Toleranz = egal

Das aktuelle politische Geschehen in Deutschland und der ganzen Welt sowie wichtige Ereignisse der Weltgeschichte.
Thod
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Mo 26. Aug 2002, 20:14 - Beitrag #1

Toleranz = egal

Hallo zusammen,
häufig wird ja gerade im Zusammenhang mit Politik die Frage gestellt, warum viele so desinteressiert sind, und sich gesellschaftlich gar nicht mehr einbringen wollen.

Nun ist es aber auch andererseits gefordert, allem und jedem gegenüber tolerant zu sein.
Tolerant ist man ja bekannlich alle dem am leichtesten gegenüber, das einen nicht wirklich interessiert.

Ist es nicht also natürlich, dass einer Zunehmenden Toleranz in einer Gesellschaft auch eine zunehmende Interessenlosigkeit folgt?

Gruss,
Orald

Seeker
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Mo 26. Aug 2002, 20:55 - Beitrag #2

Eine interessante Überlegung, Orald. In erster Näherung würde ich Deine Frage mit einem "JA" beantworten.

Bei genauerer Betrachtung würde ich aber sagen, dass es so zu einfach wäre.
Warum sollte man Misständen gegenüber Tolerant sein? Ich denke eher, das Problem an der "Interesselosigkeit", wie Du es so schön formuliert hast, ist möglicherweise folgendes:

Die Frage "Was kann ich verändern?" stellt sich jeder irgendwann einmal. Leider ist es so, dass man auch erfahren muss, das es für eine einzelne Person nicht möglich ist, etwas Großes zu verändern. (Ich rede hier von den Normalsterblichen) Die Mühlen sind einfach zu groß geworden. Man kann noch im Kleinen viel erreichen, aber was will man z.B. auf Staatsebene tun?

Resignation würde ich es nennen.
Nichtinteresse spielt aber auch mit rein, das geb ich zu. Ist ja auch komplexes Thema. Was denkst Du? Und Ihr?

Gruss,
Seeker

Thod
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Mo 26. Aug 2002, 21:07 - Beitrag #3

da hast du sicher recht, denke ich.
Resignation ist sicher ein wichtiger Grund für die Interessenslosigkeit. Allerdings liegt diese Resignation wohl auch an einem falschen Weltbild, welches man oft vermittelt bekommt, doch das führt dann hier wohl zu weit vom Thema ab...
Warum sollte man Misständen gegenüber Tolerant sein?

Ich denke nicht dass man ihnen gegenüber tolerant sein sollte. Doch was ist ein Misstand? Alles was mich stört? Ich finde es äusserst problematisch, Toleranz zu predigen, wenn damit wirklich "Egalheit" gemeint ist. Allerdings sehe ich da auch tatsächlich keinen Unterschied. So wie ich die Aufforderung zu Toleranz mitbekomme, habe ich den Eindruck man könnte gleich sagen: Nehmt eure Umwelt nicht so wichtig: Bezieht keine Stellung, duldet alles. Zumindest wäre das Nachkommen dieser Aufforderungen dasselbe, wie dasjenige, was durch Toleranz gefordert wird. Das halte ich für bedenklich, und es spielt einer generellen Gleichgültigkeit zumindest in die Hände.

Gruss,
Orald

Monoceros
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Mo 26. Aug 2002, 21:55 - Beitrag #4

Es besteht ein gewisser Unterschied zwischen Ignoranz und Toleranz. Ignoranz wäre ein Produkt eben dieser Interesselosigkeit, die angesprochen wurde. Toleranz setzt die Kenntnis und daher auch ein gewisses Verständnis dessen voraus, was man toleriert.

Monoceros

Padreic
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Mo 26. Aug 2002, 22:36 - Beitrag #5

Grob gesagt gibt es m. E. zwei Arten von Toleranz (gegenüber Meinungen, die man nicht selber vertritt):
1. Die von Orald angesprochene Interessenlosigkeit.
2. Man mag die Meinung eines anderen zwar nicht, doch gesteht man dem anderen ein Recht auf eigene Meinung eind, d. h. man stellt sich nicht über ihn. Im Idealfall setzt man sich noch mit der Meinung des anderen ernshaft auseinander, macht den anderen auf Punkte aufmerksam, die einem nicht gefallen und prüft seine eigene Meinung.

