Englische Kultur oder Unkultur?

Der Kaktus auf dem Fensterbrett und der bedrohte Regenwald, Haustiere, die uns zu Kühlschrankbutlern erziehen, Wildtiere, die ihre Lebensräume verlieren, Reisen in die Einsamkeit und Erkundungen von Städten.
Traitor
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Mo 29. Jun 2009, 18:45 - Beitrag #1

Englische Kultur oder Unkultur?

England, oder in der üblichen Verallgemeinerung ganz Großbritannien, hat sicher eine der kontroversesten Kultur(geschicht)en Europas. Im Was-macht-ihr-gerade wurde schon viel drüber diskutiert, ich beginne den Thread daher einfach mal mit einer grob zusammenhangszerstörenden und verzerrenden pro-contra-Zitatsammlung. "Natur & Reisen" trifft es übrigens natürlich nicht perfekt, als "Land und Leute" ist die Schnittmenge aber vielleicht doch ausreichend.

Contra:
$this->bbcode_list('1')
  • Tastaturlayout ist bescheuert ohne Ende (blobbfish)
  • die Aufklaerung dort war schrott ( bei Hume z.B. sehr imperialistisch) (blobbfish)
  • Common-Sense hat auch nie funktioniert (blobbfish)
  • Funktionalismus ist nur in einen Konstruktivismus eingebettet sinnvoll (blobbfish)
  • tolle Mathematiker haben sie auch nicht hervorgebracht, nagut, 3 hatten sie (blobbfish)
  • das meiste was die entwickelten ist doch irgendwo versumpft und das europ. Festland hat es dann irgendwo besser hingekriegt. Ist halt doof, so imperialistisch zu sein. (blobbfish)
  • Tee. Mit Milch, Honig und After-Eight. (blobbfish)
  • Aus irgendwelchen mir unbekannten Gründen haben sie es zwischen Purcell und Elgar 200 Jahre lang nicht geschafft, einen einzigen bedeutenden Komponisten hervorzubringen (also weder im Spätbarock, noch in Klassik und Frühromantik, alles nur Importware)... Merkwürdiges Land. (Lykurg)
  • Hatten die eigentlich bedeutende Physiker? Newton, Hamilton.. mehr kenn ich jetzt spontan nicht. (blobbfish)

  • Pro:
    $this->bbcode_list('1')
  • die englische Sprach- und Literaturgeschichte (Melianawe)
  • wenn ich mal an habeas corpus erinnern darf - zu der Zeit herrschte bei uns beliebigste Rechtswillkür (JanW)
  • Immerhin...der commonwealth ist auch noch so ein Thema - postkolonialistische Struktur, oder Raum für den gemeinschaftlichen Austausch von Erfahrungen und Entwicklungen? (JanW)
  • Und...tea!^^ (JanW)
  • Scones nicht zu vergessen, und Clotted Cream, und Bakewell tarts! (JanW)


  • Eigene Meinung folgt später, ersteinmal darf sich über falsche Zitierungen geärgert oder etwas zur Erweiterung der Listen beigetragen werden.

    Lykurg
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    Mo 29. Jun 2009, 20:40 - Beitrag #2

    Contra:

    10. sagenhaft desaströses Bahn- und Postwesen
    11. lokale Küche

    Pro:

    6. jede Menge Schlösser und Burgen in hinreichend ruinösem Zustand, und gut gepflegtes, je nach Geschmack :snob:
    7. haben sich erfolgreich gegen die spanischen Rekatholisierungsbemühungen gewehrt

    Traitor
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    Mo 29. Jun 2009, 21:43 - Beitrag #3

    So, löse ich mich mal vom weiteren Auffüllen der Liste und schreibe etwas zusammenhängendes.

    Allein dadurch, dass ich Frankreich sehr gerne mag, habe ich ein grundlegendes Vorurteil zuungunsten Englands. Zugegebenermaßen schleift sich das aber gerade durch die großen Leistungen ihrer Kultur immer mehr ab.

