Liedinterpretation: "Bitterkeit" (von L'Ame Immortelle)

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Maurice
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Sa 11. Sep 2004, 19:22 - Beitrag #1

Liedinterpretation: "Bitterkeit" (von L'Ame Immortelle)

Lieder zu interpretieren ist immer zu einem gewissen Grad subjektiv und man kann nicht den Künstler fragen, was er mit einem Text sagen wollte. Eure Ideen und Interpretationen sind hier gefragt, also was denkt ihr über folgenen Song:


Bitterkeit

Tief in einer Welt
wo Gefühle nichtig sind
bin ich eingesperrt
Vor Haß schon völlig blind

Die Tränen sind die einzigen Zeugen
das ich Selbst noch existier´
Nahe dem letzten Schritt
Doch etwas hält mich hier

Überall ist Bitterkeit
Verzweiflung, und der Tod
Blut und totes Fleisch
werden unser täglich Brot

Denn, überall ist Bitterkeit
Verzweiflung und der Tod
Blut und totes Fleisch
werden unser täglich Brot

Ich sehe mich im Spiegel
doch erkenne Ich mich nicht
So entstellt vom Treiben hier
Eine Fratze - mein Gesicht

Das Leben in der anderen Welt
ist mir schon völlig fremd
Wie der Mond am Abendhimmel
Ich kann es mir nicht erklären

Überall ist Bitterkeit
Verzweiflung und der Tod
Blut und totes Fleisch
werden unser täglich Brot

Denn - überall ist Bitterkeit
Verzweiflung, und der Tod
Blut und totes Fleisch
werden unser täglich Brot

Du bist der einzige Grund
Der mir hilft - hier zu bestehen
Wärst Du nicht hier, tief bei mir
Würd´ den letzten Schritt Ich gehen

Die Liebe zu Dir hält mich
Und gibt mir neue Kraft
Um hier zu überleben
Bald ist es geschafft

Überall ist Bitterkeit
Verzweiflung und der Tod
Blut und totes Fleisch
Werden unser täglich Brot

Denn - überall ist Bitterkeit
Verzweiflung und der Tod
Blut und totes Fleisch
werden unser täglich Brot (3mal)



Mein Ansatz kurz: Es geht hier offensichtlich um Schmerz, wo ich mir sehr unsicher bin, ist ob es eine positive oder negative Message hat. Ja es geht um Leiden, aber lese ich aus dem Text auch Hoffnung. Was mich verwirrt ist "Lügen - totes Fleisch werden unser täglich Brot". Was hat es mit den Lügen auf sich? Ist die Hoffnung nur eine Lüge? Aber wenn die Person weiß, dass es eine Lüge ist, warum hat sie dann Hoffnung? Das wäre paradox, also kann es das imo nicht sein. Was denkt also ihr?


Edit: Taboo hat mic hdarauf hingewiesen, dass ein Fehler in den Lyrics war, den ich jetzt nachträglich korrigiert habe. Für die die hier später erst lesen sollten, nicht wundern, wo denn die "Lügen" hin sind, die waren der Fehler. ;)

Sunset
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So 12. Sep 2004, 11:16 - Beitrag #2

Ich denke nicht, dass es direkt um Herzschmerz geht. Hauptthema des Liedes ist denke ich, dass einen die Menschen der Umgebung so weit treiben, dass man nur noch sterben will. Es gibt allerdings eine Person, die man liebt und die einen am Leben hält, dass man alleine für diese Person, weil diese nicht ignorant und rücksichtslos ist, lebt bzw. diese eben einen am Leben hält. Und das ist auch die einzigste Sache, die in dem Lied Hoffnung ausstrahlt.

"Lügen - totes Fleisch werden unser täglich Brot"
Ich denke das mit den Lügen bezieht sich nicht auf die Hoffnung, sondern ist eher eine Sache, mit der man tagtäglich im Leben konfrontiert wird.
Was es mit dem "toten Fleisch" auf sich hat, weiß ich nicht so genau... bzw. ich bin mir darüber noch nicht im Klaren.

So far...
Sunset

Maurice
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So 12. Sep 2004, 12:52 - Beitrag #3

Mein Problem ist wohl, dass ich den Text verscuhe auf möglichst viele Arten zu interpretieren. ^^*

Da zwischen "Lügen" und "totes Fleisch" kein "und" steht, könnte das tote Fleisch ein Sinnbild für die Lüge sein. Das Komma als Mittel einer Aufzählung, also eines ungeschriebenen "und" macht hier grammatische imo weniger Sinn und wäre dann wohl nur aus klanglichen Gründen verwendet worden. Lügen = totes Fleisch als Möglichkeit, ansonsten müsste man das tote Fleisch übersetzen, aber für was könnte das Fleisch stehen?

