Wieviel Höflichkeit braucht der Mensch?

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DarkMousy
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So 7. Sep 2003, 16:53 - Beitrag #1

Wieviel Höflichkeit braucht der Mensch?

Öhm... huhuu...

mir ist nicht wirklich die Glanzüberschrift eingefallen, aber mir ist heute was passiert und da wollte ich mal mit euch drüber diskutieren.

Sagen wir mal, ihr wollt jemanden besuchen (z.B. Großeltern) und ihr klingelt, sie machen euch auf und stehen oben an der Tür, ihr geht ins Treppenhaus und da stehen sie: die Nachbarn. Diese kennen euch schon seit Kindesbeinen an und glotzen euch jetzt ziemlich doof an, weil ihr na ja, öhm... nicht so ganz normal gekleidet seit, schnell 'Guten Tag' murmelt und an denen vorbeihuscht. Meinetwegen lasst ihr noch eine Bemerkung darüber fallen, was ihr bei den Großeltern macht, um die Neugier der Nachbarn etwas zu stillen und rettet euch in den sicherem Hafen der großelterlichen Wohnung.

Ist es unhöflich, wenn man nichts sagt, weil man nicht reden möchte?

Was ist höflich? Ist es vielleicht unhöflich, wenn Nachbarn einen mit Blicken an die Wand nageln??

Wo seit ihr höflich? Verhaltet ihr euch bei verschiedenen Leuten unterschiedlich höflich?

Was kennt ihr aus dem Knigge? All das interessiert mich!! Her damit!!! *lechz* ^^

Euer Mousy Dark

Student27NRW
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So 7. Sep 2003, 18:23 - Beitrag #2

Also Höflichkeit gehört für mich einfach dazu. Wenn mir jemand über den Weg läuft, den ich kenne, grüsse ich ihn auch oder nicke ihm einfach zu. Sollten man Leuten im Treppenhaus über den Weg laufen, gehört es sich auch einfach nur maleben "Guten Tag" o.ä. zu sagen.

Fargo
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So 7. Sep 2003, 20:34 - Beitrag #3

Höflichkeit - die etwas ganz anderes ist als Heuchelei und Schleimerei - ist enorm wichtig. Höflichkeit ist ein Sammelsurium kleiner Alltagsrituale und zugleich eine Geisteshaltung, die Improvisation ermöglichen soll, wo kein fertiges Ritual vorhanden ist.

Und der Zweck des Ganzen? Spannungsminderung, Reibungslinderung, Erleichterung des Zusammenlebens. Echte Höflichkeit - jene Form von Etikette, die im anderen und in einem selbst grundsätzlich Respektspersonen sieht - liefert Handlungsanweisungen für Situationen, in denen es sonst zu Aggressionsaufbau, Verletzungen, Demütigungen kommen könnte.

Höflichkeit hilft uns auch selbst, weil sie uns in jenen Momenten und Situationen trägt, wo unser sozialer Instinkt nicht auf der Höhe ist. Oder wo wir mit jemand umgehen müssen, der uns eigentlich nicht sympathisch ist. Höflichkeit verhindert Eskalationen.
Natürlich gibt es auch schneidende, herablassende, ausgrenzende Höflichkeit, die als soziale Waffe eingesetzt wird. Aber von der reden wir ja in diesem Beispiel nicht.

Du hast Dich völlig richtig verhalten. Du triffst Menschen, mit denen Du eigentlich nichts zu reden hast. Aber ein Gruß erhält erstens die Gesprächsfähigkeit, der Kanal wird sozusagen offen gehalten, und er wirkt auf eine sehr tiefe Ebene unseres tierischen Unterbewusstseins, er signalisiert dem wachsamen Tier im Gegrüßten, dass dieses andere Tier sich nicht in feindseliger Absicht nähert.

Die anderen haben sich konsequent falsch und unhöflich verhalten. Starren signalisiert dem Tier in uns, dass da ein Angriff erwogen oder vorbereitet wird, und dem höher entwickelten sozialen Wesen in uns, dass sich da gerade jemand ein Urteil über uns anmaßt. Klassische Eskalationsstufe: "Gibt's was zu glotzen?" oder "Brauchen Sie ein Foto?", heute eher: "Glodsch Du, Alda?"

Fargo

Seeker
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So 7. Sep 2003, 21:36 - Beitrag #4

Höflichkeit ist wichtig. Aber zuviel Höflichkeit ist manchmal auch erdrückend.
Ich grüße fast jeden, den ich in meinem näheren Umfeld treffe. In einer Stadt (Fußgängerzone) hat sowas wenig Sinn und dementsprechend verhalte ich mich auch.

