Darf der Mensch über andere Lebewesen urteilen?

Auf der Suche nach dem Sinn des Lebens und der Wahrheit.
Weroansqua
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Do 15. Jul 2004, 10:08 - Beitrag #1

Das mit der Ethik habe ich immer noch nicht begriffen.

Wer definiert, was wertvoll ist und was nicht? Von dem "Wert" eines Lebens hängt ja ab, ob eine lebensbedrohliche Behandlung wie die Abtreibung ethisch vertretbar ist und ob nicht.

Alle Antworten auf die Frage nach dem Wert des menschlichen Lebens stammen jedoch ausschließlich wiederum von Menschen. Logischerweise. Die Bandbreite geht von der grundsätzlichen Heiligkeit allen menschlichen Lebens (christliche Definition, der Mensch als "Gottes Ebenbild, schließt auch das Verbot zum Freitod mit ein) bis hin zu ganz krausen Überlegungen. So habe ich irgendwo gelesen, dass Kinder eigentlich keinen Anspruch auf Menschenrechte hätten, weil zum Menschsein gehört, dass man Zukunftspläne macht - und das täten Kinder nun einmal nicht. (Das war jetzt kein Witz!).

Wer bestimmt, welche dieser Aussagen über den Wert menschlichen Lebens richtig ist?

Wer gibt überhaupt dem Menschen das Recht, über den Menschen Aussagen zu machen? Wäre das nicht einer höheren, über dem Menschen stehenden Instanz vorbehalten, hier Urteile zu fällen?

Da es eine solche Instanz aber nicht gibt - wäre es nicht besser, das Spekulieren darüber, ab wann das Menschsein beginnt und was einen Menschen als solchen ausmacht, ganz weglassen und uns darauf einigen, dass alles, was lebensfähig ist, auch leben dürfen sollte?

Abgterennt ausAbtreibung

Maurice
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Do 15. Jul 2004, 22:30 - Beitrag #2

Wertefragen

Was du hier ansprichst ist jetzt eine allgemeine Diskussion über Wertgebungen, hier speziell in bezug auf den Menschen. Da das für das Thema schon wieder zu allgemein ist, schlage ich vor deinen Post (mit meinen eingeschlossen versteht sich) abzutrennen und zu einem neuen Thread zu machen. Das ist jetzt keinen Falls abwertend gemeint, ganz im Gegenteil ich würde mich gern mit dir über die Frage unterhalten. :)

Also tue ich mal so, als wäre das jetzt schon dieser neue Thread (der es hoffentlich auch bald sein wird) und antworte in allgemeiner Weise auf deine allgemeine Frage.
Meine Grundhaltung ist wohl aus meiner Sig unschwer zu erkennen: Der Mensch ist sein eigener Richter. Dieser Satz kann mehrfasch gedeutet werden, in bezug auf die Werte ist klar, dass ich der Meinung bin, dass wir über uns selbst urteilen. Mit diesen Urteilen gehen natürlich auch Wertgebungen mit sich. Wir beurteilen uns, also bewerten wir uns.
Es ist imo zwar nicht 100% eindeutig, welchen Stand du zur Religion hast, aber wenn ich dich recht verstehe glaubst du an keinen Gott. Damit fällt natürlich auch ein Gott als wertgebende Instanz weg. Wer bleibt also übrig als wertgebende Instant, außer dem Menschen? Die einzige Möglichkeit nicht ganz zu einen Subjektivismus zu kommen, ist zu postulieren, dass es Werte an sich gäbe, die der Mensch nur erkennen müsse. Ähnlich wie die Ideen in der Ideenwelt von Platon. Ich glaube aber nicht, dass hier jemand ein solches Werteverständnis hat, oder? Mit Subjektivismus meine ich jetzt nicht, dass jeder seine Werte hat und damit basta, sondern dass die Wertung immer von einem Subjekt, nämlich hier von uns Menschen ausgeht. Die Werte sind nicht an sich objektiv, sondern erhalten nur durch Intersubjektivität eine gewisse Objektivität, indem zu durch Meinungskonsens verallgemeinert werden.