Die Person da spielt ja mit Suizidgedanken ("Nahe dem letzten Schritt"), dass die Liebe sie nun wirklich hält ist imo nicht völlig eindeutig.
Es heißt "Wärst Du nicht hier, tief bei mir" was imo danach klingt, dass der Geliebte im Herzen der Person ist, aber nicht bedeuten muss, dass sie sich auch körperlich Nahe sind. Auf der anderen Seite ist die Person ja auch in einer anderen Welt, und "tief bei mir" könnte bei ihr in dem Loch sein, in dem sie gefühlsmäßig ist. Also ausführlicher geschrieben hieße es dann wohl "wärst du nicht hier tief unten bei mir in meinem Abgrund". Ich empfinde die erste Deutung aber als naheliegender. Darauf folgt dann die Frage ob sie nun körperlich getrennt sind oder nicht.

"Bald ist es geschafft" ist eine andere Passage die mir Probleme bereitet. Was ist bald geschafft? Ich tippe mal, dass beide wieder vereint sind. Aber der Satz ist mir zu uneindeutig, auf was er hinaus will. Ich kann mir nämlich vorstellen, dass inhaltlich da auch stehen könnte "bald ist es vorbei", was dann doch auf eine Ableben hindeuten könnte.

Wo ich zu Beginn schon von möglichst vielen Ansätzen gesprochen habe, hier wohl noch ein kurioser: Statt an einen anderen Menschen zu denken, der ihr Kraft gibt, könnte auch Gott gemeint sein. Zumindest weißt kein Satz darauf hin, dass es sich um einen Menschen handeln muss. Ist wie gesagt nur ein weiterer Deutungsansatz.

Sunset
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Mo 13. Sep 2004, 21:14 - Beitrag #4

Mmh... es könnte durchaus möglich sein, dass Lügen für totes Fleisch steht. Nur leider finde ich keine Verbindung dieser 2 Begriffe.

Ich denke allerdings immer noch, dass die Liebe die Person am Leben hält und ich denke, dass es keine Rolle spielt, ob die Person körperlich da ist, oder eben "tief bei mir". Wobei ich dieses "tief bei mir" eher deuten würde, als "tief bei mir im Herzen / in meinen Gedanken".
Es ist auch nicht sicher, dass die Person in einer anderen Welt ist. Schließlich wird ja nur gesagt "Tief in einer Welt, wo Gefühle nichtig sind". Und mit 'dieser' Welt ist die Welt gemeint, die jeder sieht / in der jeder ist. Natürlich kann man sagen, dass die Person irgendwo sicher in ihrer Welt ist, da wenn man an Suizid denkt, die Denkweise sehr eingeengt ist und gewisse Dinge sehr herausstechen und andere Dinge weniger deutlich sind.

Das "bald ist es geschafft" bereitet mir auch Probleme. Vll ist damit auch gemeint, dass es bald geschafft ist über die Suizidalität hinwegzukommen!? Schließlich heißt es ja davor "die Liebe zu Dir hält mich und gibt mir neue Kraft um hier zu überleben". Ich bin mir jedoch nicht sicher.

Meiner Meinung nach handelt es sich eher um eine Person, als um Gott. Man muss schließlich noch ein bissl die Band ansich mit einbeziehen. Welche Einstellung diese hat. Somit würde ich diesen Punkt ausschließen.

So far...
Sunset

Wombat
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Sa 18. Sep 2004, 06:23 - Beitrag #5

Gute Ansätze

Hier mein Senf dazu:

Tief in einer Welt
wo Gefühle nichtig sind
bin ich eingesperrt
Vor Haß schon völlig blind


Das Tief unterstreicht hier nur, wie intensiv die Person schon in diesem Hass steckt. Es muss nicht die Welt sein, die jeder sieht, sonst würde es heißen "in der Welt" und nicht in einer Welt.

Die Tränen sind die einzigen Zeugen
das ich Selbst noch existier´
Nahe dem letzten Schritt
Doch etwas hält mich hier


Ja, hier handelt es sich ziemlich offensichtlich um den Gedanken an Selbstmord, aber es ist nur der Gedanke.

Überall ist Bitterkeit
Verzweiflung, und der Tod
Lügen - totes Fleisch
werden unser täglich Brot


Ich weiß nicht, wo Du den Text her hast, aber es heißt nicht Lügen, totes Fleisch, sondern Blut und totes Fleisch. Du mußt schon etwas genauer hinhören, wenn Du einen Liedtext nur vom Hören verfaßt! Ein eindeutiges und zeigt hier, dass sowohl Blut als auch das tote Fleisch, wobei das eine ja mit dem anderen zusammenhängt, zum Alltag werden. Wofür die beiden Symbole stehen könnten, läßt sich nur spekulieren. Sicher ist, dass sie auf jeden Fall etwas mit dem Tod zu tun haben, etwas das gegen Leben ist. Und durch die Verzweiflung, die voran gestellt wurde, denke ich, dass diese der Auslöser für den Tod sind. Durch Verzweiflung bringen sich soviele Menschen um, dass es schon zum Alltag wird?

