Suche Buch über den 2. Weltkrieg

Die Faszination des geschriebenen Wortes - Romane, Stories, Gedichte und Dramatisches. Auch mit Platz für Selbstverfasstes.
syco23
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Fr 22. Nov 2002, 14:21 - Beitrag #1

Suche Buch wüder den 2. Weltkrieg

Hi@all!

Ich suche ein Buch zum Thema WK II - mich würden v.a. Frontkämpfe und das Kriesgeschehen - auch auf politischer Ebene - interessieren.. das ganze vielleicht aus der Sicht eines Soldaten oder eines außergewönlichen Befehlshabers - welchen Rangs auch immer.

Das ganze sollte dann auch noch sowas richtung "anerkannter Literatur" sein, damit ich das Buch auch für eine Buchbeprechung in Deutsch verwenden kann.

Falls es jemand anderen hier auch interessiern würde, könnten wir ja so ein Buch eventuell auch auf die Abstimm liste für die Nächste Buch-Wahl setzen.

Gruß und Danke für eure Tips,
Syco

Fargo
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Fr 22. Nov 2002, 15:43 - Beitrag #2

Hallo, syco23,

Dir kann ganz leicht geholfen werden. Jetzt muss ich noch malochen, aber heute abend poste ich Dir hier was rein. Drei Fragen habe ich aber vorher noch:

a) soll es der Roman eines deutschen Autors sein? (vermutlich, da's ja für den Deutschunterricht ist.. ;) )

b) soll der Roman im Buchhandel lieferbar sein, oder genügt es Dir, wenn Du ihn in der Bibliothek aufstöbern kannst?

c) wieviel Druckseiten darf er denn so ungefähr haben?

Frontschweinbuchleser Fargo

syco23
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Fr 22. Nov 2002, 15:48 - Beitrag #3

Hi Fargo!

Danke für deine Hilfbereitschaft.

1) Also das Buch sollte schon von einem deutschen Autor sein, wegen Deutschunterricht eben. Muss aber nicht, da mich die Materie im Moment echt interessiert und ich auch noch gern Felide lesen würde und das dann für Deutsch nehmen könnte.

2) Gute Frage. Anwort: nein. ich borge fast ausschließlich in der wr. stätdischen Bücherei aus. dort gibt es fast alles. Nur es wäre toll, wenn ich bis heute ca. 19.00 einen Tip hätte, weil die um 19.30 zusperren.

3) ..hm, sagen wir mal als Richtwert ca. 100 bis 300 Seiten, mehr bitte nicht, weil ich bis zur Matura noch einige zu tun habe.

Gruß und Thanx,
Syco

Fargo
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Fr 22. Nov 2002, 18:57 - Beitrag #4

Also, dann will ich mal fix noch was tippen.

Bei der knappen Länge fallen einige Romankandidaten shcon mal weg. Der interessanteste Übrigbleibende ist "Die Stalinorgel" von Gert Ledig (1921-1999), 1955 erstmals veröffentlicht. Ledig war selbst an der Ostfront eingesetzt, er hat die Belagerung Leningrads mitgemacht. Davon erzählt dieser Roman, bzw, vom Kampf um eine einzelne Höhe: eine Folge von Nahaufnahmen der Hölle, bestens geeignet zur Therapie der Wahnvorstellung, Krieg sei ein Abenteuer.

Der erste Absatz geht so:

Der Obergefreite konnte sich nicht mehr in seinem Grabe umdrehen, da er überhaupt keins besaß. Er war drei Werst von Podrowa entfernt, etwa vierzig Werst südlich von Leningrad, in die Salve eines Raketengeschützes geraten, war in die Höhe geschleudert worden und mit abgerissenen Händen, den Kopf nach unten, an einem kahlen Gestell, das früher einmal ein Baum war, hängengeblieben.
Der Unteroffizier, der sich mit einem Splitter im Leib auf der Erde wälzte, wusste nicht, wo sein Maschinengewehrschütze geblieben war. Auf den Gedanken, einmal nach zu schauen, kam er nicht. Er hatte genug mit sich selbst zu tun.



Falls Deine Stadtbücherei mies sortiert ist, könnte es natürlich sein, dass "Die Stalinorgel" gar nicht da ist.

Darum vielleicht noch ein Nummer-Sicher-Buch: "Die Kirschen der Freiheit" von Alfred Andersch. Dies ist ein viel ruhigeres Buch, keines über den Frontkampf, sondern über das noch immer bitteren Streit auslösende Thema des Desertierens.