Wer gibt überhaupt dem Menschen das Recht, über den Menschen Aussagen zu machen? Wäre das nicht einer höheren, über dem Menschen stehenden Instanz vorbehalten, hier Urteile zu fällen?

Der Mensch gibt sich selbst das Recht über sich und andere Dinge zu urteilen. Du fragst, wer uns das Recht gibt, ich frage, wer es uns verbieten soll, nicht zu urteilen? Wir sind doch sogar zum urteilen gezwungen, denn wie willst du ein Zusammenleben regeln, wenn alle Dinge unbewertet wären? Das ist unmöglich! Man muss Dinge und auch den Mensch selbst einen Wert geben, die Frage sit nur, welcher Wert das jeweils sein soll.

uns darauf einigen, dass alles, was lebensfähig ist, auch leben dürfen sollte?

Sorry aber das halte ich für Blödsinn. Scheinbar hast du dir über deine eigenen Aussage nicht ausreichend Gedanken gemacht. Alles was lebt müssen wir leben lassen und dürfen wir nicht töten? Bin mal gespannt, wie du deinem eigenen Körper davon überzeugen kannst, dass er keine schädlichen Bakterien mehr töten darf. Ja Bakterien sind auch Lebewesen und nach deiner Aussage hätten wir nicht das Recht diese zu töten. Jetzt sag bitte nicht, das war nicht so gemeint, denn das ist die Konsequenz aus deiner Aussage. Wenn du eine andere Vorstellung hattest, dann hättest du sie auch anders formulieren müssen.

Die Frage die man meiner Ansicht nach in bezug auf Werte stellen soll, ist die der Nützlichkeit.

Weroansqua
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Fr 16. Jul 2004, 08:09 - Beitrag #3

*die_Nase_hängen_lässt*

Morgen Maurice,

sorry, ich denke, ich werde nie kapieren, was wohin gehört - weil ich ständig Zusammenhänge sehe, die nach Meinung anderer gar nicht existieren. Außerdem habe ich mir das Quasseln ein bisschen einfacher vorgestellt. Unverfänglicher, nicht so reglementiert. Muss gestehen, dass ich so ein [font=courier new]kleines[/font] Bisschen die Lust verliere.

Außerdem: Ich muss mich (leider) als Computer-DAU orten. Die Maschine ist, ehrlich gesagt, für mich eine bessere Schreibmaschine, die mich insofern fasziniert, dass die Mitteilungen sofort beim Empfänger landen. Ich gebe zähneknirschend zu, dass ich nicht weiß, wie man einen Thread abtrennt und einen neuen eröffnet - könntest du das nicht bitte erledigen, und zwar ab da, wo du es für nötig hältst? Vielen Dank.

Im übrigen weiß ich nicht mal, was ein Avatar ist. Mir ist der Begriff zwar bekannt, aber eher aus dem Bereich Esoterik. Mittlerweile wirst du aus meinen Aussagen auf meine Haarfarbe schließen können.

Ich glaube an eine dem Sein innewohnende Ordnungskraft. Ob dies ein Feld, eine Energie, irgend eine Form von Bewusstsein ist - das weiß ich nicht. An einen Gott, der eine Persönlichkeit in dem Sinn besitzt, wie wir Menschen sie verstehen (mit nachvollziehbaren Gedanken/Emotionen/Regungen), daran glaube ich allerdings nicht. Ich glaube auch nicht, dass sich diese Ordnungsmacht von unseren Wünschen, Gedanken und Befürchtungen in ihren Plänen irre machen oder beeinflussen lässt, weshalb ich Beten für sinnlos halte. Für diese Seinsform sind wir sicher auch als Spezies nur eine unter vielen. Somit dürfte unsere Rolle im Ganzen vorgegeben sein, und wir haben sie zu spielen - ob es uns nun passt oder nicht.

Ich habe nie bezweifelt, dass der Mensch - da sonst niemand vorhanden ist - das Recht hat, über sich selbst zu urteilen. Doch im Fall Abtreibung fällt man ein Urteil über ein anderes Wesen der gleichen Art, und zwar dahin gehend, ob man ihm ein Recht auf Leben, das einen selbst auszeichnet, abspricht oder nicht.
Du kannst dir nur deshalb erlauben, über dich und die Dinge/Wesen, mit denen du interagierst, Urteile zu fällen, weil du lebst. Hätte dir deine Mutter einst dieses Recht um ihrer eigenen Interessen willen versagt, wärst du jetzt nicht in der Lage, diesen hohen richterlichen Standpunkt einzunehmen. Wer gibt nun dir das Recht, einem anderen Wesen im Werden diese Chance auf Existenz zu verweigern?

