Petitionen, Demos und so Zeug

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Thod
Harfner des Erhabenen
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Mi 18. Dez 2002, 14:21 - Beitrag #1

Petitionen, Demos und so Zeug

Hallo zusammen,
man liest ja häufig von so Aufrufen zu persönlichem Engagement, zu politischen Stellungnahmen, und das ganze wird dann immer sehr schön aufbereitet, mit so Schlagwörtern wie "Farbe bekennen", "Zivilcourage" u.a.

Ich frage mich dabei immer, was menschlich wirklich hinter diesem Aktionismus steckt.
Offensichtlich handelt es sich hier um Aufforderungen, etwas zu verändern, bzw. zu verbessern. Tut man das nicht, ist man entweder zu passiv, oder destruktiv; d.h. hier wird ein moralischer Druck aufgebaut, etwas zu tun, und man wird moralisch herabgesetzt, wenn man sich dem verweigert.

Tatsächlich ist diese Art von Engagement auch keineswegs harmlos: vereinnahmt sie doch die ganze Person, die freie Zeit, das Denken und Tun der Beworbenen.

Anderswo hab ich schonmal drauf hingewiesen, dass diese Aktionen IMHO faktisch nichts bringen. Die Welt ist und bleibt schlecht, man selber mag sich dadurch besser fühlen, aber letztlich doch nur, weil man sein Gewissen beruhigt hat, nicht weil es in der Welt nun besser zugehen würde. Ich denke hier ist der Ansatz schon falsch.

Was mir aber besonders missfällt ist nicht die Sinnlosigkeit des Unterfangens, sondern das, was ich eine Seelenfängerei nenne. So fehlt dem Aktionismus meist jegliche tiefere Auseinandersetzung mit den Ursachen des Übels, sondern es wird nur die einfachste politische Schine betrachtet, sozusagen das Übel an seiner Oberfläche. Daraus werden dann die besagten Patentrezepte abgeleitet. Tatsächlich aber liegen Misstände tief im menschlichen Dasein verwurzelt, und sind durch politische Aktionen an der Oberfläche kaum zu beeinflussen.

Gerne werden Leute mit passivem Widerstand, wie Ghandi oder so zitiert, selber bleibt man aber kaum in dieser Passivität, und gerade hier liegt IMHO der Schlüssel.
Das Problem, was man nämlich mit der Welt hat, ist in erster Linie ein eigenes. Nicht die Welt kann ich verbessern, sondern mich. Natürlich ist es einfach zu sagen: alles ist schlecht, nur ich bin besser, wenn alles so wäre, wie ich es mir vorstelle, u.s.w.
Tatsache ist, dass das nie eintreffen wird, und dass ich die Komplexität der Zusammenhänge gar nicht so überblicken kann, um zu sagen, dass alles tatsächlich besser wäre, wenn ich mich durchsetzen könnte.
Was man hier nie erkennt ist, dass man sich mit Änderungsversuchen an der Welt über diese und die Betroffenen stellt. Man fürht seine Art der Diktatur ein. Etwas zu verändern, auch bei vermeintlichen Verbesserungen berührt andere, und das unabhängig von deren Willen. Wenn man von sich selber sagt, es sei doch zum Wohle, ohne dass man das wirklich beurteilen kann, unterscheidet man sich strukturell nicht von dem bekämpften.

In Anlehnung an lange Traditionen in allen grossen Kulturen und nicht zuletzt im Christentum plädiere ich also dafür, Demut zu üben. Sich nicht über andere und anderes zu stellen, und bei sich selber und seinem persönlichen Umfeld zu beginnen, für Frieden zu sorgen. Mit sich selber ins Reine zu gleangen ist schwierig genug, und für viele unerreichbar. Der einfachere Weg, nach aussen was zu ändern, macht dieses innere Problem noch viel schwieriger.
Ein liebender Mensch zu werden, heisst u.a. auch, andere so zu lieben, wie sie sind. Nicht, wie ich sie haben will. Die Welt mit allen Schwächen ist sicher verbesserungswürdig, aber man selber ist nie die moralische Instanz, die das vermag: und aus Hass und Ärger (der ureigene Gefühle sind, und auch an sich selber bekämpft werden muss) ist noch nie was Gutes entstanden.

