Urlaubsbericht: Strobl am Wolfgangssee

Der Kaktus auf dem Fensterbrett und der bedrohte Regenwald, Haustiere, die uns zu Kühlschrankbutlern erziehen, Wildtiere, die ihre Lebensräume verlieren, Reisen in die Einsamkeit und Erkundungen von Städten.
aleanjre
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Mi 27. Jul 2005, 22:42 - Beitrag #1

Urlaubsbericht: Strobl am Wolfgangssee

So, hier kommt der versprochene Reisebericht.
Aber wo anfangen? Schon wesentlich berufenere Geister als ich haben festgestellt: Über schöne Tage gibt es nichts wesentliches zu sagen.
Und es war wirklich sehr, sehr schön. Nun denn, ich versuche einfach mal, das Haar in der Suppe zu finden.

Wir waren auf einem Bauernhof, fünf Gehminuten vom See entfernt, etwas außerhalb des netten Dörfchens Strobl. Soweit war dieser Bauernhof eine echte Offenbarung: unglaublich herzliche, freundliche Vermieter, ein uriges Appartement mit mehr als genug Platz für uns alle. Es war günstig, morgens Frühstück mit frischer Kuhmilch, hausgemachtem Topfen (Quark) und frisch eingekochter Marmelade...
Aber ja, Abstriche gab's auch. War ja schließlich ein Bauernhof. Sprich: öffnete man das Fenster, atmete man frische Landluft. Und die ist nun mal nichts, das man begeistert inhaliert und in Flaschen gezogen nach Hause nehmen will. Dazu brauchte es eine gewisse Toleranz für Spinnen jeder Größe, Fliegeninvasionen und gelegentlich daumengroße Käferchen.

Das Wetter war die meiste Zeit prima. Nachts Regen, tagsüber wonniger Sonnenschein. Aber ganz sind die großen Überschwemmungen nicht an uns vorbeigegangen. Am 2. Tag hat es gekübelt ohne Ende. Ich stand am Fenster, beobachtete den Bach, der normalerweise possierlich neben dem Hof daherplätscherte, wie er reichlich frech sein Bett verließ und den Weg überschwemmte. Der Bauernhof neben uns, mehr bergab gelegen, hätte in seiner Hofauffahrt Goldfische aussetzen können. War beeindruckend!
Während ich also entspannt zusah, wie Schwalben ihren Spaß im Regen hatten und der Minivan unserer Nachbarn langsam immer mehr Schlagseite im Matsch bekam, half mein Liebster "unseren" Bauern, schlimmeres zu verhüten, indem er Sand schippte, Drainagen im Weg zog...
Das war's aber auch schon. Das Umland des Wolfgangssees ist ein großes Moor, es gab also genug Versickerungsgrund. Ein Glück! Da, wo wir die letzten Jahre Urlaub gemacht haben, in den Tauern, ist so richtig die Post abgegangen: Muren, ganze Dörfer von der Welt abgeschnitten etc. Netterweise haben sich sämtliche schwere Gewitter in den 3 Wochen immer dort aufgehalten. Nett für uns, bedauerlich für die Leute dort.

Einen Wasserschaden haben wir dennoch mitgenommen: Irgendein Abflussventil an unserem Auto war verstopft, und massig Regenwasser schwappte ins Innere. Das waren dann mal so eben 185 Euro aus der Reisekasse, um die Dichtung austauschen und alles trockenpusten zu lassen. :(

Meine Familie liebte es, im Wolfgangssee zu schwimmen und plantschen. Ich, bekennende Frostbeule mit Lizenz, bin dem Gewässer nicht allzu nah gekommen. 17°C ist mir entschieden zu kalt. Es war ja nicht weit bis zum Strandbad, und mit unserer Gästekarte kamen wir zum halben Preis rein.
Wir hatten dort durchaus einige glückliche Stunden. Ich persönlich aber auch meinen persönlichen Urlaubsdämpfer:

An einem Tag, wir wollten gerade gehen, brüllte plötzlich jemand in ein Micro:
"Alle Schwimmer nach rechts, da ist angeblich ein Mann im Wasser!"
Mein Männe war schon angezogen. Er dirigierte die Kinder Richtung Spielplatz, ich zog mir rasch die Schuhe an, denn es war klar...
Und schon brüllte der Mann wieder ins Micro, deutlich in Panik:
"ICH BRAUCHE SOFORT EINEN ARZT ODER EINE KRANKENSCHWESTER!"
Yow. Er sagte nur nicht, wohin. Das Gelände ist sehr groß.
Ich rannte erst mal dahin, wo ich den Typ mit dem Micro vermutete. Verständnislose Menschen schickten mich zum Eingang. Dort winkte man mich nach rechts unten des Geländes.
Der Mann wiederholte seinen Aufruf in steigender Verzweiflung. Ich sah nun den Menschenauflauf rannte hin. Und landete im Chaos. Ein alter Mann lag noch halb im Wasser. Irgendjemand versuchte Herzmassage. Niemand beatmete. Diskussionen über Sinn und Unsinn von stabiler Seitenlage. Chaos. Alptraum. Null Lebenszeichen.
Hab die Herzmassage übernommen und rumgebrüllt, das jemand beatmen müsse. Keiner fühlte sich berufen. Hab selbst übernommen, jemand fand sich für die HM. Immer wieder den Mann seitlich gerollt, um das Wasser aus den Lungen laufen zu lassen: er war bis zum Anschlag voll. Es dauerte mehr als 5 Minuten, bis die Ersthilfe so koordiniert war, dass es lief. 10, bis wir anständig Luft in die Lungen bekamen. 20, bis die Sanitäter kamen. Noch 3 mehr, bis der Notarzt via Boot eingeschifft war. Der alte Mann hatte niemals eine Chance gehabt. Es wurde zwar fleißig weiter reanimiert, es kam noch ein Rettungshubschrauber. Aber das war alles nur Show für die Leute. Der Mann war schon verloren, bevor man ihn aus dem See gezogen hatte. Es war ein Einheimischer, 80 Jahre alt. Vermutlich war er in der Hitze zu schnell in das eisige Wasser gegangen, hatte friedlich einen Herzschlag erlitten und war schon tot, bevor er unter Wasser ging. Niemand hatte einen Ertrinkungskampf bemerkt, und angeblich war er lediglich 5, 6 Minuten vermisst.

Nun denn. Es war zum Glück nicht meine erste Begegnung mit dem Tod. Aber mehr als beeindruckend war es schon, zumal mein erstes Ertrinkungsopfer. :(

Genauso beeindruckend war die Nebenerkenntnis aus dieser Sache: Es gab keine Rettungsschwimmer im Bad, keine geschulte Aufsicht. Aber genauso wenig ein Schild, das hinwies: "Baden auf eigene Gefahr".
Haben das mal in der Information von Strobl angemerkt. Die Damen waren sichtlich peinlich berührt.
Es war Gottseidank der einzige Zwischenfall dieser Art.

Die Kinder waren abwechselnd super entzückend oder super motzig. Aber das war schon in Ordnung. Auch, dass meine Kurze zwischendurch krank wurde: ein Anfall von Ringelröteln. Das war noch das harmloseste, das sie sich zuziehen konnte. Sie hatte kein Fieber, und ansteckend ist man nicht mehr, wenn die Exantheme sich zeigen. So sah sie zwar äußerst lustig aus, war aber voll einsatzfähig.

Tja, und mehr fällt mir nicht ein, denn sonst war alles perfekt: wunderschöne Landschaft, prima Essen, gute Laune, nette Menschen, keine Langeweile.

@Jan: In St. Gilgen, dem Urlaubsdorf des "Dicken", ist man gar nicht so gut auf diesen Herren zu sprechen. Hat was mit seinem unhöflichen Verhalten zu tun.
Zum weißen Rössl könnte ich dir eine nette Anekdote erzählen, wenn du möchtest. ;)

Feuerkopf
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Do 28. Jul 2005, 01:11 - Beitrag #2

Herrje,
Alea fährt in den Urlaub und könnte anschließend locker ein Buch darüber schreiben: Unwetter, Unglück, Kinderkrankheit. Das pralle Leben, halt. ;)

Wenn wir uns im August treffen, hoffe ich auf die passenden Anekdoten!