Andersch selbst hat sich 1944 von seiner Truppe davon gemacht. Warum und wie, das erzählt er hier, liefert also ein Buch zur Frage, ob nicht mehr Deutsche Hitlers Armee einfach hätten davonlaufen können, was dem privaten Kapitulieren vor den Alliierten eigentlich entgegen stand. Im weiteren Sinn ist es ein Buch über die Freiheit überhaupt, über die wenigen Momente im Leben, in denen wir vielleicht und nur für sehr kurze Zeit aus Zwängen ausbrechen können.

Ich gebe Dir gerne später mehr Tipps, auch zu amerikanischen, englischen, russischen, finnischen Romanen usw.,
aber jetzt brauchst Du ja rasch diesen Einkaufszettel.

Viel Glück zwischen den Regalen wünscht

Frago

Thod
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Fr 22. Nov 2002, 19:07 - Beitrag #5

Kurz und knapp:
Wolfgang Borchert, Draussen vor der Tür.
Oder eine Ausgabe seiner Erzählungen, etc...

Gruss,
Thod

syco23
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Fr 22. Nov 2002, 19:07 - Beitrag #6

vielen, vielen Dank für deine Mühe, ich werde gleich mal mit dem Einkaufzellel losziehen und schauen was ich bekomme..

Gruß,
Syco

Edit: thanx, thod. "draußen vor der Tür" sagt mir sogar was. Ich schreib gleich auf die Einkaufliste dazu.

syco23
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Fr 22. Nov 2002, 21:48 - Beitrag #7

so, ich war jetzt mal ausleihen.

bekommen hab ich:

Gert Ledig (der schein ja nur über den 2. WK zu schreiben)
- Vergeltung
- Die Stalinorgel
- Faustrecht

von den anderen Beiden Autoren war leider momentan nix zu haben.

So, ich werd jetzt mal ein bisschen in die Bücher reinschnuppern.

Gruß,
Syco

Maglor
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So 1. Dez 2002, 19:00 - Beitrag #8

Ich empfehl mal "Wie war das eigentlich" von Max von der Grün.
Das schöne an dem Buch die Kombination von persönlicher und von Weltgeschichte. (Beruht auf Tatsachenberichten)
Außerdem sind immer wieder nette und unnette Zitate von berühmten Persönlichkeiten wie Erich Kästner Heinrich Himmler...
drin.
MfG Maglor

syco23
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Mo 2. Dez 2002, 15:45 - Beitrag #9

So, ich hab jetzt "Vergeltung" durch und auch schon eine Arbeit darüber und über den Autor geschrieben. Wenn ich mal wieder von zu Hause aus ins Netz kann, werde ich die Arbeit mal posten.

Danke nochmal an Fargo für diesen Tip! War ein spitzen Buch, das ich nur weiterempfehlen kann!

Gruß,
Syco

Fargo
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Mo 2. Dez 2002, 18:02 - Beitrag #10

Gern geschehen, Syco23. Und jau, gute Idee. Poste doch mal Deine Arbeit zum Buch. Eigenltich unvorstellbar, dass Ledig damals keinen Erfolg hatte, das Schreiben ganz aufgab und erst vor ein paar Jahren wiederentdeckt worden ist. Hat Dein Pauker ihn denn gekannt?

Fargo

syco23
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Sa 21. Dez 2002, 19:38 - Beitrag #11

o.k. hier mal meine Arbeit:
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Gert Ledig – „Vergeltung“

Scheinbar ist es eine unausgesprochene, aber unumgängliche Bedingung tot zu sein, um in der Welt der Literatur als prägend oder „wichtig“ anerkannt zu werden. Kaum anders erging es Gert Ledig, der in den 50er Jahren innerhalb von 3 Jahren 3 Bücher über den zweiten Weltkrieg und seine Folgen – „Die Stalinorgel“, „Vergeltung“ und „Faustrecht“ - verfasst hatte und danach für rund 4 Jahrzehnte in Vergessenheit geraten war. Aber immerhin war es ihm noch vergönnt kurz vor seinem Tod 1999 die Anfänge der Wiederentdeckung seines Werkes mitzuerleben und in die Ehre eines letzten Interviews zu kommen.


Gert Ledig

Gert Ledig, am 4. November 1921 in Leipzig geboren, meldete sich 1939 im Alter von 18 Jahren nach einer Ausbildung zum Elektrotechniker freiwillig zur Wehrmacht. 1942 wurde er wegen zwei schweren Verwundungen am Arm und am Unterkiefer wieder heim geschickt und erlebeste so nach dem Wahnsinn an der Front auch die großflächigen Bombardements der Alliierten deutscher Großstadte gegen Ende des Krieges selbst mit.

