Rechtschreibreform

Das aktuelle politische Geschehen in Deutschland und der ganzen Welt sowie wichtige Ereignisse der Weltgeschichte.
Malte279
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Fr 6. Aug 2004, 19:50 - Beitrag #1

Rechtschreibreform

Als die neue deutsche Rechtschreibreform damals eingeführt wurde (da war ich in der sechsten oder siebten Klasse oder so)war ich alles andere als begeistert. Eine Vereinfachung kann ich bis heute auch nur ein einigen Fällen feststellen, und mir kam die Rechtschreibreform stets wie eine verpasste Chance vor ein paar wirklich unnötige Schwierigkeiten aus der deutschen Sprache zu beseitigen.
Trotzdem halte ich persönlich das Vorgehen von Axel-Springer Verlag, Spiegel, der Süddeutschen Zeitung und wer auch immer noch bei seinen Publikationen auf die alte Rechtschreibung zurückgreifen will für falsch.
Ich befürchte, dass durch derlei Aktionen die Verwirrung noch gesteigert werden wird, wenn demnächst jeder so schreibt wie er lustig ist. Ich würde es durchaus befürworten, wenn an der Reform Verbesserungen und wirkliche Vereinfachungen vorgenommen würden, aber alles was Schüler in den letzten sieben Jahren beigebracht bekommen haben plötzlich für null und nichtig erklären zu wollen halte ich wirklich für "keine gute Idee".
Wie denkt ihr darüber?

styler
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Fr 6. Aug 2004, 22:26 - Beitrag #2

Ich hab ein Problem, was die Zusammen- bzw Getrenntschreibung von Verben wie zusammenhalten angeht. Es ist ja immer Interpretationssache.. Und Delphin und Phantasie schreibe ich aus Protest weiterhin mit ph anstatt mit f. Weiterhin bin ich noch dafür Physik durch Füsik zu ersetzen, wenn sie schon so toll beim Vereinfachen sind.

Darüber hinaus finde ich es gut, dass sich die "Großen" mal für etwas einsetzen, was mir auch gefallen würde, auch wenn das zu einer entsprechenden Verwirrung führen würde.

janw
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Fr 6. Aug 2004, 23:09 - Beitrag #3

Ich halte die gesamte Geschichte der Rechtschreibreform für eine beispielhafte Zustandsbeschreibung des Entscheidungsfähigkeitszustandes der BRD Ende der 90er Jahre.

Das Wort "Deutsse Sprache ssschwere Sprache", gesprochen mit leicht gutturalem Einschlag, war und ist sowohl fast ein geflügeltes Wort, wie es die alte deutsche Rechtschreibung treffend beschreibt. Es ist schon paradox, daß das normen -und regelverliebte Deutschland sich eine Rechtschreibung geleistet hat und immer noch leistet, bei der die Ausnahme die Regel ist und bei der gestandene Sprachkenner gelegentlich stranden.

Insofern, Reformbedarf erschien gegeben und ein System an Änderungen wurde gestrickt.
Das nach Durchlaufen des Parteienproporz-Kultusminister-Sommerloch-Sauen-durch-den-Blätterwald-treiben-Mechanismus übergebliebene Produkt hatte indes mit den Vorschlägen der Kommission soviel gemein wie die Sau mit dem Hofhund, insbesondere was die Kongruenz der Regelungen und ihre Widerspruchsfreiheit betraf.
Dennoch wurde das Produkt als neues Regelwerk umgesetzt, mit hohen Kosten, einiger Verstimmung im intellektuellen Lager und einiger Verwirrung dummerweise dazwischen gerutschter Schülerjahrgänge.

Ich muß sagen, daß ich für mich diese Regelungen nicht wirklich übernommen habe. Ich schreibe mehr oder weniger wie ich es gelernt habe, und was die Zweifelsfälle betrifft, so gnade mir Gott oder die word-Rechtschreibhilfe.
Wenn jetzt aber einzelne Publizisten ausscheren, so ist dies zumindest ärgerlich, wenn es nicht eine grundlegende Achtungsverweigerung gegenüber der nunmal gegebenen staatlichen Regelung offenbart - im Falle Springer ironischerweise bei einer Speerspitze des Konservativismus. Hierin könnte sich eine wirkliche Achtungskrise statlicher Regelungen offenbaren, die angesichts der wachsenden Diskordanzen zwischen Anspruch und Wirklichkeit in diesem Lande so verständlich wie letztlich beängstigend sind. Was kommt als nächstes?
Die Gewerkschaften rufen zum Kanzler-Sturz auf, die CDU zum Steuerboykott?