Gruss,
Thod

Monoceros
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Mi 18. Dez 2002, 14:57 - Beitrag #2

d.h. hier wird ein moralischer Druck aufgebaut, etwas zu tun, und man wird moralisch herabgesetzt, wenn man sich dem verweigert.

Wo soll sich denn ein solcher Druck bemerkbar machen? Normalerweise wird niemand terrorisiert, nur weil er sich nicht für das oder das engagiert, es sei denn man hat es mit politisch oder religiös Radikalen zu tun.
Tatsächlich ist diese Art von Engagement auch keineswegs harmlos: vereinnahmt sie doch die ganze Person, die freie Zeit, das Denken und Tun der Beworbenen.

Warum sollte sie? Ich bin auch im Umweltschutz engagiert und trotzdem treffen diese Punkte nicht auf mich zu. "Arbeitswütige" gibt es immer und überall, aber sie stellen nicht gerade die Masse.
Anderswo hab ich schonmal drauf hingewiesen, dass diese Aktionen IMHO faktisch nichts bringen. Die Welt ist und bleibt schlecht, man selber mag sich dadurch besser fühlen, aber letztlich doch nur, weil man sein Gewissen beruhigt hat, nicht weil es in der Welt nun besser zugehen würde. Ich denke hier ist der Ansatz schon falsch.

Wenn man so zu allen Zeiten gedacht hätte, sähe die Welt heute wesentlich anders aus. Dass man seine Meinung vertreten kann, und das auch lautstark und auch dafür eintreten kann, ist ein verbrieftes Recht in unseren Breiten. Erfolge sind nur schwer zu erringen, zu sagen es gäbe sie nicht lässt sich nicht verallgemeinern und ist daher faktisch falsch.
Das Problem, was man nämlich mit der Welt hat, ist in erster Linie ein eigenes. Nicht die Welt kann ich verbessern, sondern mich.

Das ist zweifelsohne korrekt, was aber möglich ist, ist zu versuchen, Impulse zu setzen um einer Verbesserung eine Chance zu verschaffen.
Was man hier nie erkennt ist, dass man sich mit Änderungsversuchen an der Welt über diese und die Betroffenen stellt. Man fürht seine Art der Diktatur ein.

Also allmählich driftet das ganze in üble Polemik ab. Nur Radikalen geht es darum, andere gegen ihren Willen zu verändern. Deren Existenz ist in einer Bewegung kaum vermeidbar, sofern die Bewegung allerdings selbst nicht radikal ist, setzten sich derartige Tendenzen gar nicht erst durch. Politisches Engagement mit einem totalitären Regime oder Bestreben gleichzusetzen, schießt wohl weit über das Ziel hinaus.
Wenn man von sich selber sagt, es sei doch zum Wohle, ohne dass man das wirklich beurteilen kann, unterscheidet man sich strukturell nicht von dem bekämpften.

Wenn dieser Fall gilt, aber auch das lässt sich nicht verallgemeinern.

Im letzten Abschnitt bin ich dir wieder eher geneigt, zuzustimmen, bei sich selbst muss der Mensch anfangen, etwas zu verändern und vorallem auch in sich selbst. Das ist aber meiner Ansicht kein Argument dafür, sich von jedwedem politischem Engagement fernzuhalten, ich denke der Text hier bezieht sich viel zu stark auf den konkreten Fall mit der Pro-tibetischen Bewegung, der hier besprochen wurde. Ob so etwas sinnvoll ist, darüber lässt sich wahrlich streiten und viel mehr als Aktionismus sehe ich im konkreten Fall ebenfalls nicht, aber verallgemeinern lässt sich dieser Fall sicherlich nicht.
Was Petitionen angeht, so ist es in vielen Fällen wohl sehr ähnlich deiner Schilderung, das sehe ich ähnlich. Aber man kann meiner Ansicht nach auch nicht einfach alles in einen Topf werfen.

