Athen im Juli

Der Kaktus auf dem Fensterbrett und der bedrohte Regenwald, Haustiere, die uns zu Kühlschrankbutlern erziehen, Wildtiere, die ihre Lebensräume verlieren, Reisen in die Einsamkeit und Erkundungen von Städten.
Lykurg
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Sa 1. Jul 2006, 18:56 - Beitrag #1

Athen im Juli

Ankunft aus Wien heute mittag (allerdings dank kräftiger Verspätung des Fliegers und einer Stunde Zeitverschiebung hier eigentlich schon zu spät zum Mittagessen). Miserabler Austrian-Air-Service: Auf einem Zwei-Stunden-Flug keinerlei Nahrungsverteilung außer einem "Mozartwürfel" (Mozartkugeln schmecken besser^^) - man hätte sich für €4 ein Sandwich kaufen können. Man dankt. Die Billigflieger, die ich bisher kennengelernt habe (Air Berlin, RyanAir, GermanWings) verteilen auch auf einem Kurzstreckenflug grundsätzlich wenigstens ein Sandwich (oder mehr). :rolleyes:

Anschließend etwas herumgelaufen (die Straße "Lykourgou" liegt ganz in der Nähe^^), denkwürdiger Athen-Salzburg-Vergleich; Wasser gekauft, beim Fußball geschlafen (heissss!), ausgeruht (zum 3. Mal heute geduscht), jetzt unbedingt zum Essen gehen wollen. :)

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So 2. Jul 2006, 22:52 - Beitrag #2

Heute waren wir nach einem gemütlichen Frühstück (mit lecker Joghurt mit Honig) den ganzen Tag über auf der Akropolis. Vormittags hatten wir glühenden Sonnenschein - durften aber keine Rucksäcke mit nach oben nehmen, was von der Wasserversorgung her ärgerlich war. Ich hatte mich zwar gründlich, aber nicht allumfassend eingecremt - ein paar Stellen brennen jetzt lichterloh. Die Wächter auf der Akropolis gehören zum unfreundlichsten Menschenschlag, den ich in dem Beruf bisher so kennengelernt habe - reichlich Einsatz von Trillerpfeifen, scheppernden Glocken und "DON'T". Eine Wächterin wollte nicht, daß wir abseits vom Weg über ein paar (vermutlich moderne) Treppenstufen diskutierten, ein anderer Wächter scheuchte uns vom Weg, damit wir ihn nicht blockierten. Als dann abends das Akropolismuseum schloß, schepperte eine Wächterin so mißtönend und langanhaltend mit ihrer Glocke, daß eine meiner Kommilitoninnen Schwierigkeiten hatte, ihren Vortrag zu beenden.

Schon der Weg hinauf, vorbei an Hadriansbibliothek und Agora, vorbei an in voller Blüte stehenden Oleandern, mit Turteltauben in den Kiefern und Panathenäenzug der Riesenameisen, war sehr reizvoll, zu unserer besonderen Unterhaltung rannten auch noch ein paar Verdächtige vor einigen Polizisten weg, erklommen blitzschnell eine antike Mauer und verschwanden. Wir stiegen stattdessen (wesentlich gemächlicher) auf den Areopag und genossen den Rundblick. Von dort aus verschlug es uns, wie erwähnt, auf die Akropolis; es war gut, daß wir den ohnehin schon glitschigen Areopagfelsen nicht erst nachmittags besuchten, denn da regnete es (was mir sehr angenehm war). Abends haben wir sehr gemütlich und ausgiebig gegessen, ich wurde zur Restevertilgung eingeteilt (was für ein grausiges Amt!^^)

janw, du wolltest doch bestimmt schon einmal ein Tier wie dieses sehen - ist es ein Löwe mit Zitzen, eine Löwin mit Mähne oder gibt es eine befriedigendere Erklärung als archaische Unwissenheit/Indifferenz?

janw
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So 2. Jul 2006, 23:35 - Beitrag #3

Lykurg, Du wurdest zum Geier gemacht? :wzg:

Das nette Thierlein sieht mir nach Löwin aus mit Jungem unten drunter.
In Rom hätte ich es evtl. zur Wölfin umgedichtet.
Nur, was hat eine Löwin mit Athen zu tun?