Was ich nicht mag, ist wenn man "normal" höflich ist und das Gegenüber denkt, man sei plötzlich bester Kumpel, weil man gegrüßt hat! Ich hätt mir manchmal in den eigenen Hintern beißen können ... es gibt auch Leute (ich kenne zwei Beispiele bei mir auf der Arbeit), die Höflichkeit als Signal für "Du grüßt mich, ich darf Dir also meine Lebensgeschichte erzählen!" werten.

Generell bin ich aber meist höflich und so kommt man (wie Fargo schon schrieb) meist reibungslos durch die Alltagswelt.

Gruss,
Seeker

Fargo
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So 7. Sep 2003, 21:47 - Beitrag #5

Aber Seeker - was Du beschreibst, ist doch nicht ein Zuviel an Höflichkeit. Sondern ein Zuwenig. Du beschwerst Dich gerade über Aufdringlichkeit. Höflichkeit aber lässt immer Distanz.

Fargo

Seeker
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So 7. Sep 2003, 22:07 - Beitrag #6

Stimmt. Ist mir nie aufgefallen. Ich hab mich nur immer in der "Höflichkeitsfalle" gewähnt. Und was schlägst Du vor, wie ich auf Aufdringlichkeit reagieren soll?
Momentan sag ich dann immer ... "Ich muß ne Probe im Labor ziehen, sorry!" ... und mach mich vom Acker ... und versuche mit nem Wattebausch die blutenden Ohren zu verarzten ...

Generell bin ich sehr für Höflichkeit. Etwas, was mir manchmal bei einigen Mitmenschen fehlt. Aber da kann man nichts machen - außer diejenigen vor den Kopf stoßen, indem man es erklärt, oder man ignorierts einfach - doch das wird nicht viel ändern.

Gruss,
Seeker

Fargo
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So 7. Sep 2003, 22:15 - Beitrag #7

Original geschrieben von Seeker
Und was schlägst Du vor, wie ich auf Aufdringlichkeit reagieren soll?


Eins auf die Fresse, und richtig durchziehen. Höfichkeit hilft da nicht mehr. :D

Nee, im Ernst, das ist eine der großen ungelösten Menschheitsfragen. Aber meiner Erfahrung nach hilft ironisches Hinterfragen der geschilderten Aktionen des Erzählenden, um die Mitteilungsfreude ziemlich schnell zum Erliegen zu bringen.

Fargo

Seeker
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So 7. Sep 2003, 22:32 - Beitrag #8

Den Tip werd ich mir merken. :)
So, jetzt fahr ich den Rechner und mich runter ... Gute Nacht!


Gruss,
Seeker

Padreic
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So 7. Sep 2003, 22:40 - Beitrag #9

Bei mir hängt beispielsweise grüßen auch sehr von der Situation ab. In der Schule grüße ich längst nicht jeden, den ich kenne, weil ich keine Lust habe, jeden Tag hundert Leute zu grüßen, aber zum Beispiel neulich ist es mir passiert, dass ich jemanden aus meiner Stufe, mit der ich sonst wenig Kontakt habe, zufälligerweise auf einer Autobahnraststätte getroffen habe, da grüßt man sich natürlich.
Höflichkeit wird mir da besonders wichtig, wo es nicht bloß ritualmäßig ist, sondern echte Freundlichkeit, wie z. B. jemanden die Tür aufhalten, jemanden Sachen abnehmen, wenn er viel tragen muss etc.

Padreic

DarkMousy
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Mo 8. Sep 2003, 10:54 - Beitrag #10

Original geschrieben von Fargo

Du hast Dich völlig richtig verhalten. Du triffst Menschen, mit denen Du eigentlich nichts zu reden hast. Aber ein Gruß erhält erstens die Gesprächsfähigkeit, der Kanal wird sozusagen offen gehalten, und er wirkt auf eine sehr tiefe Ebene unseres tierischen Unterbewusstseins, er signalisiert dem wachsamen Tier im Gegrüßten, dass dieses andere Tier sich nicht in feindseliger Absicht nähert.

Die anderen haben sich konsequent falsch und unhöflich verhalten. Starren signalisiert dem Tier in uns, dass da ein Angriff erwogen oder vorbereitet wird, und dem höher entwickelten sozialen Wesen in uns, dass sich da gerade jemand ein Urteil über uns anmaßt. Klassische Eskalationsstufe: "Gibt's was zu glotzen?" oder "Brauchen Sie ein Foto?", heute eher: "Glodsch Du, Alda?"


