Wunder

Auf der Suche nach dem Sinn des Lebens und der Wahrheit.
Padreic
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Fr 23. Jul 2004, 11:54 - Beitrag #1

Wunder

Angeregt durch ein Posting von Maurice im Religions-Thread wollte ich hier einen Thread über Wunder im weitesten Sinne aufmachen. Er schrieb Folgendes:
Ok da harke ich jetzt nicht weiter nach, weil ich deine Schilderungen eh nur als Einbildung oder Hirngespinst abtun würde. ^^*
Denn selbst wenn mir "Gott" erscheinen würde, würde ich ihn als ein solches werten, das entspricht nur meinem materiellen Atheismus.


Ein Naturgesetz ist ein von Menschen aufgestellter Grundsatz, der Ereignisse, die unter bestimmten Bedingungen bisher "immer" (dazu später noch mehr) passiert sind, in gewisse Regeln einordnet. Es ist im Grunde ein Prozess der Gewöhnung, der darauf basiert, dass die Natur im Wesentlichen gleichförmig verläuft.
Ein Wunder ist ein Ereignis, was nach diesen Naturgesetzen nicht geschehen könnte.

Maurice schließt dagegen, wenn ich ihn richtig verstehe, Wunder quasi per Definition aus (ähnlich wie auch Hume es tat). Wenn jemand etwas beobachtet (im weitesten Sinn), dann existiert entweder das Beobachtete oder der Beobachtungsvorgang ist fehlerhaft. Wenn jemand ein Wunder beobachtet, kann man immer letzteres annehmen. [Insbesondere ist so die Aussage, dass Gott noch nie gesehen wurde, und man ihn deshalb nicht annehmen müsste, sehr fragwürdig, da sie doch Gotteserfahrungen a priori und nicht a posteriori ausschließt, obwohl diesen Satz meist eher diejenigen vertreten, die sich gerne auf die Erfahrung berufen.]
Nur es bleibt die Frage, auf welcher Grundlage man es tut. Die Grundlagen sind, dass wir die Naturgesetze prinzipiell richtig erkannt haben, das diese konstant sind und dass diese vollständig die Welt beschreiben. Ich will mich dabei hierbei vor allem auf den Punkt der Konstanz konzentrieren, denn der erste ist eher ein praktisches Problem und den letzteren kann man dadurch klären, dass man den Begriff der Naturgesetze nur weit genug definiert. Gibt es nun irgendeinen Beweis für die Konstanz der Naturgesetze? Nein, keinen einzigen. Das Argument, dass sie schon immer konstant gewesen sind, setzt sich selbst voraus, denn es würde die Konstanz der Konstanz benutzen.
Die Annahme der Konstanz der Naturgesetze ist wohl mehr pragmatischer Natur, denn ohne diese könnten wir nicht mehr vernünftig handeln, denn um planvoll zu handeln, müssen wir die Konsequenzen unseres Handelns abschätzen und das geht eben nur, wenn die Gesetze, nach denen die Welt abläuft, sich nicht sprunghaft ändern. Außerdem oder gerade deshalb entspricht die Annahme auch unserem menschlichen Wesen, zumindest weitesgehend. Denn singuläre Ausnahmen kann der Mensch durchaus akzeptieren, wie dadurch gezeigt wird, dass immer wieder an Wunder geglaubt wurde.

Ich will hiermit nicht zu einem unkritischen Wunderglauben aufrufen. Ohne Zweifel sind die meisten oder vielleicht sogar alle vermeintlichen Wunder nur Täuschungen, aber sie von vorneherein auszuschließen, kommt mir sehr voreilig vor; alles, was Menschen erfahren haben, ist eine Untersuchung wert.
Eine interessante Analogie aus der Naturwissenschaft ist vielleicht diejenige der Merkurperiheldrehung. Diese ist eine Anomalie der Merkurbahn, die im 19. Jahrhundert beobachtet wurde und die man durch allerlei Annahmen (wie z. B. die eines bisher unentdeckten Mondes) im Rahmen der klassischen Naturwissenschaft zu erklären versuchte. Alles scheiterte, bis Einstein eine völlig neue Theorie aufstellte, seine Allgemeinen Relativitätstheorie.