Die erste Form der Toleranz ist wohl einfacher und deshalb rutscht die Masse auch leicht in diese ab. Z. B. bei Religionen ist für viele Toleranz etwas leichtes, da sie Religion für unwichtige Nebensache halten.

Die Bevölkerung toleriert wohl auch schlechte Politik, weil sie keine größeren Maßnahmen unternehmen, um sie zu ändern. Es ist sicherlich eine Form von Interessenlosigkeit oder Resignation, die wieder zum ersteren führt.
Die zweite Art von Toleranz wäre hier nämlich direkt angebracht. Die Meinung der schlechten Politiker sollte man schon tolerieren, aber nicht ihr Handeln, da sie damit zu vielen schaden. Politiker müssen ihre Meinung ja über die von anderen stellen, aber wenn man mit den Meinungen nicht einverstanden ist, muss man diese Über-andere-Stellen nicht tolerieren.

Padreic

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Di 27. Aug 2002, 11:38 - Beitrag #6

Wo wir wieder bei dem Problem der Definition wären. Egal, was der Duden oder Brockhaus vorschreiben, es gibt jede Menge Menschen, die sich ihre eigene Definition von Toleranz zurechtlegen - und diese muß nicht zwingend mit dem Grundgedanken viel gemein haben.

Die "Egalheit", das Desinteresse an der Umwelt als Toleranz zu beschreiben ist schon interessant. Viele nutzen wohl diese Definition.

Wer lernt denn schon heutzutage, richtig zu streiten, eine Diskussion zu führen, ohne Polemik zu betreiben?

Das sind nur meine Gedanken...

Gruss,
Seeker

Thod
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Di 27. Aug 2002, 13:17 - Beitrag #7

Ich denke, für die meisten Menschen dürfte es recht schwer sein, Meinung und Person auseinander zu halten. Vor allem, wenn die Meinung wirkliche Grundinteressen betrifft. Nehmen wir mal den Geldbeutel: Da hört doch bei vielen wirklich schnell die Toleranz auf, vor allem, wenn jemand mit anderer Meinung in der Lage ist, die seine staatsmässig umzusetzen.

Mir fallen für Padreics zweite Definition wirklich auf anhieb keine Beispiele ein. Etwas, was einem *wirklich* nicht egal ist, dafür tritt man ein, dafür kämpft man.
Wenn Toleranz bedeutet, den anderen leben zu lassen, ok. Dann mag das zutreffen (abgesehen von Notwehr ;) ) aber letztlich scheint mir schon das passiv werden, sich in den Status der Egalheit zu versezten, wenn man das so sagen kann, der effektivste Weg, einer Toleranzforderung nachzukommen...

@ Monoceros,
ich kann einige Dinge gut verstehen, und sie sind mir dennoch, oder gerade darum völlig egal.

Gruss,
Orald

Padreic
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Di 27. Aug 2002, 14:32 - Beitrag #8

@Orald
Man muss hier auch zwischen Meinungen und Taten unterscheiden. Jede Meinung kann man tolerieren, doch Handlungen des einen beeinflussen die Handlungsmöglichkeiten von anderen. Jeder setzt sich so über Meinungen anderer hinweg (außer wenn alle die gleiche Meinung haben). Das, auch wenn es notwendig sein mag, muss man nicht unbedingt tolerieren. Hier muss man zwischen den Rechten der verschiedenen Menschen abwägen. Angegriffen zu werden, ist eine so starke Form der Handlungseinschränkung, dass man es nicht tolerieren muss (sollte). Dass jemand, den man nicht mag, den gleichen Weg zur Arbeit geht, kann man aber durchaus tolerieren, da er weniger meine Rechte verletzt als das er seine eigenen nutzt. Im Einzelfall ist das natürlich immer sehr schwer zu entscheiden, was man nun toleriert und was nicht, da es hier keine einfachen Richtmaßstäbe gibt.