Monoceros

Thod
Harfner des Erhabenen
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Mi 18. Dez 2002, 15:14 - Beitrag #3

Radikal heist von der Wurzel her. Das halte ich nicht für schlimm, ist es doch nur konsequent.

Ich beziehe mich nicht nur auf den Tibet-Thread, sondern z.B. auch auf den Aufruf an einer Petition gegen den Honkongparagraphen teilzunehmen, oder (nicht hier) an Lichterketten, Demos, ...
Ich bin da möglicherweise mit anderen Leuten zusammen als du, aber ich erlebe diese Art vorn moralischer Bevormundung auch bei sog. gemässigten Gruppen als sehr stark und abstossend. Neudeutsch könnte man solchen Druck von dem du fragst wie er sich denn bemerkbar macht, auch als soziales Mobbing bezeichnen, ich persönlich bin da bisher weniger betroffen, kenne aber Leute die damit durchaus Schwierigkeiten haben. Ich meine damit auch nicht, dass man sich nicht auch im Umweltschutz beteiligen kann, aber allein schon die massen an Kettenmails die ich bekomme und diesen oder jenen zu terrorisieren, Einladungen zu komischen Gesprächskreisen und die permanente Verteidigungshaltung in die man gedrängt wird, wenn man nicht teilnimmt, können durchaus Druck aufbauen, oder zumindest reichlich Nerven kosten.

Dein Argument, wie die Welt aussähe, wenn alle so immer gedacht hätten, kann ich nicht nachvollziehen. Erstens sagt dein Konjunktiv, dass nicht alle so gedacht haben, und ausserdem könnte die Welt ja auch durchaus besser aussehen. Wer will das entscheiden?
Also allmählich driftet das ganze in üble Polemik ab. Nur Radikalen geht es darum, andere gegen ihren Willen zu verändern.

Entweder du verstehst nicht, was ich meine, oder du hast eine völlig andere Definition von Polimik als ich, die alles was anderer Ansicht als der eigenen ist, so bezeichnet.
Natürlich ist es so, dass ich, wenn ich eine strukturelle Veränderung herbeiführen will, ich mich über das zu ändernde stelle, und Autorität ausübe, ohne die einzelnen zu befragen. Und exakt das ist dasjenige, was die Struktur der Diktatur ausmacht. Die Ausrede, man habe gute Ziele, heiligt die Mittel IMHO nicht. Eine Diktatur von Weltverbesserern haben wir im Stalinismus gehabt. Ich denke sogar, dass Diktatoren im Regelfall durchaus davon Überzeugt sind, Gutes zu tun.
Über das Ziel schiesst es in keiner Weise hinaus, will ich doch genau diese innermenschlichen Zusammenhänge aufzeigen, und deren gleichartige Struktur herausstellen. Ich denke, dass man damit den Mythos von der moralischen Überlegenheit der sog. Weltverbesserer an einem Wunden Punkt trifft. Darum wohl auch dein Polemikvorwurf, den ich für völlig aus der Luft gegriffen halte.

Gruss,
Thod

Traitor
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Mi 18. Dez 2002, 17:00 - Beitrag #4

Deine Kernthese scheint zu sein, dass jede Aktion, die irgendwie andere Leute beeinflusst, eine Anmaßung und eine Verachtung ihrer Rechte ist. Das Problem hatten wir ja auch schon öfters...
Ich würde sagen, dass es ein Über-die-anderen-stellen nur dann gibt, wenn man seine Meinung als die einzig zulässige ansieht und damit die anderen abwertet. Wenn man seine Ideen einbringt und umzusetzen versucht, muss das nicht heißen, dass man so verfährt, man kann dabei auch durchaus andere Ansichten respektieren.
Ebenso wie Monoceros frage ich mich auch, wozu diese Überlegungen führen sollen. Dass jeder Mensch sich zuhause einmauert, um ja nie jemanden zu beeinflussen? Dass soll keine leere Schlagwort-Polemik sein, aber wenn ich deinen Ansatz, so wie ich ihn verstehe, konsequent durchdenke, kommt das dabei heraus...

