Wer bin ich?

Auf der Suche nach dem Sinn des Lebens und der Wahrheit.
kido
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Di 29. Jun 2004, 13:46 - Beitrag #21

Artanis:
Zuerst einmal: sehr interessiert!

Deine soziologischen und biologischen Ausführungen sind mir wie erwartet bekannt.

Würde Sich eine Moral entwickeln ohne die Präsenz eines moralischen Repräsentanten? Die Frage stelle ich mir auch gerade selbst, muss ich nochmal drüber nachdenken.

Und ich frage mich inwieweit ich meine Prägung, mich selbst, analysieren und hinterfragen kann. Bin ich nicht stets mir selbst ausgeliefert?
Ich müsste mich selbst ausreichend analysiert haben, um mich mit einer gewissen Distanz betrachten zu können, aber vollends wäre das wohl garnicht möglich.

Wenn mein objektives Sein nicht zugänglich ist, existiert es dann überhaupt und ist es für irgendjemanden zugänglich?
Ganz abgesehen von der Tatsache, dass es vermutlich für niemanden ausser mir von Interesse wäre.

was habe ich davon Unterschiede zwischen mir und anderen festzustellen, die Ähnlichkeiten mit wieder anderen Personen darstellen? Finde ich durch dieses Feld der Nähe und Distanz zu Anderen meinen eigenen Standort. Kann ich mich darüber erkennen, dass ich mich abzugrenzen weiss? Ist es das, worauf du hinauswillst?

Artanis
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Do 1. Jul 2004, 11:47 - Beitrag #22

@kido

Du sprichst eine enorm signifikante Problematik an. Jeder Mensch ist zu einem gewissen Maß geprägt, abgesehen von irreversiblen genetischen Anlagen, folglich ist es unmöglich eine neutrale Position einzunehmen, gilt es beispielsweise ein moralisches Problem zu analysieren. Ein moralisches Problem annähernd neutral zu beurteilen wäre einer, nicht selbiger Moral untergeordneten Instanz vorbehalten. Das ist eben eines der Hauptprobleme der Moral/Ethik, wer sagt, dass die Menschenwürde nicht unveräußerlich sei, ein Problem diesen Außmaßes neutral zu beurteilen ist doch all jenen unmöglich, welche nach unserer Vorstellung geprägt wurden, folglich all jenen, die vor selbigem Problem stehen. Daraus folgt nun meines Erachtens der Schluß, dass du, sofern du dich oder andere beurteilen willst, selbiges nur innerhalb eines abgeschlossenen definierten Systems tun kannst, welches dir unsere Gesellschaft auferlegt. Du magst dazu in der Lage sein dich in relative Unabhängigkeit von deiner Prägung zu begeben, dass allerdings erfordert einen empirisch-analytisch kritischen Geist. Kants "Grundlegung zur Metaphysik der Sitten" in dem abgeschlossenen Definitionssystem, in welchem Kant sie verfasst, logische Inkosistenz nachzuweisen dürfte nahezu unmöglich sein, sie allerdings nach den Kriterien der Realisierbarkeit hin empirisch zu analysieren, offenbart ihre praktikable Nutzlosigkeit. Ich komme also zu dem Schluß, dass dein Streben, dein Selbst zu bestimmen gewissermaßen ein paradoxes Suchen ist, dessen Ergebnis allenfalls ein Primus inter pares sein kann. (Nicht im Sinne des Lords zu seinen Vasallen ;) )