Natürlich mache ich mir Gedanken über meine Aussagen - bitte unterstelle mir nicht, ich würde allein deshalb schreiben, weil ich meine Finger so gern bewege.

Der Bakterienvergleich hinkt.
Wir müssen töten, um zu leben. Das ist keine Entscheidung, die wir selbstverantwortlich getroffen, und keine Situation, die wir uns selbst ausgesucht haben. Unser Leben nährt sich vom Tod, das ist schon klar. Das gilt für das Konsumieren anderer Lebewesen (zu denen ich auch Pflanzen zähle), und auch für unser Immunsystem.

Das Töten um leben zu können, ist ein aus der Selbsterhaltung geborener Zwang und findet sich nicht nur bei uns, sondern auch bei allen anderen, im Gegensatz zu uns nicht mit Vernunft und Entscheidungskraft begabten Bewohnern zumindest dieses Planeten. Er resultiert einfach aus der Tatsache, dass wir - rein biologisch gesehen - Säugetiere sind.

Sollte je ein Wissenschaftler eine Lösung finden, alle Vitamine, Mineral- und Nährstoffe in einer Pille zu generieren, dann wäre es aber keine Notwendigkeit mehr. Dann wird die Notwendigkeit, zu töten, eine Sache der freien Entscheidung. Jeder könnte sich aussuchen, ob er sich mit der Nahrungsaufnahme via Pille zufrieden gibt, oder ob er um des Genusses willen (also aus selbstischen Erwägungen heraus) an der üblichen Nahrungsaufnahme und dem damit verbundenen Tötungsakt festhalten will. Losgelöst von der Notwendigkeit zu töten wird sie zur Entscheidung, die man allein mit seinem Gewissen abmachen muss.

Das Immunsystem funktioniert von allein und kann ohnehin vom Bewusstsein nicht beeinflusst werden. Probier' mal deinem Körper zu "befehlen", die Antikörperproduktion einzustellen...

Du merkst, dass ich zwischen einem Töten aus Notwendigkeit oder anderen nicht beeinflussbaren Faktoren und der Entscheidung, aus rein egoistischen Motiven heraus ein Wesen auszulöschen, dass mir zumindest potenziell in allen Dingen gleichgestellt ist, sehr wohl einen Unterschied sehe.

Maurice
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Fr 16. Jul 2004, 18:15 - Beitrag #4

Werte-Utilitarismus

Och nein bitte verliere nicht die Lust hier weiter zu schreiben, ich denke du musst dich einfach nur noch etwas an die Umstände anpassen. ;)
Du hast es dir mit dem Quasseln etwas einfacher vorgestellt? Hier liegt schon das Problem, denn hier wird nicht "gequasselt" sonder diskutiert, das ist ein qualitativer Unterschied. Das du die Zusammenhänge immer mitbetrachtest ist kein Nachteil, aber man muss sich bei einem bestimmten Thema auf das wesentliche konzentrieren können um nicht ot zu werden. Ot heißt off topic, also vom Thema abweichend. Wenn man über Atomkraft reden will, dann kann man nicht einfach über Öl zu Autos und von Autos auf Fahrradfahrer kommen. Das ist ot. ^^* Wenn man über ein bestimmtes Thema reden will, dann versucht man eben auch über dieses Thema und kein anderes zu reden. Natürlich spielen immer mehrere Faktoren hinein, und es ist auch manchmal ein Problem nicht vom Thema abzukommen, aber im Interesse der Diskussion muss man versuchen eben beim Thema zu bleiben. Ich hoffe du verstehst das Ganze jetzt besser. :)
Ein Avatar ist übrigens das Bild, was unter den Namen mancher User steht. Damit das Verständnis nicht unnötig leidet erkläre ich noch das recht häufig benutzte Wort "imo": imo bedeutet "in my opinion" also "meiner Meinung nach". Ich weiß nicht, ob du das Kürzel schon kanntest, aber es wird hier eben häufig genutzt, deshalb habe ich es eben sicherheitshalber gerade erklärt. :)
Ich habe nicht von dir gefordert den Thread abzutrennen und das kann ich leider auch nicht machen, das können nur die Mods (= Moderatoren), also die Ordnungshüter des Forums. Die können Beiträge und Threads verändern, teilen, verschieben, löschen usw. Ich hoffe also, dass Padreic, Nightmare oder einer der anderen Mods meiner Bitte nachgeht. Es macht überhaupt nichts, dass du die manche Begriffe nicht verstehst, das tut niemand hier von anfang an, aber wenn du fragst wird man dir gerne antworten, also keine Scheu. :)

