Als ich im Vorfeld der Bundespräsidentenwahl und dann während der Übertragung von selbiger verfolgt habe, was da so abläuft, habe ich mal wieder ein Stück Glauben an die Bundesrepublik Deutschland verloren.
Das ist ja die reinste Karnevalsversammlung! Die Hälfte der Wahlmänner sind durch undurchsichtige, völlig antidemokratische Mauscheleien in den Ländern zu ihrer Position gekommen, zu großen Teilen politisch völlig unfähig - Schauspieler, Sportler, zufällig ausgewählte Mitglieder der Hintertupfinger Dorfsparteiabteilung.
Und so ein Haufen wählt dann unter lächerlichem Prozedere (Thierse steht zwei Stunden lang vorne und liest 1000 Namen vor, die dann der Reihe nach ihren Zettel einwerfen, während der Rest Zeitung liest) den "höchsten Mann im Staate".
Inzwischen ist für mich klar, dass dieses Wahlverfahren weg muss. Derzeit wird das Amt des Präsidenten, das ja sowieso keinerlei Macht, sondern nur Ansehen genießt, durch die Parteiquerelen im Vorfeld und die Albernheit des Wahlprozesses völlig demontiert. So kann es nicht weitergehen.
Der Standardvorschlag ist ja eine Direktwahl des Präsidenten durch das Wahlvolk. Das ist aber keine echte Alternative - zum einen haben wir bereits viel zu viele Wahlen, die Politikwissenschaftler sind sich einig, dass unsere Demokratie vor allem auch durch den andauernden Wahlkampf gelähmt wird. Außerdem handelt es sich beim höchsten Mann im Staate eben nur um einen Repräsentanten - wer keine Macht hat, braucht auch kein direktes Volksmandat. Zumal die hohe Integrität seines Rufes, die Voraussetzung für einen erfolgreichen Mahnerposten ist, in einem Personenwahlkampf sicher noch schlimmer beschädigt würde als ohnehin schon.
Deshalb meine radikale Idee für ein neues Bundespräsidentenwahlverfahren: Er wird gewählt von einem Ausschuss des Bundestages. Darin hat jede Partei, die als Fraktion im Parlament sitzt (also über die 5%-Hürde kam, keine nur-Direktmandat-Vertreter wie die PDS) genau eine Stimme.
So wären die Parteien quasi gezwungen, sich auf einen überparteilich akzeptierten Kandidaten zu einigen. Die Suche könnte mehr oder weniger ohne öffentliche Schlammschlachten ablaufen, und am Ende hätte man einen Präsidenten, den die gesamte politische Landschaft anerkennt und der somit eine deutlich höhere moralische Position hätte.
Die Suche nach einem geeigneten Kandidaten wäre sicher noch ein bisschen schwerer als jetzt, aber der Vertrauenszuwachs, den die Sache dem Gewählten am Ende bringt, wiegt das für mich klar wieder auf. Und man hätte einen weiteren Unruheherd des Pseusowahlkampfes ausgemerzt.