Nichtwahl

Das aktuelle politische Geschehen in Deutschland und der ganzen Welt sowie wichtige Ereignisse der Weltgeschichte.
Padreic
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Mo 14. Jun 2004, 20:37 - Beitrag #1

Nichtwahl

Durch die diversen Wahl-Threads geistern ja immer wieder Kurzdiskussionen über Nichtwahlen bzw. Nichtwähler. Ihnen wollte ich hiermit dann mal einen eigenen Thread wählen.

Ich selbst bin in dem Sinne Verfechter der Nichtwahl, dass ich selber nicht wählen würde, selbst wenn ich es dürfte (zumindest meinen momentanen Absichten nach).
Dies mache ich hauptsächlich aus einem gewissen Desinteresse heraus. Für mich ist sie nicht wichtig genug, als dass ich ihr die enorme Mengen an Zeit widmen wollte, die die Bildung einer qualifizierten Meinung meiner Ansicht nach erfordern würde [außer praktischer Relevanz würde vielleicht noch Schönheit oder dergleichen ein Interesse rechtfertigen; die ist aber definitiv in der Politik am allerwenigsten gegeben.]. Der Hauptaufwand ist gar nicht mal, sich über die zu Wahl stehenden Parteien zu informieren (obwohl das auch schon einiges an Zeit kosten kann, will man es mit angemessener Intensität tun), sondern sich eine Meinung darüber zu bilden, was die bestmögliche Politik ist. Die Sachlage ist da so komplex, das mir gar nicht klar ist, wie ich da vernünftig zu einer Ansicht kommen soll, insbesondere ohne enormen Aufwand daran, Studien und Fakten aller Art zu studieren. Der Punkt ist hier auch, dass man sich nicht bloß irgendeine vorläufige Meinung bildet (wie das sonst ja so häufig möglich ist), sondern diese auch definitiv äußern muss, wozu ich mich eben nicht in der Lage sehe. Die Schwierigkeit der Aufgabe sieht man auch daran, dass viele intelligente und gebildete Leute hier anderer Ansicht sind...
Der andere wichtige Punkt ist, dass aus meiner Prä-Ansicht heraus die etablierten Parteien einiges an Mist bauen, was vielfach wohl auch daran liegt, dass sie es gar nicht primär im Sinne des Volkswohls, sondern im Sinne ihrer Wiederwahl gut machen wollen. Und es fällt mir generell schwer, etwas zu stützen, die mir wesentlich missfällt. Eine Zufallswahl, um Extremisten an Parlamentseinzügen zu hindern, kommt deshalb für mich eigentlich auch nicht in Frage.

Es ist nicht so, dass ich jetzt appelliere, nicht zur Wahl zu gehen. Ich finde es ehrt die Leute, die sich informieren und sich dann letztendlich für das kleinere Übel entscheiden, allein schon, weil es die Machtbestrebungen von Extremisten zum Teil verhindert. Sie erlauben es erst Leuten wie mir, sich das Recht zur Nicht-Wahl zu nehmen (ich empfinde das als Grundrecht, genauso wie das Wahlrecht), denn wenn sie es nicht täten, würde das demokratische System eine solche Bedrohung erfahren, dass Politik auch für mich hinreichend wichtig wäre, da sie auch eine Bedrohung meines Privatlebens darstellen würde.

Padreic

Bowu
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Di 15. Jun 2004, 09:29 - Beitrag #2

Nichtwählen aus Desinteresse - das ist wohl die eine Seite.
Die andere stellen die dar, die erst durch ihre politische Meinungsbildung davon überzeugt sind die Stimmabgabe zu verweigern.