Noch während des Krieges arbeitete Ledig als Schiffsbauingenieur. In den harten Jahren nach dem Krieg übte er verschiedene Tätigkeiten aus und begann schließlich Anfang der 50er Jahre mit den Arbeiten zu seinem ersten Buch, „die Stalinorgel“, wo er den Kampf um eine Anhöhe im Zuge der Schlacht von Stalingrad beschreibt. Dieses Buch, erschienen 1955, machte ihn mit einem Schlag international bekannt und brachte ihm großes Anerkennen von Seiten der Kritiker und seiner Schriftstellerkollegen ein. Der ehemalige Wasagassen-Schüler Siegfried Lenz sprach von einem „staunenswerten Buch“ und die Kritik meinte man könne das Werk „zu dem Besten und Eindrucksvollsten rechnen, was je über den Krieg geschrieben wurde“.

Angespornt von diesem großen Zuspruch brachte Gert Ledig schon im nächsten Jahr das Buch „Vergeltung“ heraus, auf das ich hier genauer eingehen werde.


„Vergeltung“ – Der Wahnsinn des Krieges schonungslos dargestellt

„Lasset die Kindlein zu mir kommen. –
Als die erste Bombe fiel, schleuderte der Luftdruck die toten Kinder gegen die Mauer. Sie waren vorgestern in einem Keller erstickt. Man hatte sie auf den Friedhof gebraucht, weil ihre Väter an der Front kämpften und man ihre Mütter erst suchen musste. Man fand nur noch eine. Aber die war unter den Trümmern zerquetscht. So sah die Vergeltung aus.“


So beginnt Ledigs „Vergeltung“. Der Inhalt lässt sich ganz im Schreibstil des Romans in einem kurzen Hauptsatz zusammenfassen: Es geht um einen Luftangriff auf eine deutsche Stadt gegen Ende des zweiten Weltkriegs. Der konkrete Inhalt hat bei diesem Buch eine ganz andere Bedeutung als sonst. Es geht nicht um bestimmte Menschen, Einzelschicksale und in keinem Fall um eine spannende Geschichte. Die Protagonisten sind weder Helden noch Schurken, sondern Gestalten mit exemplarischen Erlebnissen, an Hand derer das Schicksal einer ganzen Generation in Erinnerung gerufen wird.

Da verbrennt eine Frau, das Gesicht eines jungen Soldaten wird zerfetzt, ein verschütteter vergewaltigt eine junges Mädchen zwischen den Trümmern, bevor er sich die Adern aufschlitzt. Ein amerikanischer Bomberpilot stürzt ab, wankt durch die brennende Stadt und stellt schließlich die Einwohner vor die Wahl zwischen Lynchjustiz und Hilfsbereitschaft. Am Ende ist auch er tot.

"Neben der Mutter stand eine Frau und brannte wie eine Fackel. Sie schrie. Die Mutter blickte sie hilflos an, dann brannte sie selbst.“

Gert Ledig versucht in einer klaren einfachen Sprache die großflächigen Bombardements deutscher und österreichischer Städte gegen Kriegsende dem Leser nicht nur zu beschreiben, sondern ihn auch den Schrecken des Krieges selbst spüren zu lassen. Und dieser Versuch ist ihm voll und ganz gelungen. Durch die „mosaikartige Montage synchroner Ereignisse“ (aus dem Nachwort) bekommt der Leser ein erschreckend realistisch erscheinendes Bild von den Auswirkungen der Luftangriffe der Alliierten. Ledig verzichtet weitestgehend auf detaillierte Beschreibungen und metaphorische Sprache und konzentriert sich auf das dramaturgisch Wesentliche.

Erklärungen oder angedeutete Lösungsvorschläge liefert uns der Autor keine. Nur manchmal – so selten, dass es (positiv) auffällt – kann er sich eine pointierte Ironie nicht verkneifen. Ansonsten bleibt er konsequent bei seinem nüchternen Telegrammstil. Ohne ein bestimmtes System stehen am Anfang jedes Kapitels kurze Selbstbeschreibungen der vorkommenden Charaktere – toter, später sterbender und überlebender. Diese Beschreibungen unterschiedlichster Menschen – zusammen als repräsentativer Querschnitt der Bevölkerung zu verstehen - haben den Zweck das willkürliche Zuschlagen der „Vergeltung“ zu verdeutlichen. Jeder war betroffen, manche hatten Glück, andere nicht. Persönliche Vergangenheit und gesellschaftlicher Status waren nicht von Bedeutung, alle saßen im selben Boot und wurden von Schicksal gleich hart bestraft.

