Aufgeklärter Hedonismus

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Maurice
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Fr 22. Okt 2004, 18:12 - Beitrag #1

Aufgeklärter Hedonismus

Als ich mit Google nach "Hedonismus" gesucht habe, habe ich folgendes imo interessantes Interview gefunden:
http://www.schmidt-salomon.de/kanitscheider.htm

Hedonistisch sind heutzutage wohl viele Menschen, aber im aufgeklärten Sinne nur ein Teil davon. Der Begriff Hedonismus ist ja bei den meisten negativ vorbelastet, aber ein solcher Hedonismus, wie er da empfohlen wird, sollte doch anstrebsam erscheinen, oder nicht?
Besonders interessant finde ich das Argument, dass ein glücklicher Mensch keine Religion bräuchte und den Halt, den diese geben könnte auch in zwischenmenschlichen Beziehungen zu finden sein könnte. Für mich klingt das plausibel.
Das größte Problem bei dem Konzept ist wohl, dass viele Menschen einfach nicht mit der Ansicht klarkommen, dass ihre Existenz begrenzt ist. Ein anderes Problem ist, dass bei einem aufgeklärten Hedonismus davon ausgegangen wird, dass der Mensch überlegt und vernünftig handelt, was oft ja leider nicht der Fall ist. Wenn dies der Fall wäre, dann spräche wenig dagegen ihm möglichst viele Freiheiten zu bewähren.
Das einzige wo ich persönlich nicht zustimme, ist sein Standpunkt zur Monogamie.
Ich sehe das Ganze also nicht völlig unkritisch, es wirkt aber insgesamt auf mich sehr vernünftig.
Was haltet ihr von den Ausführungen?

Padreic
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Fr 22. Okt 2004, 21:55 - Beitrag #2

Natürlich ist es vernünftig. Er tilgt die Unvernunft gerade zu aus, indem er fordert Maß zu halten, die Religion durch Lebensklugheit zu ersetzen etc.; und dabei sieht er nicht, dass die wahre Größe des Menschen, die er ebenfalls nicht sieht, zu einem Teil auch jenseits von Vernunft liegt.

Ich könnte jetzt viele literarische Beispiele nennen, die für mich zeigen, warum der Mensch gerade dann groß sein kann, wenn er nicht vernünftig handelt. Diese Beispiele von Größe würden durch den aufgeklärten Hedonismus zunichte gemacht. Vermutlich hätte ein Anhänger von ihm auch nie solche Werke geschrieben. Ähnliches kann man über viele Kunstwerke sagen. Die Welt wäre um vieles ärmer und niedriger (wenn auch glücklicher), wären alle aufgeklärte Hedonisten.
Ähnliches könnte ich über Religion sagen. Es mag durchaus sein, dass man mit gut funktionierenden sozialen Beziehungen kein großes Bedürfnis mehr nach Religion haben wird. Doch wird man nie vergleichbares in ihnen finden. Religion ist etwas einzigartiges, das durch nichts Anderes adequat ersetzt werden kann. Dem Menschen ist eine Anlage zur Religiösität gegeben, die er nicht ausnutzen muss. Aber kann.

Padreic

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Fr 22. Okt 2004, 22:20 - Beitrag #3

Padreic, dass hast du so gut geschrieben, dass ich jetzt kostbaren Webspace dafür missbrauche, nichts als Lob und Zustimmung auszudrücken! :s1:

Die Äußerungen dieses sehr interessante Artikels bezüglich Monogamie finde ich gar nicht mal so kritisch, sondern nur konsequent hinsichtlich seiner Lebenseinstellung. Es ist ja auch nicht zu leugnen, dass es sehr gut funktionierende polygame Gruppierungen gibt.
Sehr verwerflich hingegen sind die drastischen Ansichten zum Thema Drogen. Während Polygamie niemandem, der sich freiwillig darauf einläßt schadet, braucht die Wirkung bewußtsseinserweiternder Substanzen hier wohl gar nicht mehr diskutiert zu werden.