    Als größte Negativpunkte ihrer Einstellung, so man diese verallgemeinernd einem ganzen Volk unterstellen möchte, sehe ich einerseits die Obrigkeitsgläubigkeit (sichtbar in Royalismus, Militarismus oder neuerdings daran, dass an jeder Ecke eine Überwachungskamera hängt) und andererseits den hier natürlich bereits angeführten Nationalismus, Isolationismus und nach wie vor, trotz fehlender Grundlage, latenten Hegemonismus. Allerdings erscheint England in der modernen Welt in all diesen Aspekten als geradezu harmlose, gemäßigte Variante der USA, was man ihnen immerhin zu gute halten muss.

    Was die positiven Geistesleistungen angeht: Im klassischen künstlerischen Bereich ist England sicher nie führend gewesen, zur Musik hat Lykurg alles gesagt, in der Malerei fällt mir nur Turner ein, von dem ich nicht viel halte.
    Die einzige Ausnahme war schon immer die Literatur; Shakespeare ist ein weltweit unvergleichlicher Titan, auch andere Klassiker wie Milton, Byron, Marlowe haben Weltrang. Im 19. Jahrhundert hatte England dann eine Literaturszene, die in ihrer Vielfalt die sicherlich hochstehende deutsche übertraf, für mich vor allem durch ihre Grundlegung für die SF- und Fantasy-Genres epochal bedeutend ist, aber auch in klassischen Bereichen legendäres hervorbrachte. (Dickens, Austen, Brontes...) Mehr von Melianawe, denke ich doch mal.
    Und in der Moderne ist dann die natürliche englische Musikkultur zu nennen, die mit dem Progressive Rock als einzige in die Anspruchssphären klassischer Musik vordrang, und auch in Pop und Hardrock die Maßstäbe setzte und bis heute setzt, trotz der numerischen US-Übermacht. Deutschland und Kontinentaleuropa sind hier natürlich stets nur Randnotizen.
    Architektur hätten wir noch. Cambridge und Oxford machen eine Menge her, London bietet Westminter, Tower Bridge, Monument.

    Zu den Wissenschaften.
    In der Philosophie möchte ich Hume, Hobbes und besonders die Bacons nicht kleingeredet sehen, die deutschen Beiträge waren aber völlig zweifellos die größeren, die französischen allerzumindest gleichwertig.
    In der Mathematik, wer sind die "drei großen"? Newton, Whitehead, Russell, Turing, Penrose fielen mir spontan ein.
    In der Physik sind neben Newton und Hamilton noch eine Menge mehr zu nennen. Cavendish, Faraday, Heaviside, Dirac, Kelvin, Rutherford...
    In den Wissenschaften allgemein wäre ein gewisser Herr Darwin vielleicht ganz am Rande zu erwähnen.
    Technik - England hat natürlich bekanntlich den Großteil der Industriellen Revolution geleistet. Dampfmaschinen, Fabrikationsautomaten, Eisenbahnen, Elektrotechnik, Präzisionsuhren. Immer auch mit vielen deutschen, französischen und manchmal anderen Beiträgen, aber die Führungsrolle hatte England. Schon vorher waren sie, zusammen mit und vielleicht auch hinter den Holländern, führend im Schiffsbau.

    Beim Vermischten komme ich endlich auch wieder zum Contra. Warmes Essen eklig, von Schokolade keine Ahnung, sie können keine Elfmeter schießen, benutzen blödsinnige Einheiten und eine Privatwährung... ;)

    Am schwierigsten dürfte sicher die politische Bewertung ihrer gesamten Geschichte fallen, Stoff für Dutzende von Threads.

    Ipsissimus
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    Mo 29. Jun 2009, 21:46 - Beitrag #4

    - in Modifizierung von Lykurg: sie haben imo nach Purcell überhaupt keinen Komponisten von Rang mehr hervorgebracht
    - Überwachungswahn
    - Linksverkehr

    + die Künstlerszene im Großraum London ist fantastisch
    + Orchester und Dirigenten zur alten Aufführungspraxis
    + Schottland und Wales

    janw
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    Mo 29. Jun 2009, 23:44 - Beitrag #5

    Zitat von Traitor:Warmes Essen eklig

    Da hast Du bisher einfach Pech gehabt, warst vielleicht auch zu viel in London und nicht weiter draußen.