Oh, da bin ich beruhigt... aber, es gibt praktisch keine Möglichkeit, sich als höflicher Mensch gegen Unhöfliche zu wehren. Es gibt keine. Man kann dann höchstens die Unhöflichkeit mit gelassner Höflichkeit ertragen oder es kommt halt eben doch zur Eskalation. Ich hatte ja zum Glück einen Bau, in den ich mich als Kaninchen vor den Blicken der Schlangen zurückziehen konnte.


Original geschrieben von Seeker

Was ich nicht mag, ist wenn man "normal" höflich ist und das Gegenüber denkt, man sei plötzlich bester Kumpel, weil man gegrüßt hat! Ich hätt mir manchmal in den eigenen Hintern beißen können ... es gibt auch Leute (ich kenne zwei Beispiele bei mir auf der Arbeit), die Höflichkeit als Signal für "Du grüßt mich, ich darf Dir also meine Lebensgeschichte erzählen!" werten.


Solche Menschen kenne ich leider auch. Nach einem simplen 'Guten Tag' wird man sie nicht mehr los. Es ist zum Verrücktwerden. Was bilden sich solche Leute eigentlich ein? Kann ja sein, dass diese total einsam sind, aber... bei allem Respekt, ich weiß auch warum... :D Ich bin weiß Gott niemand, der wenig redet, nein, weiß Gott nicht, aber man sollte vorallem als Viel-Redner ein Gespür dafür entwickeln, wenn man sein Gegenüber nervt, aufzuhören oder das Thema zu wechseln. Ich finde das gehört auch zu Höflichkeit - ein Gespür für andere Menschen zu entwickeln, Situationen richtig einzuschätzen, wann wieviel Höflichkeit gut ist.

Mal zu dem Schul-Beispiel: Es wäre wirklich ziemlich übertrieben, jeden auf dem Schulhof zu grüßen, der einem begegnet (kleines Beispiel: meine Schule hat über 1000 Schüler und über 80 Lehrer - da wäre ich den ganzen Vormittag beschäftigt^^)

Aber wenn ich z.B. spazieren gehe oder so und mir kommt ein Mensch entgegen, grüß ich den, weil ich es immer so schön finde, wenn die Leute dann lächeln und zurückgrüßen.

Oder, hach, mein Lieblingsfall: Es hat sich jemand verwählt am Telefon und ich gehe ran. Ich sag immer 'Ist doch nicht so schlimm' und wünsche dem jenigen noch einen schönen Tag, sie wünschen mir einen zurück, bedanken sich und sind hocherfreut.

Mousy Dark

Thod
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Mo 8. Sep 2003, 11:06 - Beitrag #11

ich denke auch, du hast dich richtig verhalten.
ich bemühe mich, i.d.r. recht unverbindlich zu bleiben. im haus grüsse ich alle leute, anworte auf fragen, stelle aber keine und weiche in persönlichem aus. ebenso in der firma, da grüsse ich wenn ich komme, und unterhalte mich hat, wenn es sich ergibt. im freundeskreis ist das schon anders...

im allgemeinen mag ich keinen smalltalk, und gehe dem aus dem weg. aber ich versuche halt auch, niemanden vor den kopf zu stossen, und so sind imho die höflichkeitsformen recht gut, um menschen zu signalisieren, dass man nichts gegen sie hat.

gruss,
thod

DarkMousy
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Mo 8. Sep 2003, 11:10 - Beitrag #12

Hm...

Hm... hm... hm...

aber ich bin auch höflich zu Leuten, die ich nicht leiden kann. Da kann man die 'normale' Höflichkeit dazu benutzen, seine Abneigung zu Personen, hinter ihr zu verstecken.

Thod, ich stimme dir aber zu, ich bin auch kein großer Liebhaber des SmallTalks, weil viele mit ihren Fragen schnell persönlich werden und da hilft nur noch eins 'Blocken'. Ich betrachte übrigens zu persönliche Fragen von einer Person, mit der ich gar nicht so viel zu tun habe, als große Unhöflichkeit.

Mousy Dark

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Mo 8. Sep 2003, 11:16 - Beitrag #13

ja, das ist es wohl auch.

zum verstecken der Abneigung: das geht mir auch genauso. aber immerhin ist, solange man höflich bleibt, noch eine form gewahrt.
es gibt, allerdings auch die übertriebene höflichkeit in diesem fall, die iher eine art spott ist. so kann man seinem ärger zwar zeitweise luft machen, ich finde das aber eher belastend. da würde ich dann doch eher schweigen.

gruss,
thod

DarkMousy
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Mo 8. Sep 2003, 11:21 - Beitrag #14

Ich glaub, ich weiß, was du meinst...