Maurice
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Fr 22. Okt 2004, 23:05 - Beitrag #4

Anzumerken sei hier, dass ich den Prof persönlich kenne und auch Seminare bei ihm habe. Ich schätze, dass er nicht nur auf mich, sondern auch auf euch einen positiven Eindruck machen würde. Aber das nur am Rande. Vielleicht fasse ich den Artikel auch deutlich weniger "objektiv" auf als ihr, da für mich diese Person, nicht bloß ein Name ist. Aber auch abgesehen davon, dass ich ihn kenne, wäre mir wohl seine Einstellung weitgehenst symphatisch, wenn ich ihn nicht kennen würde. Ich denke ich habe hier (abgesehen was Sexualität und Drogen angeht) schon eine ähnliche Postion hier im Forum geäußert, deshalb wohl die Symphatie.


@Alea: Was die Drogen angeht, so bin ich mich mir auch nicht sicher, wie ich es bewerten soll. Professor Kanitscheider plädiert in diesem Interview für ein vernünftiges Streben nach Glück und kein kurzsichtiges und wahrloses, weshalb ich glaube, dass er mit "Drogen" keine harten Drogen meint, denn diese wären ja unvernünftig und würden nur einen kurzzeitigen Kick geben, aber über längere Zeit eindeutig schaden. Ich verstehe es so, dass er es in Ordnung findet, wenn man sich in einen Rauschzustand versetzt, wenn dieser keine bedeutenden Nebenwirkungen nach sich zieht. Ich bin ja jemand der sehr auf bewusstes Verhalten und Selbstkontrolle aus ist, deshalb wäre ein solches Verhalten wohl nichts für mich, aber finde ich seine Aussage nicht uninteressant, dass sowas ok wäre, wenn es keine bedeutenden Nachteile nach sich ziehen würden.
Ich glaube es wäre zuviel des Guten, wenn ich in seine Sprechstunde gehen würde und ihn auf diese Thematik ansprechen würde... aber vielleicht könnte ich das ja mal machen und dann berichten, was er dazu gesagt hat. Wäre bestimmt interessant. Oder alles wichtige steht auch in einer der Bücher und ich müsste nur eins davon lesen.
Man muss ja bedenken, dass so ein Interview nur relativ wenige Inforamtionen enthält, im Vergleich zu einem Buch, und dass man vielleicht die ein oder andere Aussage missversteht, wenn einem die Hintergrundinformationen fehlen.


@Pad: Die Größe des Menschens liegt außerhalb der Vernunft? Jetzt enttäuschst du mich aber. Ich hatte ein kritischeres Bild von dir gehabt. Dass du so auf die Religion versessen scheinst, dass du schon die Unvernunft der Vernunft vorziehst, nur weil diese aus kurzsichtiger Perspektive nützlicher erscheint... Weitsicht, ja diese ist imo nötig um das wirklich Nützliche zu bewerten. Religion ist imo nur aus kurzsichtiger Perspektive nützlich, nicht aber wenn man sich um Weitsicht bemüht.

Warum wäre die Welt "ärmer und niedriger" wenn alle aufgeklärte Hedonisten wären? Was ist denn für dich "reich und hoch"? Der Mensch strebt von Natur aus nach Glück, warum sollte er also nicht einer Philosphie folgen, die möglichst vielen Individuen möglichst viel Glück beschert?
Es wäre hilfreich, wenn du dich etwas konkreter ausdrücken würdest, sonst kann ich wenn nur vermuten, was du mir oben genannten Attributen meinst.

Der Mensch hat eine Anlage zur Religion? Sollte er sich allein deshalb nutzen, weil er sie hat? Nur weil er eine Anlage hat, heißt dass nicht, dass diese auch als gut zu bewerten ist. Der Mensch hat auch eine Anlage sich gegenseitig den Schädel einzuschlagen, aber das ist nicht allein Grund dafür diese als nutzenswert zu betrachten.
Darüber hinaus empfinde ich in mir keine Anlage zur Religösität.