Was die Verwirrung der Schüler betrifft, bin ich weniger pessimistisch.
Ein großer Teil der Rechtschreibbildung findet vor dem Massiv-Zeitungslesealter statt, und die Beiträge in der Presse werden wohl kaum im Hinblick auf ihre Orthographie gelesen und untersucht.
Die Schulbücher werden wohl weiterhin der gültigen Rechtschreibung folgen.
Problematisch könnte es allenfalls werden, wenn Zeitungstexte als Grundlage für Arbeiten verwendet werden und sich so Fehler einschleichen. Hier wird es einer gerechten Benotungsregelung bedürfen - oder notfalls Lehrern, die Vernunft vor Recht gehen lassen.

Feuerkopf
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Sa 7. Aug 2004, 23:01 - Beitrag #4

Irgendwie ist das alles Pillepalle.

Haben wir eigentlich keine anderen Sorgen? Da gibt es rund 4 Mio. Analphabeten in Deutschland, in der PISA-Studie schneiden die meisten Schüler lausig ab, und ein paar grauhaarige Herren bei Spiegel und Springer haben nichts besseres zu tun, als die alte Rechtschreibung mit ihren 101 Kommaregeln und dem albernen "ß" wieder auszugraben.

Ich habe schnell und gern ein paar Regeln übernommen, allerdings schreibe ich weiterhin das Anrede-"Du" groß, das darf ich, weil ich ja keine offiziellen Schreiben verfasse.
Die neue Doppel-s statt ß-Regelung ist viel logischer, wenn auch nicht wirklich konsequent. (Warum, zum Duden, wird der "Bus" mit einem s geschrieben, obwohl es ein kurzer Vokal ist?)

Meine Kinder haben beide die sogenannte neue Rechtschreibung gelernt, alle Schulbücher sind umgestellt worden.
Schließlich haben alle Kultusminister und auch die entsprechenden Entscheidungsträger von Österreich, der Schweiz und anderen deutsch-schreibenden Natiönchen dem zugestimmt.

Wenn schon rückwärts, dann richtig konsequent. Dann bitte wieder Telephon und Photographie...

Das Problem war immer, dass die Reform nur ein Reförmchen war.

janw
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Sa 7. Aug 2004, 23:27 - Beitrag #5

Feuerkopf: Das mit dem Reförmchen hast Du gut gesagt! :)

Was mich nur nervt an der Sache ist, daß dieses Reförmchen nur deshalb keine echte Reform werden durfte, weil ein Heer an Kultusministern verschiedener Couleur (oder Kulör?) in ihrem Selbstverwirklichungsstreben den ursprünglichen Ansatz geradezu verstümmelt haben. So gesehen, ist evtl. unser gerühmter Föderalismus die Krücke an der das System krankt oder zumindest eine der Krücken.

SexyHexy
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Mo 9. Aug 2004, 21:35 - Beitrag #6

Also ich muss sagen ich hab eine Vereinfachung dabei gehabt weil einige Wort die ich nach alter Rechtschreibung immer falsch geschrieben habe, plötzlich nach neuer richtig waren :D . Aber im allgemeinen finde ich die neue Reform ist eher ein Schritt zurück als ein Schritt voran.

Gilmor
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Di 10. Aug 2004, 07:09 - Beitrag #7

So, nach langer Zeit mal wiede ein Posting von mir :)

@Feuerkopf: bin ganz Deiner Meinung. Diese "Reform" ist doch wohl das geringste Übel, was wir in Deutschland haben.
Auch wenn ich nicht mit allen Änderungen in dieser Reform einverstanden bin (entweder oder, aber nicht immer diese halbe Sachen), war es keine wirklich große Umstellung. Ich denke, es spricht für die Flexibilität in Deutschland, dass sich so viele Leute dagegen wehren. :(

@SexyHexy: Warum ist sie ein Schritt zurück? Das müsstest Du mir mal etwas genauer erklären. Vielleicht liegt es auch nur an der Hitze, dass mein Hirn im Moment nicht so ganz arbeiten möchte ;)

asw22
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Di 10. Aug 2004, 08:22 - Beitrag #8

Also ich werde nach wie vor einen Misch aus der alten und der neuen Rechtschreibung schreiben.. wobei mich kein Mensch davon abringen kann, Telephon, Delphin usw. weiterhin mit ph zu schreiben.. Was ich sehr gut finde, ist das mit dem "ß" auch wenn viele die Regeln wohl nicht verstehen und dann kommt sowas raus: Schliessen, Strasse, auch wenn das nach der neuen wie der alten Rechtschreibung komplett falsch ist :sad:
Was das zurück zur alten angeht: Wenn sich ein paar halt damit nicht anfreunden können.. schön... ist mir eigentlich ziemlich egal, es gibt echt wichtigeres :P

Fargo
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Di 10. Aug 2004, 09:14 - Beitrag #9

Original geschrieben von Feuerkopf
Warum, zum Duden, wird der "Bus" mit einem s geschrieben, obwohl es ein kurzer Vokal ist?