Angesichts dieser Gleichheit aller, die Ledig herausarbeitet, ist es ein interessanter Kunstgriff, dass er den amerikanischen Bomberpiloten während dem Angriff abstürzen und durch die brennende Stadt irren lässt. Auch er ist nicht anders als die Deutschen: Teil eines gesichtlosen Unpersönlichen, nämlich dem Krieg. Was ihn trennt ist die Seite, der er angehört. Zuerst entgeht er auch nur knapp einer gra nicht wirklich gewollten Lynchjustiz, als sich zwei Arbeiter in einem Umspannwerk dazu verpflichtet fühlen den Angriff zu rächen. Schließlich landet er in einem Luftschutzkeller. Auch hier stellt sich die Frage, wie mit ihm zu verfahren sein. Schließlich siegt – ohne jeglichem Pathos dargestellt – die Menschlichkeit. Für den stark verletzten Piloten ist es aber ohnehin schon zu spät.

Am Ende des Buches ist der Angriff noch nicht vorüber. Die einzelnen episodenhaften Geschichten der noch lebenden sind nicht zu Ende, denn..

„Nach der siebzigsten Minute wurde weiter gebombt. Die Vergeltung verrichtete ihre Arbeit.
Sie war unaufhaltsam.
Nur das jüngste Gericht. Das war sie nicht.“


Was Ledig bewusst aus seinem Werk ausklammert ist die Schuldfrage. Böse Nazi-Funktionäre, gute Helfer und heldenhafte Taten wird man vergebenes suchen. Die Charaktere sind unfreiwillige Besetzung in einem sinnlosen Schauspiel. Jeder agiert so wie es sich aus seiner eigenen Lage und seiner psychischen Verfassung und Disposition heraus ergibt.

Was Ledig kritisiert ist der Krieg an sich. Und zwischen den Zeilen vieles was vorher und nachher passierte.

„Eine Stunde genügte, und das Grauen triumphierte. Später wollten einige das vergessen. Die anderen wollten es nicht mehr wissen. Angeblich hatten sie es nicht ändern können.“


„Vergeltung“ im Auge der Kritik – damals und heute

Während Gert Ledig mit seiner „Stalinorgel“ noch sehr erfolgreich war, war „Vergeltung“ für die Kritiker der 50er Jahre wohl zu hart. Die FAZ etwa schieb von einer „gewollt makaberen Schreckensmalerei“. Andere Zeitungen sahen den „Rahmen des Glaubwürdigen und Zumutbaren“ gesprengt und erkannten in diesem Werk ein „Gruselkabinett“ mit „abscheulicher Perversität“. Man war eben gerade erst selbst mit dem eigenen Erleben fertig geworden und noch nicht für eine derart drastische Darstellung des Krieges gefasst.

Ein weiteres Jahr später erschien sein letztes Werk, „Faustrecht“, in dem er die Not der Bevölkerung direkt nach dem Ende des zweiten Weltkrieg schildert. Auch dieses Buch erntete kaum Anerkennung. Offenbar sehr frustriert zog er sich sehr schnell wieder aus der Welt der Literaten zurück, was ihm auch nicht sonderlich schwer fiel, da er sich in Literatenkreisen wie der Gruppe 47 oder dem PEN, wo er gern gesehen worden wäre, nach eigener Aussage nicht so ganz recht am Platz vorkam.

In den folgenden vier Jahrzehnten blieb es sehr ruhig um Ledig. Er selbst schrieb bald nicht mehr, blieb aber noch eine Zeit lang mit einigen Literaten in Kontakt und engagierte sich zunehmend für den Kommunismus. Seine drei Bücher wurden nicht mehr neu aufgelegt und selbst in die umfangreichsten Lexika der Nachkriegsliteratur fand er kaum bis gar nicht Eingang.