@seeker
Begriffe werden leider oft verflacht (Orald kann dir sicherlich einen ausführlichen Vortrag über den Personenbegriff halten ;)) und so ist es wohl auch mit der Toleranz bei vielen.

Und ob jemand tolerant ist, zeigt sich wohl bei einer Diskussion besonders gut, da es hier um die Meinungen pur geht (gehen sollte) und nicht um die Taten, die aus ihnen resultieren. Wenn man versucht, des anderen Meinung (außer mit rein sachlichen Argumenten) zu ändern, ist das eben ein Anzeichen für Intoleranz gegenüber der Meinung des Gegenübers. Polemik ist wohl oft einer der Auswüchse von Intoleranz.

Padreic

Thod
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Di 27. Aug 2002, 15:12 - Beitrag #9

interssant ist aber schon auch die Frage, was eine Meinung wert ist, wenn man sie nicht bei Vorhandensein einer Möglichkeit in die Tat umsetzt.

Gruss,
Orald

Marc Effendi
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Di 27. Aug 2002, 17:09 - Beitrag #10

Toleranz setzt die Kenntnis und daher auch ein gewisses Verständnis dessen voraus, was man toleriert.


Nicht unbedingt, Mono, wenn man Toleranz im ursprünglichen Wortsinn benutzt. Dann bedeutet etwas zu tolerieren nämlich etwas zu erdulden oder ertragen.

Aber was ich ertrage muß ich nicht unbedingt auch verstehen.

Monoceros
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Di 27. Aug 2002, 20:25 - Beitrag #11

Sorry, da ist mir leider ein Fauxpas unterlaufen... was ich geschildert habe geht eher in die Richtung Akzeptanz... Erst denken, dann schreiben. :D

Monoceros

Padreic
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Di 27. Aug 2002, 21:09 - Beitrag #12

@Orald
Eine normale Meinung kann ich ja nicht in die Tat umsetzen. Man muss erst Folgerungen aus der Meinung anstellen. Die Folgerungen aus der Weltanschauung können mit der Meinung kollidieren, dass auch andere das Recht haben, eine eigene Meinung zu haben und daraus Taten zu folgern. Wie diese Kollision aussieht, kommt eben immer auf den Einzelfall an.
Und der Wert einer Meinung liegt m. E. nicht nur in den ihr folgenden Taten. Allein das Gefühl der Wahrheit näher gekommen zu sein, ist doch schon vieles wert ;).

Padreic

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Di 27. Aug 2002, 21:32 - Beitrag #13

das klingt mir recht abstrakt. Zum einen denke ich nicht, dass Menschen das so genau auseinander halten. Die Folgerung aus einer Meinung, wird sicher im allgemeinen auch zur Meinung gezählt.

Vielleicht wäre da ein Beispiel mal gut. Wenn ich dich richtig verstehe, wäre es eine Meinung, wenn jemand sagt: Fremde sind schlecht. Die Folgerung wäre, man müsse sie vertreiben. Ist das Vertreibenwollen denn nicht im eigentlichen auch eine Meinung?
Tolerant zu sein hiesse hier: Menschen sind mir egal. ob sie bekannt, fremd, gut oder schlecht sind, es interessiert mich nicht, ich beziehe keine stellung und somit bin ich am ehesten tolerant.

Wieso meinst du (bezogen auf dieses Beispiel einmal), dass Folgerungen und Meinungen oft auseinanderdriften? Kann ich mir das so vorstellen, dass jemand sagt: ich mag keine Fremden, aber auch wenn ich die Macht dazu hab, ich tu nichts gegen sie? Wenn das so ist, wäre dieser Mensch doch recht inkonsequent, und wie könnte er sich nahe an der Wahrheit fühlen? Überhaupt: das Gefühl, der Wahrheit näher zu kommen, haben ja gerade recht radikale und einfach gestrickte Gruppen, welche denken , sieh hätte die Wahrheit gepachtet. Aber ob das tatsächlich weiterführt....?

