Florenz

Der Kaktus auf dem Fensterbrett und der bedrohte Regenwald, Haustiere, die uns zu Kühlschrankbutlern erziehen, Wildtiere, die ihre Lebensräume verlieren, Reisen in die Einsamkeit und Erkundungen von Städten.
Traitor
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Sa 5. Apr 2014, 18:01 - Beitrag #1

Florenz

Konferenz sei Dank konnte ich mich in den letzten anderthalb Wochen in der je nach Quelle nach / vor / gleichauf mit Rom kulturell wichtigsten Stadt Italiens rumtreiben.

Besichtigte Museen:
Palazzo Vecchio - interessantes Gebäude, ganz nette, aber nicht herausragende Gemälde- und Statuensammlung
Museo Galileo - für mich zugebenermaßen fast das interessanteste, sehr schön aufbereitete und modernisierte Instrumenten- und Kartensammlung zur Wissenschaftsgeschichte
Galleria degli Uffizi - ihrem überragenden Namen halbwegs gerecht werdend, gegenüber dem Vatikan aber doch leicht abfallend
Museo Archeologico Nazionale - für mich Nr. 2 nach Galileo, sehr umfangreiche etruskische Sammlung, nette ägyptische plus ergänzend Römer und Griechen
Opera di Santa Maria del Fiore (Duomo) - das Museum selbst dank Umbaumaßnahmen bis auf das Original der einen Kirchentür vernachlässigbar, der Dom selbst mit Nebenbauwerken dafür sehr überzeugend. Nicht so überladen wie Peter, dazu sehr interessant die Vorgängerreste im Keller.
Bargello - klein, aber ordentliche Statuensammlung, eigentlich empfehlenswerter als die folgende; dazu besonders nettes Kunsthandwerk.
Galleria del'Academia - ziemliche Abzocke, genauso teuer wie die Uffizien, aber bis auf den David eigentlich fast nur Füllmaterial. Den sollte man lieber umziehen lassen und den Rest dieser Filiale stillegen.
Palazzo Pitti - durch die Architektur-Sammlungs-Kombination eindrucksvoller als die Uffizien. Sammlung etwas chaotisch und überladen, man muss schon sehr genau nach den Juwelen suchen, von denen es aber verdammt viele gibt. Zudem fand hier die bereits im Wmig erwähnte Dokumentensonderausstellung statt, Bild folgt.
Pitti-Bonusmuseen im Giardino-Boboli-Ticket - Porzellan und Kostüme öde, Silber/Kunsthandwerk nett.
Bemerkenswert ist, dass fast alle Museen vor Ort deutlich mehr kosteten als im Internet behauptet, teilweise fast das Doppelte. Italiener! :o

Banausendeklaration...? ;)

Außermuseal sehr sehenswert fand ich auch die Parks/Gärten - Boboli und Bardini mit gemeinsamem 10€-Eintritt, kleinere am Aufgang zum Piazzale-Michelangelo-Aussichtspunkt öffentlich, zu einigen anderen habe ich keine legalen Eingänge gefunden. Lohnenswert war auch eine Wanderung nach Süden raus gen Arcetri, Alterssitz von Galilei, von wo er einen tollen Blick gehabt hätte, wenn er nicht schon blind gewesen wäre... Die Kirchen kosten leider fast alle Eintritt, und da die Museen die Tage schon weitgehend ausfüllten, habe ich da keine weiteren außer dem Dom bedacht. Das Bussystem ist furchtbar unzuverlässig, obwohl sie im Gegensatz zu Rom sogar versuchen, Fahrpläne zu haben. Erkenntnis außerdem: Italienisches Essen wird mir tatsächlich nach gut einer Woche bereits zu eintönig.