Die Existenz deines objektiven Seins ist eine andere Frage, die nicht unerheblich von der Frage der generellen Existenz einer Sache oder einer Gegebenheit bei Abwesenheit eines Betrachters beeinflusst wird. Wenn man davon ausgeht, dass du einzig deshalb existierst, weil andere Zeugnis deiner Existenz ablegen könnten, dann dürfte dein objektives Sein nur bei Betrachtung durch eine übergeordnete objektive Gerichtbarkeit existieren. Geht man allerdings davon aus, dass die subjektive Wahrnehmung deines Umfelds Faccetten deines objektiven Seins wären und noch weit wichtiger, dass zwar nur dein subjektives Sein wahrgenommen würde, aber dein objektives nichts desto weniger Einfluss nähme, dann sollte dein objektives Sein zwar existieren, aber nicht als solches wahrgenommen werden.
(Etwas unglückliche Formulierung, aber eine treffendere fand ich nicht)
Von Interesse wäre dieses objektive Sein wahrlich für keinen Menschen, da dieser ohnehin außer Stande wäre selbiges zu erfassen.

In der Tat war meine Vorgehensweise die der indirekten Beweisführung, sofern es dir nicht möglich ist, deinen Standort zu bestimmen, dann solltest du danach streben sämtliche möglichen Standorte zu bestimmen und auszuschließen, welche nicht der Deine sein können. Du näherst dich deinem Selbst durch die Analyse der Differezen mit Anderen.

kido
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Do 1. Jul 2004, 13:39 - Beitrag #23

Artanis

ist damit Objektivität an sich nicht ad absurdum geführt?
Nur existent im Sinne einer Betrachtung aus (vermeintlich) vielen Sichten statt nur aus einer?

also könnte zwar damit die Existenz eines objektiven Seins angenommen werden, eine Bestimmung oder umfassende Warhnehmung dessen meinerseits wäre aber nicht möglich?!

sofern ich dazu in der Lage bin meine Einstellungen losgelöst von Ort und Zeit und Situation definieren zu können und sofern ich mir sicher bin, dass diese meiner unabänderlichen, reflektierten Überzeugung entsprechen kann ich die Distanz zu denen änderer erkennen. Allein das ist jedoch schon eine Schwierigkeit und führt mich zurück zu der Frage "wer" ich eigentlich bin, im Sinne von "in welcher Konstellation von Einstellungen" ich mich befinde.

Artanis
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Sa 3. Jul 2004, 03:46 - Beitrag #24

Die absolute Objektivität ist im abgeschlossenen Definitionssystem der a priori geltenden menschlichen Subjektivität sicherlich ad absurdum geführt, nichts desto weniger kann sie in anderen Definitionssystemen möglich sein.
Die relative Objektivität, welche eigentlich die Summe differenziertester Subjektivitäten ist, behält ihre Gültigkeit, führt allerdings in unserer Thematik zu keinem befriedigenden Ergebnis.

Ich denke, dass die Annahme der Existenz eines absolut objektiven Seins durchaus berechtigt ist, allein schon deshalb, weil eine objektive allgemeine Gerichtbarkeit, welche in einem anderen Definitionssystem existiert, dein Sein in anderer, nämlich objektiver, Art und Weise begreift und wahrnimmt. Aus dieser Wahrnehmung folgt zwangsläufig die Existenz, was bedeutete, dass die Existenz deines absolut objektiven Seins and die Existenz der objektiven Gerichtbarkeit gebunden wäre, sofern die Wahrnehmung als Existenzbeweis fungierte, was allerdings nicht zweifelsfrei feststellbar ist. Da es dir allerdings ohnehin, aufgrund deiner dir a priori immanenten Makel, unmöglich ist, dein Sein in seiner Objektivität zu erfassen, ist die Frage nach der Existenz desselben unerheblich hinsichtlich der Suche nach deinem Sein.

Da die Frage wer du bist, die Summe der unzähligen Fragen nach den Unterschieden entspricht, liegt die Erkenntnis nahe, dass keine dieser Fragen mit apodiktischem Anspruch beantwortet werden können. Ich halte allerdings, in Anlehnung an Lessing, bereits das Streben - in unserem Fall das Fragen - nach der relativen Wahrheit für einen Gewinn und einen ersten Schritt, auf dem unendlichen Weg zu der Erkenntnis deines Seins. Folglich halte ich es nach wie vor für klug, Differenzen relativ und selbstredend subjektiv zu bestimmen und dadurch letztlich Rückschlüsse auf dein relatives Sein zu ziehen. Die Überlegung in wie weit sich dein subjektives von deinem objektiven Sein unterscheidet stellt den nächsten Schritt dar.