Aber nun zurück zu unseren allgemeinen Wertediskussion:
Wer gibt nun dir das Recht, einem anderen Wesen im Werden diese Chance auf Existenz zu verweigern?

Wie ich bereits gesagt habe, ich gebe mir das Recht. Wer sollte mir verbieten können zu urteilen? Ich urteile so wie ich es für richtig halte, und du machst es genauso. Wer gibt dir das Recht über andere zu urteilen? Nur weil dein Urteil nach deinen Wertemaßstäben "besser" ist als meins, hast du doch nicht den alleinigen Anspruch zu urteilen.
Du fragst wer mir das Recht zu urteilen gibt, und ich sage ich. Ich frage dich, wer es mir verbieten könnte?

@Bakterien: Du hast gesagt:
uns darauf einigen, dass alles, was lebensfähig ist, auch leben dürfen sollte

Das heißt für mich, dass deiner Meinung nach alles, was lebensfähig ist, nicht getötet werden darf. Das trifft in dieser Form der Aussage auf alle Lebewesen zu auch auf die Bakterien. Ich wende deine Forderung nur konsequent an, das Beispiel hinkt somit keinenfalls, wenn dann deine Aussage, oder deine Formulierung.
Wir müssen töten, um zu leben. Das ist keine Entscheidung, die wir selbstverantwortlich getroffen, und keine Situation, die wir uns selbst ausgesucht haben.

Ok wir müssen töten um zu leben, aber mir müssen auch nicht leben. Wir entscheiden zwar nicht bewusst die Bakterien zu töten, aber dennoch entscheiden wir, wer auch sonst?

Ich glaube schon die Unterscheidung zu verstehen, auf die du hinaus willst, aber du hast es imo eben noch zu ungenau formuliert. Du meinst also, dass eine Tötung nur legitim ist, wenn sie notwendig ist. Ist es denn notwendig Tiere zu töten? Du könntest jetzt ja sagen, weil wir ja was zu essen brauchen. Aber man kann sich auch vegetarisch und überleben, mit welchen Recht nimmst du dir also heraus über das Leben von Tieren zu urteilen, ihre Tötung zu befürworten, obwohl du es im grunde nicht nötig hast?

Weißt du warum wir imo töten? Weil es von unseren Nutzen ist. Es ist von Nutzen Bakterien zu töten, deshalb tut es der Mensch. Es ist von Nutzen Tiere zu töten, also tut es der Mensch. Ja es kann sogar von Nutzen Menschen zu töten, deshalb hat es der Mensch schon oft genug getan. Beim Menschen sollte aber die einfache Analogie aufhören, weil es uns selbst betrifft. Wir werden wohl kaum generell befürworten, dass Menschen getötet werden, weil wir uns damit selbst gefährden. Das Verbot keine Menschen zu töten ist nicht reiner Altruismus, sondern sehr wohl auch Egoismus. Es kann dem Menschen von Nutzen sein zu fordern, keine Menschen zu töten, weil er sich somit versucht selbst zu schützen.
Wir leben in einer Gesellschaft, wo das Töten generell verpönt ist, das war nicht immer so. Man denke z.B. nur an die Hexenverfolgungen zurück. Solche Menschen zu töten war damals weitgehens akzeptiert, galt es doch hier auch "um die armen Seelen zu retten".
Du denkst mir imo zu starr in deinem Wertesystem, versuche mal einen anderen Standpunkt einzunehmen.
Bevor mir jetzt jemand unterstellt, ich würde es befürworten, leichtfertig mit dem Lebens eines Menschen umzuspringen, will ich dies entschieden verneinen. Auch abgesehen von unserer gesellschaftlichen Moral halte ich es für erstrebenswert das Leben des Menschen zu achten, zum einen zur Wahrung des gesellschaftlichen Friedens, zum anderne zu seiner Selbst wegen und derer, die einem am Herzen liegen. Die entspringt aber einem utilitaristischen Denken, schließt also für mich eine generelles Verbot der Tötung nicht ein.