Padreic
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Di 15. Jun 2004, 13:42 - Beitrag #3

Ich denke, ein Mensch von echtem politischen Interesse wird seine Stimmabgabe nicht verweigern. Er wird zum Promill der Bevölkerung gehören, die sich intensiv eine politische Meinung bildet und er dann kann er abschätzen, welche Partei seiner Meinung nach das geringste Übel für Deutschland ist und diese wählen; weil ja der Großteil der Wähler schlechter informiert ist als er, muss er, da er der Politik ja eine hohe Bedeutung zumisst und jeden möglichen Vorteil dann auch ausschöpfen will, wählen, um die schlecht gebildeten Meinungen anderer zu korrigieren. Eine andere Möglichkeit bei einem Mensch von politischen Interesse höchstens eine demonstrative Nicht-Wahl, um die etablierten Parteien zu einem Umdenken zu bewegen. Dieses Unterfangen halte ich aber für zu aussichtlos, als dass es sehr wahrscheinlich wäre, dass ein politisch gebildeter und intelligenter Mensch es versuchen würde...
Ein anderer Fall ist ein gewisse Halbinteresse, was aber natürlich auch wieder eine Form des Desinteresses ist.

Padreic

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Di 15. Jun 2004, 17:11 - Beitrag #4

Da ich bald mein 18. Lebensjahr vollendet habe, habe ich bei den nächsten Wahlen und Abstimmungen auch das Recht meine Stimme zählen zu lassen, weshalb ich vor ähnlichen Problemen stehe.

Mit Abstimmungen hab ich kein Problem, zumal es IMHO jedem und jeder möglich sein sollte, sich über den fraglichen Sachverhalt in genügendem Masse zu informieren und ein mehr oder weniger begründetes Urteil zu fällen. Und auch da die Auswirkungen grösser sind als bei Wahlen, weshalb man vielleicht auch ein kleines bisschen von Pflicht zur Stimme sprechen kann.

Aber diese ganzen Gemeinde-, Kantons-, Regierungs-, Stände- und Nationalratswahlen und wie immer die auch in Deutschland heissen mögen sind ganz böse gesagt das Krebsgeschwür der modernen Demokratien. Da sind zuerste einmal diese Wahlkämpfe: Überall Plakate, auf denen "Wählt Franz Meier" oder "Karl Müller in die Regierung" steht. Darauf sind dann mehr oder weniger sympathische Gesichter abgebildet die künstlich in die Kamera grinsen. Der politische Inhalt ist zweitrangig. Wer ist diese Person? Wofür gibt sie vor sich einzusetzen? Und vor allem: Welche Erfahrungen und Kompetenzen hat diese Person vorzuweisen? Interessiert ja niemanden... Unter dem netten Gesicht befindet sich (im besten Fall) noch ein politisches Schlagwort auf Stammtischniveau und am Ende werden diejenigen gewählt, die am meisten Geld haben um Plakate drucken zu lassen, am nettesten in die Kamera gucken und (im besten Fall) diejengien, auf deren Schlagworte am meisten Personen reinfallen. Ich habe weder die Möglichkeiten noch die Lust mich auf Gemeinde-, kantonaler und Bundesebene mit den entsprechenden Anwärtern vertraut zu machen und wirklich etwas über diese zu erfahren um so eine begründete Wahl treffen zu können. Die meisten werfen wohl sowieso einfach die Listen ihrer Parteien ein.
Dann kommt noch hinzu, dass die gewählten Politiker, einmal im Amt, entweder von gemachten Versprechungen und Aussagungen nichts mehr wissen wollen oder aber nur noch darauf aus sind, die Wiederwahl zu schaffen und so vor allem medien- und somit öffentlichkeitstaugliche Sachen tun. Was dann halt leider häufig zur sprichwörtlichen Verlogenheit der Politiker führt. Krasses Beispiel: Die gut 400 Repräsentanten des amerikanischen Kongresses werden für zwei Jahre gewählt bzw. müssen sich alle zwei Jahre zur Wiederwahl stellen. Sprich: Ein Jahr in den neuen Posten einarbeiten, ein Jahr die Wiederwahl vorbereiten.

Die einzige Rechtfertigung die es dafür geben kann ist der Mangel besserer Alternativen.

Bowu
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Di 15. Jun 2004, 17:52 - Beitrag #5

Es gibt genügend Leute die den Parteienstaat gut begründet ablehnen, und lieber ausserparlamentarisch gegen ihn kämpfen, als ihn systemintern zu legitimieren.

