ThodHarfner des Erhabenen

Beiträge: 2858Registriert: 02.06.2001
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Also, da dies ein philosophischer Thread ist, möchte ich das Phänomen hier einmal von verschiedenen Seiten betrachten, ohne auf persönliche Erfahrung, auch der hier diskutierenden einzugehen. Dabei nehme ich mir drei Gesichtspunkte vor:
- Sprache (deutsch)
- biologische Aspekte
- personale Entwicklung
zur Sprache
Wir haben im deutschen einige Bezeichnungen für das, was man landläufig auch unter Liebe zusammenfassen kann: danach könnte man sagen, die wohl schwächste Form ist das "Ich habe dich gern".
Hier kommt in gewisser Weise ein Mangel zum Ausdruck, das empfinden eigener Einsamkeit. Sicher ist dies eines der Grundempfinden, und viele Aspekte sozialen Handelns finden hier ihre Wurzeln. Nebenbei ist diese schwache Form der Zuneigung (sich jemandem Zu-neigen wäre da schon eine Lösung, die einen Schritt weiter geht) schon als in gewisser Weise defizitär zu erkennen. Jemanden gern haben, ist nämlich besitzergreifend. Man geht von sich aus, und will zur Lösung des Problems Einsamkeit einen Platzhalter einsetzen, von dem man ausgeht, dass dieser die eigene innere Leere füllt. Um den anderen geht es dabei letzlich nicht direkt, sondern indirekt als Objekt eigener Befriedigung. Hierbei versteht es sich von selber dass man nicht nur Menschen, sondern auch Tiere, Gegenstände oder Ideen gerne *haben* will, und der Begriff von vorn herein recht breit anwendbar ist.
Eine weitere Ausdrucksform, die wir gern benutzen ist das "mögen". Dieses Wort hat ein ebenso breites Bedeutungsfeld, geht aber schon mehr auf das gemochte ein, bzw. ist im Umgang etwas vorsichtiger. Etwas vermögen heisst z.B. etwas können. Hier klingt sicher durch, dass man einerseits mit etwas zurecht kommt, es bevorzugt behandelt oder auswählt (ich mag Pflaumenkuchen), aber dass es hier auch schon Erfahrungen gibt, die über das haben wollen hinaus gehen, sozusagen schon ein Kontakt vorhanden ist, der erkennen lässt, dass auch mit einer positiven Antwort zu rechnen ist. Faktisch ist gerade das einer der Verwundbarsten Punkte, wenn man sich preisgiebt, und etwas von sich hergibt, sich öffnet, aber man nicht weiss, wie dies aufgenommen wird. In diesem Spannungsfeld ist sicher auch der Konjunktiv mitschwingend, wenn es z.B. heisst, hier "mögen" noch einige Unklarheiten bestehen...
Alles in allem, gibt es sicher schon mehr Wärme in der Bezeichnung *mögen* als gern haben*, dennoch: zur Liebe scheint noch ein Weg zu beschreiten zu sein.
Für das Wort liebe selber bietet das Deutsche eine sehr schöne Möglichkeit, ein Adjektiv zu bilden: lieb sein. Hier wird schon deutlich, dass dies nicht nur etwas passives ist, was man an jemanden oder etwas heranträgt, sondern dass hier die Person im ganzen gefordert ist. Ein lieber Mensch, ist jemand, den man liebt. Etwas an sich Gutes, welches das Zentrum nicht mehr in meiner Betrachtung hat, weil ich liebe, sondern was aus *sich* geliebt wird. Hier ist der Bezugspunkt eindeutig im Geliebten, und somit eine für uns Menschen völlig abstrakte Situation: handeln wir doch eigentlich immer um unserer Motivation nachzukommen, sind wir uns und unserem Handeln und Denken doch i.d.R. am ehesten Nahe, so sprechen wir von Liebe eigentlich nur dann, wenn der/die/das Geliebte an sich Zentrum der Liebe ist, und nicht mehr der Liebende.