Padreic

Maglor
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Fr 23. Jul 2004, 12:47 - Beitrag #2

Das Wunder ist der unerklärliche Moment. Das scheinbar unmögliche wird Ausnahmsweise real.
Solche Wunder entstehen, da der Menschheit (vom Einzelmenschen ganz zu schweigen) nur Bruchteile der Weltenformel und Naturgesetze zu Verfügung stehen.
Letztlich sind nämlich alle Wissenschaften mit ihren richtigen oder überholten Naturgesetzen nur Gedankenkonstrukte des Menschen, die auf Grund ihrer Erschaffung durch unvollkommene Menschen selbst unvollkommen sind, wodurch manch Rätsel bleibt.
Diese Rätsel deutet nun der Betrachter des Wunders als außergewöhnliches Wunder, für das nur eine höhere Macht verantwörtlich sein kann. Oder wie Captain Janeway sagen würde: Neutrinos, Subraumverzerrungen und Quantenverschiebungen! :)
Also ist kirchlichen und wissenschaftlichen Wunderdeutungen eines gemein: Sie beide erfinden für die Wunder willkürliche Ausnahmeregelungen.
Echte Reglungen würden das Wunder entzaubert, was hin und wieder ja vorkommen soll.
MfG Maglor

Rosalie
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So 25. Jul 2004, 23:07 - Beitrag #3

Sicher sind viele "Wunder" damit zu erklären, dass der Mensch über die Zusammenhänge in der Natur, sprich Naturgesetze, noch viel zu wenig weiß. Wenn er dieses Wissen hätte, würden sich manches ganz rational erklären lassen.

Doch was ist der Sinn von Wundern? Wenn wir im alten oder neuen Testament lesen (denn da wird über solche berichtet) haben sie die Funktion, die Menschen von der Wirklichkeit Gottes zu überzeugen. Jeder ist ein Kind seiner Zeit. Aber selbst die Ereigniss die vor zweitausend Jahren schriftlich fixiert wurden, als die Menschen noch nicht soviel über die Zusammenhänge in der Natur wußten, lassen sich heute noch nicht erklären. Oder kannst Du mir sagen, wie man auf dem Wasser gehen kann, wie ein Mensch der schon Tage tot (nicht scheintot - denn so blöd waren die auch nicht), plötzlich wieder aufsteht und fit ist. Es sind alles nur Märchen? Gut, dann brauchen wir hier nicht weiter zu diskutieren. Aber wenn es nur wahr war wäre .... was dann? Es ist doch immerhin sehr gut vorstellbar, dass es so stattgefunden hat.

Sonst lassen wir unsrer Phantasie doch auch freien Lauf. Tun wir es doch einmal in diese Richtung. Wenn all die Geschichten, die in der Bibel - bes. im neuen Testament - stehen, keine Fiktionen, sondern Wahrheit wären .... ja dann, müßte man doch von vielen Ereignissen (Beispiel s.o.) von Wundern reden.

Und wenn es einen allmächtigen Gott gäbe, wäre er ja ein lächerlicher und kein allmächtiger Gott, wenn er dazu nicht imstande wäre.

Also es kommt immer auf den Ausgangspunkt an, von welchem man die Dinge betrachtet .... oder etwa nicht?

Rosalie

Maglor
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Mo 26. Jul 2004, 12:52 - Beitrag #4