Feuerkopf
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Di 15. Jun 2004, 17:57 - Beitrag #6

Moment mal:
Es ist doch nicht so, dass Politik nur in dem Moment interessant ist, in dem ich zur Wahl gehen kann.

Vier Jahre lang habe ich Zeit, die gewählten Politiker auf kommunaler, regionaler und nationaler Ebene zu beobachten. Wenn ich regelmäßig Zeitung lese und hin und wieder mal ein politisches Magazin gucke, dann sollte ich schon in der Lage sein, mir eine Meinung zu bilden.
Und es ist schon wichtig, WER da zur Wahl steht. Wenn ich jemanden schon instinktiv ablehne, weil ich ihn für einen Windbeutel oder Lügner halte, dann werde ich die Finger davon lassen, egal, wie das hehre Wahlprogramm aussieht.
Es gibt halt Ereignisse und entsprechende Politikerreaktionen, die ich nicht vergesse.

Wenn ich meine Möglichkeit der Mitwirkung nicht nutze, dann werde ich zu Recht rumgeschubst.
Vor ein paar Jahren habe ich mir die Auszählung der Stimmen in unserem Wahlbezirk angeguckt. Es ging tatsächlich um wenige Stimmen, und das hat mir gezeigt, wie wichtig jedes einzelne Votum ist.

Mir ist ehrlich unverständlich, wie man freiwillig auf ein demokratisches Grundrecht verzichten kann.
Für das Recht auf freie, gleiche und geheime Wahlen sind Menschen bereit zu sterben!
Und wir haben es und verzichten leichtfertig darauf. Tut mir leid, ich kann eine solche Haltung echt nicht nachvollziehen.

Bowu
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Di 15. Jun 2004, 18:13 - Beitrag #7

Es geht ja nicht darum das die Leute nicht wählen wollen, sie wollen nur niemanden Wählen, der dann stellvertretend für sie (und über sie) Macht ausübt.

Gegen die Wahl als Entscheidungsfindung sind viele der Proteste nicht.

Shockk
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Di 15. Jun 2004, 18:15 - Beitrag #8

Mal ganz am Rande eine kleine Rechnung:

Angenommen, wir vereinfachen das System auf 20 Wähler mit je einer Stimme. Zur Wahl stehen die üblichen Parteien - CDU, SPD, FDP, PDS, Grüne usw usf. Angenommen nun, dass alle wählen gehen, entfallen nun, sagen wir mal, 5 Stimmen auf die CDU, 5 auf die SPD, 3 auf die Grünen, 2 auf die PDS und auf die FDP und drei Stimmen auf den Rest. Sagen wir mal dass beim Rest die NPD 2 Stimmen bekommt. D.h. diese Partei hat 2/20 Stimmen - 10%. Gehen nun aber 3 Wähler aus Desinteresse nicht zur Wahl, sagen wir je einer von CDU, SPD und Grünen, dann hat die NPD plötzlich 2/17 - und das sind nicht mehr 10%, sondern fast 12%. Und meines Erachtens ist das allein ein Grund, wählen zu gehen - um diejenigen, die in der Demokratie keine Stimmen verdient haben, nicht indirekt zu solche zu verhelfen.

Feuerkopf
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Di 15. Jun 2004, 18:19 - Beitrag #9

Bowu,
bei allem Verständnis für basisdemokratische Träume:
Wie sollen 80 Mio Leute anders als durch gewählte Stellvertreter koordiniert, verwaltet und regiert werden?

Wenn ich nicht will, dass andere für mich entscheiden, dann muss ich auch so konsequent sein und die Verantwortung selbst übernehmen, d.h. ich muss mich aktiv an Politik beteiligen.

Bowu
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Di 15. Jun 2004, 18:49 - Beitrag #10

aktive Beteiligung ist doch aber nicht nur das pure wählen oder?
Sachkompetente auseinandersetzung scheint mir da zum Teil weit wichtiger, oder die Vermittlung der Ideen und Konzepte anderer...

Das Problem ist ja das diese Leute auch keine Macht über andere ausüben wollen.
Und den Ausweg der Volksdemokratie gibts ohne Auswanderung halt nicht.

