Nochmals zur aleanjres Unterscheidung von Mitgefühl und Mitleid bzw. ihrer Scheidung des landläufigen Mitleids in positives und negatives:
Die negativen Merkmale, die Du bzgl. des Mitleids aufzählst, also im wesentlichen, dass die Handlungsfähigkeit stark eingeschränkt werden kann, ist kein sich auf Mit-Leiden beschränkendes Phänomen, sondern kann Leiden im Allgemeinen eigen sein. Die Unterscheidung muss also eher beim Begriffs des Leidens ansetzen als bei dem des Mitleidens. Bei einem starken Charakter mag es durchaus der Fall sein, dass er Leid tief spürt, seine Handlungsfähigkeit aber trotzdem behält.
Was du Mitgefühl nennst, würde ich eigentlich nicht so nennen, denn die Komponenten, die du ihm zubilligst, sind eigentlich keine des Gefühls, sondern die des Respekts, des Anerkennens dessen, dass der Gegenüber auch Mensch ist. Im Idealfall bezüglich der Handlungsfähigkeit hätte dieses Anerkennen sogar möglichst wenig mit Gefühlen zu tun.
@Traitor
Ich denke, Nietzsche wäre auch gegen deine Form des Mitleids. Siehe z. B. folgendes Zitat aus dem Antichrist:
Die Schwachen und Missratenen sollen zugrunde gehn: erster Satz unserer Menschenliebe. Und man soll ihnen noch dazu helfen.
Was ist schädlicher als irgendein Laster? - Das Mitleiden der Tat mit allen Missratnen und Schwachen - das Christentum...
@Maurice
Man kann sicherlich auch ohne echtes Mit-Leid helfen, allerdings besteht, denke ich, ohne Mit-Leid auch keine echte Liebe, denn das Wohl des Geliebten bedingt dann zu nicht unwesentlichen Teilen das eigene Wohl, was auch bedeutet, dass etwaiges Leid des Geliebten Leid für einen selbst bedeutet.
Zu Nietzsche:
Wenn man den Willen zur Macht als obersten Ziel des Menschen und Stärke als sein Ideal setzt, verbietet sich Mitleid im nicht außergewöhnlichen Sinne. Dieser außergewöhnliche Sinn besteht höchstens im Mit-Leid mit einem anderen Starken, einem selbstgewählten Freund, und die Form des Leidens muss eine nicht-handlungseinschränkende sein, da sich die Stärke in der Handlung zeigt. Auch Leid kann Leben bedeuten.
Ich persönlich halte Mitleid prinzipiell für etwas positives, aber nur nicht gewollt evoziertes Mitleid von Gegenüber zu Gegenüber, nicht das von Medien oder anderen Personen bewusst geschürte, wie es beispielsweise bei Flutkatastrophen oder noch extremer bei vermissten Kindern vorkommt. Wenn man da helfen will, sollten rationale Motive auf Basis allgemeiner Menschenachtung den Ausschlag geben, nicht Mitgefühl mit Leuten, die man nicht kennt. Mitleid sollte auch möglichst nicht lähmen, aber das sollte Leid im Allgemeinen nicht, jedenfalls nicht in Situationen, wo man es sich nicht leisten kann.
Padreic
Edit: Noch als kleine Anmerkung zu meinem Verständnis der "besten" Form des Mitleids: Echtes Mitleid, wie ich es verstehe, sollte immer auf einem echten Mitfühlen und auch auf einer Form von Liebe basieren, die auch ein Verstehen-Wollen und ein Helfen-Wollen impliziert. Teilweise wird aber auch etwas als Mitleid bezeichnet, das schon fast so etwas wie Verachtung ist, ein Herunterschauen auf den Anderen. Das ist sicher eine Fehlform. Echtes Mitleid bemüht sich immer um gleiche Augenhöhe mit dem Gegenüber, das kein ganz Anderer mehr sein soll.