Thod
Harfner des Erhabenen
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Mi 18. Dez 2002, 17:06 - Beitrag #5

wenn es so wäre, dass jeder nur seine Ansicht einbringt, würde ich nichts sagen. De facto wird aber viel weiter gegangen.

Worauf ich hinaus will ist imho ganz eindeutig. Man könnte es in dem Sprichwort, jeder kehre vor seiner Tür, zusammenfassen.
Ich finde, es ist vielen viel zu unbewusst, dass oftmals sog. soziales Engagement nicht aus positven Gründen ausgeübt wird, sondern weil man damit persönliche Defizite kompensieren will, ohne sich selber hinterfragen zu müssen. Das zementiert einen Unreifegrad, den wir heute in der Gesellschaft überall sehen, und den ich für einen Grossteil unserer Probleme als Ursache vermute.

Ich finde darum gerade dieses moralische Auftreten besonders verweflich, und weise auch gern darauf hin, wenn es mir auffällt.

Durch die Eigenreflexion und das Erlernen des Umgangs mit sich selber und seinem Hormonhaushalt etc. kapselt man sich nicht ein, sondern reagiert auf einen Gesellschaftskontext. Allerdings nicht als Herrscher nach aussen, sondern eher nach innen, was ich für die weitaus schwierigere aber einzig legitime Art der Veränderung halte.

Gruss,
Thod

Traitor
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Mi 18. Dez 2002, 17:21 - Beitrag #6

Nicht-radikale (und bitte hör doch mal mit deinem Beharren auf dem Wortursprung auf, du weißt sehr wohl, was der Begriff im Sprachgebrauch aussagt...) Positionen mögen zwar auch andere beeinflussen wollen, aber dies geschieht eigentlich immer in einem kompromissbereiten (da fällt mir auch der ähnliche Thread wieder ein, das war die Sache mit den Kompromissen) Ansatz, jedem dürfte klar sein, dass er seine Meinung nicht allen anderen aufzwingen kann.
Und natürlich muss man auch sich selbst kontrollieren und mit seiner nächsten Umwelt interagieren. Aber darüber kann man doch nicht die Gesellschaft völlig ignorieren, da würde doch alles zusammenbrechen. Wenn man überall, wo man andere beeinflussen würde, einen Rückzieher macht, führt das sehr wohl zu einer Einkapselung.

Thod
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Mi 18. Dez 2002, 17:26 - Beitrag #7

Die Herleitung des Wortes ist mir wichig, weil gerade da viel genug unsinn geredet wird, und das Wort Radikalität gern als Totschlagargument gebraucht wird, um jemanden zu diskreditieren. Mir ist das wichtig, also bleib ich auch dabei.

Auch scheint mir die Thematik, weil ich ihr überall begegne überhaupt nicht bekannt zu sein, oder beachtet zu werden.

Was die Gesellschaft angeht: Hier missverstehst du mich. Jeglicher menschlicher Daseinsvollzug ist in der Gesellschaft in der er lebt rückgebunden, und somit eine Reaktion. Die Frage ist, ob sich der Mensch bewusst ist, dass das Problem was er mit der Wirklichkeit hat, auch oder zu einem grossen Teil in ihm liegt. Und hier setzte ich an, zu sagen dass der Hochmut, alles besser zu wissen und verbessern zu wollen i.d.R. aus persönlichen Defiziten heraus entsteht, und in keiner Weise aus moralischer Überlegenheit. Dies ist Schwäche. Moralsche Schwäche, wie sie überall zu Tage tritt und kaum genug angeprangert werden kann, wie ich finde.

