Hallo zusammen,
hier einmal ein paar Gedanken zum Denken.
Eine eher provokante Frage, denke ich ist, ob wir heute überhaupt noch in der Lage sind, nachzudenken.
Im eigentlichen Sinn des Wortes versteht man ja darunter, einen Gedanken, den ein Vor-Denker gedacht hat, nachzudenken. Früher war es üblich, wenn man etwas schrieb, zuerst einmal eine Zusammenfassung der Gegenthese darzustellen. Thomas v. Aquin wurde z.B. des öfteren bescheinigt, dass er die Gegenpositionen oft pointierter vorgetragen hat, als sie zu seine Zeit von ihren Vertretern dargelegt wurden...
Heute habe ich in Gesprächen oft den Eindruck, dass es um das Verstehen des anderen gar nicht mehr geht. Basierend auf einem gewissen Relativismus, der ja besagt, dass sowieso letztlich alle Meinungen gleich sind, machen sich viele gar nicht erst die Mühe, in das Nachdenken der Gegenposition, Energie zu setzen.
Die Position eines andern zu Durchdenken, sie Nachzudenken, macht arbeit. Direkt aus dem Bauch heraus dahinreden, dagegen ist einfach, und da man mit Floskeln leicht wen Mundtod machen kann, kann man sich auch schnell recht überlegen fühlen. Wie peinlich das allerdings auch oft wirken kann, wenn man an den Falschen gelangt, ist vielen dabei wohl egal.
Als Ergebnis, hört man oft alte Hüte, die vor Jahrtausenden schon detailierter durchdacht wurden, und die einem permanent als neue Erkenntnisse vorgetragen werden, nicht ohne Stolz des sog. Denkers...
Ich habe den Eindruck dieses Verhalten ist u.a. auch ein Resultat eines unzulänglichen Schulsystems. Gerade in den Geisteswissenschaften, wird keine Methode, und es werden auch keine Inhalte mehr gelehrt. Einzig das Argumentieren, seine Meinung zu vertreten, das steht im Mittelpunkt. Dass dann ausser Sophistik oft nicht mehr viel zu hören ist, wundert nicht; war ja bei den Griechen auch schon so...
Eine anderer Effekt scheint zu sein, dass leute, die eine besondere Begabung haben, oftmals nicht richtig gefördert werden, so dass sie mit minimalauffwand an ihr schulisches Ziel gelangen, und anschliessend meinen, sie wüssten schon alles, und wären mit jeglicher Bildung überladen.
Aus meiner Erfahrung, macht einen guten Denker hingengen genau das aus, daß er weiss, wo seine Grenzen liegen, und dass er noch viel mehr nicht weiss, als er bisher gelernt hat.
Gibt es Leute, die das, was ich da von mir gebe einigermassen nachvollziehen können, oder ist das alles nur undurchdachter Quatsch?
Gruss,
Orald