Als kleine Randbemerkung: Verlieben ist nicht lieben. Die Vorsilbe zeigt hier einen Fehler an, wir glauben nur zu lieben, was aber nicht heisst, dass diese Liebe nicht noch entstehen kann. Häufig ist das Verlieben reine Selbstliebe: man lernt wen kennen, interpretiert alles was man sucht hinein, und liebt diese Interpretation. Dies ist nebenbei imho auch der Grund für die 14-tägigen Beziehungen...
zum biologischen Aspekt
Dies ist wohl der am häufigsten diskutierte Aspekt im gesamten Umfeld. Dabei wage ich einmal die These, dass nicht nur die offensichtlich und direkte Unmittelbarkeit von Hormonen und Trieben dafür Ursache ist, sindern gerade in der heutigen Zeit auch ein gewisser Komerzgedanke.
Wie auch schon bei den Begriffen festzustellen war, ist auch in diesem Bereich nicht alles Liebe, was danach aussieht: im Gegenteil, hier zeigt sich die Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit typischerweise am direktesten.
Ich möchte zur Vereinfachung trotz fliessender Übergänge zwei Aspekte herausstellen: den pornographischen, und den erotischen; beides allerdings hier rein unter körperlichem Aspekt.
Die Ambivalenz des pornographischen ist sicher am ehesten sichtbar. Hier zeigen uns z.B. die Medien permanent gewisses Fetischverhalten, welches sich sicher nicht auf der Stufe der Liebe, sondern wenn man es positiv ausdrücken will, maximal auf der des "gern haben" bewegt. Hier geht es offensichtlich um das Ausleben von Egoismen, auf die ich im dritten Aspekt noch näher eingen will, gerade z.B. Dominanzverhalten, ob aktiv oder passiv, zeigt deutlich, dass hier eine Triebbefriedigung stattfindet, in der der andere zum Objekt eingener Befriedigung eingesetzt wird. Dies ist auch unabhängig davon, ob dies beide wollen.
Eine Wertung will ich da gar nicht vornehmen, eizig der Hinweis, dass dieses Verhalten zwar auch Liebesakt genannt, nicht immer ein Akt der Liebe sein muss, ist meiner Ansicht nach von grosser Bedeutung, vieles kommt nämlich im Gewand von Liebe daher, was unter genauer Betrachtung doch eigentlich völlig anders genannt werden müsste.
Um einiges weiter, dennoch aber auch nicht ganz bar der Möglichkeit, zur Täuschung zu führen, ist das Feld der Erotik.
Einen Erotikbegriff kann man imho durchaus recht weit wählen, z.B. kann ein gutes Gespräch, ein Gebet, eine Naturerfahrung oder auch eine Traumerfüllung nach der Art sich etwas zu Leisten, etwas zu bauen, oder kaufen, durchaus erotisch sein, in dem Sinne, dass einem das Herz dabei aufgeht, oder man für etwas Herzblut investiert.
Natürlich findet dies auch und besonders im Zwischenmenschlichen statt, von einer einfachen Begegnung bis hin zur Sexualität. Diesen weiten Begriff, so finde ich, sollte man sich einal auf der Zunge zergehen lassen, ist er doch der Schlüssel dafür, der Welt und den Menschen mit all ihren Problemen und einschränkungen, als ganzes auch liebend gegenüber zu stehen. Hier wird auch deutlich, dass selbst der biologische Erotikbegriff deutlich über die reine Sexualität, und damit über pornographisches weit erhaben ist.
Damit ich nicht falsch verstanden werde: Ich halte die Sexualität als Teil des Liebesvollzuges durchaus für wichtig, allerdings birgt sie die Gefahr, unter falschem Vorzeichen in Richtungen zu prägen, die dann nicht mehr Liebe genannt werden können, und in personalem Weg in eine Sackgasse führen, d.h. den Menschen daran hindern emotional zu reifen.
Sexualität als Suchtverhalten ist sicher keine seltene Art heutiger Problembewältigung, allein: sie fürht als Sucht wie andere Suchten auch, nicht weiter, sondern vergrössert die ursächlichen Probleme.