Lykurg
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Mo 3. Jul 2006, 06:38 - Beitrag #4

Das "Junge" drunter ist ein Stier, in dessen appetitlich dargebotene Hinterbacke sie gerne beißen möchte. Die interessante Frage für uns war aber: WzG (übrigens: warum bin ich ein Geier?) hat eine Löwin eine wallende Mähne? (Auf dem Foto nicht perfekt zu erkennen, aber der gesamte beschädigte Bereich ist Mähne). Daß Löwinnen jagen, hatten wir bereits festgestellt (jagen Löwen auch?) - aber dieses Vieh erschien uns etwas fragwürdig.

Es handelt sich um eines von mehreren großen, leider nicht einem bestimmten Tempel der Akropolis zuweisbaren, aber eindeutig dort gefundenen Giebelschmuckfragmenten. Der Stil ist (attisch-)früharchaisch genug, um die Verbindung nach Rom (das erst 150 Jahre vorher schlüpfte) als eher unwahrscheinlich zu bewerten. ;) Außerdem gab es in Griechenland damals wohl noch Löwen, von Italien weiß ich nichts dergleichen.

janw
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Mo 3. Jul 2006, 20:48 - Beitrag #5

ich wurde zur Restevertilgung eingeteilt (was für ein grausiges Amt!^^)

:wzg: ;)

Stimmt, es ist wohl ein armes Rindviehch, das da unter dem Löwen liegt.
Was den Löwen selbst betrifft, ist das Fries merkwürdig.
Die Zitzen am Bauch deuten für mich auf ein Weibchen hin, allerdings haben die keine Mähne. Bemerkenswert auch die lange Linie am Rande des Bauches:
Der Asiatische Löwe...Hautfalte, die sich in der Mitte des Bauches entlangzieht.

Vielleicht gehörten die Löwen des Balkans ja dieser Unterart an, oder das Fries hatte historisch entsprechende geographische Bezüge nach Asien.

Oder handelt es sich um eine Sphinx?

Lykurg
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Mo 3. Jul 2006, 22:15 - Beitrag #6

Nein, keine Sphinx, es hat eindeutig einen Löwenkopf. Aber genau das Rätsel stellte sich uns auch. Heute morgen wies meine Professorin aber darauf hin, daß es in der Archaik Tierdarstellungen mit männlichen und weiblichen Geschlechtsmerkmalen gewissermaßen als Sinnbild des übergreifenden Wesens dieses Tieres gab, und diese Beobachtung insofern nicht überzubewerten sei.

***

Heute waren wir rund um die Akropolis unterwegs - morgens angefangen mit einer Führung durch das Dionysostheater und den dazugehörigen heiligen Bezirk durch eine für diese Region zuständige Archäologin (die uns einige ganz aktuelle, zum Teil noch nicht publizierte Forschungsergebnisse etwa zur Datierung des alten Dionysostempels oder zur Positionierung der unter Lykurg aufgestellten Statuen der drei Tragiker Sophokles, Aischylos und Euripides mitteilen konnte). Es war sehr spannend und ein guter Anfang der Exklusivität des Tages (nach den Allerweltsveranstaltungen gestern): Weiter ging es im Asklepieion, das eigentlich wegen Bauarbeiten geschlossen ist, geführt von einer weiteren Spezialistin, die uns etwa auf die Kultkontinuität aufmerksam machte: Der Kult des Heilgottes Asklepios, nachgewiesen ab dem 5. Jh. v. Chr., ging nach der Christianisierung über in den der heiligen Ärzte Cosmas und Damian; die Wunderquelle in der dazugehörigen Grotte gilt bis heute als heilsam, nur daß sich dort heute eine Marienkapelle mit Cosmas-und-Damian-Verehrung befindet (vollgehängt mit Ikonen).

Nach einem kurzen Blick auf das Odeon des Herodes Atticus ließ man uns dank Sondergenehmigung tatsächlich an den Nordabhang der Akropolis, der für Touristen nicht zugänglich ist (und den auch die Dozentin in gut 30 Jahren Athenbesuchen nie hatte sehen dürfen). Dort befindet sich eine Reihe von Grotten mit Nischen, in denen ursprünglich Votivtäfelchen aufgestellt waren; außerdem zwei Brunnenanlagen und eine ganze Reihe von Inschriften, zum Teil kaum als solche zu erkennen (es war sehr unterhaltsam, in der ganzen Gruppe danach zu suchen). Immer wieder bewundernde Blicke hinauf zur Akropolis und herab auf die Stadt.