Gruss,
Orald

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Di 27. Aug 2002, 22:30 - Beitrag #14

Meinung war vielleicht ein schlechter Begriff. Ich meinte nur alle Meinungen, die sich nicht direkt auf Taten beziehen.

Gut ein Beispiel:
Ich hätte es lieber, wenn wir keine Fremden in Deutschland hätten. Andere meinen dagegen, dass es gut ist, dass wir sie hier haben. Ich toleriere ihre Meinung und da es sehr viele sind, will ich sie auch nicht in ihren Taten dembezüglich behindern und toleriere diese auch, d. h. ist ergreife nicht eigenmächtig Vertreibungsbemühungen.

Man ist dann nicht unbedingt inkonsequent, jedenfalls, wenn man seine Meinung nicht als absolute Wahrheit ansieht, was man ja im Normalfall nicht tut. Besonders ist man nicht inkonsequent, wenn man das ganze praktisch nur als Geschmacksfrage sieht, denn dann hat man kein Recht sich über mehrere andere hinwegzusetzen, um seinen Geschmack durchzusetzen. Meinungen haben im Normalfall auch einiges von einer Geschmacksfrage, je nach dem, wie man die Argumente gewichtet. Deswegen muss es nicht inkonsequent sein, seine Meinung nicht um jeden Preis durchzusetzen.

Und hätte ich das Gefühl, dass andere Meinungen näher an der Wahrheit sind, hätte ich diese und nicht meine. Wenn ich meine Meinung ändere, habe ich so das Gefühl, näher an die Wahrheit zu kommen, oder?

Padreic

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Mi 28. Aug 2002, 14:44 - Beitrag #15

Besonders ist man nicht inkonsequent, wenn man das ganze praktisch nur als Geschmacksfrage sieht

Mit anderen Worten, wenn einem die Problematik nicht ganz so wichtig ist, wenn sie einem nicht wirklich am Herzen liegt. Ich lese aus deinem Beispiel durchaus heraus, dass man Interessen mit wenig Engagement vertreten soll, die eigene Position nicht so wichtig nehmen soll, und IMO ist eine direkte Konsequenz aus Übungen, die einen zu einem Menschen machen, der dem allgemein nachkommt, dass einem alles immer egaler wird.

Gruss,
Orald

Persisteus
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Mi 28. Aug 2002, 15:39 - Beitrag #16

Nehmen wir mal ein aktuelles Beispiel: Rauchen. Stellt euch mal vor, ihr würdet mit einer Fahrgemeinschaft in einem Auto eine lange Strecke fahren. Die Gemeinschaft enthält Raucher und strikte Nicht-Raucher. Nun wollen die Raucher während der langen Fahrt natürlich rauchen, die Nicht-Raucher aber wollen dies um jeden Preis verhindern. Das Fenster kann aufgrund der hohen Geschwindigkeit auf der Autobahn nicht geöffnet werden (manche Leute haben wegen sowas schon ernste Krankheiten bekommen... vereiterte Augen oder Ohrentzündung). Es kommt zum Streit... aber welche von den beiden Parteien ist intolerant?

Ein zweites Beispiel: Autoabgase. Die meisten Leute fahren mit dem Auto, aber manche (so wie ich) fahren umweltschonend mit Bus & Bahn, und nehmen dafür so manche Unbequemlichkeit in Kauf. Wenn ich nun zu einer Kampagne "Nieder mit dem Autos! Weniger Abgase!" aufrufe, bin ich dann intolerant? Oder die ganzen Autofahrer, die ohne Rücksicht auf Verluste die Luft anderer Leute verunreinigen?

Denn wenn man es genau betrachtet, ist in manchen Fällen auch Intoleranz = egal. Wenn jemand quasi gezwungen ist etwas zu tolerieren, dann zeichnet sich die andere Seite oft durch Intoleranz aus. Wer zur Toleranz aufruft, ist intolerant gegenüber den Intoleranten. Toleranz ist eine Sekundärtugend, mit der man auch ein KZ führen kann: Die Kirche hat die Ermordung der Juden im dritten Reich toleriert, sowie der größte Teil der Bevölkerung. Man hat also die Intoleranten (Nazis) toleriert (ich liebe solche Wortspiele! :D).