Da ich dies jetzt schon als Teil eines neuen Threads betrachte, gehe ich hier auch nicht im speziellen auf die Abtreibungs-Frage ein, weil das wieder in den anderen Thread gehört.


Also Wero, lass den Kopf nicht hängen, das wird schon. Vielleicht ist es für dich im Moment etwas anstrengend, aber wenn du an anspruchsvollen Gesprächen über Smalltak-Niveau interesssiert bist, wirst du dich hier bestimmt bald eingelebt haben. :s11:

Weroansqua
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Mo 19. Jul 2004, 08:27 - Beitrag #5

Hallo Maurice,

zunächst: Danke für deine aufmunternden Worte.

Tatsächlich habe ich mich schon oft gefragt, was "imo" (oder auch IMHO, hab ich auch schon gesehen) bedeutet, habe mich jedoch nie zu fragen getraut. Dafür noch ein Extra-Bussal.

Ob ich an Gesprächen über Smalltalk-Niveau interessiert bin? Ich denke schon, sonst wäre ich in irgend einem Chatroom gelandet, und nicht hier. Dennoch fühle ich mich ein wenig fehl am Platze.

Es ist eine Angewohnheit von mir, Dinge zu hinterfragen. Ich sehe zwar, dass und wie sie sind (soooo blond bin ich nun auch wieder nicht!), aber ich möchte auch wissen, weshalb sie so sind und nicht anders. Leider gehöre ich zu den etwas einfach gestrickten Menschen, denen man gemeinhin keine "tiefgründigen" Gedanken zutraut, weil ich nicht zu denen zähle, die man gemeinhin als Intellektuelle zu bezeichnen pflegt. Ich kann nur Fragen zu Zusammenhängen stellen, die ich sehe. Wenn es allerdings darum geht, ob die reziproken Zusammenhänge in invasiven Multifuktionssystemen redundativ-dominant sein müssen, wie es Philosoph X gelehrt hat, oder ob es nicht doch besser wäre, einen monochrom-explematorischen Diffusionslevel rein nach dem Lehrbuch von Soziologe X, Kapitel Neun Vers zwanzig anzustreben, bin ich hoffnungslos überfragt :confused:.

Im übrigen weiß ich, dass ich absoluten Keu geschrieben habe, ich wollte auch nur bewusst überspitzt darstellen, was ich meinte - nichts für ungut.

Und da wir schon einmal bei Wertstrukturen sind: Was ist gegen Smalltalk einzuwenden? In solchen eher locker-flockigen Gesprächen kam schon öfter der eine oder andere interessante Ansatz von Personen, von denen ich es am allerwenigsten erwartet hätte, und dann gleich in der Art, dass ich die nächsten drei Tage was zum Nachdenken hatte. Krass ausgedrückt: Selbst Big Brother kann bilden, wenn man weiß, wie man's angucken muss... ;). Ich sehe da keine starren Grenzen, und Goldkörner lassen sich im größten Misthaufen finden, gerade dann, wenn man es am wenigsten erwartet. Deshalb gehe ich auch nicht davon aus, dass jemand, der sich Míttagstalkshows 'reinzieht, automatisch ein geistig unterbelichtetes Weidetier sein muss.

Zurück zu unserem Thema:
Ich hätte mich bei meiner Äußerung, dass alles leben dürfen sollte, was lebensfähig ist, etwas präziser äußern sollen. Insofern füge ich hinzu: Zumindest insoweit, als es unserer Entscheidungsgewalt obliegt. - Besser?