Nach einer Mittagspause gingen wir über das Lysikratesmonument (ein telefonzellengroßer Rundbau von vielleicht 6 m Höhe, im MA Klosterbibliothek und Lesesaal :crazy: ) zum gigantischen Olympieion und ins reichlich unübersichtliche Ilissosgebiet (man hat nur sehr vage Vermutungen, wem die dortigen Tempel zuzuordnen sind). Dabei regten wir uns einmal mehr über die Wächter auf, die mit so allgemeinverständlichen Gesetzen wie "Don't cream in the monument" (-> sich im Theater nicht mit Sonnenmilch einreiben) und einem griechischen Wortschwall, der das Ausbreiten eines Schals verbieten sollte (es hätte sich ja um ein Werbefoto-shooting handeln können, schließlich trug das Tuch Buchstaben :crazy: ) eher belustigtes Befremden hervorriefen. Da war es doch sehr befriedigend, dank der Genehmigungen mit großen Rucksäcken durch das Akropolis-Gebiet und (allein) am Nordhang stromern zu können; die Wächter einfach abblockend. :D

Noch lästiger waren dagegen die streunenden Hunde im Ilissosgebiet, die sich gegenseitig ankläfften, schließlich blieb der eine dauerhaft bei uns. Am trockenliegenden Bachbett des Ilissos lauschte er der Lesung aus Sokrates' Phaidron, in dem diese Gegend als liebliches Idyll beschrieben wird. Er besuchte mit uns das (unspektakuläre) Fundament des Ilissostempels direkt an einer vielbefahrenen Straße, verbellte alle Taxis und lief gelegentlich vor eines, bis er irgendwann zum Glück verschwand (soweit ich weiß, ohne Blut zu vergießen). Abschließend machte der unbeugsame Rest einen Abstecher zum ebenfalls unter Lykurg erbauten, aber für die Olympiade 1896 wiedererrichteten Stadion, bevor wir uns auf den Rückweg machten.

Lykurg
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Mi 5. Jul 2006, 00:21 - Beitrag #7

Heute hatten wir zum Glück immer wieder Wolken und kräftigen Wind, so daß die Temperatur sehr angenehm war (manchen von uns allerdings zu kalt). Wir machten eine Busfahrt in den Norden der Attika: zum Amphireion von Oropos, nach Rhamnus und Marathon. Amphireios war ein regional verehrter Heilgott, dementsprechend befinden sich dort außer dem Tempel und einem großen Opferaltar für mehr als ein Dutzend Götter mit ähnlichem Zuständigkeitsbereich zwei Bäder sowie eine lange Stoa, in der man sich gesundschlafen konnte; dazu eine Reihe von Weihinschriften. Auffällig war die sehr axiale Anordnung entlang eines recht engen Taleinschnitts.

Die Ausgrabungen in Rhamnus, einer der Küstenfestungen und Häfen Athens, wurden 2002 im wesentlichen abgeschlossen, das Gelände bleibt aber öffentlich unzugänglich, insofern verhalf auch hier die Spezialgenehmigung zu einem besonderen Erlebnis. Rhamnus wurde in nachantiker Zeit nicht wieder besiedelt, daher hält sich dort der Steinraub sehr in Grenzen, die Fundlagen sind (oder waren) weitgehend ungestört und die zu bearbeitende Fläche problemlos selbst zu bestimmen (keine Rücksicht auf eine moderne Siedlung zu nehmen). Die kleine Stadt weist eine ziemlich massive Mauer, außerdem einen außerhalb gelegenen Nemesistempel und eine mit großen Monumenten geschmückte Gräberstraße auf. Die Kultstatue und Basis der Nemesis konnten teilweise rekonstruiert werden (in einem windumtosten Lagerhaus in der Nähe; darum herum das Dachgebälk des Tempels und einige sehr beeindruckende Grabmonumente v.a. aus hellenistischer Zeit). Eigentlich durfte hier nicht fotografiert werden, ich hatte unbemerkt ein Bild gemacht, bevor das gesagt wurde - ups!^^

Marathon lohnt sich nicht (- das erinnerte ich schon von früher). Zu sehen ist ein großer Hügel, möglicherweise Grabhügel der Athener, aber dessen zweimalige Untersuchung vor über hundert Jahren hat keinerlei darauf hinweisende Funde erbracht, und seitdem hat man das Ding lieber eingezäunt, statt es genauer zu ergraben. Für das Museum dort waren wir letztlich zu spät dran - die öffnen gegen 7 oder 8, schließen dafür um 15 Uhr, und dafür war Rhamnus zu interessant und weitläufig.

