Über Enten und Erpel

Der Kaktus auf dem Fensterbrett und der bedrohte Regenwald, Haustiere, die uns zu Kühlschrankbutlern erziehen, Wildtiere, die ihre Lebensräume verlieren, Reisen in die Einsamkeit und Erkundungen von Städten.
blobbfish
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Di 17. Dez 2013, 21:54 - Beitrag #1

Über Enten und Erpel

Der Winter eignet sich immer gut, um Erpel und Enten zu zählen, wobei gerade letzteres eine echte Tortur sein kann. Ich habe ja schon oft auf das Enten-Erpelverhältnis auf der Lahn hingewiesen, heute bin ich an der Mensa vorbeigekommen und mein Blick viel auch auf die Lahn (anscheinend waren zu wenig hübsche, gut gekleidete Studentinnen unterwegs) und blieben, nein, nicht an den Enten hängen, als viel mehr an den Erpel. Das geübte Auge erkennt auf dem Bild zwanzig Erpel aber nur vier Enten, gezählt, die lokale Gesamtpopulation wurde dabei aber nicht erfasst, habe insgesamt sechsundzwanzig Erpel und sieben Enten.

Traitor
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Mi 18. Dez 2013, 00:53 - Beitrag #2

Irgendwann im Sommer lief mir im Wald eine bigame Entin über den Weg und versuchte, einen oder gleich beide ihrer Begleiter überfahren zu lassen. Ansonsten haben sich mir da bisher keine statitischen Auffälligkeiten aufgedrängt, ich lege für die Lahn aber in den nächsten Monaten eine Anwendung dieser Methode auf eventuelle Geschlechtsdimorphismen nahe.

Im April sind mir auch noch diese Exemplare untergekommen:
Bild Bild Bild
Im Familienbild dann wohl auch 3:1 Erpel-Enten-Verhältnis bei den Exoten und 2:0 bei den Einheimischen. (Ob das "Stock" in "Stockente" so wie in "stock character" oder "stock car" zu interpretieren ist...?)

Edit: Wikipedia schiebt das Missverhältnis auf zivilisationsbedingte Perversion:
Ebenfalls typisch [für Stadtenten] ist ein verändertes Paarungsverhalten, bei dem mehrere Erpel einzelne Enten verfolgen und dann gemeinsam versuchen, mit dieser zu kopulieren, wobei sich nicht selten mehrere Erpel auf eine einzelne, im Wasser schwimmende Ente stürzen und diese dadurch unter Wasser drücken, bis sie ertrinkt. Dadurch ist das Geschlechterverhältnis meist zu Gunsten der Männchen verschoben. Manchmal gibt es doppelt so viele Männchen wie Weibchen, im Extremfall zehnmal so viele.

Lykurg
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Mi 18. Dez 2013, 07:20 - Beitrag #3

Daß Enten Massenvergewaltigung und Waterboarding praktizieren, war mir neu. Makabre Erklärung für das öfters festgestellte Mißverhältnis. Obendrein dürfte sich das ja in Fällen wie dem in Marburg beobachteten dann noch weiter verstärken...

blobbfish
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Mi 18. Dez 2013, 10:39 - Beitrag #4

Dass die Enten zumindest als Folge Massenvergewaltigung praktizieren und Waterboarding praktizieren kann ich mir gut vorstellen, wobei ich beides in ihrer Reinform noch nicht gesehen habe. Allerdings halte ich das nicht für die Ursache, denn die Dezimierung fände ja vor dem Brüten statt, danach (wo der Winter zuzählt) sollte es ja deutlich ausgeglichener sein. Ich meine allerdings auch schon bei den Jungenten entsprechende Verhältnisse zu sehen, aber die Unterscheidung ist eben ziemlich schwierig.

Maglor
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Mi 18. Dez 2013, 21:33 - Beitrag #5

Es gibt eine ganze simple Erklärung für das Phänomen.

In der sogenannten Wildnis beträgt die Lebenserwartung eines Erpels ca. 1 Jahr. Das ist jedoch nicht die natürliche Lebenerwartung. Erpel werden stark bejagt, während die weiblichen Enten ge- oder verschont werden. Die Ente dürften nur zwischen September bis Januar bejagt werden, also während der Paarungszeit, in der die Männchen besonders bunt und dumm sind. Eine Verwechslung von Ente und Erpel ist in der Zeit ausgeschlossen, wenn es sich um reinblütige Tiere handelt. Durch die übliche Jagdmethode die auf Hege und Trophäen (hier die Locken des Erpels) ausgelegt sind ergibt sich dann auf in der Wildnis ein günstiges Geschlechtsverhältnis, ähnlich wie auf einer Geflügelfarm.
Die Unterscheidung der Geschlechter ist im Prachtkleid scheinbar ein Kinderspiel.