Gruss,
Thod

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Mi 18. Dez 2002, 20:04 - Beitrag #8

Zur Radikalität: gleichzeitig bist du aber auch dagegen, dass Erdwolf sich Satanismus so definiert, wie es ihm passt... Es macht wohl mehr Sinn, einen Begriff so zu benutzne, wie es im allgemeinen gemacht wird, nicht, wie er wörtlich heißt. Wenn man damit anfängt, kann man gleich unseren halben Wortschatz redefinieren.
Zur Gesellschaft: Ich verstehe schon, was du anklagst, und kann da (wenn auch nicht in so starker Form, so doch vom Ansatz) auch zustimmen. Aber ich sehe nicht, wie eine Alternative aussehen soll, in der man seine Meinung nicht durchzusetzen versuchen soll.

Thod
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Mi 18. Dez 2002, 20:07 - Beitrag #9

die alternative ist imho so etwas wie innere einkehr, oder reife bzw. persönliche entwicklung. sich über das was da ist zu informieren, zu lernen damit umzugehen und dabei immer auch den rahmen der eigenen position und möglichkeiten einzubeziehen, und somit im einklang mit der welt zu wachsen.

übrigends hab ich nichts gegen erdwolfs satanismusdefinition, ich denke, sie ist durchaus klassisch. ich will nur zeigen, dass sie letztlich nicht zu dem führt, was er sich verspricht, aber das ist ein anderes thema. meine radikalitätsdefinition halte ich übrigends auch für nicht zu abstrakt. der wortsinn ist dort imho auch heute noch gegeben.

gruss,
thod

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Mi 18. Dez 2002, 20:13 - Beitrag #10

Und wie bringt dieser Mensch dann seine Meinungen in die Gesellschaft ein und versucht, diese zu verbessern, soweit er dies als verträglich erachtet?
Ok, mit dem Satanismus habe ich mich vertan, habe gerade noch mal nachgeguckt - alle hatten auf dem Begriff so rumgehackt, dass ich davon ausging, du wärest auch dabei gewesen ;) Abstrakt ist deine Radikalitätsdefinition nicht, sie macht ja auch sehr viel Sinn, sie geht aber halt in eine ganz andere Richtung als die von Monoceros, mir und IMHO den allermeisten.

Thod
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Mi 18. Dez 2002, 20:18 - Beitrag #11

christlich gesprochen ist das wirken in der gesellschaft sache des heiligen geistes. aber für die heiden ;)
ich denke, wenn man selber viel erfährt, reift und vieles von der Welt lernt, dann strahlt das ab. soweit kann man positiv was bewirken. alles andere schafft eher gegenagressionen.

ich denke so weit liegen die radikalismusdefinitionen nicht auseinander. sehr gerne werden dinge, die von der wurzel her betrachtet werden, diffamiert und als engstirnig betrachtet. ich wäre auch wenn es heute modern ist, mit den worten "fanatisch" oder "radikal" vorsichtig, weil sich allzu häufig ein schlichter Maulkorb dahinter verbirgt.

gruss,
thod

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Mi 18. Dez 2002, 20:21 - Beitrag #12

Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass man die Gesellschaft positiv beeinflussen kann, indem man sich auf den Marktplatz stellt und Ruhe ausstrahlt, bildlich gesprochen *g* Irgendwie muss man doch aktiv werden.
Wollen wir die Radikalitäts-Frage mal in ein extra-Thema abspalten?