Die Parteien müssen doch gar nicht abgeschafft werden, sie können in solch einer direkten DEmokratie immernoch ihre Meinungen Werte und Konzeptpakete vertreten. Aber der mündige Bürger (und den setzt dieses Konzept vorraus) kann dann Sachbezogen entscheiden. So könnte er beispielsweise die Haushaltspolitik der FDP und die Außenpolitik der Grünen gleichzeitig durch seine Stimme befürworten. Wenn er jetzt grün und FDP wählt, so liegt es im Entscheidungsbereich der Partei selbst welche Kompetenzen sie durchsetzt, und welche sie dem Koalitionspartner überlässt.

Padreic
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Di 15. Jun 2004, 18:52 - Beitrag #11

@Bowu
Wenn man es so sieht, dann geb ich dir recht, dass man durchaus politisch interessiert sein kann, ohne zur Wahl zu gehen. Dann muss es aber wirklich einen außerparlamentarischen geben, d.h. man darf nicht nur im stillen Nicht-Wählen, es vielleicht dem ein oder anderen erzählen, sondern dann muss man seine Opposition zum Parteienstaat auch wirklich mit der Absicht, andere Leute zu ähnlichem zu bewegen, vertreten, denn jeder wirklich politisch Interessierte, muss auch politisch etwas bewegen wollen.

Der mündige Bürger ist übrigens reine Utopie.

@Feuerkopf
Das sind verschwindende Minderheiten, falls sie denn überhaupt existieren, die für freie, gleiche und geheime Wahlen bereit wären zu sterben. Das Problem in Staaten, wo für solche die Menschen auf die Straße gehen, ist nicht das Fehlen von Wahlen, sondern die Regierung, die üblicherweise in solchen Staaten totalitär ist. Ich bin kein Hardcore-Demokrat, vielmehr bin ich der Meinung, dass man mit einem guten und liberalen Monarchen auch gut leben kann. Ich kann auch mit unserer Regierung leben, obgleich sie meiner bescheidenen auf unzureichenden Informationen beruhenden Meinung höchst unvollkommen ist. Wenn ich sehe, dass da auf irgendeine Art und Weise totalitäre Strukturen erstarken, die mein Privatleben in wesentlicher Weise stören werden, wäre ich selbstverständlich auch bereit, zur Wahl zu gehen.

Was mir allerdings Kopfzerbrechen bereitet, ist die Frage, wie so viele Millionen Menschen, von denen die meisten nicht einmal wissen, was wir im Groben für ein Wahlsystem haben, sich so sicher sein können, was das beste für unser Land ist. Das sind hochkomplexe Fragestellungen, die selbst die größten Experten immer wieder überfordern und dann entscheiden Leute, die weder Volkswirtschaftslehre noch Soziologie studiert haben, über unser Wohlergehen. Nicht, dass ich mich irgendwie über sie stellen wollte, ganz im Gegenteil: ich gehöre auch zu ihnen. Nur ich will deswegen nicht entscheiden.
Der prinzipielle Nachteil an der Demokratie ist, dass da Leute wählen (und zwar in überwältigender Mehrheit), die eigentlich überhaupt keine Ahnung haben. Von der großen Beeinflussbarkeit ganz zu schweigen.
Bezüglich solchen Fragen hilft auch ein Mitverfolgen des politischen Geschehens auch nur sehr wenig, denn das ist Show und hilft höchstens beim Einschätzen der Showbeteiligten, nicht aber der eigentlichen Fragestellung (oder nur sehr begrenzt).

Padreic

Noriko
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Di 15. Jun 2004, 20:39 - Beitrag #12

@Padreic
Du hast vollkommen Recht:
Der Mensch ist dumm.
Das ist das Kernproblem.
Ich gehen wählen, aus verantwortung, ich fühle mich verpflichtet meine meinung zu äussern, auch wenn mir klar ist das ich wenig Ahnung von politik habe.

Aber das Recht zur wahl beinhaltet, aus sich selbst heraus, das recht die keine wahl zu treffen. (Singapur hat z.b. wahlPFLICHT mit 20) und wenn mir jemand eine gute begründun geben kann ist das auch Ok.