Lykurg
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So 6. Apr 2014, 08:25 - Beitrag #2

Eindrucksvolles Programm, Traitor, vor allem dafür, es in so kurzer Zeit neben der Tagung untergebracht zu haben! Lob und Anerkennung. - Mein letzter Florenzbesuch ist über zehn Jahre her (vorher in der Kindheit immer wieder), meine Erinnerung ist insofern ein ganzes Stück weit verblaßt, was mich etwas unsicher macht, welche Punkte der Liste ich nicht kenne oder wo ich noch etwas ergänzen könnte (Wikipedia hilft als Gedächnisstütze...). Ich weiß zB, daß ich Galileo nie besucht habe, weder das Museum, noch sein Haus. Auch das von dir gerühmte Nationalmuseum war zumindest beim letzten Mal nicht dabei (vorher weiß ichs nicht, vmtl. irgendwann schon - da wäre massiver Nachholbedarf meinerseits, auch mit inzwischen massiv verändertem Blickwinkel.

Auf jeden Fall fehlt noch der Palazzo Medici-Riccardi, nur recht nette Innenraumwirkung, dafür eine umwerfende Kapelle; nur von außen kenne ich den Palazzo Strozzi, der nun auch gelegentliche Ausstellungen beherrbergen soll. Die Kirchen müßte ich über die Jahre (war als Kind jedes Jahr dort) so ziemlich alle gesehen haebn - Santo Spirito (Klosterführung mit Michelangelovergangenheit, Donatello-u.a. Fresken in den Kapellen); ebenfalls wegen der großformatigen Fresken Santa Croce. Wegen seiner Innereien, auch wegen des Blicks San Miniato al Monte, aber da kommt man etwas schwierig hin. Ganz zentral dafür die Basilica San Lorenzo mit diversen Medicigrabmälern, dafür für Florenz ziemlich nüchterner Innenraum (ist halt eher^^ alt). Ob du die Loggia dei Lanzi nur beiläufig nicht genannt hast, weiß ich nicht, die Skulpturen sind nett genug, daß sie ein hiesiges Museum krönen würden, aber für Florenz ist das halt Standard. Für mich aber natürlich ein absolutes Muß wäre und ist die Bibliotheca Medicea Laureziana mit einigen der schönsten und wertvollsten Handschriften überhaupt (auch und gerade Musikhandschriften), und einem reichlich urigen Lesesaal. Oje, jetzt ist bei mir die Reiselust ausgebrochen... Noch einen massiven Vorteil hattest du: Ich war - abgesehen von meinem letzten Besuch, der wohl auch im März stattfand - meist im Sommer dort, eine eher mäßige Idee, aber natürlich nicht meine.

Traitor
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Di 15. Apr 2014, 21:11 - Beitrag #3

Zitat von Traitor:Banausendeklaration...? ;)
Davor sollte eigentlich noch ein Fazit "Somit insgesamt durchaus lohnenswertes Museumsensemble, aber hinter Rom doch recht klar zweite Liga" stehen.

Zitat von Lykurg:Eindrucksvolles Programm, Traitor, vor allem dafür, es in so kurzer Zeit neben der Tagung untergebracht zu haben!
Ich bin berüchtigt dafür, Museen sehr schnell zu durchschreiten. ;) Gerade gemäldelastige. Da würdige ich in den meisten Räumen nur einige Exemplare mehrerer Blicke, und die dann sicher auch nicht so lange, wie ein Nichtbanause es voraussetzen würde.

Der Strozzi hatte gerade eine für mich nicht sehr spannend klingende Manierismus-Ausstellung und eine völlig unspannend klingende mit modernem Gedöns. Da habe ich mir nur den Gratis-Innenhof angesehen. Medici-Ricardi war tatsächlich Nr. 1 auf der Nachrückerliste, falls ich noch eine Station mehr geschafft hätte. Bei San Miniato al Monte war ich nur im angrenzenden Park und stand vor geschlossenem Tor, bei den anderen Kirchen wie gesagt Zeit-und-Geld-Abwägung. Die Loggia habe ich, da Freiluft und gratis, nicht als spezifischen Museumsbesuch gezählt, und zeitlich war sie bei mir direkt an den Palazzo Vecchio angeschlossen. Mit weniger Rumlungerern wäre sie dabei durchaus noch netter, aber auch so eine schön unkonventionelle Ausstellungsweise.