Thod
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Mi 18. Dez 2002, 20:23 - Beitrag #13

dieses bedürfnis, dass wir sicher alle haben, etwas ändern zu müssen, ist imho der schlüssel zum unglück. er resultiert aus einer selbstüberschätzung. wir können nämlich nix ändern. wenn, dann machen wir mehr kaput als ganz, und darin liegt das problem.
stolz und hochmut. zu denken, man hätte die weisheit, was tun zu können. dieses zu überwinden und in demut an sich selber beginnen ist das schwerste überhaupt. wenn man anderen hilft, oder etwas abgibt, dann im stillen. alles andere schadet nur dem eigenen seelenheil.

gruss,
thod

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Mi 18. Dez 2002, 20:29 - Beitrag #14

Da haben wir richtig schön entgegengesetzte Auffassungen. Für mich ist das Streben nach Veränderungen die entscheidende Eigenschaft des Menschen und auch der einzige Weg, "glücklich" zu werden, Stagnation bringt Unglück. Die Paradiesgeschichte und ihre Abwandlungen, die oft so interpretiert wird, dass der Mensch auch mit dem besten noch nicht zufrieden ist, kann man halt auch so deuten, dass der Mensch zu seinem Glück nur kommen kann, wenn er Raum zur Entfaltung hat, den ihm eine Stagnation, auch auf noch so hohem Niveau, nicht bieten kann.

Thod
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Mi 18. Dez 2002, 20:36 - Beitrag #15

veränderung, ja. die ist wichtig, und auch sehr radikal: aber an sich selber.
alles andere führt letztlich zu midlivecrisis, depressionen, etc. wenn man entdeckt, dass alles umsonst war. ausser man hat so viel einbildungskraft, sich bis in hohe alter was in die tasche lügen zu können. an sich zu arbeiten, seine persönlichkeit zu entfalten ist die grösste aufgabe, der man sich stellen kann. die ganzen ersatzbefriedigungen, die noch so sehr verlocken, führen ins leere.

gruss,
thod

Traitor
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Mi 18. Dez 2002, 21:47 - Beitrag #16

Wenn du sagst, dass alle Bemühungen, an der Gesellschaft etwas zu verändern, grundsätzlich umsonst sind, heißt das doch, dass alle Entwicklungen der menschlichen Geschichte reine Illusionen wären. Und das führt dann zu Monoceros' "wie sähe die Welt dann heute aus", wenn sich niemand bemühen würde...
Wie gesagt, Arbeit an sich selber ist ja eine schöne und gute Sache. Aber wenn man dabei die Gesellschaft stagnieren lässt, kann der einzelne für sich noch so toll sein, er wird untergehen. Und ich denke, man kann seine innere Erfüllung nicht finden, wenn man nicht auch äußere Erfüllung hat.

Krautwiggerl
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Mi 18. Dez 2002, 22:08 - Beitrag #17

Meine Güte, wie handfeste Themen immer wieder ins philosophische gezogen werden... wahrscheinlich, damit Thod die Oberhand kriegt ;)
Und hier haben wir schon das Grundproblem: bei konsequentem Weiterspinnen wäre jede Meinungsäusserung eine Druckausübung, denn jedes Gespräch hat einen antagonistischen Kern. Selbst in den Fällen, wo's nix bringt, sind Leute positiv, die sich für etwas mit Leidenschaft einsetzen, denn das zeigt zumal, dass es denen nicht egal ist. Was wäre wenn: diese Frage stellt sich sehr wohl! Dass dadurch auch schon viel Leid erzeugt wurde, steht außer Frage, aber auch schon viel Gutes.
Thod, zu deiner Brandmarkung des Radikalismus als Todschlagsargument: 1. verstoßen Radikale gerade in der Praxis am heftigsten gegen dein Postulat der Demut und 2. könnte ich deine Forderung nach völliger Zurückhaltung auch als Todschlagsargument bezeichnen. Da könnte ich auch ansetzen, wieso seist gerade du im Besitz der Wahrheit, und alle, die sich einsetzen, seien es nicht? Warum also sollen wir gerade das befolgen? Versuchst du definitiv nicht, und von deiner Position zu überzeugen?
Fazit: IMHO bringen solche Diskussionen rein gar nichts, weil man sich toll über 10 Seiten drehen kann, ohne wirklich vom Fleck zu kommen.

Bei einem Stimme ich zu: viele "Aktivisten" versuchen in der Tat, gegen andere mit der moalischen Keule vorzugehen. Das brauchen die, um sich besser zu fühlen, denn, da stimme ich auch zu, die haben wahrscheinlich den eigenen Keller voller Leichen.