Padreic
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Di 26. Okt 2004, 15:07 - Beitrag #5

@Maurice
Dass der Professor auf mich einen positiven Eindruck machen würde, will ich durchaus nicht bestreiten. Man kann durchaus einen guten Umgang mit jemandem haben, mit dem man philosophische Differenzen hat (vielleicht ist sogar der Umgang mit aufgeklärten Hedonisten im Allgemeinen angenehmer). Auch will ich sicherlich nicht bestreiten, dass seine Position durchdacht ist und dass er sie auch intelligent zu verteidigen wüsste (vermutlich intelligenter, als ich sie anzugreifen weiß). Das heißt aber noch lange nicht, dass ich sie teilen muss...
Und ich würde auch sicherlich nicht behaupten, dass du deine Ansichten von ihm geklaut hast. Es dürfte durchaus allen hier im Forum klar sein, dass du selbst denken kannst.

Nun zum Thema:
Dass ich außer Vernunft in der Welt noch Wichtigeres sehe, heißt nicht, dass ich unkritisch bin. Alles auf Vernunft zu reduzieren, scheint mir demjenigen zu ähneln, der sich mit Ockhams Rasiermesser selbst die Glieder abschneidet, da der Körper auch ohne sie lebensfähig ist. Im Menschen ist mehr als Vernunft, er hat in mehr Richtungen Fähigkeiten. Fähigkeiten zu nutzen, bringt Reichtum in die Welt, sie verkümmern zu lassen, Armut.
Ich ziehe nicht die Vernunft der Unvernunft vor. Die Vernunft ist der Rahmen, in dem mein Verhalten spielt. Unvernünftigkeit hieße, dass mein Verhalten der Vernunft widerspricht. Deswegen sprach ich von etwas, das jenseits von Vernunft liegt. Ich kann es in meinen vernünftigen Rahmen einbauen, es widerspricht ihm nicht, aber ich kann es nicht daraus logisch ableiten. Es ist da mehr als Vernunft, aber nichts, das der Vernunft, recht verstanden, widerspricht.

Ich empfehle dir sehr, einmal Brave New World zu lesen. Da werden diese Topoi auch schon angesprochen. Meine Versuche, hier etwas darzulegen, würden die in diesem Buch verwirklichten genialen in vielen Zügen doch nur nachäffen. Ich will trotzdem einige wenige Worte dazu sagen.
Die Annahme eines universellen Strebens des Menschen nach Glück halte ich für eine grobe Vereinfachung. Der aufgeklärte Hedonismus sieht dieses nicht nur als faktisch, sondern macht es auch zum normativen Quellsprung unseres Handelns.
Natürlich, wenn man den Begriff Glück nur weit genug definiert, strebt man in jeder Sekunde nach Glück, wenn man denn überhaupt strebt, da wir ja immer die Erfüllung des Gewünschten wünschen und das dann ja schon Glück wäre. Aber es gibt noch ganz anderes Streben im Menschen als nach dem, was wir normalerweise Glück nennen, der Emotionen. Manchmal sucht der Mensch sogar regelrecht Leiden, was nur mit einer Verbiegung der Tatsachen auf das Glücksstreben zurückgeführt werden könnte. Der Mensch kann auch zu Gott streben, ohne dadurch direkt Glück zu erhoffen.
Alle diese Streben blendet der Hedonismus entweder aus oder wertet sie als schlecht oder überflüssig. Er schneidet sich die Natur des Menschen so zurecht, wie er sie gerne hätte, und macht sie so kleiner.
Natürlich ist es noch kein Grund, etwas zu tun, nur weil man es kann, genauso wenig, wie man jedem Streben nachgeben muss. Aber genauso wie jedes Böse zu Gutem führen kann, kann auch jedes Potential des Menschen zum Positiven genutzt werden. Was positiv ist, ist natürlich immer eine gute Frage, auf die ich selbstverständlich auch keine letztgültige Antwort habe; aber Positivität schlicht mit Glück gleichzusetzen wäre mir für einen Antwortversuch sicherlich zu platt. Da steckt doch mehr im Menschen.