Danke für den Bericht, Breda.

janw
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Do 28. Jul 2005, 11:58 - Beitrag #3

Tja, scheint ein erlebnisreicher Urlaub gewesen zu sein, und insgesamt ein schöner :)
Bei 17 Grad wäre ich aber auch nicht freiweillig baden gegangen;) *fröstel*

Jetzt frag ich mich nur, soll ich mich freuen, daß mein Voruteil über den Dicken bestätigt wurde?;)
Jau, eine Anekdote wäre was feines! :)

fanvarion
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Do 28. Jul 2005, 14:12 - Beitrag #4

[quote="janw"]
Bei 17 Grad wäre ich aber auch nicht freiweillig baden gegangen]

Hi janw
Ein bekennender Schwimmer im Wolfgangsee empfindet Temperaturen ab 23°C als Badewannenwasser.
Das Wasser ist so klar sauber und sobald das Wasser das erste mal über einem zusammenschlägt sehr erfrischend.

Der Dicke ist am ganzen See nicht so gern gesehen,aber am wenigsten in Strobl dort hat er sich mal daneben benommen bei einem öffentlichen Auftritt.

fanvarion

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Do 28. Jul 2005, 15:57 - Beitrag #5

Einen Ertrinkenden nicht retten zu können, ist sicher eine bewegende Erfahrung, stelle ich mir vor. Die Tatsache, dass es in diesem Fall ein älterer Herr war, der beim Baden wahrscheinlich eher friedlich verstorben ist, würde mir sicher helfen. Die Situation mit den umstehenden Schaulustigen kann ich mir bildlich vorstellen. So etwas ärgert mich mehr, als jeder tote Mensch.

Manchmal denke ich, der Tod lauert an jeder Ecke und die Menschen wiegen sich in einer unfaßbaren Sicherheit, die nur jenseits des gesunden Menschenverstandes zu erfassen ist. Das beste Beispiel sind die Motorradfahrer in der Eifel. Die Unfälle dort sind meistens auf zu schnelles Fahren und ein Fehleinschätzen der eigenen Fähigkeiten zurückzuführen. Dabei sind unter den Temposündern sogar ältere Menschen von 50 aufwärts. Die Kreuze am Straßenrand sehen jedoch nur die Wenigsten.

Oder wer fährt dieser Tage noch gerne mit der Tube, mit einem Doppeldecker durch London? Nichts ist sicher.

Vielleicht sagen uns solche Vorfälle umso mehr, wie zerbrechlich wir sind und für wie selbstverständlich wir das Leben halten. Es ist es nicht, und dieser Gedanke kann zu der freudigen Entdeckung führen, eine wahre Kostbarkeit zu besitzen. Das wäre vielleicht ein mentaler Urlaub von jedweder Banalität.

janw
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Do 28. Jul 2005, 21:27 - Beitrag #6

Tja, auf die Angelegenheit mit dem Schwimmer war ich ersten nicht eingegangen, sicher ein sehr bewegendes Erlebnis, das man niemandem wünscht.
Aber solche Unfälle passieren jeden Sommer, sicher 20 solcher Fälle findet man in der Zeitung. Traurig nur, daß die einschlägigen Badeorte daraus keine Lehren ziehen, so wenig für die Sicherheit tun. Es hätte auch ein Kind sein können, das von einer Luftmatratze gerutscht ist - dann hätten Rettungsschwimmer sicher etwas machen können.

Das mit der Kostbarkeit hast Du schön gesagt, Spender! :)

aleanjre
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Fr 29. Jul 2005, 10:29 - Beitrag #7

Wirklich schön gesagt, Spender. :)
Es ist zum Teil aber auch dieses falsche Vertrauen in die eigene Unverletzlichkeit, das die Menschen glücklich macht. Sie verdrängen bewusst jeden Gedanken an Tod und Gefahr. Das passiert den anderen. Mir nicht! Wie schnell es gehen kann, welches seidendünne Nichts Tod und Leben trennt, ist wahrlich aufregend.

