Eine Stadt, die ich leider bisher nur aus einigen Schilderungen und Bildern und irgendwo als Mythos kenne. Wobei mir dieses "Mythische" diese Stadt eigentlich interessant macht, es mich anderseits auch reizt zu ergründen, worin dieses "Mythische" genau sich manifestiert und was dahinter ist.
Zu meinem Bild von der Stadt hat auf eine nicht ganz genau beschreibbare Weise auch ein Lied beigetragen, das in den 80er Jahren von dem Liedermacher (und Satiriker? Oder ist das in Wien zwangsläufig eine Zwangsehe in einer Person?) Rainhard Fendrich geschrieben wurde: "Haben Sie Wien schon bei Nacht gesehen?"
Hier der Text, um den es geht:
Haben Sie Wien schon bei Nacht gesehen?
Haben Sie das schon erlebt?
Man sieht zwar nicht, ob die Bäume blühen,
welche besonders beliebt.
Hoffen Sie nicht auf den Walzerklang
oder auf Herzen aus Gold.
Man hat sich davon schon Gott sei Dank
einigermaßen erholt.
Unter Tags ist sie schön,
fotogen wie man weiß.
In der Nacht wird sie heiß
und verschlingt jedes Eis.
Gut Sie waren in Übersee,
in New York und L.A.,
in Rio De Janeiro
wurden Sie auch nicht froh.
Sie kennen Tel Aviv
besonders intensiv,
Sie träumen von Paris,
von Moskau träumt man ohnedies.
Doch haben Sie Wien schon bei Nacht gesehen?
Haben Sie das schon erlebt?
Man sieht zwar nicht, ob die Bäume blühen,
welche besonders beliebt.
Achten Sie nicht auf das Riesenrad,
so etwas lenkt Sie nur ab.
Wie es sich oft schon bewiesen hat,
wird Ihre Zeit viel zu knapp.
Diese Stadt ist ein Schrei,
sie ist high und modern!
Alle lieben den Duft,
alle haben sie gern.
Gut Sie waren in Übersee,
in New York und L.A.,
in Rio De Janeiro
wurden Sie auch nicht froh.
Sie lieben Mexiko,
wie Rom und Tokio,
Sie machten in Beirut
oft tagelang kein Auge zu.
Doch haben Sie Wien schon bei Nacht gesehen?
Haben Sie das schon erlebt?
Man sieht zwar nicht, ob die Bäume blühen,
welche noch immer beliebt.
Fragen Sie nicht nach dem Stephansdom,
wann und warum er gebaut.
Suchen Sie nicht nach dem Donaustrom,
den hat man sicher verstaut.
Diese Stadt wird nie satt
sie verlangt einfach mehr.
Alle zieht es dahin
alle mögen sie sehr.
Gut Sie waren in Übersee,
in New York und L.A.,
in Rio De Janeiro
wurden Sie auch nicht froh.
Sie fuhren durch die Welt,
sogar nach Fürstenfeld.
Sie haben Bern bereist,
was aber noch gar nichts heißt.
Denn haben Sie Wien schon bei Nacht
gesehen?
Haben sie das schon erlebt?
Die "Mythische" Konnotation läuft für mich auf eine Beschreibung der Stadt als Manifestation des Morbiden hinaus, wobei mir nicht klar ist, woher diese Zuschreibung rührt und wie sie zu sehen ist. Hat es etwas mit der Zeitbetrachtung der Menschen in einer der kulturellen Blütephasen um 1900 zu tun, einer Epoche, die auch als Fin de siecle bezeichnet wird? Dies wäre für mich indes ein wenig verwunderlich, da dieses Lebensgefühl von Frankreich ausgehend damals die gesamte Befindlichkeit der kulturellen Szene in Mitteleuropa prägte.
Das Lied läuft für mich auf eine Ironisierung einer "Nabel der Welt" - Betrachtung der Wiener hinaus, wobei allerdings unklar bleibt, was an der Stadt so reizvoll sein soll, nachdem alle vermeintlichen Sehenswürdigkeiten wie Stephansdom, Walzer, Riesenrad, sogar die blühenden Bäume für belanglos erklärt worden sind. Ein "heißes Nachtleben" verspricht wohl jede Stadt, modern und high zu sein ist gleichfalls universeller urbaner Anspruch.
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