Dass wir Menschen als Spezies omnivor angelegt sind, haben wir nun einmal nicht entschieden. Wir sind, was wir sind - und damit müssen wir leben. Im übrigen respektiere ich, dass jemand kein Fleisch isst, weil er es nicht mag. Sobald mir derjenige aber erklärt, er tue das, weil "er keine Lebewesen töten" möchte, denke ich mir lieber mein Teil (auch ohne es unbedingt laut auszusprechen), denn diese Haltung ist Selbstbetrug. Pflanzen sind in meinen Augen auch Lebewesen. Ganz ohne Tötung geht es eben nicht. Auch nicht bei Vegetariern.

Das Töten eines Menschen und das Töten aus Notwendigkeit sind jedoch zweierlei Paar Schuhe. Der Unterschied ist die dahinter steckende Motivation.

Natürlich würde ich mich erbittert wehren, wenn jemand mich angreift, und ich werde auch Lebewesen essen, solange mir niemand die Rundum-Pille zur Verfügung stellt. Das allerdings ist lebensnotwendig, also zur Erhaltung meines eigenen Lebens unvermeidlich. Der Selbsterhaltungstrieb ist nun einmal der stärkste im Menschen - das habe wiederum nicht ich entschieden, und deshalb bin ich für diese Programmierung auch nicht verantwortlich.

Das Töten aus Gier oder auch (wie bei der Abtreibung) anderen "niederen", d.h. nicht der Arterhaltung oder dem Überleben dienenden Zwecken ist für mich nach wie vor verwerflich. Das ist in der Natur nicht vorgesehen und findet sich bei keiner anderen Spezies.

Vergib mir, wenn ich jetzt ein wenig "komsich" werde und auf biblische Begriffe ausweiche. Aber die blumigen Bilder drücken ziemlich klar aus, was ich meine.

Als der Mensch geschaffen wurde, war er unschuldig wie ein Tier. Vielleicht war auch er fähig zu töten, nicht jedoch aus bösem Willen, Egoismus oder sonstigem Vorsatz.
Dann kam die Schlange und verführte ihn, vom Baum der Erkenntnis zu essen. Und er entwickelte "Bewusstsein", selbst entscheiden zu wollen, was "gut" ist und was "böse".
Als erstes erkannte er, dass er nackt war. Er nachm zum ersten Mal sowohl sich selbst wahr als auch die Situation, in der er sich befand, und dem Erkennen folgte sofort die erste eigenmächtige Wertung, denn er stufte seine Nacktheit als böse ein und bedeckte sich mit Blättern.

Der Erkenntnis "Ich bin" folgte scheinbar sofort das "...also will ich, erwarte ich, fordere ich." Das Ego war geboren.

Im Gegensatz zu dir sehe ich nur, dass wir uns das Recht zu urteilen herausnehmen, ohne eigentlich dazu "qualifiziert genug" zu sein, und ich sehe darin nichts Positives. Denn allzu oft be-urteilen oder hinterfragen uns nicht selbst (und tun somit etwas für unseren geistigen Fortschritt), sondern ver-urteilen den anderen, was auch die Entscheidung über dessen Recht zu leben mit einschließt. Solange es nur uns nicht weh tut...

Für mich ist dieses Recht zur urteilen also nichts, auf was ich mich berufen möchte. Ich sehe es eher als Fehler an, wie den giftigen Apfelschnitz im Halse von Schneewittchen, an dem wir, wenn es so weiter geht, bald schon ersticken werden. Männer vergewaltigen und ermordern Kindern, weil ihre "Urteilsfähigkeit" ihnen weisgemacht hat, ihre Lust sei wichtiger als das Leben des andern, Mütter prügeln ihre Kinder zu Tode oder treiben sie gleich ab, weil sie keine Lust auf Verzicht oder Unbequemlichkeiten mehr haben, Pfeffersäcke sorgen tagtäglich für die Vernichtung von mindestens fünf Tierarten, vergrößern das Ozonloch und ersticken die grüne Lunge der Erde, weil sie das Urteil gefällt haben, ihr Geldschrank ginge auf jeden Fall vor.