Nach einer längeren Ruhepause sahen wir uns das frustrierende Deutschland-Italien-Spiel an (aufgelockert mit ein paar Cocktails, aber zwischen lauter Italien favorisierenden Griechen), ich habe einen Teil der zweiten Halbzeit fest geschlafen, wohl wenig verpaßt, aber da es morgen extrem früh weitergeht (in 5 1/2 Stunden fährt der Bus :boah: ) hoffe ich, daß es genützt hat, und sollte jetzt lieber schlafengehen.^^

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Fr 7. Jul 2006, 19:48 - Beitrag #8

Vorgestern waren wir praktisch den ganzen Tag auf Aigina unterwegs, einer Insel gegenüber von Athen, die von der Bronzezeit bis ins 5. Jh. v. Chr. ein sehr wichtiges Handelszentrum war. Die Spuren davon, ein unheimliches Gewirr von prähistorischen Mauern sowie die Keramikbestände im Museum, erläuterte uns zum Glück der dortige Ausgrabungsleiter (der auch etwa die fünf bis sechs frühbronzezeitlichen Stadtmauerphasen auseinanderhalten konnte^^). Die Gebrauchskeramik aus Aigina wurde im gesamten griechischen Raum gern genommen; besonders faszinierend war aber eine Reihe von kleinen Gewichten, die bewies, daß es um 1800 v. Chr. von Griechenland bis Syrien ein näherungsweise normiertes Gewichtssystem (basierend auf dem Schekel) gab.

Der Aphaiatempel inmitten der Insel, dessen reicher Skulpturenschmuck sich in München in der Glyptothek befindet, bleibt auch so eine Sehenswürdigkeit, schon weil man an ihm und seinem Vorgängerbau die Farbigkeit archaischer Tempelbauten gut beobachten kann. Der Tempel blieb völlig einsam und unbehelligt stehen, weil nach Vertreibung der Bewohner von Aigina durch die Athener 431 v. Chr. und die Neubesiedlung durch attische Kolonisten kein Interesse an der Lokalgöttin Aphaia bestand. Er geriet einfach in Vergessenheit - wohl mit das beste, was einem antiken Bau passieren konnte. - Von dort aus liefen wir hinunter zum Meer und ließen es uns im herrlich temperierten Wasser so richtig gutgehen - ein ganz feiner Sandstrand, seitlich auch Felsen, eine geschützte Bucht, die durch den hohen Salzgehalt so gut tragende Ägäis machte es schwer, zu tauchen, dabei briet uns die Sonne - es war traumhaft schön.

Am Tag darauf waren wir auf den Märkten Athens unterwegs - morgens auf der griechischen Agora (wir durften sogar in den Hephaistostempel, dessen Ostfries aus der Nähe aber genauso rätselhaft bleibt wie von jenseits des Zauns), mittags dann im Agoramuseum. Im allgemeinen Gedächtnis blieb vor allem der Kinderstuhl mit Loch in der Mitte, spannend war aber auch der "Losautomat" zur Zusammenstellung der Richter/Geschworenen. Nach einer ausgedehnten Mittagspause im Hotel (von mir dank Einschlafens unfreiwillig etwas überdehnt, zum Glück fand ich die Gruppe nach einigem Suchen wieder...) besichtigten wir die Hadriansbibliothek und die römische Agora (Prunkbauten mit einer amüsanten Mischung aus Anpassung an griechisches Vorbild und eigener Variation - ein bißchen schräg kann das schon wirken, wenn so ein Bauherr dann sich oder seinen designierten Nachfolger als Statue auf den Eingang stellt).

Heute begannen wir auf dem Kerameikos, dem von deutschen Archäologen seit den 1860ern ausgegrabenen Töpferviertel und Friedhof, in dem u.a. zwei riesige Stadttoranlagen besichtigt werden können. Das nagelneue dortige Museum hat als Prunkstück der Sammlung einen erst 2002 hier gefundenen Kouros eindrucksvoll am Ende eines längeren Raumes mit Grabreliefs placiert, aber auch die Keramikfunde und zwei goldene Schmuckbänder mit Tierfriesen gefielen mir sehr gut. In einer Vitrine waren Tonscherben für den Ostrakismos ausgestellt, eine davon trug die gedenksteinartige Inschrift: "Dem Kimon, Sohn des Miltiades, zum Ruhme" - eine böse Parodie, denn es ging ja darum, ihn zu verbannen; vermutlich fand der Schreiber ihn zu arrogant.

