motiv ist allgegenwertig. Körperliche Veränderungen spielen auch im Krabat eine Rolle, insbesondere vorzeitige Alterung. Wichtig ist auch, dass die Müllergesellen immer in Raben verwandelt werden, bevor sie in der Hexerei ausgebildet werden. Es eine Kunst, die eigentlich nicht für Menschen bestimmt ist.

Traitor
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Sa 28. Nov 2015, 11:00 - Beitrag #18

Wenn ihr so überzeugt seid, muss ich dem Werk vielleicht ja mit 20 Jahren Abstand nochmal eine Chance geben. Vermutlich habe ich es gerade in dem gefürchteten Alter gelesen, in dem man schon zu alt ist, um Jugendbücher naiv zu mögen, aber noch zu jung, um sie wieder für ihre eigentlichen Qualitäten schätzen zu können...

Zitat von Lykurg:daß der dort nicht vorkommende 'schwarze Gott' Czernobog auch genau aus der Lausitz stammt, ist mir jetzt erst aufgefallen.
Oh, interessant, dann ist Gaimans "American Gods" ja auch eine Art sorbische Heimatliteratur. ;)

Zu Sauron: Das Auge wurde doch nur in den Filmen so stark betont und physisch als Suchscheinwerfer inkarniert, im Buch ist sein tatsächlicher Status kaum beschrieben und das Auge könnte alles von einer reinen Metapher über eine magische Projektion oder eine dicke Linse vorm Palantir bis hin zu seiner direkten Pseudo-Inkarnation sein. Eine humanoide Form mit Einzelauge ist aber kaum anzunehmen.

Maglor
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Mo 30. Nov 2015, 17:36 - Beitrag #19

Es ist eine große Stärke der erzählenden Literatur, dass sie nur Perspektiven der Wirklichkeit wiedergibt. Filme erzeugen den Eindruck von Objektivität. Es gibt weniger Unschärfen, wenn etwas auf optisch dargestellt und nicht nur sprachlich beschrieben wird.
Der große Reiz des Romans "Krabat" ist, dass die Erzählung immer nur in der einen Perspektive (Krabat) erzählt wird. So bleibt vieles (fast alles) unklar und unscharf. Der Erzähler begreift die Sinnzusammenhänge genauso viel oder wenig wie Krabat.


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