Auch in einer Poetikvorlesung von des in England lebenden deutschen Autors W.G. Sebald im Jahre 1997 mit dem Titel „Luftkrieg und Literatur“ wurde Ledigs Werk nicht erwähnt. Erst die Diskussion, die sich aus dieser Vorlesung entwickelte brachte Ledigs „Vergeltung“ wieder ins Gespräch. Ledigs Trilogie über den zweiten Weltkrieg hielt wieder Einzug in die Köpfe der Literaturinteressierten und zumindest die ersten beiden Schriften, „Die Stalinorgel“ und „Vergeltung“, wurden plötzlich in den höchsten Tönen gelobt. Schnell kam es zu einer Neuauflage von „Vergeltung“, es folgten „Die Stalinorgel“ und „Faustrecht“.

Es ist wohl eine Ironie des Schicksals, dass Ledig diese Renaissance seines Werks kaum noch miterlebte – er starb etwa zeitgleich mit der Neuauflage von „Vergeltung“. Als ihn Volker Haage, der Verfasser des Nachworts der Neuauflage von „Vergeltung“ im Suhrkamp Verlag, im Oktober 1998 in Utting am Ammersee (Bayern) besuchte, wo er zurückgezogen lebte, hatte er mit seinem Leben als Schriftsteller längst abgeschlossen. Er zeigte sich aber sehr amüsiert und erfreut darüber, dass seine Bücher nun wieder Anerkennung fanden.

Während einem Spaziergang antwortete er auf die Frage, warum es nur bei den 3 Büchern geblieben ist: „Vielleicht hatte ich einfach keinen Stoff.“ Er hatte die Schrecken des Krieges selbst miterlebt und schließlich alles schonungslos in seinen Büchern niedergeschrieben. Vielleicht war seine Seele dadurch etwas genesen und die Triebfeder für sein Schreiben ohnehin weg. Eine klare Aussage über die wahren Beweggründe für seinen Rückzug aus der Literatur war ihm nicht zu entlocken.

Nach der harten Kritik an „Vergeltung“ hatte Ledig an seinen Verleger geschrieben „’Vergeltung’ war doch ein sehr starkes Buch und es wird so oder so seinen Weg machen. Zumindest ist eine Neuauflage nach dem dritten Weltkrieg gesichert“. Für eine Neuauflage hat es nicht so lange gebraucht - Bleibt abzuwarten wie viel Anerkennung Ledigs eben erst wiederentdecktes Werk nach weiteren 45 Jahren in der Welt der Kritiker und Leseratten finden wird. Immerhin wird „Vergeltung“ schon vom Suhrkamp Verlag zusammen mit einigen Duzend anderen Werke von Autoren wie Ingeborg Bachmann, Franz Kafka oder James Joyce im Rahmen der Reihe „Romane des Jahrhunderts“ verlegt.

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.. na, was sagt ihr?

Gruß,
Syco

Thod
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So 22. Dez 2002, 16:43 - Beitrag #12

hast du fein gemacht :D

Gruss,
Thod

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So 22. Dez 2002, 17:28 - Beitrag #13

Klasse arbeit...könnte mich als Musterbeispiel dran orientieren, wenn ich sowas im Abi auf machen "darf" !;)

Dav!d
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So 22. Dez 2002, 17:33 - Beitrag #14

"Im Westen nichts neues " spielt doch auch im 2ten WK und das Buch wird aus der Sicht eines Soldaten erzählt, oder irre ich mich da?

Thod
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So 22. Dez 2002, 17:36 - Beitrag #15

Das buch bezieht sich imho auf den 1. Weltkrieg, und wurde auch vor beginn des 2. veröffentlicht.

Gruss,
Thod

Fargo
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So 22. Dez 2002, 21:40 - Beitrag #16

Jau, syco23, ich find's auch sehr informativ und schlüssig. Du vermittelst ein gutes, vor allem, ein neugierig machendes Bild von Werk und Autor. Wie kam die Arbeit denn an?

@David: wie Thod schon bemerkte, "Im Westen nichts Neues" spielt im 1.Weltkrieg. Und ist auch sehr lesenswert. Die meisten anderen Romane über den WK 1 sind leider ziemlich in Vergessenheit geraten. Mit Ausnahme von Tolkiens "Herr der RInge". Was ich gar nicht als Scherz meine: dieses Fantasywerk hat Wurzeln in Tolkiens Erlebnissen während der ersten Schlacht an der Somme im Sommer 1916.