Am Nachmittag durfte ich dann das (durch einen Sonnenstich und eine Knöchelverstauchung reduzierte) Grüppchen über die Pnyx und zum Philopapposmonument führen. Die Pnyx war der Tagungsort der Volksversammlung des klassischen Athen, also das Herz der attischen Demokratie; das einen Hügel weiter gelegene Monument das Grabmal eines verdienten Bürgers zur Zeit des Hadrian (also lange nach Ende derselben). Die Klettertour zu beiden Bauten war in der Hitze reichlich anstrengend, so daß ich meine Erklärungen lieber kurz faßte (wir brauchten nur gut zwei Stunden für die paar Mauerreste^^). Ich bin gespannt, was für Bilder ich hoffentlich irgendwann bekomme...

janw
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Sa 8. Jul 2006, 11:03 - Beitrag #9

Kleine Zwischenfrage:
Ist das normierte Gewichtssystem in irgendeiner Weise mit einer bestimmten Kultur identifizierbar, vielleicht den Phöniziern?

Lykurg
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Mo 10. Jul 2006, 17:28 - Beitrag #10

@Frage: Gerne - wäre das hier nicht für Fragen offen, hätte ich es als Blog gestaltet.
Nein, zu dieser Zeit waren die Phönizier noch nicht bedeutend; die Städte, die Teil dieses Handelsraumes waren, werden etwa ab 1200 v.Chr. mit ihnen in Verbindung gebracht. - Die übereinstimmenden Gewichte belegen regen Handelsverkehr, aber die stark unterschiedliche Keramik etc. zeigen, daß es sich nicht um eine große Kultur handelte, sondern um sehr eigenständige Gesellschaften.

Samstag und Sonntag verbrachten wir praktisch ganztägig (~9 bis ~6?) im Archäologischen Nationalmuseum (ohne dabei irgendeinen Anspruch auf Vollständigkeit auch nur der besuchten Sammlungsbereiche erheben zu wollen). Am Samstag waren wir durchgängig mit Stilanalysen archaischer, klassischer und hellenistischer Vollplastik und Grabreliefs beschäftigt, Faltenvergleiche bis zum Wahnsinnigwerden. Irgendwann nachmittags sah ich plötzlich gar nichts mehr ("Worauf wollte ich grad noch achten?"); andere zählten nur noch Falten im Gesicht der Dozentin oder ergriffen die Flucht. Stehen konnte (außer ihr :D ) am Ende niemand mehr. Am Sonntag wurden dann die Bronzen ("genug Stoff für eine 14tägige Exkursion"), die Vasensammlung und nachmittags auf freiwilliger Basis die kaiserzeitliche Plastik abgehandelt. Ich nutzte die Mittagspause für einen Besuch des Epigraphischen Museums (das fast völlig menschenleer war - wer interessiert sich schon für Inschriften?) und verließ es erst, als der Wächter begann, mich böse anzugucken (er wollte wohl eher Feierabend machen.^^) Abends beim Fußball konnten wir zum Glück weich sitzen...

Heute wurden zwei kleinere Privatsammlungen nachgereicht; die erste, das Museum Benaki, enthält eine skurrile, aber ziemlich große Sammlung einzigartiger Stücke - zum Teil zu einzigartig, wir hatten mehrfach den starken Verdacht, es müsse sich bei dem einen oder anderen Stück um Fälschungen handeln. Anschließend sahen wir in der Sammlung Goulandris die von mir besonders geschätzten kykladischen Idole - faszinierend abstrahierende Marmorskulpturen aus dem dritten Jahrtausend. Eine hervorragende Sonderausstellung im Erdgeschoß stellte sie neben ein paar Werke von Matisse, Picasso, Giacometti u.a.; es wurde an manchen Stücken sehr deutlich, wie stark die Moderne sich von diesen erstaunlichen Kunstwerken inspirieren ließ. :)

Bild Bild

(Mehrere kykladische Idole; daneben Alberto Giacomettis "Annette IV" von 1962; die Vergleichsbeispiele in der Sammlung waren noch weit besser, sind aber im Netz nicht so einfach zu finden.)