    Aus irgendwelchen mir unbekannten Gründen haben sie es zwischen Purcell und Elgar 200 Jahre lang nicht geschafft, einen einzigen bedeutenden Komponisten hervorzubringen (also weder im Spätbarock, noch in Klassik und Frühromantik, alles nur Importware)... Merkwürdiges Land. (Lykurg)

    Was ist mit Dunstable, "etwas" vor Purcell, was ist mit Dowland? Kann man Händel einfach abtun, weil er nach England eingewandert ist - auch wenn er dort mindestens die Hälfte seines Schaffens produziert hat?

    Davon abgesehen ist in Englan mit der habeas corpus-Akte eines der grundlegenden europäischen Freiheitsdokumente geschaffen worden, während auf dem Kontinent noch Jahrhunderte Wllkür und Rechtlosigkeit herrschten.

    Was die neueren Unarten betrifft, ist England einfach vom Ideenaustausch näher an usa dran, und so ist der ganze neoliberale Unrat dort zuerst implementiert worden. Ich würde dabei auch noch auf das Unheil namens Thatcher hinweisen, die hier maßgeblich gewirkt hat.
    Der Überwachungswahn ist so gesehen nur ein Wahn der Administration, gesellschaftlich findet das durchaus nicht nur Zustimmung.

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    Di 30. Jun 2009, 01:16 - Beitrag #6

    Wie gesagt waren beide (deutlich) vor Purcell; in der Lücke (zwischen Purcells Tod 1695 und Elgars Geburt 1857) kam aber nur mittelmäßiges, im späteren 19. und frühen 20. Jh. mehrere, über die man sicherlich streiten kann (Vaughan-Williams, Holst, Stanford u.a.), dann aber auch ein unzweifelhafter Meister (Ipsissimus, vielleicht sollten wir analog hierzu einen Britten-Thread aufmachen?^^) und ein paar spannende Neutöner.

    Händel und Haydn waren trotz längerer Aufenthalte (und in Händels Fall zugegebenermaßen auch angenommener Staatsbürgerschaft) keine Briten im eigentlichen Sinne, ebensowenig wie Froberger, Mendelssohn und die vielen anderen Kontinentaleuropäer, die halfen, dem englischen Hof und der anglikanischen Kirche das nötige Maß an musikalischer Unterhaltung und Repräsentation zu verschaffen. Hör dir z.B. im "Messias" die Vertonung von "As we like sheep" an - er hat anscheinend auch nach 30 Jahren in England nicht bemerkt, daß es leicht mißverständlich sein kann, wenn man vor der Fortsetzung "...have gone astray" eine so lange Pause macht wie ich gerade - und es prompt so komponiert.^^ - Natürlich hat Händel sich in England anders entwickelt als er es anderswo getan hätte, hat für lokale Anlässe komponiert, gelegentlich auch britische Formen und Melodien verarbeitet. Das ändert aber nichts an seiner Herkunft, musikalisch geprägt haben ihn Halle, Hamburg und Italien.

    ---

    Es wird mir gerade zu spät, ich schreibe daher jetzt keine Eloge auf das britische Gesundheitswesen. Bild

    Übrigens fand ich besonders das kalte Essen widerstehlich.

    Noriko
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    Di 30. Jun 2009, 02:13 - Beitrag #7

    Contra:
    -Manchester

    case closed

    Ein Land das etwas wie Manchester hervorbringt kann nix taugen.

    @ispi
    Wenn das ein Waliser oder Schotte siht das deiner meinung anch für England Wales und schottland sprechen, solltets du laufen können ;)

    Ipsissimus
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    Di 30. Jun 2009, 11:45 - Beitrag #8

    Nori, ich meinte das ja so, dass England durch Schottland und Wales enorm aufgewertet wird^^


    nee, nee, nee^^ Elgar war kein Großer^^ dann eher noch Benjamin Britten, etwas später^^ Lykurg, das können wir gerne disputieren^^

    blobbfish
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    Di 30. Jun 2009, 13:11 - Beitrag #9