Fargo

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So 22. Dez 2002, 22:58 - Beitrag #17

@Fargo
Wurzeln ist immer so eine Sache. Er hat seine ersten Schriften zur Welt, wo auch der Herr der Ringe spielt, im Lazarett geschrieben. Und sicherlich hat der Krieg seinen Charakter auch beeinflusst, es starben dort auch alle seine Freunde, bis auf einen. Aber, dass der HdR praktisch als Verarbeitung des 1. Weltkriegs geschrieben ist, halte ich für falsch, eher schon das Silmarillion. Der HdR ist die anfangs nicht geplante Fortsetzung des Hobbits und dieser enthält ja "nur" eine Schlacht und ist auch sonst nicht sehr von der gesamten Kriegsthematik gezeichnet. Der HdR schon mehr, aber das kommt eben auch nicht nur davon, dass Tolkien den 1. Weltkrieg miterlebte, sondern IMHO eher davon, dass in den alten Mythen Krieg eine so große Rolle spielte.

@syco23
Mir hat deine Arbeit auch ganz gut gefallen. Der Stil ist auch gut lesbar und nicht so trocken wie meine Arbeiten immer ;).

Padreic

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Mo 23. Dez 2002, 10:14 - Beitrag #18

Gemach, Padreic. Ganz absichtlich habe ich den Begriff 'verarbeiten' vermieden. Den kann man ja leicht so auffassen, als werde was kühl und kontrolliert als Rohmaterial genutzt, und danach sei man dann mit der jeweiligen Erfahrung fertig, durch, habe sie bewältigt und könne sie auf den Speicher des Gedächtnisses zum sachten Einstauben räumen.

Und ich bestreite auch nirgends, dass der HdR noch Wurzeln in anderem als Tolkiens Kriegserfahrungen hat. Nur muss man sich mal vor Augen führen, welch dramatischer Einschnitt die Hölle an der Somme im inneren Leben des jungen Geisteswissenschaftlers war - übrigens auch ein dramatischer Einschnitt im kollektiven britischen Bewusstsein insgesamt, in der Geschichte des Empire, wie einige Historiker sagen.

Hier war die Zeitenwende, der Untergang einer alten Welt, der Umsturz aller vertrauten Werte, der Zusammenbruch des vermeintlich Ewigen kein literarischer Topos, kein Muster großer Epen. Sondern blutige Realität. Hier waren auch ideale und ihre traumatische Zerschlagung kein fiktionales Spiel. Sondern gegenwärtiges Zerfetztwerden der eigenen Seele - während man zuschauen musste, wie den anderen die Körper zerfetzt wurden.

Mir ist immer schleierhaft, wie dieses Erlebnis von vielen Tolkienfans als biographische Petitesse abgetan wird, als ginge es um die Sommerradtour eines angehenden britischen Autors durch Frankreich - "Mag sein, dass er da ein paar Anregungen und Kolorierungen aufgeschnappt hat".

Vielleicht tue ich Dir jetzt Unrecht, Padreic, Du darfst natürlich umgehend Protest erheben, aber es gibt bei den Tolkienistas eine Tendenz, den Autor von der Wirklichkeit abzunabeln, die Einflüsse unserer Realität auf Mittelerde so klein wie möglich zu reden, und die scheint mir auch in Deinem Einwurf durchzuschimmern.

Ich kann Dir da nur den Tipp geben: lies mal ein wenig nach über den WK 1, speziell über den Sommer 1916, die Offensive der Briten und Franzosen an der Somme, die eines der größten Debakel der leider langen Militärgeschichte wurde. Du wirst erstaunt sein, wie viele Motive des HdR Du da findest, wie viel näher große Themen plötzlich liegen, die vorher aus der Geistesgeschichte entlehnt schienen.

So ging's mir jedenfalls.

Fargo

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Mo 23. Dez 2002, 11:45 - Beitrag #19

@Fargo
Ich bin weit davon entfernt, den Einfluss dieser Schlacht zu verneinen oder auch nur für niedrig zu befinden. Ein Krieg verändert einen Menschen immer und besonders eine solche Schlacht. Der Herr der Ringe hätte sicherlich anders ausgesehen, wenn Tolkien diese nicht miterlebt hätte, doch ich denke, er hätte ihn trotzdem geschrieben. Eine Wurzel der Geschichte lag sicherlich in der Schlacht von Somme, doch es gab noch andere Wurzeln und die waren IMHO die stärkeren. Aber ich bin auch kein Spezialist für das Thema, ich habe weder die Kalevala noch den Beowulf gelesen und ich kenne mich auch nicht gut mit dem 1. Weltkrieg aus. Aber deinem Tipp werde ich wohl folgen.

Padreic

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Mo 23. Dez 2002, 19:46 - Beitrag #20

danke für die Blumen :) Bisher kam noch keine Rüchmeldung von meinem Deutschlehrer...

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