Hierbei möchte ich ausdrücklich betonen, dass Sexualität, Erotik, vom gern haben bis zur Liebe nicht nur auf Nachwuchs hin ausgelegt sein kann, wie man es kirchlichen Menschen gern unterstellt zu glauben. In gewissen Akten grösster Intimität und Geborgenheit, dann wenn Liebe mit allen Ihren Komponenten incl. dem Sexualakt auf den Partner bezogen ist, da denke ich allerdings durchaus, dass dies der optimale Grund bzw. Zeitpunkt ist, um neues Leben zu schenken, welches in Liebe gezeugt werden kann. Wenn man in diesem Augenblick funktional denkt, und z.B. bewusst verhütet, so verstehe ich das durchaus, allerdings muss man Zugeben, dass dieser funktionale Gedanke die Unmittelbarkeit des Aktes trübt, und man sich somit der Liebe auch körperlich durchaus noch eine Steigerung vorstellen kann, welche dem optimalen sicher noch näher kommt.
Also, als knappes Fazit zur körperlichen Liebe: Ich bin der Meinung, dass diese vor allem in Form von Erotik unser Leben prägen soll, dass jedoch der Kontakt, je inniger er in seiner Hingabe ist, immer persönlicher, möglicherweise verletzender und somit auch gefährlicher werden kann, und gerade im Hinblick auf Suchtverhalten nicht ohne Gefahr ist. Es ist imho immer wichtig zu unterscheiden, ob ich mit meinen Bedürfnissen im Zentrum stehe, oder ich mich in Liebe verschenke. All unser Handeln prägt uns zu tiefst, und ist sicher auch Ursache für unser Probleme und Nöte. Nicht alles, was gleich heisst, ist es letztlich auch.
zur personalen Entwicklung
Wie ich schon festgestellt habe, genügt sich der Mensch nicht selber. Letztlich fühlt er sich einsam, allein gelassen und je nach persönlichkeitsstruktur leidet er auch mehr oder weniger darunter. Natürlich gibt es hier die eine oder andere Abhilfe: Sexulität als Kompensationsmittel hatte ich ja auch schon angesprochen.
Was halt nun Liebe mit personalen Entwicklung zu tun? Anders ausgedrückt würde ich sagen, man kann die Reife eines Menschen an seiner Fähigkeit zur Liebe ablesen. Dies hört sich zuerst mal etwas befremdlich an, da wir ja über unseren Sexualitätsgedanken der Meinung sind, jeder der einen Sexualtrieb hat, kann auch lieben. Hier haben wir es sicher mit dem zu tun, was nur nach Liebe aussieht, wo wir uns im Zentrum sehen. Liebe heisst, sich zu verschenken. Nicht sich selber, sondern den/die/das geliebte ins Zentrum zu rücken. Dies ist schon deutlich schwerer, als einfach einen Trieb zu befriedigen. Dennoch kann man die Erfahrung machen, dass dies, was ja wie eine Einschränkung anmutet erst richtig befreit.
In diesem Sinne hört sich Liebe wie ein Paradox an. Von sich selber weggehen, heisst, selber zu wachsen.
Dabei findet sich auch hier die schon zuvor beschriebene Ambivalenz: Liebe und Egoismus scheinen sich nur in Nuancen zu unterscheiden.
Im Egoismus möchten wir z.B. die Platz eines anderen einnehmen, ihn von seiner Position verdrängen und dort Platz nehmen. In Liebe, möchte man im anderen aufgehen, d.h. mit ihm verschmelzen. Körperlich symbolisiert auch im Sexualakt, ist dies eine viel tiefere und innige personale Vereinigung, die den anderen nicht wie im Egoismus vernichtet oder verdrängt, sonder beschützt und emporhebt, und damit auch selber getragen wird. Letztlich denke ich, diese Liebe ist die einzige Möglichkeit für uns menschen, dem determinierenden Egoismus zu entrinnen, und im anderen das Ziel zu sehen, und somit ist auch dies die Keimzelle für Freiheit: nicht sich folgen, sondern in Liebe von sich loslassen können.
So. hab ich nun alle verwirrt?
Gruss,
Thod
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