Du verlangst in deinem Posting Konkretisierung. Ich sprach von literarischen Beispielen, die ich jedoch in meinem letzten Beitrag noch nicht brachte. Das will ich jetzt zur hoffentlichen Stillung deines Verlangens nachholen:
Ich weiß nicht, ob du Der alte Mann und das Meer gelesen hast. Es geht dort um einen alten Fischer, der viele Tage keinen einzigen Fisch gefangen hat und nun beschließt, weit hinauszufahren, in eine Gegend, wo er großen Fisch vermutet. Und er bekommt tatsächlich eine sehr großen an der Lein, zu groß, um ihn einfach hochzubekommen. Er lässt sich tagelang unter fast schon übermenschlichen Anstrengungen und Leiden (in Wirklichkeit sind sie eigentlich nicht übermenschlich, sondern verwirklichen gerade das Potential des Menschen), bis er ihn schließlich erlegen kann; doch der Fisch wird ihm auf der Heimfahrt komplett von Haien zerrissen.
Der aufgeklärte Hedonist hätte das Ganze sicherlich nicht gutgeheißen, er wäre umgekehrt, da die Anstrengungen selbst einem so großen Fisch nicht angemessen sind. Der alte Fischer hat aber gekämpft.
In seinen Gedanken findet sich auch die Erinnerung an zahlreiche Armdrückwettbewerbe, die er in seiner Jugend gewonnen hatte; nicht, weil er der Allerstärkste war, sondern weil er der Entschlossenste war und oft viele Stunden durchgehalten hat.
Auch hier hat der Fischer gekämpft. Und seine Größe bewiesen. Er hat sein Potential genutzt und dabei nicht an Glück gedacht. Sicher kann ich nicht beweisen, dass diese Tat groß war; ich will hier auch keine ausgefeilten philosophischen Konzepte zur Größe vorlegen, nur die schon bisher angedeuteten, aber in meinem Empfinden steht diese Ansicht der Größe fest. Und wovon soll die Philosophie ausgehen, wenn nicht vom von der Vernunft interpretierten und gereinigten Empfinden und Erleben?

Zur Religiösität:
Dein Verhalten erinnert mich ein wenig an den Lahmen, der den Langstreckenlauf verteufelt. Genauso bist du als jemand, der von sich selbst sagt, dass er keine Anlage zur Religiösität hat, gegen die Religion. Man mag sich fragen, wie du, der das religiöse Gefühl bestenfalls aus Berichten kennst, die nur einen groben Abklatsch des Erlebten darstellen können, über Religion kundig reden willst.
Ich kann auch sagen, dass der Mensch zwei Beine hat, auch wenn offensichtlich manche Menschen verkrüppelt sind. Es gibt immer Ausnahmen. Obgleich ich es durchaus für möglich halte, dass der Fall bei der Anlage zur Religiösität anders liegt und der Funke, der vielleicht in allen liegt, bei manchen schlicht und einfach noch nicht geweckt wurde.
Ich bin nicht auf Religion "versessen". Nur habe ich Schatten von dem erlebt, was religiöses Gefühl bedeuten kann. Und deswegen kann ich eben sagen, dass ich nicht erwarte, dass man auf Erden außerhalb der Religion etwas vergleichbares finden kann.
Natürlich soll man nicht vorschnell sein und wegen irgendeines religiösen Gefühls gleich die Existenz von Gott und allen Engeln postulieren. Es ist vielmehr eine ernsthafte Auseinandersetzung mit Religion, die von Nöten ist. Es ist mindestens genauso falsch, vorschnell anzunehmen, dass es keinen Gott gibt und dass das religiöse Gefühl auf nichts jenseits der menschlichen Sphäre verweist, wie dass es einen Gott gibt.
Ich frage mich auch, warum du meinst, dass Religion eine kurzsichtige Sache ist. Bisher war ich immer eher vom Gegenteil ausgegangen, auch wenn man die Annahme, dass es ein Leben nach dem Tod gibt (die ich auch nicht unterschreiben würde), nicht tätigt. Religion kann einem das ganze Leben lang Trost und Stärke spenden.

Padreic

P. S. Ich hoffe, ich habe mich zwischendrin nicht allzu weit vom Ausgangsthema entfernt. Ihr entschuldigt auch hoffentlich die für mich ungewöhnlich große Länge des Beitrages.

Maurice
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Di 26. Okt 2004, 20:53 - Beitrag #6

Pad wir haben doch schon mehrmal über BNW diskutiert, dir ist also allen Anschein nach entfallen, dass ich das Buch gelesen habe. Ich schätze, dir ist somit ebenfalls entfallen, dass ich die dort dargestellte Utopie als weitgehend positiv betrachte, mit ein paar wenigen Ausnahmen.