Die Schaulustigen haben sich erstaunlicherweise wirklich gut benommen! Sie hielten Abstand, und als die Sanitäter angeflogen kamen (wörtlich zu verstehen - der Wagen hüpfte mit Vollgas über die Bodenwellen) sind sie weiträumig zu Seite und haben niemanden behindert. Zwischendurch kamen einige an, wollten sichtlich helfen, indem sie Handtücher anboten etc. Zu keiner Zeit hat jemand gestört, wer glotzen wollte, blieb anständig an der Seite.

Prinzipiell ist die Ertrinkungsgefahr in diesem Strandbad nicht groß gewesen. Das Ufer ist flach, kleine Kinder hielten sich im Bereich des Steges auf, wo ein Erwachsener in voller Länge stehen kann. Das Wasser ist glasklar.
Die Verletzungsgefahr ist dafür wesentlich größer. An den Kieseln im Uferbereich kann man sich die Fußsohlen aufschneiden, und es befinden sich mehrere Schwäne im Wasser. Die sind zwar an Trubel gewöhnt, aber wenn einer mal schlechte Laune bekommt...
Es ist irgendwie eine ärgerliche Erkenntnis, dass nicht einmal jemand da ist, der eine Schnittwunde mal kurz desinfizieren und verpflastern kann. Ich hoffe, es wird bald ein Schild aufgestellt, dass man sich auf eigene Gefahr dort befindet.

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Fr 29. Jul 2005, 10:33 - Beitrag #8

Danke, Jan & Aleanjre. Ja, leider ist aber wohl so, dass man doch recht schnell wieder in den "alten Trott" zurückfällt und allzuleicht vergißt, wie kostbar das Leben ist. In manchen Berufen wird man sicher öfters daran erinnert und irgendwo ist es auch eine Einstellungssache eines jeden Einzelnen. Nicht jeder will oder kann darüber nachdenken. Für manche wäre es jedoch wirklich besser, wenigstens einmal darüber nachzudenken; z.B. bei den erwähnten Motorradfahrern in der Eifel. Zuletzt gab es darüber noch einen Bericht im Fernsehen.
Zitat von aleanjre: Es ist zum Teil aber auch dieses falsche Vertrauen in die eigene Unverletzlichkeit, das die Menschen glücklich macht. Sie verdrängen bewusst jeden Gedanken an Tod und Gefahr. Das passiert den anderen. Mir nicht! Wie schnell es gehen kann, welches seidendünne Nichts Tod und Leben trennt, ist wahrlich aufregend.
Ja, da ist was dran. Die Menschen sind nunmal alle unterschiedlich und Verdrängung ist wohl eher die Regel, vor allem im Hinblick auf den Tod, der sowieso größtenteils tabuisiert wird.
Erstaunlich dass die Schaulustigen so gut reagierten. Da habe ich schon anderes erlebt.

An Kiessteinen habe ich mir auch schon die Füße aufgeschnitten. Das ist wirklich nicht ohne! Selbst bei guter Hornhaut kann dass böse enden, z.B. mit einer Blutvergiftung, wenn man Pech hat.

Ansonsten wollte ich noch sagen, dass so ein Urlaub am See bestimmt irre schön ist und die Landluft keineswegs immer so schlimm riechen muß. ;) Dabei denke ich u.a. an die harzige Morgenluft in Tannenwäldern. Die direkte Nähe eines Bauernhofes ist in dieser Hinsicht bestimmt nicht der idealste Ort.

Meine Schwester hatte übrigens einmal ein drastisches Erlebnis im Bezug auf große schwarze Käfer in Bayern. Ihr Auto war nämlich am nächsten Morgen komplett mit den Viechern bedeckt! ( Es war allerdings ein Golf und kein Käfer und die Tierchen konnten sicher nicht dafür. ;) ) Aufgefallen war es schon von weitem, so nach dem Motto: "Schau mal, unser Auto hat die Farbe gewechselt...!" :boah:


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