@ 8ball
Die von Dir zitierte Passage betont den Vorrang der Diplomatie und der mit ökonomischen Mitteln strukturverändernden Politik vor militärischen Mitteln. Dem stimme ich völlig zu. Militärische Mittel sind die ultima ratio - doch es gibt einen Zeitpunkt, ab dem sie notwendig sind.
Deine apodiktische Aussage
Ich denke mal das sagt schon fast alles. Gewalt ist keine Lösung, war es noch nie.
kommt im zitierten Text eben nicht vor. Sie ist ja auch eine historische Ungeheuerlichkeit. Was hat denn Deiner Meinung nach die Terrorherrschaft der Nazis in Europa beendet, wenn nicht militärische Gewalt?
@Traitor
die Schuld trägt immer der, der etwas entscheidet und ausführt. Zumal wenn es nicht nötig gewesen wäre.
Verantwortung ist vielschichtig. Ich rede nicht der Generalabsolution das Wort - sondern der Prüfung jedes Einzelfalls. Natürlich muss jeder Verantwortung für sein Handeln übernehmen. Aber es gibt Situationen, in denen man nur noch das Falsche tun kann, in denen man so oder so Schuld auf sich lädt. Krieg zählt gewiss dazu. Und dann ist die Schuldfrage eine nach der Verantwortung für diese Ausnahmesituation.
Was das Beispiel der Bombardierung deutscher Städte angeht, so muss ich Dir heftig widersprechen, und das, obwohl meine Familie - der Teil von ihr, der nicht sowieso im KZ saß - bitter unter diesen Bombardierungen gelitten hat.
Im Krieg stellen sich die Verhältnisse anders dar als nach dem Krieg. Nachträglich scheint der Ausgang des Konflikts gesetzmäßig, und die Mittel zur Herbeiführung werden skeptisch begutachtet.
Den britischen Nachtangriffen auf deutsche Städte wird im Nachhinein oft vorgeworfen worden, sie seien völlig sinnlos gewesen - ihr Vorsatz sei die Zermürbung der deutschen Moral gewesen, und die sei eben nicht bis zum Punkt der Kapitulation oder des Putsches gegen das Regime gesunken.
Sehen wir mal ganz von der Frage ab, ob diese relative Wirkungslosigkeit 1942/43/44 bei den Beratungen im Bomber Command, im britischen Generalstab und im Kabinett evident sein musste oder ob nicht doch einiges für die Theorie sprach, ein solch hartes Vorgehen werde den Krieg verkürzen. Fassen wir doch mal ins Auge, dass die Angriffe nicht nur den Zweck hatten, die deutsche Moral zu zermürben, sondern den, die Moral der Alliierten zu heben.
Darüber hat man damals natürlich nicht sehr gern gesprochen. Aber der Kriegswille in Amerika und England war eben nicht so eisern, wie das nachträglich falsch dargestellt wird. Die Stimmung in GB war oft deprimiert und defätistisch, es gab 1940/41 viele Stimmen, die eine Friedenspolitik forderten, einenn Waffenstillstand, eine Beschwichtigung Hitlers. England ist nur mit Mühe durch den Blitz gekommen. Für die britischen und amerikanischen Soldaten schien Nazideutschland ein nur schwer niederzuringender Gegner, und der Blutzoll für die Siege im Westen war enorm. Es waren die Bilder der zerstörten deutschen Städte, die signalisierten, dass es voranging, dass dieser Gegner besiegbar, dass sein Rückgrat schon fast gebrochen war. Niemand kann sagen, wie die alliierten Truppen in Europa ohne dieses Bewusstsein eines bereits brennenden Deutschland gekämpft und wie sich die Stimmung auf der Insel und in den USA entwickelt hätte.
Nachdenken über Geschichte ist immer ein makabres Was-wäre-wenn-Spiel. Wäre ein Nachkriegsdeutschland ohne diese schreckliche Erfahrung völliger Verwüstung das Gleiche gewesen? Wäre es so friedlich geworden, eine derart auf Diplomatie statt auf militärische Stärke bauende Demokratie. Oder wäre Deutschland wie nach dem Ersten Weltkrieg ein Unruheherd geblieben, wenn auch ein in den westlichen Block eingebundener, ein auf Revanche gegen den Osten, auf gewaltsame Wiedervereinigung drängendes Chauvinistennest?
Ich bin fest davon überzeugt, dass die grausigen Erfahrungen des Luftkriegs die deutsche Nachkriegsgesellschaft entscheidend geprägt haben. Das heißt nicht, dass jeder einzelne Angriff auch aus damaliger Sicht militärisch sinnvoll und vertretbar war.
Aber um mal wieder von diesem Beispiel wegzukommen, Traitor: die Suche der Verantwortung bei anderen als den direkt Handelnden ist ja keine Marotte von mir. Sie ist ganz normale Geschichtsbetrachtung. 8ball praktiziert sie, wenn er sagt "
Die USA haben den Terror produziert, der sie nun einholt. ". Falsch ist nicht, dass er über die Steuerknüppel der entführten Flugzeuge hinaus denkt. Falsch ist meiner Meinung nach nur, zu welchen Schlüssen er dabei kommt.
Das Heikle an diesem Rückverfolgen von Ursache und Wirkung ist die Tendenz, sich ganz vor der Verantwortungszuweisung, also alles bis zu Kain und Abel zurückzuverfolgen, oder ideologisch zu urteilen: also so lange zurückzuverfolgen, bis man auf die eigenen Lieblingsfeinde stößt, und dann die Verantwortung auf deren Türschwelle abzulegen.
Fargo