Warum Religion imo trotz kurzsichtigem Nutzen zu vermeiden sein sollte, würde hier zu ot werden.
Zu sagen man soll nicht über Religion urteilen, wenn man sie nicht "erlebt" hat, ist imo genauso als würde man sagen, man muss erst Drogen konsumiert haben, um sie zu bewerten.

Du gehst eben als Grundprinzip nicht von einem ontologisch Sparprogramm aus, was imo der Willkür Tür und Tor öffnet.
Du stellst einfach mehr Postulate auf, als imo nötig.

Der Mensch soll ohne Glieder leben können? Ok ein einzelner vielleicht, wenn er dann versorggt wird, aber wenn sich der Mensch als Spezies, also jedes Individuum sich die Glieder amputiert, so wird der Mensch aussterben.
Wir sollten uns immer innerhalb der Vernunft bewegen, weil nur dies Ordnung ermöglicht. Denken und handeln außerhalb der Vernunft ist chaotisch.

Deine Aussage, dass das Streben nach Kraft oder Gott nicht auf Glücksstreben zurückzuführen sein muss, lehne ich natürlich ab. Man muss sich ja nicht ständig bewusst sein, dass man nach Glück strebt, genauso wenig, wie man ständig bewusst nach Selbsterhaltung strebt, dennoch tut dies imo der Mensch für gewöhnlich. Angemerkt sei hier nur, dass der Selbsterhaltungstrieb allein durch das Glücksstreben noch überboten werden kann.
Wer nach Stärke strebt, strebt automatisch nach Glück, denn er hat es sich zur Aufgabe gemacht stark zu sein und es macht einen unglücklich, wenn man seine selsbtgesteckten Ziele nicht erreicht. Die Vermehrung von Stärke führt zu einem Gefühl der Befriedigung und damit des Glücks. Wie lange dieses anhält ist eine andere Frage. Nach Glück streben, heißt für mich nach dem Gefühl des Glücks streben und das ist aus meiner Sicht eine rein biologische, materielle Angelegenheit.

Rosalie
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Mi 27. Okt 2004, 00:59 - Beitrag #7

Lieber Maurice,
Zu sagen man soll nicht über Religion urteilen, wenn man sie nicht "erlebt" hat, ist imo genauso als würde man sagen, man muss erst Drogen konsumiert haben, um sie zu bewerten.
Ich denke, Du bringst Du zwei Dinge ganz schön durcheinander. Drogen sind etwas materielles. Sie können - und manche tun dies schon bei einmaliger Benutzung - den Menschen abhängig, sprich süchtig machen. Dadurch wird er krank, an Körper und Geist.

Religion ist nichts materielles, sondern eine geistige Sache. Das dabei u.U. Glückempfindungen, eine tiefe Zufriedenheit, Geborgenheit .... entstehen, ist nicht ihr primärer Sinn . Zuerst setzt man sich auf intellektueller Basis (wenn es einem nicht anerzogen wurde und dann kommt dies normalerweise verzögert) mit den Inhalten des Glaubens auseinander. Nun mußt Du Dich mal in die Lage versetzen (und ich denke Du kannst das) es gibt einen Gott. Wenn dieser nun merkt, da ist ein Mensch ernstlich bemüht seine Wurzeln zu finden, ist es doch möglich, dass er ihm dabei hilft?! Dies kann auch vielfältige Weise sein und ist nicht Teil dieses Threads.

Also langer Rede kurzer Sinn: Drogen wirken über den Körper und mittel- oder langfristig (z.T. auch kurzfristig) auf die geistigen Fähigkeiten. Die Religion - wenn sie nicht euphorisch oder sektierisch ist - ist zuerst ein Akt des Verstandes und des Glaubens, d.h. des Vertrauens. Sie beeinträchtigt nicht unsre geistigen Fähigkeiten, sonder schärft diese, da man alles aus einem vertieften und erweiterten Horizont aus betrachtet und macht in keinster Weise süchtig.