Wahrscheinlich sorgt diese optische Auslese, dass sich dunklere Farben bei den Erpeln durchsätzen. Dunkelwildfarbige oder schwarze Erpel sieht man recht häufig, wenn man genau hinsieht. Ich meine jetzt das Schlichtkleid, sondern das schlichte Prachtkleid von Hausenten. Einen Halsring haben diese Erpel nicht, siehe unten. Das ist sicherlich ein Selektionsvorteil.
Bild

In Marburg wird wohl zumindest keine legale Jagd auf Enten gemacht. Trotzdem wird es dort Jäger geben. Ich denke da an Waschbären, Marder und Katzen. Diese Jäger selektieren genau anders herum, indem sie insbesondere brütende Weibchen überfallen. Stockenten sind in der Regel Bodenbrüter.
Wohin das führt kann man auf blobbfishs Bilder erkennen.

Das mit der Katze ist übrigens kein Scherz. Ich kenne jemanden, der züchtet Mandarinenten. (janw hat diese Chinesen offenbar in freier Wildbahn ausfindig gemacht.) Die Katze seines Nachbarn hat drei oder vier seiner brütenden Weibchen erlegt und weggetragen, während die feigen Erpel sicher auf dem Teich schwammen.

Im Übrigen, glaube ich nicht, dass der Männerüberschuss Ursache von Waterboarding und Vergewaltigungen ist oder umbekehrt. Ich habe die Zuchtenten im Harem gehalten, dass heißt ein Erpel mit 2 bis 4 Enten. Selbst in diesem Zahlenverhältnis hat der Erpel den Enten den Hinterkopf kahl gerupft. Ich habe es auch noch nie erlebt, dass eine Ente bei solchen Orgien tödlich oder auch nur ernsthaft verletzt würde. Bei Duellen zwischen liebestollen Erpeln ist das aber schon mehrfach vorgekommen. Ich halte es für ausgeschlossen, dass der Männchenüberschuss durch Vergewaltigungen zementiert wird. Es gibt einen klaren Zusammenhang: Treffen Erpel und Enten zusammen, sind Vergewaltigungen möglich. Wie viel Gewalt dabei angewendet wird, hängt von der Tages- oder Stundenform der Partner ab.

Den zitierten Wikipedia-Artikel halte ich übrigens für einen besonders schweren Fall von Volksverdummung. Ich bin mir noch nicht einmal sicher, ob die Sache mit der Stadtente nicht als Satire gemeint ist. (Ich hoffe zuminst, dass es Satire sein soll.)

Wenn man genau hinsieht kann man die Geschlechter bei den Jungtieren bereits im ersten Federkleid deutlich erkennen. (Bei den kleinen Küken geht es nicht so einfach bzw. Kükensexer ist ein anerkannter Beruf.) Hilfreicher als die Gefiederfarbe ist die Schnabelfarbe. Ganz eindeutig kann man sie aber am Gequacke unterscheiden.
Bild

Traitor
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Fr 14. Feb 2014, 12:08 - Beitrag #6

Spontan nochmal eine Stichprobe:
Teich A enthielt ein Kampfgeschwader im 5:4-Verhältnis, eine paritätische Vierergruppe und ein einzelnes Paar. Dazu ein Paar Haubentaucher, ein Blesshuhn und eine Gang von ca. 20 Möwen.
Teich B machte sich mehr Mühe, 14:6.

Die Unterschiede zwischen Land- und Stadtpopulationen sollten doch eigentlich nicht so groß sein, die Spezies ist doch recht mobil? Na gut, so könnte man auch beim Menschen fehlargumentieren...

Maglor
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So 16. Feb 2014, 18:43 - Beitrag #7

Stockenten sind in Deutschland Stand- und Strichvögel, kommen also unter Umständen weit herum.
Ich habe mal aufgeschnappt, dass die selben Enten, die sich im Park fast handzahm verhalten, ein paar Kilometer weiter im Jagdrevier normales Fluchtverhalten zeigen. In der Wildnis

Ebenfalls wurde hier bisher nicht beachtet, dass die Stockente in Nord- und Osteuropa ein Zugvogel ist und daher nicht wenige Stockenten, die zurzeit in Deutschland sind, nur Wintergäste sind. Die Erpel sind wohl auch zugfreudiger als die Enten, sodass in Deutschland saisonal der Erpelüberschuss auch noch durch geile Schweden und Russen verstärkt wird.


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