    Rutherford war doch Neuseeländer oder irre ich micht? Im übrigen möchte ich nochmal anmerken, dass meine nicht sehr positiven Kommentare auch mehr Scherz sind.
    Turing, ja, ein guter Mathematiker, die Turing-Maschine ist nicht schlecht, aber prinzipiell auch eher in der Informatik anzusiedeln und das brechen der Enigma sehr nützlich (politisch), sonst aber auch eher mau. Newton ist für mich auch kein richtiger Mathematiker, ebensowenig wie Leibniz übrigens, dafür haben sie im Prinzip zu wenig Mathematik gemacht. Dafür haben sie einfach zu wenig gemacht. Zu Leibnis kann man noch sagen, dass wir ihm zwar das wunderbare Integralzeichen zu verdanken haben, leider aber auch die dt-Schlacke. Russel ist auch eher als Philosoph berühmt, da kann man jetzt sicherlich streiten, hat sich als solcher an den Grundlagen der Mathematik sehr viel "im Kreis gedreht", zugegeben, es war in der Zeit der Metamathematik, die eben eine großen Dissens zwischen Mathematik, Formalismus und Bedeutung (Inhalt) bringt, Whitehead nur durch die Principia, das Konzept ist allerdings fehlgeschlagen, außer Gödel hat das Zeug soweit ich weiß kaum einer wirklich verwendet. Penrose sagt mir im Moment nichts. Ich habe an Hermite, Hardy und Littlewood gedacht, wobei ich grad festelle, dass erstere Franzose war (was dann auch die aussprache erklärt), hab mich da von 'Charles' verleiten lassen, was für mich sehr unfranzösisch ist, genaugenommen so sehr, dass es englisch wird. Reduktion auf zwei.
    Hume und Hobbes mag ich beide sehr wenig, Hume ist zu definitiv zu skeptisch.

    janw
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    Di 30. Jun 2009, 14:42 - Beitrag #10

    Jenner hat entdeckt, daß gegen Krankheitserreger geimpft werden kann.

    Gut, aber was sagt dieser Vergleich von mehr oder weniger vielen Erfindern usw. eigentlich aus?
    Ist die größere Zahl an Komponisten im 18.JH in Mitteleuropa nicht vielleicht auch durch eine stärkere kulturelle Interaktion in diesem Raum bedingt, das Vorhandensein eines Hörerkreises u.ä.?

    Ehrlich gesagt verwundert mich das Maß an Ablehnung, das England entgegen gebracht wird, doch ein wenig. Wobei die neoliberalen Auswüchse davon natürlich ausgenommen sind. Ob diese in irgendeiner Weise aus immanenten Gründen nur in England so Fuß fassen konnten...vielleicht war die Struktur des Staatssystems irgendwie förderlich - ich weiß es nicht. Die Geschichte der EU zeigt, daß es erhebliche Reserven gegen zahlreichere Neuerungen gibt, insbesondere gegen solche, die einen Verlust an eigener Entscheidungshoheit mit sich bringen. Wobei andererseits die Intervention durch wirtschaftliche Entitäten als weniger gravierend wahrgenommen wird.
    Der strukturelle Konservativismus richtet sich damit eher gegen den Staat als gegen das Unternehmertum.

    Ipsissimus
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    Di 30. Jun 2009, 14:54 - Beitrag #11

    Ehrlich gesagt verwundert mich das Maß an Ablehnung, das England entgegen gebracht wird, doch ein wenig.


    England ist für mich primär das Land des Kadavergehorsams. Zwar haben sie die Prügelstrafe für Schüler mittlerweile offiziell abgeschafft, aber wenn du dich als Schüler tatsächlich weigerst, dich von deinem Lehrer "körperlich züchtigen" zu lassen, passiert dem immer noch genau gar nichts, wenn er dich die nächsten 5 Jahren in seinem Unterricht komplett ignoriert und dir vorsätzlich schlechte Noten gibt. Ob sich die Situation in der englischen Kriegsmarine im Vergleich zu der im 19ten Jahrhundert tatsächlich nachdrücklich gebessert hat, konnte mir bisher auch noch niemand wirklich bestätigen.

    Ansonsten sind meine Vorbehalte gegen England unspezifisch. Patriotismus ärgert mich überall, wo ich ihn sehe, ich empfinde das immer wieder als Bestätigung meiner Mutmaßung, dass Patrioten ihre weiße Hirnmasse nur einem Irrtum der Evolution zu verdanken haben. Das gilt natürlich nicht nur für England, aber auch da. Ehemalige Kolonialherren gibt es auch anderswo, aber England gehört halt auch dazu.