Allerdings wird sich an der Ausgangsproblematik, deiner Erkenntnis eine nicht zu beantwortende Frage gestellt zu haben, wohl nichts ändern...

kido
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Mo 5. Jul 2004, 11:23 - Beitrag #25

Wenn ich die absolute Objektivität, von der ich ausgegangen bin, umdefiniere, sie also in ein anderes Definitionssystem bringe, kann Sie natürlich wieder eine Bedeutung erlangen, allerdings entspricht diese dann nicht der von der ich ursprünglich ausgegangen bin. Wobei ich nicht ausschliessen möchte, dass eine Betrachtung meiner Frage unter anderen Gesichtspunkten mir nicht ebenfalls mehr Klarheit bzw. mehr Wissen verschaffen kann.

Was verstehst Du unter der existierenden objektiven allgemeinen Gerichtbarkeit in einem anderen Definitionssystem? Natürlich kann ich in einem klaren System mit klaren Definitionen auch sicherlich objektiv urteilen, nur ist damit auch das Ziel meines Bedürfnisses nach objektiver Wahrnehmung erreicht? Ist es nicht das, was die meisten Menschen tun? Ihr Definitionssystem ist der Rahmen Ihrer Möglichkeiten, in dem urteilen sie und sie urteilen damit durchaus per definitionem (einer layenhaften zugegebenermassen) objektiv.

Selbst Die Erfassung des relativen Seins durch Differenzierung zu anderen erweist sich als schwer, weil dieser Prozess mit einer Aufsplittung des Selbst in unendlich viele Einzelteile und deren Beurteilung einhergeht. Allein schon diese genaue vielfältige Ortung ist nicht unproblematisch, allerdings mit Sicherheit notwendig um sich selbst abzugrenzen .

Artanis
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Do 15. Jul 2004, 14:12 - Beitrag #26

Eine allgemeine objektive Gerichbarkeit in einem anderen Definitionssystem ruft selbstverständlich eine Assoziation mit Gott hervor, wobei das völlig subjektiv ist. Ich bin in soweit Atheist, als es sich um die christliche Vorstellung eines Gottes handelt, bin jedoch von der Existenz einer solchen Gerichtbarkeit überzeugt. Diese Gerichtbarkeit muss nicht notgedrungen persönlich sein, auch wenn dass die Vorstellung selbiger erleichtern würde, sie kann auch Institution sein. Wichtig ist die einzig die Frage, ob eine objektive Wahrheit eines objektiven Betrachters zur Wahrnehmung bedarf und diese Frage bejahe ich. Folglich halte ich es mit der Wahrnehmung wie Schopenhauer, wodurch diese Gerichtbarkeit zwar ihre Existenzberechtigung bezöge, allerdings nebulös bleibt. Ich kann einzig vermuten, dass die Beschaffenheit, die Art und Weise der objektiven Wahrheit die Art und Weise dieser Gerichtbarkeit bedingt, so wie die subjektive Wahrheit uns bedingt. Letzlich zeichnet auch den Menschen das aus, was er zur Wahrnehmung dessen, was er wahrzunehmen im Stande ist, a priori bedarf.

Nun die meisten Menschen sind leider nicht in der Lage ihr Definitionssystem zu verlassen, ich mache dir ein Beispiel, welches ich für nicht allzu schlecht halte.

