So, hier kommt der versprochene Reisebericht.
Aber wo anfangen? Schon wesentlich berufenere Geister als ich haben festgestellt: Über schöne Tage gibt es nichts wesentliches zu sagen.
Und es war wirklich sehr, sehr schön. Nun denn, ich versuche einfach mal, das Haar in der Suppe zu finden.
Wir waren auf einem Bauernhof, fünf Gehminuten vom See entfernt, etwas außerhalb des netten Dörfchens Strobl. Soweit war dieser Bauernhof eine echte Offenbarung: unglaublich herzliche, freundliche Vermieter, ein uriges Appartement mit mehr als genug Platz für uns alle. Es war günstig, morgens Frühstück mit frischer Kuhmilch, hausgemachtem Topfen (Quark) und frisch eingekochter Marmelade...
Aber ja, Abstriche gab's auch. War ja schließlich ein Bauernhof. Sprich: öffnete man das Fenster, atmete man frische Landluft. Und die ist nun mal nichts, das man begeistert inhaliert und in Flaschen gezogen nach Hause nehmen will. Dazu brauchte es eine gewisse Toleranz für Spinnen jeder Größe, Fliegeninvasionen und gelegentlich daumengroße Käferchen.
Das Wetter war die meiste Zeit prima. Nachts Regen, tagsüber wonniger Sonnenschein. Aber ganz sind die großen Überschwemmungen nicht an uns vorbeigegangen. Am 2. Tag hat es gekübelt ohne Ende. Ich stand am Fenster, beobachtete den Bach, der normalerweise possierlich neben dem Hof daherplätscherte, wie er reichlich frech sein Bett verließ und den Weg überschwemmte. Der Bauernhof neben uns, mehr bergab gelegen, hätte in seiner Hofauffahrt Goldfische aussetzen können. War beeindruckend!
Während ich also entspannt zusah, wie Schwalben ihren Spaß im Regen hatten und der Minivan unserer Nachbarn langsam immer mehr Schlagseite im Matsch bekam, half mein Liebster "unseren" Bauern, schlimmeres zu verhüten, indem er Sand schippte, Drainagen im Weg zog...
Das war's aber auch schon. Das Umland des Wolfgangssees ist ein großes Moor, es gab also genug Versickerungsgrund. Ein Glück! Da, wo wir die letzten Jahre Urlaub gemacht haben, in den Tauern, ist so richtig die Post abgegangen: Muren, ganze Dörfer von der Welt abgeschnitten etc. Netterweise haben sich sämtliche schwere Gewitter in den 3 Wochen immer dort aufgehalten. Nett für uns, bedauerlich für die Leute dort.
Einen Wasserschaden haben wir dennoch mitgenommen: Irgendein Abflussventil an unserem Auto war verstopft, und massig Regenwasser schwappte ins Innere. Das waren dann mal so eben 185 Euro aus der Reisekasse, um die Dichtung austauschen und alles trockenpusten zu lassen.
Meine Familie liebte es, im Wolfgangssee zu schwimmen und plantschen. Ich, bekennende Frostbeule mit Lizenz, bin dem Gewässer nicht allzu nah gekommen. 17°C ist mir entschieden zu kalt. Es war ja nicht weit bis zum Strandbad, und mit unserer Gästekarte kamen wir zum halben Preis rein.
Wir hatten dort durchaus einige glückliche Stunden. Ich persönlich aber auch meinen persönlichen Urlaubsdämpfer:
An einem Tag, wir wollten gerade gehen, brüllte plötzlich jemand in ein Micro:
"Alle Schwimmer nach rechts, da ist angeblich ein Mann im Wasser!"
Mein Männe war schon angezogen. Er dirigierte die Kinder Richtung Spielplatz, ich zog mir rasch die Schuhe an, denn es war klar...
Und schon brüllte der Mann wieder ins Micro, deutlich in Panik:
"ICH BRAUCHE SOFORT EINEN ARZT ODER EINE KRANKENSCHWESTER!"
Yow. Er sagte nur nicht, wohin. Das Gelände ist sehr groß.
Ich rannte erst mal dahin, wo ich den Typ mit dem Micro vermutete. Verständnislose Menschen schickten mich zum Eingang. Dort winkte man mich nach rechts unten des Geländes.
Der Mann wiederholte seinen Aufruf in steigender Verzweiflung. Ich sah nun den Menschenauflauf rannte hin. Und landete im Chaos. Ein alter Mann lag noch halb im Wasser. Irgendjemand versuchte Herzmassage. Niemand beatmete. Diskussionen über Sinn und Unsinn von stabiler Seitenlage. Chaos. Alptraum. Null Lebenszeichen.
Hab die Herzmassage übernommen und rumgebrüllt, das jemand beatmen müsse. Keiner fühlte sich berufen. Hab selbst übernommen, jemand fand sich für die HM. Immer wieder den Mann seitlich gerollt, um das Wasser aus den Lungen laufen zu lassen: er war bis zum Anschlag voll. Es dauerte mehr als 5 Minuten, bis die Ersthilfe so koordiniert war, dass es lief. 10, bis wir anständig Luft in die Lungen bekamen. 20, bis die Sanitäter kamen. Noch 3 mehr, bis der Notarzt via Boot eingeschifft war. Der alte Mann hatte niemals eine Chance gehabt. Es wurde zwar fleißig weiter reanimiert, es kam noch ein Rettungshubschrauber. Aber das war alles nur Show für die Leute. Der Mann war schon verloren, bevor man ihn aus dem See gezogen hatte. Es war ein Einheimischer, 80 Jahre alt. Vermutlich war er in der Hitze zu schnell in das eisige Wasser gegangen, hatte friedlich einen Herzschlag erlitten und war schon tot, bevor er unter Wasser ging. Niemand hatte einen Ertrinkungskampf bemerkt, und angeblich war er lediglich 5, 6 Minuten vermisst.
Nun denn. Es war zum Glück nicht meine erste Begegnung mit dem Tod. Aber mehr als beeindruckend war es schon, zumal mein erstes Ertrinkungsopfer.
Genauso beeindruckend war die Nebenerkenntnis aus dieser Sache: Es gab keine Rettungsschwimmer im Bad, keine geschulte Aufsicht. Aber genauso wenig ein Schild, das hinwies: "Baden auf eigene Gefahr".
Haben das mal in der Information von Strobl angemerkt. Die Damen waren sichtlich peinlich berührt.
Es war Gottseidank der einzige Zwischenfall dieser Art.
Die Kinder waren abwechselnd super entzückend oder super motzig. Aber das war schon in Ordnung. Auch, dass meine Kurze zwischendurch krank wurde: ein Anfall von Ringelröteln. Das war noch das harmloseste, das sie sich zuziehen konnte. Sie hatte kein Fieber, und ansteckend ist man nicht mehr, wenn die Exantheme sich zeigen. So sah sie zwar äußerst lustig aus, war aber voll einsatzfähig.
Tja, und mehr fällt mir nicht ein, denn sonst war alles perfekt: wunderschöne Landschaft, prima Essen, gute Laune, nette Menschen, keine Langeweile.
@Jan: In St. Gilgen, dem Urlaubsdorf des "Dicken", ist man gar nicht so gut auf diesen Herren zu sprechen. Hat was mit seinem unhöflichen Verhalten zu tun.
Zum weißen Rössl könnte ich dir eine nette Anekdote erzählen, wenn du möchtest.