Bowu
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Di 15. Jun 2004, 22:59 - Beitrag #13

Original geschrieben von Padreic

Der mündige Bürger ist übrigens reine Utopie.


Nein. Das alle Bürger mündig seien das ist Utopie, aber es wird immer viele geben die den Mund aufmachen.
Und selbst wenn es eine Utopie wäre, so ist sie wichtig, denn sie zeigt das Ziel.
Dein Ausspruch klingt wie resignation, eine Demokratie ohne mündige Bürger ist von vornherein zum scheitern verurteilt.
Der Staat muss aus der Politikverdrossenheit lernen, und endlich Konsequenzen ziehen.
also 1. Durchgängige kostenfreie politische Bildung für alle ab dem 14. Lebensjahr
2. Lehrer brauchen freiräume für politische Diskussionen, in Bezug auf Meinungsäusserung und Lehrplanfülle
3. Mit der Schule darf es nicht enden.
Daher aufhebung aller Meinungsunterdrückungsmaßnahmen an Universitäten, und kostenlose Kurse für alle die Interesse an politischer Bildung haben - und Werbung dafür.

Dafür sollten die Parteien wenigstens einstehen, wenn sie schon nicht in der Lage sind ihren Grundgesetzlichen Auftrag nach Mitwirkung bei der Meinungsbildung ausreichend auszufüllen.

Aus der politischen Ungebildetheit muss Aktivität und nicht Resignation entstehen.

Noriko
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Di 15. Jun 2004, 23:07 - Beitrag #14

Die wirklich Mündigen Bürger werden imerm eine kleine überschauabre Elite darstellen, noch weniger als die die ihre unfeähigkeit oder dummheit (o.ä.) eingestehen und zugeben.

Bildung, ja, immer, doch eines wäre schon ein grosser schritt:
Anleitung zur kritischen Refelktion. Von im grunde allem.
Wer von klein auf lernt ansichten zu hinterfargenm un kritisch zu reflektieren (ich meine nicht anzweifeln, sodnern hinterfargen im sinne von überprüfen) wird eher zu etwas wie einem mündigem bürger werden.

Bowu
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Di 15. Jun 2004, 23:12 - Beitrag #15

ganz meine Meinung, Selbstreflektion und Reflektion des Umgebenden ist von entscheidender Bedeutung.

Wurde zumindest in meinem GK Unterricht damals nicht erwähnt... ich erinner mich da eher an "Systemkunde" ... und das das keinen 16 jährigen vom Hocker haut, ist wohl verständlich.

Maurice
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Di 15. Jun 2004, 23:25 - Beitrag #16

Tja und wo lernt man nachdenken, reflektieren, hinterfragen und eigene Denkkonzepte am besten? In Philosophie. Ich habe letztens sogar einen Bericht in der Zeitung gelesen (FAZ) in der es in manchen Schulen das Projekt gibt, dass Philosophie schon in der Grundschule unterrichtet wird und nach dem Bericht habe dies deutlich positive Auswirkungen.
Man muss dem Menschenn versuchen von klein auf eine solche Fähigkeit beizubringen, später ist es teils schon zu spät. Ein mündiger Bürger (im Sinne von Kant) ist zwar für einen funktionierenden Staat imo nicht notwendig, aber sehr wohl, wenn diese eine Demokratie sein will. Als Demokratie zähle ich hier ncith die Psyeudo-Demokratien, wie z.B. in der UdSSR.

Politische Meinungsfreiheit für Lehrer ist eine heikle Sache wie ich finde. Das gab es in der Weimarer Republik auch und es wurde mit Vorliebe dahingehend missbraucht, dass manche durch die politische Meinungsfreiheit legitimiert haben anti-demokratische Inhalte zu predigen. Das ist zwar generell heute wohl seltenst der Fall und kann man diesem ja auch Grenzen setzen.
Was ich aber für ein stärkeres Problem halte ist die Beieinflussbarkeit von Kindern, was dann auch die 14Jährigen in Bowus Konzept betreffen würden. Wenn ein Lehrer einen Wahlkampf für die Partei X in einer Klasse führen würde, hielte ich dies für bedenklich, denn der Lehrer soll ja möglichst neutral bleiben.
Ist wie gesagt alles nicht einfach.