Ich sehe mich im Spiegel
doch erkenne Ich mich nicht
So entstellt vom Treiben hier
Eine Fratze - mein Gesicht


Kein interpretationsbedarf, da die Aussage klar ist

Das Leben in der anderen Welt
ist mir schon völlig fremd
Wie der Mond am Abendhimmel
Ich kann es mir nicht erklären


Da kommt es wieder mit der Welt. Die andere Welt stellt hier die "normale" Welt dar. Die Person selber befindet sich ja in der, wo es keine Gefühle gibt. Der letzte Satz drückt aus, dass sie sich so schleichend von der einen in die andere Welt gerutscht ist, dass sie es nicht mal richtig wahrnehmen konnte.

Du bist der einzige Grund
Der mir hilft - hier zu bestehen
Wärst Du nicht hier, tief bei mir
Würd´ den letzten Schritt Ich gehen

Die Liebe zu Dir hält mich
Und gibt mir neue Kraft
Um hier zu überleben
Bald ist es geschafft


Wie ich das verstehe, muss das "Du" nicht unbedingt eine Person sein, was natürlich viel einfacher zu interpretieren ist, wie aber schon oben aufgeführt. Allerdings denke ich, dass es nicht unbedingt ein Partner sein muss, sondern man kann ja auch noch sein Kind, seine Eltern oder andere Personen lieben.
Das zweite, was das "Du" bedeuten könnte, ist ein Gefühl. Der letzte Funke Lebensgier oder der Instinkt zu kämpfen.
Daher macht die letzte Zeile auch einen Sinn, nämlich dann, wenn sie von alleine stirbt und sich nicht selber umbringen muss.

Zu erwähnen ist natürlich auch, die Musik, denn ein Text allein macht die Stimmung nicht aus, die rübergebracht werden soll.
Und je nach Version klingt es mal traurig (Piano-Version) oder eher fröhlich. Das liegt vielleicht daran, dass bei der ersten Version nur Sonja singt, wobei bei der anderen die verzerrte Männerstimme das Lied ein bißchen mehr Power geben.

Maurice
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Sa 18. Sep 2004, 09:23 - Beitrag #6

Ich hatte auch die ganze Zeit "Blut und totes Fleisch" gehört, aber in den Lyrics die ich im Internet gefunden hatte (keien offizelle HP) stand es eben so. Ich hab mich auch gewundert und dann eben gedacht "da hast du dich wohl die ganze Zeit arg verhöhrt". ^^*
Ich korrigiere gleich mal den Punkt. Zum Glück wars nur der einzige Fehler.

Finde alles sehr interessant, was du geschrieben hast, wir haben da ja weitgehenst die gleichen Ansätze, nur zum letzten Abschnitt hast du noch mehr Interpretationsmöglichkeiten dargestellt. Zu welcher Version neigst du eigentlich persönlich oder welche hälst du für am naheliegensten?

Aber was die Musik angeht, so teile ich nicht deiner Meinung. Versuche ich mir den Gesang bei der Piano-Version wegzudenken, also nur das instrumentale zu hören, dann hat es auf mich keine negative Wirkung in dem Sinne, dass es einen traurig macht. Zwar ist die Melodie etwas melancholisch, aber auf mich wirkt sie nicht traurig, sondern sogar auch etwas positv wirkendes. Das sind natürlich subjektive Eindrücke, aber wenn ich nur die Melodie hören würde, würde ich sie weder als richtig traurig noch fröhlich beurteilen, sondern als ein Gemisch davon.

Wombat
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So 19. Sep 2004, 04:23 - Beitrag #7

Ich finde den Gedanken mit dem eigenen Gefühl besser. Schließlich muss nicht jedes Lied um Liebe handeln.

Außerdem was bringt es der lyrischen Person, wenn sie überlebt, und dennoch in der anderen Welt abgekapselt ist? Und man sagt doch eine Person ist nah bei einem und nicht tief in einem!

wie gesagt, bei dem Lied spielen sowohl Gesang als auch Hintergrund eine Rolle, wenn Du nur das instrumentale betrachtest ist es logisch, dass es sich anders anhört als mit Gesang. Mein Vergleich von oben galt den beiden Versionen, die sich hauptsächlich folgendermaßen unterscheiden:

1. Piano-Version: Nur Frauenstimme und Piano
2. die andere Version mit vielen Instrumenten udn einer zusätzlichen verzerrten Männerstimme.

Wenn man die beiden Versionen miteinander vergleicht scheint erstere trauriger.


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