Der Bus hatte nie ein 'ß'. Das Wort, das tatsächlich kurz und gezischt ausgesprochen wird, war bei seiner Geburt eine flapsige Umgangssprachlichkeit: die Kurzform von Omnibus, einem Wort, das gewiss kein 'ß' brauchte. Vor einem Vierteljahrhundert war Omnibus noch gebräuchlich, nun stirbt es rapide aus.

Womit wir bei einem der Probleme der Reform wären: sie wendet sich allzu gefällig von der Geschichte und Herkunft unserer Wörter ab, setzt ganz auf das Hier und Jetzt des phonetischen Gebrauchs. Das führt schnell zu falschen Herleitungen - seit 'aufwendig' zu 'aufwändig' wurde, denken Leute vermutlich, das hätte was mit dem Errichten einer hohen Mauer zu tun -, was ich ein wenig bedauerlich finde.

Genau aus diesem Grund - weil selbst die Kinder der Mittelschicht heute ein problematisches Verhältnis zur Sprache und damit einhergehend ein Problem der Gedankenformulierung und - entwicklung haben -, finde ich den Putsch der Medienhäuser keine Petitesse, sondern einen Skandal. Unsere Gesellschaft hat ein enormes Problem, ihrem Nachwuchs die Kulturtechnik des Lesens und Schreibens zu vermitteln, und alles, was da zusätzlich zu Verwirrung, Trotz und Verweigerung führt, ist ein Anschlag auf die künftige Denk- und Kommunikationsfähigkeit der Gemeinschaft.

Der Anschlag hat übrigens niederste Motive.

1.) Man braucht ein Sommerthema, und man will sich an den Stammtischen ins Gespräch bringen, um kurzzeitig als Kreuzzügler für das gesunde Volksempfinden ein paar Leser zurückzugewinnen.

2.) Man will Geld sparen.

Jedes Printmedienhaus will nach außen geschlossen auftreten, mit einer Art Corporate Design in Sachen Rechtschreibung, mit einem für alle Autoren verbindlichen Konsens in einem Chaos der alternativen Schreibweisen. Nun hat sich aber gezeigt, dass in den Medienhäusern viele Menschen generationsbedingt reflexhaft der alten Schreibweise anhängen bzw. nur mühsam und unter Nutzung vieler Mischformen zur neuen Schreibweise wechseln.

Das heißt, die Printmedien müssen mehr Korrektoren beschäftigen, die fertige Texte auf einen einheitlichen Standard hin überarbeiten. Die Korrekturabteilungen aber hat man in den Jahren vor der Reform massiv abgebaut. Der Sturmlauf gegen die Rechtschreibreform soll Zeitungs- und Zeitschriftenverlegern also helfen, Kosten zu sparen - auf Kosten der Allgemeinheit.

Gar nicht so seltsam, dass man dieses Argument in Printmedien nirgends zu lesen bekommt, nicht wahr?

Fargo

janw
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Di 10. Aug 2004, 11:07 - Beitrag #10

Wohl wahr, die Rechtschreib-Reform ist eher eine Petitesse unter den hierzulande grassierenden Übeln.
Aber wenn ich lese, daß "mein" Ministerpräsident in populo seine Kollegen zur Abschaffung des Reförmchens auffordert, drängt sich mir doch die Frage nach dem Nutzen des Föderalismus im jetzigen Ausmaß auf.
Nun gut, die zeitliche Verortung im Sommerloch stellt das ernsthafte Bestreben zur Sache in Frage, fraglich ist, wer künftig auf den Schultern des Zwergen Wulff stehen möchte.
Nur was tun, wenn die Riesen fehlen?