Feuerkopf
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Mi 16. Jun 2004, 09:37 - Beitrag #17

@Padreic
Es SIND ungezählte Menschen für das Recht auf freie Wahlen gestorben, denk bitte an die französische Revolution, an die etlichen Tausend auf dem Platz des Himmlischen Friedens in China. Es sind in Diktaturen immer Menschen bereit gewesen, für diese Ideale zu sterben und auch heute tun sie es noch.

Ich bestreite, dass Politik nur Show ist. 90 % der politischen Arbeit ist nämlich völlig unspektakulär, funktioniert und das auch parteiübergreifend.
Ich stimme aber zu, dass die politische Bildung in diesem Staat sehr zu wünschen übrig lässt. Aus irgend einem Grund empfinden viele Bürger es offenbar als Last, sich ein bisschen schlau zu machen. Ich muss nicht unser kompliziertes Wahlsystem zur Gänze durchschauen, aber ich sollte schon wissen, was es mit Erst- und Zweitstimme auf sich hat, bei Bundestagswahlen.

Nur, mangelnde Bildung darf nicht ein Ausschlussgrund sein. In anderen Staaten können Menschen nicht mal lesen und haben dennoch Teil an demokratischen Entscheidungen.
Wir sollten uns aber davon frei machen, dass es nur um Inhalte geht. Wir sind Menschen, wir haben Interessenvertreter, also ist es auch eine Personalentscheidung. Es ist also auch legitim, die eigene Entscheidung von der Glaubwürdigkeit eines Kandidaten abhängig zu machen. Oder auch von der Erträglichkeit seiner Stimme. ;-)

Bowu
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Mi 16. Jun 2004, 13:20 - Beitrag #18

@ Maurice

Ja das ist der historische Hintergrund warum Lehrer keine eigene Meinung im Unterricht vertreten sollen/dürfen. Allerdings scheint das Problem der unmündigen Bürger mir heute weit akuter als der Missbrauch der Meinungsfreiheit.
Die Schule als "Schutzbereich" für die Kinder ist meines Erachtens in grossem Umfang nicht mehr gegeben, weil die Kinder nach und vor der Schule mit all den Meinungen bombardiert werden die die Lehrer sich verkneifen.
Die Schule sollte diese (durch die Medien veröffentlichten) Meinungen diskutieren können. Ein Lehrer der Neutralität und Standpunktlosigkeit der Klasse vormacht scheint mir zur Meinungsbildung aber ungenügend.

Das Problem mit der Beeinflussung lässt sich auch noch anders beleuchten. Sind die SChüler denn im jetzigen (meinungslosen Bildungssystem) nicht beeinflussbar?
Schon die Vorlage eines bestimmten Textes, einfacher bestimmter sachlicher Analysen beeinflusst die Meinung doch schon.
Eine dagegen offen als solche präsentierte Meinung zeigt wenigstens offen wofür man eintritt.

Padreic
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Mi 16. Jun 2004, 18:30 - Beitrag #19

@Bowu
Demokratie kann auch sehr wohl ohne eine Mehrzahl von mündigen Bürgern funktionieren, was das Beispiel unserer Demokratie zeigt, in der sich's IMHO ganz gut leben lässt.

Die politische Neutralität der Lehrperson muss nicht so weit gehen, dass er nicht äußern darf, welche Partei er unterstützt (das kommt meist ohnehin irgendwie raus), aber dass er wesentliche Teile des Unterrichts mit dem Vertreten seiner eigenen Meinung verbringt, ist IMHO nicht angebracht (was sich eigentlich nicht nur auf die politische Meinung bezieht). Die freie Meinungsbildung des Schülers erfordert die Vorlage von Alternativen. Eine einseitige Fixierung bringt IMHO wenig (natürlich gibt es auch anderweitige Beeinflussungen, aber da muss man nicht noch eine dazugesellen).