Meinst du dieses 'Ach, das ist ja schön Sie zu sehen. Sie sehen heute aber wieder gut aus...' und im Hinterkopf 'Boah, sieht die/der schäbbig aus' ?? Sowas kann ich nicht leiden. Also höflich - ja! Unehrlich - nein! Wie gesagt, dann lieber schweigen, als zu heucheln... Ich finde übrigens, dass Heucheln keinen Stil beweist. Es ist ja fast so, als wolle man sich bei seinem Feind einschleimen, ist also fast schon eine Unterwürfigkeitshaltung.

Oben wurde das menschliche Verhalten mal mit dem von Tieren verglichen und zwar von Fargo. Ich finde, der Mensch ähnelt dem Tier auf der Schiene sozialer Kontakte schon seinem tierischen Verwandten, denn die wahren auch eine gewisse Form. So wie: 'Dies ist mein Tanzbereich und das ist deiner. Komm du nicht in meinen, ich komme nicht in deinen.'

Mousy Dark

P.S. *freu* Das hier war mein 150 Beitrag und endlich endlich kann ich den Ava verwenden, den Melianaw mir gemacht hat. Danke Mel, du Eisluder, falls du das lesen solltest. *knuffel sie mal ganz lieb* *freufreu durch die Gegend hüpf*

Thod
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Mo 8. Sep 2003, 11:38 - Beitrag #15

ich bin mir beim mensch-tier vergleicfh da nicht so sicher.
letztlich könnte man höflichkeit durchaus in die nähe von unehrlichkeit rücken. man hat formen und konventionen entworfen, die den zwischenmenschlichen umgang regeln, und die nicht den direkten emotionen entsprechen. ein tier würde instinktiv handeln.
natürlich ist uns unser sozialverhalten derart eingeprägt, dass wir es für instinktiv halten könnten, aber ich denke, da kann schon noch ein unterschied liegen.

generell stimme ich dir schon zu: ehrlichkeit und aufrichtigkeit ist im zwischenmenschlichen bereich *die* grundlage. andererseits: auch wenn mir ein nachbar unsympathisch ist, und mir egal ist, wie er sich fühlt, ich wünsche ihm dennoch einen guten tag. was man dabei nicht unterschätzen sollte: dieser wunsch, den man auch nur als floskel äussert, kann auch die eigene einstellung positiv beeinflussen. womit man sich durch höflichkeit selbst etwas erziehen kann. auch wenn es nicht ganz ehrlich, im sinne von tierisch-instinktivem verhalten ist.

gruss,
thod

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Mo 8. Sep 2003, 11:47 - Beitrag #16

Höflichkeit ist ja nicht der Ersatz für Instinkt, sondern eine Form, mit ihm umzugehen.

Nehmen wir das Beispiel mit dem Waldspaziergang. Wenn ich absiets der schützenden Menge einem Fremden begegne, dann baut sich in mir nicht nur aus sozialer Erfahrung, sondern auch aus altem Instinkt Stress auf. Auch wenn ich das gar nicht richtig bemerke. Die Höflichkeit ist eine Form der Stresslinderung. Grüßen ist ein Signal, das dieser Situation die 'Bedrohlichkeit' nhemen soll. Natürlich kann es - das ist eben fundamental anders als bei den Signalen eines Tieres - bewusst zur Täuschung eingesetzt werden. Also: gerade weil ich Böses im Schilde führe, beschwichtige ich mein Gegenüber durch Signale der Freundlichkeit.

Fargo

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Mo 8. Sep 2003, 11:48 - Beitrag #17

Ok...

Das mit dem Instinkit, darauf wollte ich gar nicht so sehr hinaus. Es ist nur, dass ich Heucheln für tierisch halte. Ein Hund, der sich dem anderen unterwerfen will, heuchlt, indem er dessen Schnauze leckt und sich vor ihm auf den Boden wirft. Die beiden Hunde können Rivalen sein, müssen aber nicht. Selbstredend, dass zwischen diesen beiden Tieren ein Spannungsverhältnis besteht.

Also, warum heuchelt ein Mensch? Der hat es ja normalerweise echt nicht nötig? Aus Unterwürfigkeit?? - Darauf läuft es doch letzendlich hinaus... Er bräuchte ja nicht zu heucheln, wenn er sich gegenüber einen ebenbürtigen Partner vermuten würde. An der Stelle rutscht der Mensch mit geheuchelter Höflichkeit ins Tierreich ab, um mit seinem Verhalten eine bessere Beziehung zu seinem Gegenüber zu bekommen. Das Spannungsverhältnis ist zwar noch da, aber es fällt nicht mehr ganz so auf.