Hier liegt für mich das Problem, der politischen Klasse wie der schreibenden Zunft, welche sich traditionell als kontrollierende Instanz begreift - es fehlt der Geist und das Handeln danach, daß Macht zu allererst Verantwortung bedeutet.
Besonders hat dies die FAZ jetzt bewiesen: Die in neuer Rechtschreibung eingereichten Beiträge zu ihrer Jugendseite werden in alter Rechtschreibung abgedruckt. :o
Stattdessen wird der Tiefflug über den Stammtischen geübt und die Profitmaximierung, wie Fargo sie beschreibt.

Geglückt war die Reform gewiß nicht, insbesondere Schöpfungen wie der "Stängel" rufen bei mir instinktive Verweigerung hervor. Die Abschaffung des ß schafft in meinen Augen eher mehr Probleme, da ss und s noch leichter verwechselt werden. Und Fremdwörter dürfen für mich gerne ihre Herkunft verraten. Mein Italiener spricht schließlich auch nicht hannöversches Hochdeutsch.

supastah84
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Mi 11. Aug 2004, 05:02 - Beitrag #11

Hallo?!

Geht´s unseren Politikern eigentlich noch gut?

Flussschifffahrt

Da kriegt man doch Kopfschmerzen!!! Mehr will ich dazu nicht sagen! Die Reform muss abgewendet werden, da führt kein Weg dran vorbei! Politiker sollten genug Anstand haben, ihre Fehler einzusehen und die Reform rückgängig machen! Wir leben immerhin in einer Demokratie, d.h. wir haben auch eine "Demokratie der Sprache" und was die Mehrzahl der Bürger über die Reform denkt, dürfte wohl allen bekannt sein...?!

Gilmor
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Mi 11. Aug 2004, 06:19 - Beitrag #12

Über den Zustand der meisten Politiker müssen wir wohl kaum reden, supastah84 (hast wohl Deine eigene Rechtschreibereform durchgeführt *g*), aber Schifffahrt mit drei f macht wesentlich mehr Sinn als nur mit zwei (es sei denn, man schreibt Schiff nur mit einem f).
Natürlich ist nicht alles geglückt, aber eine Sache wäre jetzt am aller wenigsten geglückt; die Rücknahme der Reform. Denn wer zahlt am Ende wieder? Na, alle mal raten! Genau, der Steuerzahler. Denn der darf dann wieder die neuen Bücher der Schulen mit der alten Rechtschreibung bezahlen. Zudem sollte man an die jetzigen Generationen von Schülern denken. Das erste Schuljahr, das mit der Reform angefangen hat, kommt nach den Ferien in die siebte Klasse. Zig Schüler kennen nur die neuen Rechtschreibung. Und den Schülern, die mit der alten angefangen haben und dann auf die neue umgeschult wurden, werden sicherlich nicht sattelfester in der deutschen Rechtschreibung, wenn sie wieder auf die alte umsteigen müssen.
Hier darf man wohl ganz einfach auf die Flexibilität der einzelnen Menschen in Deutschlang appellieren.
Außerdem wird das Thema nach dem schon genannten politischen Sommerloch eh unter den Tisch fallen, da dann die heißere Phase der Wahlkämpfe (in NRW die Kommunalwahlen) geht. Da werden sich die werten Volksvertreter nicht mehr mit solchen Kleinigkeiten befassen.

Fargo
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Mi 11. Aug 2004, 10:04 - Beitrag #13

Original geschrieben von Gilmor
Außerdem wird das Thema nach dem schon genannten politischen Sommerloch eh unter den Tisch fallen....



Eben nicht. Da nun mehrere wichtige Medienhäuser die Rechtschreibreform offen boykottieren, werden wir auf Dauer sehr viel stärker als bisher ein nicht zu übersehendes Nebeneinander der Schreibweisen haben. Das wirkt natürlich in die Schulen hinein: Lehrer, die sonst froh wären, wenn ihre Schüler mal in den Spiegel, die FAZ, die Süddeutsche oder die Welt schauen würden (Schreiben lernt man am besten beim Lesen), müssen nun erleben, dass dort die von ihnen unterrichtete Schreibweise offen als Quatsch angeprangert wird.

Eine Rücknahme auf politischer Ebene ist aber vorerst vollkommen ausgeschlossen - schlicht und einfach aus Kostengründen. Es gibt kein Geld für neue Schulbücher. Das wissen auch jene scheinheiligen kleinen Länderminister, die jetzt populistisch gegen die Reform stänkern.

Sprich, wir werden eine unerträgliche Schere bekommen - zwischen einer offiziell richtigen Schreibweise an den Schulen, die von jenen praktiziert wird, die sie eben nicht viel praktizieren, und einer offiziell falschen Schreibweise draußen in der Gesellschaft, die von jenen praktiziert wird, die durch täglichen enormen Schriftausstoß das Bild der Sprache prägen.

