Watkins: Senna hatte keine Chance

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Di 6. Aug 2002, 20:18 - Beitrag #1

Watkins: Senna hatte keine Chance

"Es gab keine Überlebens-Chance"


Rennarzt Sid Watkins zählt zu den absoluten "Urgesteinen" in der Formel 1
München - Sicherheit ist eines der zentralen Themen in der Formel 1. Wenn Schumi & Co. mit mehr als 300 km/h über die Piste jagen, müssen die Verantwortlichen auf alle Eventualitäten vorbereitet sein.

Natürlich liegt das Hauptaugenmerk der Streckendesigner darauf, Unfälle schon im Vorfeld zu verhindern. Auslaufzonen und Reifenstapel sind dabei wichtige Instrumente. In einigen Fällen greifen diese Vorsichtsmaßnahmen jedoch nicht, und es kommt zu einem Unfall.

Dann rückt Professor Sid Watkins in den Mittelpunkt. Seit mehr als 25 Jahren ist der Engländer für die medizinische Erstversorgung in der Formel 1 zuständig. In dieser Zeit wurde Watkins Zeuge von vielen Tragödien. Auch beim fatalen Unfall von Ayrton Senna 1994 war er als erster vor Ort.

Wie er diese Situation erlebt hat und was seine Aufgabe so wichtig macht, verrät Watkins im Sport1-Interview.


Sport1: Sehen Sie sich selbst mehr als Mediziner oder mehr als Mitglied des harten Kerns der Formel-1-Truppe?

Sid Watkins: Hmm - ich würde sagen, eher als Arzt.

Sport1: Wann kamen Sie das erste Mal mit der Königsklasse in Berührung?

Watkins: Ersten Kontakt zur Formel 1 hatte ich in Silverstone - damals, Ende der 50er Jahre als die Vanwalls noch fuhren. Sehr gut kann ich mich auch noch an den GP von Großbritannien 1961 in Liverpool erinnern. Wolfgang von Trips gewann das Rennen. Ich dachte mir (lacht), ich sollte als Rennarzt arbeiten. Dann bräuchte ich nicht die teuren Eintrittskarten kaufen.

Sport1: Das ist Ihnen gelungen?

Watkins: Ja, ich bin dafür verantwortlich, sicherzustellen, dass die Ärzte und Helfer vor Ort jeweils voll mit den Vorschriften der FIA vertraut sind. Also unterstütze ich die lokalen Kräfte - und gebe die notwendigen Anweisungen - was den FIA-Standard mit Blick auf die Formeln 1 und 3000 betrifft. Doch weil mich jeder kennt, kommen an jedem Wochenende viele Leute mit ihren kleineren oder größeren Wehwehchen zu mir und wollen meine Hilfe.

Sport1: Für die Zuschauer ist es immer wieder faszinierend, das F-1-Feld nach dem Start auf die erste Kurve zufliegen zu sehen. Als Arzt sehen Sie diese aufregenden Augenblicke sicherlich mit ganz anderen Augen?

Watkins: Richtig. Ich mache mir regelmäßig gewisse Sorgen. Seit dem schweren Unfall von Ronnie Peterson (Der Schwede wurde 1978 in Monza in einen schweren Startunfall verwickelt und zog sich schwere Verletzungen zu, an deren Folgen er in der Nacht auf Montag verstarb, Anm. d. Red.) fahren wir deshalb grundsätzlich hinter dem Feld her. So sind wir im Fall der Fälle sehr schnell zur Stelle, um helfen zu können.

Sport1: Stehen Sie während der Rennen permanent bereit?

Watkins: Natürlich. Gemeinsam mit einem Arzt der örtlichen Medizinercrew sitze ich startbereit im Medical-Car. Dabei sind wir beide über Sprechfunk mit der Rennleitung verbunden. Außerdem haben wir einen Bildschirm im Auto, um ständig informiert zu sein.

Sport1: Weil die Helfer an der Unfallstelle ebenfalls mit der Rennleitung in Kontakt stehen, werden Sie also ständig mit News gefüttert und wissen schon auf der Anfahrt, welche Verletzungen sich ein Pilot zugezogen hat?

Watkins: Wir sind bestens informiert und wissen tatsächlich, ob es sich um Verletzungen am Kopf, an den Beinen oder anderen Körperteilen handelt. Und wir sind dann sehr schnell vor Ort.