Man sollte daher statt "Toleranz" lieber "Menschenachtung" und "Zivilcourage" predigen, das ist glaub ich eher was man will.

Ratte
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Mi 28. Aug 2002, 15:53 - Beitrag #17

Original geschrieben von Persisteus
Nehmen wir mal ein aktuelles Beispiel: Rauchen. Stellt euch mal vor, ihr würdet mit einer Fahrgemeinschaft in einem Auto eine lange Strecke fahren. Die Gemeinschaft enthält Raucher und strikte Nicht-Raucher. Nun wollen die Raucher während der langen Fahrt natürlich rauchen, die Nicht-Raucher aber wollen dies um jeden Preis verhindern. Das Fenster kann aufgrund der hohen Geschwindigkeit auf der Autobahn nicht geöffnet werden (manche Leute haben wegen sowas schon ernste Krankheiten bekommen... vereiterte Augen oder Ohrentzündung). Es kommt zum Streit... aber welche von den beiden Parteien ist intolerant?


Es geht hier mal wieder um die Definition. Wenn z.B. Nicht-Raucher den Rauchern im Auto das Rauchen verbieten wollen sehe ich das NICHT als Intoleranz, denn es geht hier nicht um bloßes Wollen oder Nichtwollen oder Zulassen oder Dulden sondern nicht zuletzt um Gesundheit und deren Beeinträchtigung! Wenn jemand rauchen will, so kann er das ja tun, aber nicht auf Kosten der Nicht-Raucher! Es geht ja wohl nicht in erster Linie um die "Belästigung" durch den Rauch sondern um die Auswirkungen. Wenn die Klamotten der Nicht-Raucher nach der Autofahrt auch nach kaltem Rauch stinken, so ist das unangenehm aber wohl nicht der Grund für den Ärger. Rauch in den Augen ist den meisten Menschen unangenehm. Wer sowieso schon empfindliche Augen hat und/oder Kontaktlinsen trägt, leidet entsprechend stärker. Wenn z.B. Asthmatiker anwesend sind, wäre es nicht intolerant, wenn die Raucher trotzdem rauchen wollen sondern Körperverletzung!

Original geschrieben von Persisteus
Ein zweites Beispiel: Autoabgase. Die meisten Leute fahren mit dem Auto, aber manche (so wie ich) fahren umweltschonend mit Bus & Bahn, und nehmen dafür so manche Unbequemlichkeit in Kauf. Wenn ich nun zu einer Kampagne "Nieder mit dem Autos! Weniger Abgase!" aufrufe, bin ich dann intolerant? Oder die ganzen Autofahrer, die ohne Rücksicht auf Verluste die Luft anderer Leute verunreinigen?


Mit den Autoabgasen, das ist zwar auch ein Problem der Umweltverschmutzung, aber oftmals geht es eben nicht anders - oder zumindest drastisch umständlicher!

Original geschrieben von Persisteus
Denn wenn man es genau betrachtet, ist in manchen Fällen auch Intoleranz = egal. Wenn jemand quasi gezwungen ist etwas zu tolerieren, dann zeichnet sich die andere Seite oft durch Intoleranz aus. Wer zur Toleranz aufruft, ist intolerant gegenüber den Intoleranten. Toleranz ist eine Sekundärtugend, mit der man auch ein KZ führen kann: Die Kirche hat die Ermordung der Juden im dritten Reich toleriert, sowie der größte Teil der Bevölkerung. Man hat also die Intoleranten (Nazis) toleriert (ich liebe solche Wortspiele! :D).


Dass die Nazis geduldet wurden würde ich so nicht sagen. Denn Toleranz hat nichts mit Einschüchterung zu tun!

Original geschrieben von Persisteus
Man sollte daher statt "Toleranz" lieber "Menschenachtung" und "Zivilcourage" predigen, das ist glaub ich eher was man will.