Das Auseinanderklaffen der beiden Deutscharten kann in der Schule nicht einfach ignoriert werden. Wie also wird eine kostenneutrale Reaktion aussehen? Die Kultusministerkonferenz wird zwar offiziell weiter auf der neuen Schreibweise bestehen (um die Bücher nicht austauschen zu müssen), Rechtschreibung aber aus dem Kanon der zu benotenden Leistungen, Kenntnisse und Fertigkeiten entfernen. Will heißen, wir bekommen die gleiche Situation wie mit Haschisch: das Zeug ist offiziell zwar noch verboten, aber der Besitz nicht mehr strafbewehrt. Dudenwidrige Schreibweise bleibt offiziell falsch, wird aber nicht mehr benotet.

Das Ergebnis davon? Die gesamte Rechtschreibung und überhaupt die altmodische Kulturtechnik von Lesen und Schreiben erscheinen Kindern noch stärker als bisher als schlechter Witz und als muffige Zumutung. Jeder fühlt sich mit jeder Verballhornung der Schrift im Recht.

Dieses "Ich schreibe, wie's mir passt, mir doch scheißegal, welche Schwierigkeiten andere beim Entziffern haben" passt natürlich bestens zum "Fick-Dich"-Zeitgeist.

Grummelt Fargo

Feuerkopf
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Mi 11. Aug 2004, 18:06 - Beitrag #14

Richtig laut gelacht habe ich, als ich die Startseite von

http://www.titanic-magazin.de

gesehen habe. DAS ist mal konsequent! :s1:

Eigentlich dachte ich bisher, dass geschriebene Sprache dem Transfer von Ideen, Gedanken - also von Informationen dient. Welche Kriterien muss Schriftsprache also erfüllen? Sie sollte leicht lernbar, gut lesbar und unmissverständlich sein.

So betrachtet, koennen wir one weiteres auf die grosschreibung ferzichten, sofern sie keine eigennamen betrifft. Wokale werden generell lang gesprochen, sind sie kurz, so wird der folgende konsonant ferdoppelt.

Das war natürlich jetzt ein bisschen übertrieben, doch letztlich ist es der Filosofie gleich, ob sie mit F oder PH geschrieben wird. Dem Telefon, dem Elefanten und dem Foto hat die Änderung auch nicht geschadet. Und Portmonee ist wirklich einfacher als Portemonnaie, oder?

Wenn ich mir angucke, wie Goethe oder Schiller und vor allem Kleist geschrieben hat, so müsste ein Reich-Ranicki eigentlich an ihnen verzweifeln.

Fargo,
Dein Hinweis auf die unredliche Argumentation der Verlage ist hochinteressant! Dankeschön!

Übrigens ist die Front der Reformgegner gar nicht sooo überwältigend. Es steht etwa 50/50.

asw22
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Mi 11. Aug 2004, 20:12 - Beitrag #15

Original geschrieben von Fargo



Dieses "Ich schreibe, wie's mir passt, mir doch scheißegal, welche Schwierigkeiten andere beim Entziffern haben" passt natürlich bestens zum "Fick-Dich"-Zeitgeist.

Grummelt Fargo


Nun ja, ich habe die Rechtschreibreform auch nicht Kritiklos übernommen, sondern schreibe, wie ich es für richtig und logisch halte. Zum Beispiel das mit dem "ß" und den "ss" finde ich nur logisch und konsequent, deshalb habe ich es übernommen. Desweiteren bin ich absolut gegen das "eindeutschen" von Fremdwörtern, und das ist Portemonaie und dergleichen nunmal. Und ich finde nicht, das ich gegen eine Reform verstoße, wenn ich Fremdwörter als solche behandel. Desweiteren habe ich mich mal bestimmt 5 min gefragt, wer zum Teufel denn nun Delfine ist, weil ich in einer Zeitung die Überschrift las: Hilfe für Delfine.. bis mir ein Lichtlein aufging, das da wohl die Delphine gemeint waren :shy: .......
Deshalb bin ich nicht für Leute, die diese Reform zum anlass nehmen, zu schreiben, wie es ihnen passt, aber man sollte doch die logisch sinnvollen Regeln beachten, und sich ansonsten an die alte Rechtschreibung halten :s11:

Ach ja: Mit der Groß/Kleinschreibung hab ich immer schon Probleme, und daran sind auch meine Deutschlehrer verzweifelt.. Also das ist keine Absicht, wenn mitten im Satz mal wörter groß sind, die Klein gehörten und umgekehrt..... :s4:

Malte279
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Mi 11. Aug 2004, 21:23 - Beitrag #16

So wie die Rechtschreibung zur Ländersache erklärt wird, wird es demnächst noch so enden, dass in jeder Gegend nach den "Regeln" der zu der entsprechenden Gegend passenden Asterix Mundart Ausgabe geschrieben wird.
Ey hömma da hamma dann aba n' Problem hamma wenn jeda so daherkritzelt.

janw
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Do 12. Aug 2004, 00:03 - Beitrag #17

Nun, Malte, dann haben wir immerhin wieder die sprachlichen Verhältnisse aus der guten alten Zeit, wo wir doch in Luther, Goethe und Schiller die Säulen der deutschen Kultur erblicken. :D

Feuerkopf: ich finde, Titanic hätte gleich zur Minuskelschrift übergehen können ;)

Ich weiß nicht recht, woran es liegt, aber ich habe weitauß größere Probleme, deutsche Texte in reiner kleinschreybung zu lesen, als solche in englischer Sprache.
Derowegen bin ich doch sehr für die Großschreybung im Deutschen, sie läßt mir Texte struckturirter erscheynen.

Maurice
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So 15. Aug 2004, 01:50 - Beitrag #18

Hach wenn ich im Staat das Sagen hätte, dann wäre so manches viel einfacher. Ich würde einfach BEIDE Schreibweisen erlauben, also z.B. "dass" und "daß". Es weiß jeder was gemeint ist, jeder kann so schreiben, wie er es möchte und außerdem gibt es generell weniger Rechtschreibfehler. :D
Warum müssen sich die Menschen immer alles so schwer machen? Ob man nun "dass" oder "daß" schreibt, macht auch keinen weltbewegenden Unterschied, da muss man nicht gleich vom Untergang der deutschen Sprache sprechen und die Abschaffung jeder bestehenden Regeln in der Zukunft prophezeihen. Wie diese übertriebenen Horrorvisionen bei einigen aussehen hat uns Feuerkopf an einem kleinen Beispiel ja illustriert. ;)

Was ich mich aber ernsthaft interessiert ist, wie es nun bei dne Verlägen aussieht, wenn die neue Rechtschreibung rechtskräftig geworden ist. Die Zeitungen müssen sich doch auch an die offizelle Rechtschreibung halten, oder nicht? Und was ist wenn dann immer noch wer sich weigert sich umzustellen, wird er dann bestraft? :confused:

Feuerkopf
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So 15. Aug 2004, 10:37 - Beitrag #19

Ich vermute mal, dass Schulbuchverlage und amtliche Publikationen sich an die Regeln halten werden.
Außerdem wohl auch die meisten Buchverlage, weil sie die Umstellung eh schon durchgeführt haben.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass beim SPIEGEL alle glücklich darüber sind, den alten Kram wieder einzuführen.

Traitor
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So 29. Aug 2004, 01:15 - Beitrag #20

Persönlich schreibe ich hauptsächlich Altschrieb mit Übernahme einzelner Elemente des Neuschriebs, vor allem die ß-ss-Regel, die mir wirklich gut gefällt. Ein Graus sind mir vor allem die Verluste vieler Kommas, die an ihrer alten Position definitiv sinnbestimmend oder zumindest -erläuternd sind, das wirre Getrenntschreibungssystem und viele Einzelwörter (etwa A... An... nein, ich kann es nicht schreiben, das wäre zu grausam. Ihr wisst schon, dieses Verbrechen, das man dem guten alten "Annektion" angetan hat.)

Was die gesellschaftliche Durchsetzung der Reform angeht, ist es aber zu spät für eine komplette Rückkehr. Die einzige sinnvolle Änderung wäre eine neue Reform, die partiell die alte zurücknimmt und sie in anderen Bereichen vorantreibt. Allerdings müsste diese dann so stark sein, dass der nächste Reformbedarf sich frühestens in mehreren Jahrzehnten wieder ergibt.

Maurices Frage ist interessant - wie ist der genaue Rechtsstatus von Rechtschreibregeln? Sind es nur Richtlinien, oder wirkliche sanktionierte Gesetze?

Und noch eine Frage, die ich interessant fände: weiß jemand, ob die Originalvorschläge der ursprünglichen Reformkommision irgendwo zugänglich sind? Wäre mal interessant, was damals vor der Zerföderalisierung geplant war.

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