Angebrachte Höflichkeit ist menschlich, weil ein vernunfbegabtes Wesen zwischen einzelnen Situationen entscheiden kann, sie auch richtig einschätzt und danach richtig handelt. Überzogene Höflichkeit (also Heucheln) finde ich sehr animalisch.

Mousy Dark

Fargo
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Mo 8. Sep 2003, 11:58 - Beitrag #18

Der Hund hechelt, aber er heuchelt nicht, DarkMousy. ;)

Wenn er sich unterwerfen will bzw. muss, dann unterwirft er sich. Das ist dann 'ehrlich': er signalisiert, ich ordne mich im Rudel unter Dir ein, und tut's dann auch.

Es gibt aber einen interessanten Grenzfall. Tiere, bei denen die Handlungspotenziale rasch umspringen. Die also in einem Kampf, in dem sie gerade unterliegen, Unterwerfung signalisieren. Gleich darauf aber, wenn sie wieder in einer günstigen Angriffsposition sind, erneut attackieren, weil das Gehirn 'Chance' meldet.

Die interessante Frage in der Verhaltensforschung ist eben, ob solch ein Abweichen vom auf Stabilität der Gemeinschaft angelegten Verhalten dem Individuum einen Durchsetzungsvorteil bringt - weil diese 'Angriffe aus dem Hinterhalt' häufiger erfolgreich verlaufen. Oder ob es einen Nachteil bringt, weil das abweichende Individuum beim immer wieder neu attackierten Gegner schließlich die Missachtung der Unterwerfung provoziert und totgebissen wird.

Noch interessanter ist dann, welchen Einfluss es auf Gemeinschaften hat, in denen sich das 'asoziale' Verhalten tatsächlich als individueller Vorteil und damit als evolutionär prägendes Merkmal erweist.

Fargo

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Mo 8. Sep 2003, 12:19 - Beitrag #19

Ok, dann anders...

Tiere heucheln nicht, sie meinen das, was ich hier als 'Heucheln' bezeichne, so wie sie es meinen, nämlich echt. Das ist eine tierische Instinkthandlung.

Der Mensch bedient sich freiwillig dieser Handlung. Bei ihm ist es eine 'Verstands'handlung. Er macht es aus freien Stücken, weil er denkt, er hat Vorteile davon. Also, dann sage ich jetzt nicht, dass ich diesen Menschen für animalisch halte, sondern für nicht sehr vernunftbegabt (aus meiner Sicht). Wenn es ihm dann so viele Vorteile bringt, anderen Leuten in den A**** zu kriechen, soll er es meinetwegen weiter machen.

Was ich damit jetzt wieder sagen will, ist, dass ein heuchelnder Mensch Ähnlichkeiten zum unterwürfigen Hund aufweist. Auch er nutzt eventuell die vom Gehirn gemeldete Chance, aber er kann sie auch auslassen, um eventuell eine noch größere abzuwarten. Das Tier hingegen wird jede ihm gegebene Chance nutzen, weil es instinktiv handelt.

Zu deinem letzten Satz, Fargo, also ich finde, es ist nicht wirklich vorteilhaft (weil da immer eine gewisse Unterwürfigkeit mitschwingt). Der Unterlegene könnte ja auch einfach mit besseren Argumenten oder mit dem anderen auf eine Stufe kommen (ist natürlich sehr situationsabhängig und nicht unbedingt DIE Verallgemeinerung, was ich hier schreibe ^^).

Ein evolutionär prägendes Merkmal? Ich hab keine Ahnung, weil sich die Heuchler meistens sehr gut in der breiten Masse verstecken... Hm, aber ich vermute mal, dass mehr davon gibt, als für die Menschheit gut ist. ^^

Mousy Dark

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Mo 8. Sep 2003, 13:10 - Beitrag #20

wir scheinen uns also einig zu sein, dass höflichkeit eine abstraktionsstufe über dem instinktverhalten liegt.
man kann es zur täuschung ebenso wie zur beruhigung einsetzen, was sich selber und den anderen betrifft. als gesellschaftliche konvention ist es etwas gelernetes, was man aber durch eigene reflexion bei sich zu einem gewissen grade auch umerziehen kann.

um auf die frage zurückzukommen: wieviel von dieser höflichkeit der mensch brauche, würde ich also sagen: soviel, dass er in der gesellschaft in der er sich befindet, nicht weiter auffällt und problemsituationen mit anderen menschen auf oberflächlicher ebene entspannen kann.

gruss,
thod

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