Wahrscheinlich hast Du Recht - so umgeht man wenigstens Streitigkeiten, was die Definitionen anbelangt. Denn diese Begriffe dürften wohl glasklar sein!

Padreic
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Mi 28. Aug 2002, 16:34 - Beitrag #18

@Orald
Ich versuch's nochmal mit einem Beispiel:
Ich mag gerne Äpfel, andere mögen dagegen lieber Birnen. Nehmen wir einmal an, dass wir Obst bestellen würden, aber wir nur alles von einer Sorte bestellen könnten. Soll ich jetzt alles daran setzen, dass wir Äpfel bestellen oder soll ich zulassen, dass wir Birnen bestellen?

Das Raucher - Nicht-Raucher - Problem ist hier wohl auch ein gutes Beispiel. Hier sollten m. E. die Raucher trotz ihrer eigenen Bedürfnisse die Bedürfnisse der Nicht-Raucher tolerieren.

In diesen Beispielen muss es dem/den Betroffen nicht egal sein, sondern es kann für sie sogar sehr hart sein.
Ähnliches kann man auch auf die Fremden-Problematik anwenden. Ich habe vielleicht das Bedürfnis, die Fremden zu vertreiben, aber andere haben das Bedürfnis, sie hierzubehalten und das sollte ich unter bestimmten Bedingungen tolerieren.

@Persisteus
Menschenachtung oder im christlichen Sinne Liebe gegenüber anderen Personen sind sicherlich grundlegendere Begriffe als Toleranz, aber gerade durch diese wird die Toleranz in den Fällen, wo sie angemessen ist (denn das ist sie ja nicht in jedem Fall, wie du auch gezeigt hast) herbeigeführt. Allgemeine Toleranz gegenüber Meinungen und Taten zu predigen, ist sicherlich falsch.

Padreic

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Mi 28. Aug 2002, 16:43 - Beitrag #19

Es mag Hart sein, auf einen Apfel zu verzichten. Aber ich könnte es bewältigen, in dem ich mich in einen Zustand bringe, in dem mir das Apfel/Birnen-Problem egal ist. Auch wenn mir der Rauch egal ist, kann ich einer Nichtraucher-, oder als Nichtraucher einer Raucherposition leichter zustimmen.
Irgendwie scheinen mir all deine Beispiele zu belegen, dass man der Toleranzforderung am ehesten nachkommen kann, wenn einem die gestellten Probleme egal werden.
Man könnte sagen: Toleranz ist das Gegenteil der genannten Zivilcourage. Nehmt Rauchen nicht wichtig, dann beharrt keiner auf seinem Standpunkt, und es ist ein leichtes, Einigung zu finden.
Worum es mir halt in diesem Zusammenhang auch geht ist die Frage, ob durch diese Art des Nachkommens der Toleranzforderung, nicht auch gerade eine Interessenlosigkeit auch und besonders im Hinblick auf Politik, gefördert wird.

Gruss,
Orald

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Mi 28. Aug 2002, 17:15 - Beitrag #20

Mit den Autoabgasen, das ist zwar auch ein Problem der Umweltverschmutzung, aber oftmals geht es eben nicht anders - oder zumindest drastisch umständlicher!

"Oft" und "drastisch" sind sehr relative Begriffe. Die meisten Leute fahren mit dem Auto einkaufen, auch wenn sie zu Fuß oder per Rad zu den Geschäften gelangen könnten, weil sie einfach das ganze Zeug nicht schleppen wollen. Man wird ja schon dumm angeguckt, wenn man sagt dass man keinen Führerschein hat...
Wenn man bedenkt, wieviel Treibstoff so ein Flugzeug braucht, könnte man doch mal in Deutschland Urlaub machen, anstatt zum hintersten Zipfel der Erde zu fliegen. Auch hier gibt es sehr schöne Landschaften... aber nein, den Leuten ist es EGAL unter welchen Beinträchtigungen ihre Kinder und Kindeskinder aufwachsen müssen.

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