Gruß Rosalie

Maurice
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Mi 27. Okt 2004, 18:37 - Beitrag #8

Tja da sind wir anderer Meinung: Für mich ist auch Religion etwas materielles, da für mich alles materiell ist. Das Thema Energie lassen wie hier mal außen vor. ;)
Der Begriff "Religion" ist ein abstranktes Gednakenkonstrukt, was sich aber auf ein materielles Entsprechendes bezieht und auf der anderen Seite, weil das Konzept im Kopf des Menschens existiert auf diese Weise schon materiell. Und wenn du jetzt mit dem "Geist" kommst, der ist ja für mich auch materiell. ;)

Ob die Religon für die Psyche eines Menschens ist, würde ich mit einem jein beantworten. Auch nicht jede Droge muss allein schädlich sein. Es kommt auf den Gebrauch an, aber für mich überwiegen eben die Gefahren der Religion, weshalb ich von dieser abrate.

Die positiven Emotionen die mit Religion verbunden sind, ist nicht der primäre Ziel davon? Imo dient Religion ebenfalls der Befriedigung des Glücksstrebens und diese interlektuelle Basis die du ansprichst, ist bei genug religösen Menschen so wirklich nicht vorhanden.

Was Religon erweitert ist nicht die Grenzen des Verstandes, sondern nur der Phantasie. Religion öffnet der Willkür Tür und Tor. Das Konzept "Gott" bietet einfache Antworten, die nicht weiter hinterfragt werden, von einer Schärfung des Verstandes sehe ich da wenig, eher das Gegenteil. Man könnte sagen, dass Religion süchtig machen kann, da viele sich kein Leben mehr ohne diese mehr vorstellen können.

Ipsissimus
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Mo 1. Nov 2004, 17:27 - Beitrag #9

später sag ich noch ein bißchen was Inhaltliches dazu, im Augenblick mal nur auf die Schnelle: ich finde Kanitscheiders Aussagen mehr als bedenkenswert.

Padreics "Groß/Niedrig"-Begriff ist mir ein bißchen suspekt. Hatte der gute Mozart was von seiner Größe? Nehmen wir die Favelas billigend in Kauf, weil sie die größten brasilianischen Fußballer hervorbrachten?

Feuerkopf
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Sa 4. Dez 2004, 20:50 - Beitrag #10

Für mich ist dieser vorgestellte Entwurf ein sehr pragmatischer, menschenfreundlicher. Er ist nah beim Leben und konsequent im Hier und Jetzt.
Vor allem stellt er den Menschen in seiner Eigenverantwortlichkeit in den Mittelpunkt. Das ist ein sehr "erwachsenes" Konzept, das keine Jenseitserwartungen oder kontrollierende Gottheiten oder ähnliches braucht, um ein erfülltes Leben führen zu können.

In seiner Freiheit geht es sehr weit, aber m. E. nicht weiter, als die Freiheit des anderen, weil es Respekt für andere zeigt.

Es hat sehr viel mit Achtsamkeit zu tun, mit einem guten Umgang mit dem eigenen Körper und dem eigenen Geist.

Ich denke auch, dass mit Rauscherfahrungen bestimmt keine Heroin-Trips gemeint sind, denn die würden nachhaltig den Körper schädigen.
Die Aufgabe des Monogamie-Gedankens bedeutet ja nicht, ständig wechselnde Partner zu haben, sondern erlaubt die Freiheit, mehrere Beziehungen parallel zu haben.

Letztlich ist der aufgeklärte Hedonismus auch eine Utopie. Aber eine mir sehr sympathische, weil zutiefst menschenfreundliche.

C.G.B. Spender
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So 5. Dez 2004, 02:38 - Beitrag #11

Je weniger vernünftig man ist, desto schneller lebt man.

In der Schönheit der endlosen Schöpfung kann man sich unvernünftig schnell verlieren. Glücklicherweise.

Ich hoffe dieser Beitrag war ziemlich unvernünftig, denn ich will für einmal schnell leben und nicht langsam sterben,
nur diesen einen kurzen Moment lang, diesen einen göttlichen Augenblick lang.

Je mehr man redet, desto weniger Zeit hat man zum erleben.


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