Was meinst du mit 'Meinungsunterdrückungsmaßnahmen an Universitäten'? Wenn ich mir das politische Geschehen unserer Universität anschaue, ist höchstens das einzige, was unterdrückt wird, jegliche Liste, die sich rechts von den Grünen befinden, weil bei uns der AstA, also die Studentenregierung, mit AstA-Mitteln gegen sie in Flugblättern polemisiert...aber zumindest nach links scheint alles bis hin zu sehr extrem offen zu sein, wenn man sich bei uns die Listen anguckt.

@Feuerkopf
Die französische Revolution wurde wesentlich mit von der Regierungsweise des französischen Königs bewirkt. Hätte er 'Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit' gewährt mit der einzigen Bedingung, dass er der oberste Herrscher bleibt, vielleicht ein Parlament mit ein wenig Macht erlaubt hätte, dann hätte es wohl keine französische Revolution gegeben. Auch in China ist das Problem nicht das Fehlen von freien Wahlen, sondern das totalitäre Regime.
Warum sollte eine nicht-totalitäre Diktatur bzw. Monarchie solche Bewegungen auslösen? Sicher fänden es einige nicht toll, dass sie nicht frei wählen können, aber solange es ihnen in allen anderen Belangen gut geht, werden sie nicht ihr Leben dafür riskieren...

Die Aussage, dass das politische Geschehen nur aus Show besteht, war in der Tat eine polemische Übertreibung. Nur wer bringt die Zeit auf, den nicht spektakulären Teil der Politik genau zu beobachten? Das sind ja meist auch nicht die hoch-wichtigen Fragen, sondern kleinere Gesetze oder Politik auf niedrigeren Ebenen. Alles, wofür sich die Medien interessieren, wird zumindest zum Teil zur Show. Und alles, wofür sie sich nicht interessieren, ist wesentlich aufwendiger zu beobachten.

Und was meinst du mit Glaubwürdigkeit des Kandidaten? Er kann ein noch so toller Kerl sein, noch so ehrlich, noch so idealistisch, wenn er in Sachfragen ständig einfach falsch entscheidet, dann bringt das wenig...

@Noriko
Sofern es geheime Wahlen sind, kann man bei Wahlpflicht sich auch enthalten durch Nicht-Ankreuzen eines Feldes.

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Bowu
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Do 17. Jun 2004, 10:47 - Beitrag #20

mit Meinungsunterdrückungsmaßnahmen meine ich die aktuell laufenden Klagen gegen Berliner Studierendenschaften.
Diese sollen aufgrund von politischen Äusserungen aus der Universität heraus zu Ordnungsgeldern verklagt werden.
(~>)

Sicher es soll kein Vortrag über die politischen Ansichten des Lehrkörpers daraus werden. Aber es soll rechtlich erlaubt werden das die Lehrer ihre Meinung mit einbringen können, und vor allem der Stoffmengen Umfang reduziert werden um Platz für Tagespolitische Diskussionen geschafft werden.
Die Methoden dazu in einem Philosophie Unterricht unterzubringen wäre durchaus auch sinnvoll.

(Ich glaube vom Thema Nichtwahl sind wir jetzt ziemlich weit abgeschweift, ich finde sowas allerdings gut, davon leben Diskussionen ;) )

Uns geht es gut... Ja
Und gerade darum sollte ein jeder seinen Teil tuen das es dabei bleibt. Dazu gehört meiner Meinung nach auch die Pflicht zur politischen Betätigung damit meine ich kein Konzept wie die Wahlpflicht in Australien, sondern vielmehr ein Bewusstsein in dem Bereich seines Wissens mitzuwirken.
Nun sprachst du von "Show" und in gewisser Weise würde ich dir da zustimmen, denn öffentliche Diskussionen erinnern mich oft stark daran. Das Problem dabei ist das zum einen alle diese Shows einen abgehobenen Charakter haben (keine Bürgernähe) und oft in sehr hohen Abstraktionsleveln agieren, und so ein Techniker oder Bauarbeiter kaum die möglichkeit hat sein spezielles Fachwissen gewinnbringend in die Diskussion einzubringen.


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