    Es gibt einfach nichts, wofür ich England wirklich dankbar wäre, und manches, was ich unverzeihlich finde, z.B. die Entfaltung des Manchester-Kapitalismus oder des Utilitarismus.

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    Di 30. Jun 2009, 14:57 - Beitrag #12

    Zitat von Ipsissimus:Es gibt einfach nichts, wofür ich England wirklich dankbar wäre, und manches, was ich unverzeihlich finde, z.B. die Entfaltung [...]des Utilitarismus.

    :wzg: oder in Worten: was zum Geier? Was ist bitte schlecht am Utilitarismus?

    Ipsissimus
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    Di 30. Jun 2009, 15:17 - Beitrag #13

    die Praxis, die leider so aussieht, dass vom Einzelnen alles gefordert werden darf, wenn man es nur so darstellen kann, als sei es zum besten aller. Das artete und artet für sehr viele Einzelne in absolute Bösartigkeit der Beanspruchung aus. Außerdem ist das Panopticum auch nicht wirklich nett, wie man derzeit an der zunehmenden Überwachungsstaatlichkeit in der Praxis sieht.

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    Di 30. Jun 2009, 15:27 - Beitrag #14

    Zitat von Ipsissimus:die Praxis

    Okay, damit kann ich leben :pro:

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    Di 30. Jun 2009, 15:43 - Beitrag #15

    janw, die "Ablehnung" besteht in einer relativ differenzierten Kulturkritik, die durchaus auch Stärken britischer Kultur (Literatur und Theater, Popularmusik, herausgehobene Komponistenpersönlichkeiten, Philosophie, Mathematik uvm., gern auch scones of stone) sieht, diese aber im Gesamtrahmen und europäischen Maßstab als eher dürftig wertet (nicht unbedingt ernstgemeint, wie bei blobbfish und mir auch anklingt).

    Anstöße zum technologischen und wirtschaftlichen Fortschritt müssen dabei nicht unbedingt negativ sein, wobei die Sichten naturgemäß auseinandergehen und auch in diesem Thread wohl kaum abschließend zu klären sind. Das englische Gesundheitssystem zum Beispiel ist ein Musterbeispiel für eine an ihrer Komplexität gescheiterte Sozialmaßnahme - daraus sprechen für mich weder Kadavergehorsam noch Neoliberalismus... ;)

    blobbfish
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    Di 30. Jun 2009, 16:28 - Beitrag #16

    Utilitarismus funktioniert übrigens auch nicht. ;) Fast so schrecklich wie Sozioethiken.

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    Di 30. Jun 2009, 23:13 - Beitrag #17

    @Jan:
    Zum Essen: Meine Erfahrungen sind da nicht sehr umfangreich, werden aber vom Allgemeinen Vorurteilsschatz bekanntlich vollstens gestützt. ;) Dafür kann man in England sehr viel besser indisch essen als in Deutschland.
    Davon abgesehen ist in Englan mit der habeas corpus-Akte eines der grundlegenden europäischen Freiheitsdokumente geschaffen worden, während auf dem Kontinent noch Jahrhunderte Wllkür und Rechtlosigkeit herrschten.
    Dafür sind England und der ganze angelsächsische Rechtskreis nie weit über diese rudimentären Willküreinschränkungen hinausgekommen, noch heute ist es dort bekanntlich Standard, dass Richter ohne demokratisch gefasste Rechtsgrundlage Willkürentscheidungen treffen, die dann auch noch für spätere Verhandlungen quasi den Status eines Gesetzes haben. ("Case law")
    Der Überwachungswahn ist so gesehen nur ein Wahn der Administration, gesellschaftlich findet das durchaus nicht nur Zustimmung.
    Wenn ich mich recht entsinne, stammen die meisten Kameras von "Neighbourhood watch communities" (oder einem Synonym, falls das hier, modulo ou, ausversehen die amerikanische Version sein sollte), also von freiwilligen Elementen der Gesellschaft.
    Jenner hat entdeckt, daß gegen Krankheitserreger geimpft werden kann.
    Genau, so einen Impfer wollte ich nach Darwin auch noch aufzählen, kam nur nicht auf einen Namen. Da gab's halt nicht nur Koch.
    Ehrlich gesagt verwundert mich das Maß an Ablehnung, das England entgegen gebracht wird, doch ein wenig.
    Nun, auf der ernsthaften Ebene verbinden England und Deutschland eine Geschichte der Auseinandersetzung, ähnlich wie mit Frankreich, die im Gegensatz zu diesem aber nicht durch aktuelle Kooperationsfreudigkeit ausgeglichen wird, sondern der Gegensatz von englischer Presse und Politik weiter befeuert wird. Auf der scherzhaften Ebene sind Frankreich, Holland, Italien, Russland und fast alle anderen Länder, bei denen es nicht gerade wie bei Polen oder Israel als politisch inakzeptabel gilt, ähnlich gern gesehene Spottziele.