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Do 20. Jul 2006, 14:44 - Beitrag #11

Um den Reisebericht nicht unvollendet liegenzulassen, dessen Abfassung in fernerer Zukunft größere Schwierigkeiten bereiten dürfte als jetzt, in geraffter Wiedergabe die viereinhalb letzten Tage:

Am 11.7. besuchten wir das Demeterheiligtum von Eleusis, wo wir eine knappe halbe Stunde über die Bedeutung einer bestimmten Mauer (von ca. 30 cm Höhe) unterhielten, die wir auf unseren Plänen an verschiedenen Stellen wiederzuerkennen glaubten - ich hatte natürlich Recht. :cool: Als wir uns geeinigt hatten, fanden wir eine unser Ergebnis bestätigende farbige Grundrißzeichnung auf einem für die Touristen aufgestellten Schild, das aber leider in die falsche Richtung wies. Wir stellten uns nun bildhaft vor, wie arme Opfer vor dieser Hinweistafel stehen und sie mit der Wirklichkeit in Einklang zu bringen suchen mögen, ohne zu wissen, daß der dargestellte Teil des Telesterions in Wirklichkeit hinter ihnen liegt...

Ähnlich amüsant war auch mein Athen-Spaziergang mit einer Kommilitonin, auf dem uns zwei Amerikaner (?) nach der römischen Agora fragten - wir zeigten die Richtung: "It's just over there" - nur liefen die beiden in eine etwas andere, auf die griechische Agora zu. Wir kugelten uns im Weitergehen vor Lachen - sie waren zwar auf die absolut richtigen Informanten getroffen, aber die Umsetzung der Information war noch nicht so recht gelungen - wir trafen sie aber nach ein paar Minuten wieder, und konnten sie auf den richtigen Weg bringen. Diesmal gab ich allerdings eine 'Fehlinformation' - sie fragten, wo der Eingang sei, und ich zeigte sofort auf das antike Propylon - und nicht den modernen Eingang zum Gelände (auf der entgegengesetzten Seite), zum Glück wies meine Begleiterin sie darauf hin. :D

Unser letzter Tag in der Attika war ihrem Südosten gewidmet, also dem Artemision von Brauron (mit einer hübschen antiken Brücke und im Museum Statuen von kleinen Kindern, die für den Artemiskult dort im Mittelpunkt standen), das schräge Theater von Thorikos (mit teilweise geraden Sitzreihen) und Sounion. Im weit weniger bekannten zweiten Tempel der malerisch auf dem steilen Kap gelegenen Stadt fanden wir eine Statuenbasis, deren Einlassung wir nutzten, um in den Haltungstypen diverser dafür passender Statuen zu posieren - Live-Rekonstruktion also.

Die beiden letzten Besichtigungstage vor dem großzügig dimensionierten Heimreisetag galten Delphi, das wir wieder mit dem Bus erreichten, zunächst die Außengelände ausgiebigst erkundeten, am nächsten Tag das Museum anschnupperten - denn zu mehr fehlte uns leider die Zeit. Ziemlich dreist wurde unsere Professorin hierbei von den Reiseführern angegangen, die sie offenbar als Eindringling auf ihrem Terrain empfanden und ihre Genehmigung sehen wollten - kein Problem, aber der Tonfall, in dem das ablief, war reichlich unverschämt. Zudem drängte unser Busfahrer auf frühe Heimfahrt, was uns zwang, an einigen wichtigen Stücken fast achtlos vorbeizugehen. Mich reizte z.B. insbesondere eine Inschriftenstele mit einer der frühsten erhaltenen Musiknotationen, aber auch mit den Skulpturen dort hätte man noch ein paar Tage verbringen können.

Der (letzte) Abend in Athen wurde ziemlich lang, der Chronist schweigt sich darüber aus - einige der Spätaufsteher schworen ein "nie wieder". ;) Ich mußte massenhaft Fotos auf DVD brennen, stand daher recht früh auf (war damit trotzdem noch am Flughafen und im Flugzeug beschäftigt). Nach gut drei Stunden Aufenthalt in Wien führten mich die rollenden Räder des feurigen Rosses über Nacht zurück in die Stadt meiner Väter.


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