Nehmen wir an Menschen seien Programme, sämtliche Charakteristika seinen programmierte Routinen, sämtliche Einflüsse seien die Programmierer. Es sind nun zwei Arte von Programmen existent, jene die sich selbstständig erweitern und jene die stets extern aktualisiert werden müssen. Letzteren ist allerdings a priori unmöglich eine andere Sichtweise anzunehmen, als diese in welcher sie programmiert wurden. Wenn also das Definitionssystem der Werte eine Routine ist, dann st lediglich letztere Gruppe, wenn auch sehr begrenzt, in der Situation, dieses Definitionssystem bewusst wechseln zu können. Das fatale an dieem Beispiel ist seine, meiner Ansicht nach gegebene, Unmündigungserklärung der Mehrheit unserer Mitbürger, wobei ich den Terminus der Mündigkeit nicht an ein Alter knüpfe, sondern eher im Sinne der Aufklärer verstanden wissen möchte, wonach der kritisch-empirische Geist der mündige sei und der nicht reflektierende "Zahnrad-Mensch" der unmündige. Demnach ist es also nicht allen Mensche möglich ihr defniertes Wertesystem zu verlassen.

Eine Beurteilung deiner Person ist also a priori zum scheitern verurteilt, sofern du dich als unmündigen Bürger einschätzt, was allerdings paradox wäre, da die Erkenntnis der Existenz dieser zwei Gruppierungen bereits Reflektion voraussetzt.
Folglich halte ich dich nicht für einen "Zahnrad-Menschen" oder einen Spießbürger nach Erich Fromms Charakteranalyse.


Was das Erfassen des relativen Seins angeht so gebe ich dir absolut Recht, allerdings war uns das beiden auch vorher klar, dass du nach etwas strebst was, sofern es ehrgeizig und mit Anspruch nach der bestmöglichen Antwort auf eine a priori nicht zu beantewortende Frage einhergeht, eine Tätigkeit ist, die schon fast an Sisyphus erinnert. Jedoch halte ich, wie ereits an anderer Stelle besprochen, das Streben nach der Erkenntnis für wertvoller, als diese selbst, da dieses Streben dich prägt und dir neue Ansichten erschließt. ES ist nichts schlechtes daran ein unerreichbares Ziel zu verfolgen, so lange man sich der Unerreichbarkeit wohl bewusst ist...

Weroansqua
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Fr 16. Jul 2004, 10:02 - Beitrag #27

Man stelle sich vor, man existiere in vollkommener Einsamkeit, vollkommen isoliert und wird dort befriedigend versorgt, muss weder Hunger noch sonstwas leiden.Was ist man dann?


Da man nicht wissen kann, ob außerhalb überhaupt noch anderes existiert, würde ich sagen: Gott.

kido
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Mo 19. Jul 2004, 12:49 - Beitrag #28

Artanis

ich bin auch von der Existenz überzeugt, kann Ihr aber keinen Namen geben, da ich mir noch nicht darüber im klaren bin, inwieweit diese in mir selbst liegen könnte, wenn ich dieses Definitionssystem verlasse. Möglicherweise ist die Existenz einer solchen "Gerichtbarkeit" möglich und damit denkbar, aber vielleicht noch nicht wirklich existent.
Ich denke Sie existiert bereits.

Es gibt noch die dritte Gruppe Menschen, denen selbständiges Erweitern nicht ausreicht und die Mangels Möglichkeiten der Nuzung Ihrer erweiterten Programme auf Routinen zurückgreifen weils alle tun und .. am Ende vermutlich verzweifeln vor Einsamkeit.

Zu selten sind die Selbstaktualisierer. Einsame Wölfe.
Es ist unerträglich die Einsamkeit zu ertragen, verführerisch der Gedanke sich selbst aufzugeben und ein Rädchen zu werden, statt die Einsamkeit ertragen zu müssen.

Ist das Streben des Erkennens seines objektiven Seins nicht ein Streben nach "Göttlichkeit"??? Nach dem Werden zu dem das Du "objektive Gerichtbarkeit" nennst?

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