Sport1: Wie viel Zeit vergeht durchschnittlich bis zu Ihrem Eintreffen am Unfallort?

Watkins: Das hängt ganz davon ab, ob sich der Crash in einer der ersten oder der letzen Kurve ereignet. Im schlimmsten Fall müssen wir fast eine komplette Runde zurücklegen. Aber unser Fahrer beherrscht seinen Job. In spätestens zwei Minuten sind wir da. Unser Tempo entspricht dem eines schnell gefahrenen Renn-Tourenwagens.

Sport1: Wenn Sie gerufen werden - und sehen auf dem TV-Bild im Medical-Car dramatische Szenen, wie auf dem A1-Ring, als Takuma Satos Jordan von Nick Heidfelds Sauber torpediert wurde - sind Sie sicherlich einem gewissen Stress ausgesetzt?

Watkins: Wenn sich derartiges ereignet, dann geht alles so schnell, dass man gar keine Zeit hat, über möglichen Stress nachzudenken. Aber ich spüre regelmäßig Erleichterung, wenn ich feststelle, dass der betroffene Pilot bei Bewusstsein ist.

Sport1: Legen Sie persönlich bei den Unfallopfern Hand an?

Watkins: Ich verhalte mich nach dem Prinzip des guten Samariters. Treffe ich als erster ein, dann kümmere ich mich selbst um den Verletzten. Falls bereits ein Kollege dort ist, mache ich mich natürlich auch nützlich. Ich gebe Anweisungen, oder ich gebe - falls ich darum gebeten werde - meine eigene Einschätzung der Situation.

Sport1: Wissen Sie, wie oft sie schon zum Einsatz kamen?

Watkins: Leider schon sehr, sehr oft. Aber wie oft? Ich weiß es nicht - diesbezüglich mache ich keine Buchführung.

Sport1: Extrem-Situationen, wie die tragischen Unfälle von Ayrton Senna und Roland Ratzenberger 1994 in Imola sind sicherlich auch für einen Profi nur schwer zu verkraften?

Watkins: Ja, es war extrem traurig. Es ist wirklich schlimm, wenn man sieht, dass entscheidende Hilfe gar nicht mehr gegeben werden kann?

Sport1: Eine Rettung war unmöglich?

Watkins: Mir war sofort klar, dass keinerlei Überlebens-Chancen bestanden. Trotzdem muss man alles tun. In der Hoffnung auf ein Wunder oder eine winzige Chance gibt man nicht auf.

Sport1: Sie kennen alle F-1-Piloten so gut, dass von einem freundschaftlichen Verhältnis gesprochen werden darf. Erleichtert das die Arbeit, oder ist es zusätzlich dramatisch, wenn man einen Freund in Not sieht?

Watkins: Ich glaube, dieses Verhältnis erleichtert die Arbeit - jedenfalls aus Sicht der Verletzten. Wenn sie mein Gesicht sehen, wissen dass ich da bin. Ihnen kommt in den Sinn, wie oft ich in der Vergangenheit schon helfen konnte. Dann geht es ihnen gleich etwas besser. Sie fühlen sich happy - soweit man sich in einer solchen Situation happy fühlen kann.

Sport1: Hoffentlich werden Sie nie mehr alarmiert.

Watkins: Ja, das wäre schön.

SoF
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Di 6. Aug 2002, 23:49 - Beitrag #2

Ich habe den Unfall von Ayrton Senna noch im Fernseh miterlebt. Das war wirklich eine Tragödie, die zu damlaigen Zeiten so ausgegangen ist. In der jetzigen Zeit wäre, warscheinlich nicht allzuviel passiert. Es wird immer mehr and er Sicherheit der Wagen, der Strecke und in der Box gearbeitet und man ist fast schon gegen alles abgesichert. Wenn man mal schaut, wie spektakulär einige Unfälle aussehen und die Fahrer dann aussteigen und sich ärgern, dass sie draussen sind ist es schon wirklich anerkennenswert, was sich in der Sicherheitstechnik getan hat. Aber obwohl soviel Sicherheit schon da ist, ist diese auch noch zu wenig, wie der Unfall, wo der Streckenposten von einem Rad erschlagen worden ist, bewiesen hat.


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