    Ipsissimus, Elgar erscheint mir zumindest als handwerklich sehr gut. Wenn ich als Banause ihm jetzt auch fast ausversehen "Rule, Britannia" zu Unrecht gutgeschrieben hätte, zumindest die Pomp & Circumstance Marches sind sicher nicht zu selbigem ein Klassiker. Ob er einflussreich war, kann ich nicht beurteilen; Mangel daran würde ich vielleicht als Ausschlusskriterium für "Größe" gelten lassen.
    Es gibt einfach nichts, wofür ich England wirklich dankbar wäre, und manches, was ich unverzeihlich finde, z.B. die Entfaltung des Manchester-Kapitalismus oder des Utilitarismus.
    Auch, wenn sie natürlich viele negative Seiten hatte, und ich weiß, dass du diese für weit kritischer erachtest als ich - würdest du wirklich lieber in einer nicht industrialisierten Welt leben? Also mit hoher Wahrscheinlichkeit tot sein, ansonsten mit ähnlicher im Elend leben? Oder gehst du einfach davon aus, dass die Fortschritte auch ohne England ein paar Jahre später gemacht worden wären, wozu ich sicher zustimmen würde?

    Zitat von Lykurg:Übrigens fand ich besonders das kalte Essen widerstehlich.
    Was gibt es denn da groß schlimmes? Das Frühstück ist ja warm. Sandwiches, die sind dort gegenüber französischen belegten Baguettes, amerikanischen Subs oder auch simplen deutschen Butterbroten natürlich minderwertig, aber als reine Nahrungszufuhr doch akzeptabel. Im Knabberbereich stellt England mit den "Kettle Chips" eine der besten Marken überhaupt, auch ansonsten fallen mir noch ein paar brauchbare Sachen ein.

    blobbfish, Ernsthaftigkeit würde ich dir niemals unterstellen wollen. ;)
    Rutherford war Neuseeländer, stimmt, fällt mir jetzt auf, damals ja aber auch fast noch England, und zumindest zu 95% gewirkt hat er dort, und geistig zählte er sicher dazu. Insbesondere muss jeder, der Sir und Baron wird, sich gefallen lassen, Engländer geheißen zu werden.
    Hermite - dass seine Französität oft verkannt wird, war mir bekannt, aber wie kann man denn bitte die französische Aussprache kennen und ihn dann noch für einen Engländer halten? ;) Wegdiskutieren der anderen meinetwegen, aber nicht ins völlige Abseits, höchstens aus dem Oberolymp heraus. Hardy hatte ich dafür vergessen, Littlewood sagt mir nur ganz peripher etwas.
    Bei den Physikern gibst du dich zumindest geschlagen? ;)

    Utilitarismus - wie so ziemlich jede Philosophie darf er nicht zum alleinigen Dogma gemacht werden, eine wichtige Entscheidungshilfe, wenn parallel auch elementarethischere Kriterien hinzugezogen werden, ist er aber mit Sicherheit. Oder wenn man das Nutzenoptimum flexibel genug definiert, kann er sogar durchaus alleine bestehen.

    janw
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    Zitat von Ipsissimus:England ist für mich primär das Land des Kadavergehorsams. Zwar haben sie die Prügelstrafe für Schüler mittlerweile offiziell abgeschafft, aber wenn du dich als Schüler tatsächlich weigerst, dich von deinem Lehrer "körperlich züchtigen" zu lassen, passiert dem immer noch genau gar nichts, wenn er dich die nächsten 5 Jahren in seinem Unterricht komplett ignoriert und dir vorsätzlich schlechte Noten gibt. Ob sich die Situation in der englischen Kriegsmarine im Vergleich zu der im 19ten Jahrhundert tatsächlich nachdrücklich gebessert hat, konnte mir bisher auch noch niemand wirklich bestätigen.