Im Anhang: einmal Galileo (leider sehr unscharf), dreimal Archäologie, zweimal arcetrische Aussicht, einmal Chorgesangsbuch von 1287 aus der Pitti-Sonderausstellung (natürlich ohne Blitz photographiert, daher auch eher schlecht, trotzdem bei Interesse größere Version verfügbar; räumliche Herkunft habe ich mir leider nicht notiert).

Zwei Vitrinen neben dem Gesangsbuch lagen übrigens einträchtig nebeneinander das Medici-Fürsten-Ernennungsdiplom von 1530 und eine Micky-Maus-Erstausgabe.... die ganze Ausstellung war ein interessantes Querbeet. Und auch Nazi- und Flutopfer haben sie vorgeführt, weiteres Analogon zu Arcana.

Ach ja, in den Uffizien fand ich einen Raum mit fortschreitend eskalierend überspezifisch betitelten Stilleben sehr amüsant, gipfelnd in einem (iirc von Cristoforo Munari), das in etwa "bla bla fruit bla and peaches and bla and a vase of flowers and another peach" hieß.
Und bei der Academia vergaß ich die netten und teils kuriosen Musikinstrumente zu erwähnen, u.a. den Vertikalflügel und diverse Gitarren-Piano-Hybride.

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Lykurg
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Mi 16. Apr 2014, 09:13 - Beitrag #4

Danke für die schönen Bilder! Die Chimäre ist wirklich großartig, kurios nur, daß die Schlange ins Horn beißt, ich vermute mal, das ist falsch rekonstruiert.

Und ja, das mit der Banausendeklaration hatte mich verwundert. Ansonsten, Rom oder Florenz... Geschmackssache, und auch abhängig von der Zeit, die einen am meisten interessiert - aber generell hast du schon recht, an Rom können sie sowohl in Masse als auch in Spitzenstücken nicht ganz mithalten (abgesehen von der Renaissance). Dafür haben sie auch nicht so viel Schund. ;)

"Gitarren-Piano-Hybride" - schöner Ausdruck! :D Meinst du Cembalo, Clavichord, Spinett und Virginal, oder tatsächlich irgendwelche modernen Mischformen?

Traitor
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Sa 26. Apr 2014, 20:16 - Beitrag #5

Zur Chimäre habe ich den WP-Artikel mit folgendem (unbelegten) Zitat gefunden:
Im Jahr 1785 rekonstruierte Francesco Carradori den Schwanz, dessen Schlangenkopf am Schwanzende in ein Horn des Ziegenkopfes beißt, statt sich, wie in belegten Darstellungen auf antiken Münzen, gegen den Angreifer zu richten.


Dafür haben sie auch nicht so viel Schund.
Nunja, die Sammlung nationalistischer Maler in der "Galleria
d'arte moderna" (Palazzo Pitti) könnte man da durchaus gelten lassen...

Zitat von Lykurg:"Gitarren-Piano-Hybride" - schöner Ausdruck! :D Meinst du Cembalo, Clavichord, Spinett und Virginal, oder tatsächlich irgendwelche modernen Mischformen?
Eher Saiteninstrumente mit Klaviaturen, z.B. manche Drehleiervarianten (so wie das zweite und dritte Bild rechts bei deWP). Ein Instrument war auch explizit als "piano guitar" bezeichnet, leider kein Bild gemacht oder noch hinreichend genau vor Augen. Und definitiv nicht modern.

Lykurg
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Mo 28. Apr 2014, 17:22 - Beitrag #6

Oh ja, danke, das ergibt Sinn. Eine fragwürdige Rekonstruktion in der Tat.

Ja, auch für faschistoide Kunst ist Italien ein Mekka...

Was ich aber noch fragen wollte: War im Galilei-Museum auch sein Mittelfinger zu sehen?

Traitor
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Di 29. Apr 2014, 23:07 - Beitrag #7

Ja, zusammen mit ein oder zwei weiteren Fingern. Der mittlere eignet sich natürlich besonders als politisches Symbol an Geozentriker, Inquisitoren und Konsorten und wurde daher am stärksten inszenatorisch betont...
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