Thod
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Do 19. Dez 2002, 13:53 - Beitrag #18

@ Traitor,
ich denke, die Zeit macht die Menschen, und nicht die Menschen die Zeit.
Entwicklungen finden statt, aber ich denke kaum, dass sie auf einen Menschen zurückzuführen sind. Wenn man Einfluss hat, dann auf seinen Mikrokosmos, und wenn man an eine Position gestellt wird, in der man mehr Einfluss hat, so hat man zumindest dieses nicht selber bewerkstelligt, sondern die Gesellschaft hat es ermöglicht.
Wenn man an sich selber arbeitet, stagniert das Umfeld nicht. Wenn man aber nicht an sich arbeitet, sondern am Umfeld, schafft man Agression. Das mag zwar auch was ändern (vor allem in einem selber) aber eben nicht zum positiven.
Positive Entwicklungen sind feiner, oder zarter. Sie verderben schnell, wenn man sich zu sehr in den Vordergrund stellt.

@ Krautwiggerl,
ich finde, dass Philosophie Grundlage jeder Politik sein sollte. Das wird imho zu wenig beachtet, und somit bemühe ich mich natürlich, die Zusammenhänge zu zeigen.
Ich denke, Meinsngsäusserungen sind etwas anderes, als direkte Aufforderungen. Auch ist es imho so, dass man bei Meinungsäusserungen vorsichtig sein sollte, was ich selber wirklich nicht schaffe. Als erstes würde es mir aber völlig reichen, wenn man sich der Verantwortung, und des Druckes den man ausübt bewusst wird. Ich denke nämlich nicht, dass auf diese Weise viel Gutes entstanden ist: eine Pflanze, die 10 Jahre gewachsen ist, kann durch einen Schnitt zerstört werden.

@ Radikalität: Da hat Traitor einen eigenen Thread aufgemacht

Was das im Kreis drehen angeht: Ich denke es hat schon einen Sinn, seine Positionen immer aufs neue zu formulieren, und auch einen Austausch darüber zu führen. Hab das mal in einem Thread über den Sinn von Diskussionen angeschnitten. Ausserdem treibt es Postingzahlen hoch ;)

Gruss,
Thod

Krautwiggerl
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Do 19. Dez 2002, 15:12 - Beitrag #19

Auch ist es imho so, dass man bei Meinungsäusserungen vorsichtig sein sollte, was ich selber wirklich nicht schaffe.

Wer schon, wohl keiner... ;) aber gerade deshalb sollte man die Sache nicht so eng sehen, weil dies scheinbar zur menschlichen Natur gehört.
Als erstes würde es mir aber völlig reichen, wenn man sich der Verantwortung, und des Druckes den man ausübt bewusst wird.

Dem stimme ich zu, ich würde sogar sagen, dass man mehr vom Menschen kaum verlangen kann, wegen meines erste Arguments.

Ich meine, gegen allzu aufdringliche Zeitgenossen reagiert jeder hier allergisch, die Frage ist nur, ob man damit eine völlige Nichteinmischung rechtfertigen kann.

Thod
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Do 19. Dez 2002, 15:22 - Beitrag #20

Ich denke, dass eine richtige Handlungsweise als Maxime auch bleibt, wenn man sie selber nicht erreichen kann. Zumindest ist das ja das Wesen des Christentums, einen Weg zu zeigen, der zu Gott führt, der in vieler Weise optimal ist, und an diesem Weg zu bleiben, auch wenn man es nie völlig schaft. Somit kann man sich immer wieder an etwas aufrichten, was nicht der Fall wäre, wenn man die Maximen auf ein menschenmögliches hinunterschrauben würde.
Vor allem liegt jedem etwas anderes, und fällt anderes schwerer. Würde man einen kleinsten gemeinsamen Nenner finden, wäre niemand mehr gefordert.

Gruss,
Thod

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