Zur gleichen Zeit in der Stadt, in einer Welt so nah, so friedlich wie unbewußt aller Gefahr...
<<Kommt, seht alle das Spectaculum! Wenn auch Doktor Eisenbart die Leut´vernarrt, hier wird wahrlich Eisen zu Gold gemacht! Kommt alle und seht!>>
--Das hat die Welt noch nicht gesehn, ein Kalb mit zwei Köpfen! Zu sehn nur heut und hier!--
=Gebratene Wachteln, köstliche Wachteln, im Dutzend billiger!=
***Nüsse in Honig, noch viel köstlicher!*** =Nichts geht über meine Wachteln, erst recht nicht deine Nüsse!=
Wie in jedem Jahr wurde in der Stadt ein Fest gefeiert, und die Menschen drängten zwischen den Ständen hindurch,
an denen Schmuck feilgeboten wurde und mancherlei merkwürdige Schöpfung der Natur zu bestaunen war.
Unter den Menschen drängte auch Chris durch die Gassen, ein Schäfer. Er war kräftig gebaut, von ansehnlicher Gestalt und trug einen schwarzen breitkrempigen Hut über der wollenen Weste und der schwarzen Hose.
Chris besah sich die Stände und nahm hier und da etwas von den angebotenen Köstlichkeiten.
Der Stand des Doctor Fahrazeuticus war von einer besonders großen Menge Volks belagert, die alle das Wunder zu sehen begehrten, daß das graue Eisen zu rötlichem Gold würde. Eine Schar Gaukler unterhielt die Zuschauer, während der Doctor geschäftig zur Tat schritt - und wahrlich, leuchtete das geschmolzene Metall nicht gülden?
Nachdem er des Wunders ansichtig geworden und hernach länger durch die Gassen gezogen war, erblickte Chris ein Mädchen, das traurig auf einem Pfosten kauerte.
Chris ging auf das zierliche Mädchen mit den langen blonde Haare zu, die von Staub durchsetzt waren, und besah ihr zerschlissenes Leinengewand und die rissigen Holzsandalen an ihren Füßen, welche sie offenbar schon weit getragen hatten.
Was fehlt Dir, kleine? fragte er sie. Allein und verlassen bin ich, allen zur Last und von allen gemieden.
Und du, sieh zu, daß ich nicht auch noch Dein Unglück werde Aber weshalb denn? Komm, erzähl mir was Dich bedrückt, hab keine Angst! Zögernd erhob sie sich und folgte Chris.
Nachdem sie das Kalb mit den zwei Köpfen bestaunt und einige Wachteln genossen hatten, ging Chris und das Mädchen an das Ufer des Sees, wo sie sich hinsetzten und sie ihre Geschichte erzählte.
Seit meiner Geburt habe ich allen nur Unglück gebracht. Ich wurde geboren an jenem Tag, als der König ermordet wurde.
Fast wäre meine Mutter gestorben als sie mich bekam. Alle reden davon, daß unsere Hühner gestorben sind an dem Tag,
als ich das erste Mal bei ihnen war, und auch meinen Geschwistern bin ich nie eine Hilfe gewesen,
die eine Schwester erlitt eine Fehlgeburt, die andere starb dabei, mein Bruder wurde vom Blitz erschlagen,
als er im Gewitter nach mir suchte. Da wurde ich fortgeschickt. überall wo ich seither ankam, geschah etwas,
etwas unerwartetes, schlimmes. Und alle, alle halten mich für schuldig!
Sie begann zu weinen, und Chris zog sie zu sich heran und strich ihr über ihre goldenen Haare.
"Hör nicht auf das was die Leute sagen, keiner bringt Unglück, nur weil er ist. Glaubst du das wirklich? Sicher glaube ich das, würde ich sonst mit dir hier sitzen? Du bist schön, und Unglück bringt keiner, eher nur Menschen die so reden wie sie es über dich tun.
Es war dämmerig geworden über der Stadt und dem See, und das Wasser lag still unter dem violettblauen Himmel
mit einigen Wolkengebirgen am Horizont. Zart leuchtete die dünne Sichel des Mondes zwischen den Wolken hervor.
Sie blickte auf und sah, wie eine Fledermaus über das Wasser huschte, einige Male auf und abstieg, sich überschlug und verschwand. "Hast du das gesehen? Die Fledermaus...ja, schau da ist sie wieder.
Eine zweite Fledermaus kam an die erste heran, und die beiden umspielten sich im Fluge.
Schau wie sie spielen Ja scheint daß sie sich mögen...
Es war kühl geworden am See, und Chris bemerkte, daß das Mädchen nur dünn bekleidet war. Sag, frierst Du nicht?
Ein wenig sagte sie und schmiegte sich an ihn an. Sag, nimmst du mich mit?
Du darfst gern mitkommen, wenn du nichts anderes hast, ich muß zu meinen Schafen dort hinten, unter der großen Linde.
Das ist schön, sie blickte ihn sehr erfreut an. Es wird kalt, laß uns gehn
Die beiden erhoben sich und gingen im schwachen Restlicht des Tages in Richtung auf die große Linde, wo die beiden Hunde die Schafe bewacht hatten.
Im Dunkel langten sie an, eng umschlungen, und legten sich nieder.
Das nächtliche Dunkel breitete einen Mantel über die weiteren Geschehnisse dieser Nacht und die Gefahren, die darin lauerten...