Vielleicht sollte man an der Stelle mal den Begriff Wunder erklären.
In alter Zeit besagte das Wort Wunder so viel wie Heldentat.
Vergleich das Nibelungenlied: In alten Mären ist uns Wunders viel geseit.
Das Wunder ist also im ursprüngliche Sinne dieTat einer Person. Der Wundertäter muss also (zumindest nach mittelalterlicher Def.) nicht unbedingt Gott (oder ein anderes übernatürlichens Wesen sein, sondern auch solch Trivialgestalten wie Hagen, Siegfried und Gunther können sich der Wunder rühmen. Oder auch an den Staufer Friedrich II und seinem Wunder über die Welt.
Von daher liegt die Frage des Wunders nicht in der Art der Durchführung. Das Wunder muss auch nicht unbedingt den Naturgesetzen widersprechen. Vielmehr muss es wunderlich oder wundersam sein. Das Wunder muss sich vom alltäglichen abgrenzen, es muss schon etwas recht besonderes sein!
Beispiel: Die erste Mondlandung galt als ziemlich Wunder. Wenn aber die Wundertat alltäglich wird, wird das Wunder entzaubert. Im StarTrek-Universum etwa wirkt ein einfacher Raumflug mit Landung etwa nicht wie Wundertat sondern wie etwas vollkommen Triviales. Ähnlich würde jemand der übers Wasser geht ebenfalls alltäglich und unscheinbar wirken, wenn dies jeder können und machen würde.

MfG Maglor

Traitor
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Sa 4. Sep 2004, 03:18 - Beitrag #5

Unter dem Begriff "Wunder" kann man sich drei Dinge vorstellen. Die erste Kategorie lässt sich mehr oder minder leicht durch Wahnvorstellungen oder andere Täuschungen erklären. Sie ist nicht das, worum es hier geht.
Die zweite Kategorie sind Ereignisse, mit denen die Wissenschaft nichts anzufangen weiß, die aber nicht grundsätzlich deren Weltwahrnehmung widersprechen, da sie sich auf einer Ebene mit anderen Natureffekten bewegen und man sich prinzipiell vorstellen kann, sie in Zukunft mit erweiterten Gesetzen erklären zu können, und dies dann oft auch tut. Auch diese "Wunder" sind keiner allzu großen Diskussion wert (zu ihnen gehört auch die etymologische Spitzfindigkeit aus Maglors letztem Beitrag).

Die "echten Wunder", über die eine Diskussion lohnt, wären die, die wirklich singulare Ereignisse darstellten, die den bisherigen wissenschaftlichen Erkenntnissen aktiv widersprächen und die man nicht mit Naturgesetzen begründen könnte, ohne das gesamte naturwissenschaftliche Weltbild abzuschaffen und durch ein anderslautendes zu ersetzen. Dieses könnte aber wiederum nicht alles erklären, was wir bisher erklären konnten - es ist so gut wie sicher, dass unser derzeitiges physikalisches Weltbild sich niemals als falsch, sondern lediglich als unvollständig und unzulässig verallgemeinert erweisen wird.
Ein Element der Natur eines "echten Wunders" wäre also, einen Widerspruch in der Realität aufzuweisen, völlig außerhalb jeden Systems zu stehen.

Ein damit verbundener zweiter Aspekt wäre die Non-Kausalität. Ein Wunder im engsten Sinne wäre nicht-reproduzierbar, da es nicht aus irgendwie messbaren Gegebenheiten resultierte, sondern etwas Neues in die Welt brächte. Ein Wunder widerspräche also nicht nur den Naturgesetzen, sondern auch etwas noch tieferem, der Kausalität.

Doch was bedeuten diese Eigenschaften eines Wunders für eine Weltanschauung, in der sie möglich sind? Dass es etwas geben muss, das außerhalb jeder Kausalität steht - Gott. Aber dieser Gott könnte nicht, wie man es oft erklärt, deshalb kausalitätsfrei sein, weil er über, also neben, ihr steht; sondern er müsste in der kausalen Welt agieren und dort Nonkausales wirken lassen können, also der Kausalität direkt entgegentreten und nicht an ihr vorbei sein.
Aber wie könnte eine kausale Welt nonkausale Ereignisse überstehen? Würde dies nicht viele Naturgesetze in ihrem Wirken völlig durcheinanderbringen? Zu unzähligen logischen Paradoxien führen?

Es läuft also auf die altbekannte Frage nach der Relation zwischen göttlicher Allmacht und Allgültigkeit der Kausalität hinaus.

Dr.Bizeps
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Sa 4. Sep 2004, 13:46 - Beitrag #6

zum Thema "Wunder" hat Israel Staatsgründer Ben Gurion folgendes gesagt:

"wer an Wunder nicht glaubt,der ist kein Realist " ;)


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