Das, was du als Privileg ansiehst und immer wieder betonst, nämlich das Recht zu urteilen, ist für mich eher ein Programmfehler, der uns seit dem Auftauchen unserer Rasse an wahrer (spiritueller) Weiterentwicklung hindert. Wir wollen urteilen, ohne jedoch die "Qualifikation" dafür erworben zu haben.
Somit sind wir zwar die einzigen Tiere mit Vernunft auf der Erde - aber wir sind und bleiben von unserem Verhalten her Tiere. Und jeder, der das bejaht, sorgt mit dafür, dass sich wieder eine Generation lang nichts daran ändert.

Das war eine Geburt... Aber, wie schon der olle Luther angeblich gesagt haben soll: Hier stehe ich, ich kann nicht anders (gelogen, ich sitze!). Wir werden bei dem Punkt Recht zu urteilen - wo fängt es an, wo hört es auf, wohl nie auf einen gemeinsamen Nenner kommen.

Maurice
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Mo 19. Jul 2004, 16:33 - Beitrag #6

Nosce te ipsum

Oh mann der Thread ist immer noch nicht abgetrennt. ^^*

Ich könnte dir jetzt wieder einen langen Post als Antwort schreiben, aber ich gehe auf deinen imo Hauptfehler ein, der im Grunde schon alleine deine Arguemtnation ad absudum führt.

Du hast gesagt der Mensch soll nicht urteilen, stimmts?
Du hast gesagt der Mensch soll nicht urteilen, weil er nicht qualifiziert dazu ist, stimmts?

Hier gebe ich dir ein paar Zeilen Gedenkpause, bevor ich das entscheidende äußere, vielleicht kommst du ja selbst drauf.....




















Aber dieser von dir geäußerte Standpunkt ist auch ein Urteil!
Du urteilst? Ich habe gedacht, wir (du natürlich mit eingeschlossen) als Menschen hätten nicht das Recht dazu, warum urteilst du dann?!
Wie willst du einen Stadnpunkt über richtig und falsch vertreten, ohne den "Fehler" des Urteilens zu begehen?!

Padreic
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Do 22. Jul 2004, 16:04 - Beitrag #7

Die einzige Möglichkeit nicht ganz zu einen Subjektivismus zu kommen, ist zu postulieren, dass es Werte an sich gäbe, die der Mensch nur erkennen müsse. Ähnlich wie die Ideen in der Ideenwelt von Platon. Ich glaube aber nicht, dass hier jemand ein solches Werteverständnis hat, oder?

Doch, in etwa schon. Liebe und Wahrheit sehe ich als universelle Werte. Ich will mich darauf aber nicht direkt berufen und eher versuchen, auf einer gemeinsamen Basis zu argumentieren.

@Weroansqua
Ich kann Maurices Kritik in seinem letzten Posting im Wesentlichen zustimmen. Du schreibst:
Männer vergewaltigen und ermordern Kindern, weil ihre "Urteilsfähigkeit" ihnen weisgemacht hat, ihre Lust sei wichtiger als das Leben des andern, Mütter prügeln ihre Kinder zu Tode oder treiben sie gleich ab, weil sie keine Lust auf Verzicht oder Unbequemlichkeiten mehr haben, Pfeffersäcke sorgen tagtäglich für die Vernichtung von mindestens fünf Tierarten, vergrößern das Ozonloch und ersticken die grüne Lunge der Erde, weil sie das Urteil gefällt haben, ihr Geldschrank ginge auf jeden Fall vor.

Doch was ist daran schlecht? Wenn ich richtig schätze, dass dem genannten nicht völlig neutral gegenüber stehst, dann urteilst auch du. Wenn du nach dem Prinzip vorgehen würdest, dass kein Mensch das Recht hat, über einen anderen Menschen zu urteilen, dürftest du selbst dem Mörder deiner Mutter keinen Vorwurf machen.