    Ja, der Kadavergehorsam war zumindest mal ein Problem, wie weit direkt noch, bin ich skeptisch, aber demographisch in jedem Falle noch nicht ausgestanden.
    Wie weit sich die Lage in den Schulen gebessert hat, weiß ich leider nicht, aber vielleicht kann ich darüber etwas in Erfahrung bringen.
    Was die Marine betrifft, beißen sich in mir menschliches Mitgefühl und tiefsitzende Abneigung gegen militärische Institutionen - [advoc. diab.]Wer zum Militär geht, sollte eigentlich wissen, daß er mit Leben und Gesundheit spielt.

    Mein Vater ist iirc bei dem Laden gewesen, ihn hatte es nicht erkennbar mitgenommen. Würd ihn gern nochmal gezielt danach fragen können...
    Ich denke jedenfalls, daß sich auch in dem Bereich einiges geändert hat, wenn auch vielleicht nicht bis auf deutsches Niveau.

    Ich denke, daß England aufgrund seiner Insellage von einigen Vorgängen abgeschnitten gewesen ist, die auf dem Kontinent maßgeblich gewirkt haben, wodurch in England manches konserviert wurde, was das Land heute vielleicht etwas wunderlich erscheinen lässt und andererseits manche Entwicklungen etwas anders ablaufen lassen hat.
    Grundlegend würde ich hier die napoleonischen Reformen sehen mit dem Code Civil. Hinsichtlich der neueren wirtschaftlichen Entwicklung ist der Ablauf des 2. Weltkrieges nicht ganz unerheblich, der in England trotz mancher Zerstörungen viele Strukturen erhalten hat, die später schwerer zu überwinden waren als die Probleme des Wiederaufbaus in Deutschland, im Rahmen dessen gleich modernere Anlagen und neue Infrastrukturen angelegt werden konnten.
    Was Manchester betrifft, denke ich, daß es prinzipiell überall ähnlich abgelaufen wäre, wenn die Industrielle Revolution anderswo begonnen hätte.
    Bismarck ist IMHO nur auf die Sozialversicherung gekommen, weil er gesehen hat, daß es ohne schief ging und die Sozialdemokratie davon profitieren würde. Die Not der Menschen war ihm IMHO recht gleichgültig.

    Der Utilitarismus ist auch für mich eher eine fragwürdige Idee - aber vielleicht einfach ein Zug der Zeit?

    Maglor
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    Di 30. Jun 2009, 23:55 - Beitrag #19

    Die Losung ist bekannt: Bomben auf Engelland. :rolleyes:

    Milena
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    Mi 1. Jul 2009, 10:13 - Beitrag #20

    ..bomben, das ist das stichwort....^^
    also wenn ich england höre, dann denke ich sofort an london und dann an die bombenanschläge und dann an meine tochter, die damals nur knapp davon entkam...
    mit der schulklasse unterwegs und nur wenige minuten davor auch in diesen tunnel zu spazieren....
    deshalb, ich kenne england nicht, aber ich bin auch nicht scharf darauf es kennenzulernen...^^
    was mich noch heute sehr beeindruckt sind dick und doof, also stan laurel und oliver hardy...(die sind doch von da, oder?^^) ach nee, ich glaub doch nicht...^^Bild
    auf die queen kann ich ebenso ein liedchen pfeifen, denn die kann es einfach nicht sein lassen und ihr grossartiges amt an sohnemann abzugeben.....
    und prinzessin diane hat das einzig richtige gemacht aus diesem seichten komplex zu entfliehen, leider ging sie dabei drauf....
    über das essen vermag ich nicht zu urteilen, weil noch nie probiert...^^(aber ich hörte nur schlechtes..^^schade eigentlich, dass das so verbreitet ist...)Bild

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