Ich würde den Ansatz anders aufziehen: kein Mensch hat das Recht, ein auch für andere Menschen verbindliches ethisches Prinzip aufzustellen. Oder noch anders (und meiner Meinung noch besser): kein Mensch hat die Fähigkeit dazu.
Wenn wir über andere moralisch urteilen, so können wir damit keine Tat ethisch verbieten, aber wir können selbst danach handeln und die Tat, wenn möglich, verhindern. Somit ist ein Urteil über andere eigentlich auch (oder praktisch gesehen nur) ein Urteil über uns selbst. Wir können einem Menschen nicht im eigentlichen Sinne sein Recht auf Existenz absprechen, aber wir können ihn umbringen oder seinen Tod zulassen. [Insbesondere sind damit auch Gesetze keine ethischen Normen; der Staat urteilt vielmehr darüber, wann er selbst einschreiten will.]
Dürfen wir über unser eigenes Handeln urteilen, falls es andere (möglicherweise in existentieller Weise) betrifft? Die Frage ist sinnlos, denn wir müssen urteilen, um zu Handeln; und selbst der völligen Passivität liegt ein Urteil zugrunde und kann moralisch angezweifelt werden (Stichwort: unterlassene Hilfeleistung). Wenn wir uns kein Urteil über die Lebensberechtigung eines Menschen erlauben wollen, haben wir auch keinen Grund, einen Mord oder einen Unfalltod zu verhindern. Dass alles, was lebensfähig ist, auch leben darf, ist bereits ein Urteil. Und auch ein problematisches, da es manchmal notwendig ist bzw. zumindest scheint, einen Menschen umzubringen, um das Leben anderer zu retten bzw. deren Tod aufzuschieben (ein Leben zu retten ist, zumindest wenn man nicht an Gott glaubt, im eigentlichen Sinne natürlich unmöglich). Aber den Punkt hast du gewissermaßen ja schon selbst geklärt, da du bereits erläutert hast, dass man Andere töten darf, um sein eigenes Leben zu erhalten.

Natürlich gibt es viele Fehlformen des Über-Andere-Urteilens. Eine beschreibst zum Beispiel hier
Denn allzu oft be-urteilen oder hinterfragen uns nicht selbst (und tun somit etwas für unseren geistigen Fortschritt), sondern ver-urteilen den anderen, was auch die Entscheidung über dessen Recht zu leben mit einschließt. Solange es nur uns nicht weh tut...

Daraus aber zu schließen, dass Urteilen über anderen generell schlecht ist, ist natürlich unzulässig. Denn auch Menschen, die sich ständig selbst hinterfragen, sich selbst erforschen und beurteilen, möglicherweise sogar verurteilen, urteilen auch über andere. Wenn ich mich selbst einem Urteil unterwerfe und das nach einem Maßstab, den ich nicht als rein willkürlich sehe, warum kann ich dann nicht auch über andere bzw. deren Taten nach diesem Maßstab urteilen und danach meine Konsequenzen ziehen, wie ich zu ihnen und ihren Taten stehen möchte?

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Fr 23. Jul 2004, 13:00 - Beitrag #8

Ich frage mich, welches Problem der Prozess der Ver/beurteilung impliziert. Betrachte ich das Urteil hinsichtlich der vorsätzlichen Tötung eines Menschen, durch eine Instanz, dann ist daran nichts verwerfliches zu finden, da diesem Urteil keine Subjektivität sondern Gesetzmäßigkeiten zugrunde liegen. Erfolgt die Tötung aus rein subjektiver Motivation so ist nicht das Urteil an sich schlecht, denn das Urteil ist erforderlich um die Handlung zu legetemieren, sondern die Tötung, sofern unangebracht.


Doch was ist daran schlecht? Wenn ich richtig schätze, dass dem genannten nicht völlig neutral gegenüber stehst, dann urteilst auch du. Wenn du nach dem Prinzip vorgehen würdest, dass kein Mensch das Recht hat, über einen anderen Menschen zu urteilen, dürftest du selbst dem Mörder deiner Mutter keinen Vorwurf machen.


Jede Entscheidung bedarf a priori der vorherigen Beurteilung der Optionen, insofern ist dieser Einwand, wie auch die Frage, ob es dem Menschen grundsätzlich zusteht zu urteilen inadequat.
Relevant ist vielmehr die Frage ob es dem Menschen zusteht, über ein ihm gleichwertiges Lebewesen zu urteilen, in dem Sinne, dass sein Urteil eine Konsequenz nach sich zieht, weche dem Beurteilten zum NAchteil gereicht.


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