Paradoxie zwischen Arterhaltung und Evolution?

Auf der Suche nach dem Sinn des Lebens und der Wahrheit.
Maurice
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Fr 22. Okt 2004, 19:33 - Beitrag #1

Paradoxie zwischen Arterhaltung und Evolution?

Folgender Text ist eine Notiz, über einen Gedanken, den ichschon seit ein paar Tagen habe, den ich aber bis gestern nicht ausformuliert habe. Wie gesagt es ist eine Notiz, also stellt nicht zu hohe Ansprüche an die Form. ;)
Ursprünglich wollte ich den Text als Wachsapfel posten, aber ich denke, diese könnte durchaus Grundlage für eine Diskussion sein, weshalb ich daraus einfach einen eigenen Thread mache.

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Der biologische Zweck des Lebens ist ja die Arterhaltung, doch in welchem Verhältnis steht die Evolution zu dieser? Lebensformen verändern sich mit der Zeit über Generationen, neue Arten entstehen und alte sterben aus. Evolution bedeutet biologischer Fortschritt. Wer nicht auf verändernde Bedingungen reagiert stirbt aus. Wer sich über längere Zeit wandelt, ändert sich in seinem Wesen. Arterhaltung bedeutet die Erhaltung der Art, also dass die Art fortbesteht. Bedeutet das, dass sich eine Art nicht zu stark in ihrem Wesen wandeln darf, weil sie sonst zu einer anderen Art wird? Verstößt es gegen die Arterhaltung, wenn an die Stelle einer Art eine andere tritt? Wenn ja, dann stünde die Evolution in Konkurenz zur Arterhaltung und eine Art dürfte sich nicht weiterentwickeln. Aber war es doch bisher für das Überleben einer Art notwendig, dass sie sich verändert. Hier liegt ein eindeutiger Widerspruch vor, wo also liegt der Fehler? Das Problem sehe ich im Begriff "Arterhaltung". Was eine Art ist, ist eine recht willkürliche Festlegung, weil sich eine Lebensform fließend verändert und abgeschätzt werden muss, wie weit man den Begriff "gleich" dehnt.
Und hier liegt meiner Meinung nach der Knackpunkt, nämlich der Begriff "gleich". Muss eine Art "gleich" bleiben, hat sie nur einen begrenzten Spielraum, wenn sie ihrer Bezeichnung treu bleiben soll. Die Lösung lautet wie folgt: Der Begriff "gleiche" muss dem Begriff "selbe" weichen bezüglich der Art zu ihrer Erhaltung.
Was meine ich damit? Um es verständlich zu machen, beschreibe ich ein kurzes Beispiel zum Begriff "selbe": Betrachten wir einen Baum über mehrere Jahre, so ist er natürlich die ganze Zeit derselbe, weil wir immer nur den einen Baum betrachten. Der Baum wird sich im Laufe der Jahre verändern, sodass es an uns liegt. ob wir ihn weiter den gleichen nennen oder ab wann nicht mehr. Wird der Baum dann gefällt und aus ihm z.B. eine parkbank gemacht, so nennen wir das Objekt nicht mehr "Baum" sondern "Parkbank", weil sich für uns die Form der Materie zu stark gewandelt hat. Dennoch handelt es sich noch um dieselbe Materie.
Überträgt man dieses Bild auf die Evolution einer Spezies, so existiert eine Art weiter, auch wenn sie sich so weit gewandelt hat, dass wir sie anders benennen. Der Spezies des Affens, von der wir abstammen ist also nicht ausgestorben, sondern lebt in uns weiter. Mit dieser Sicht lassen sich Arterhaltung und Evolution miteinander vereinbaren.

Nach folgenden Stammbaum und der genannten Betrachtugnsweise wäre somit z.B. der Australopithecus anamensis nicht ausgestorben, sondern würde in uns weiterleben.
http://www.willighp.de/evo/thema/images/stammbaum.gif
(Anmerkung: Ob der Stammbaum stimmt, spielt hier keine Rolle, er soll nur verdeutlichen, was ich meine.)

PS: Wenn ich es hier per IMG-Befehl poste, kann man die Schrift nicht lesen, als Dateianhang geht es nicht, weil es zu groß ist und so ist das Bild zu klein. Ihr müsst das Bild also auf Festplatte speichern und dann vergrößern, wenn ihr sehen wollt, wo die von mir genannte Spezies im Stammbaum vorkommt. Sorry.

Padreic
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Fr 22. Okt 2004, 21:00 - Beitrag #2

Als erstes muss man sich bewusst werden, dass 'Biologischer Zweck' nur eine Metapher sein kann. In der Naturwissenschaft gibt es, bedingt durch ihr Wesen, keinen Zweck. Der Punkt ist, dass wir unsere Gene so, wie sie sind, nicht hätten, würden sie nicht ein Interesse in uns bilden, dass andere Lebewesen mit den gleichen Genen in die Existenz treten, denn sonst wären unsere Gene nie verbreitet genug geworden, um eine eigene Art zu bilden. Biologisch betrachtet ist es höchstens eine Nebenwirkung, die uns dazu veranlasst, dass wir den Fortbestand unserer Abstammungslinie wünschen, der nur dadurch entsteht, weil das das einfachste Kriterium dafür ist, möglichst ähnliche Gene im Fortbestand zu halten. Eine radikale Evolution, die unsere Art über ihre Grenzen hinaus führt, können wir aus dieser Perspektive nicht wünschen, selbst wenn es unsere eigenen Nachkommen sind, die sich so ändern. Evolution ist ein Prozess, der ganz natürlich, ohne ein Interesse von uns entsteht, da es immer zufällige Abweichungen gibt und die best-angepassten sich am ehesten fortpflanzen werden. Der Arterhaltungstrieb ist erst einer der Auswüchse der Evolution.

Padreic

Asgard
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Do 28. Okt 2004, 14:46 - Beitrag #3

da kann ich padreic nur recht geben...
evolution entsteht durch mutationen in den genen und ist keinesfalls ein entscheidungs- oder aktiver anpassungsprozess.
die veränderung der umwelt induziert eine natürliche auslese oder nach darwin "survival of the fittest".
der fortpflanzungstrieb (bzw. arterhaltung), ist denke ich selbsterklärend, da es eine natürliche, genetische funktion ist, seine art, unterart, rasse zu erhalten...
ergo wäre die oben genannte these, die diese begriffe als paradox erklärt, falsch.
gruß, Asgard

Feuerkopf
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Do 28. Okt 2004, 16:54 - Beitrag #4

Na, Padreic, auch "Das egoistische Gen" gelesen? :s1: Ich schließe mich dieser faszinierenden Theorie übrigens an.

Maurice,
der Baum ist der Baum ist der Baum, und wenn sein Holz anschließend eine Parkbank bildet, so ist die Parkbank eine andere Erscheinungsform des Baums, ohne dessen biologische Weiterentwicklung zu sein.

Ein Ableger des Baums z. B. wäre ein neuer Baum und möglicherweise bereits eine Modifikation, je nachdem, was mit dem Erbgut passiert ist.

Übrigens ist tatsächlich etwas von der Ur-Eva in uns, denn die Erbinformation der Mitochondrien wird matrilinear - also über die Weibchen unserer Spezies - weitergegeben.

janw
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Do 28. Okt 2004, 20:37 - Beitrag #5

Tja, Feuerkopf, was Du alles weißt! :D
Ich glaub, da wird der Foren-Biologe überflüssig...

Das Matriarchat hat tatsächlich eine biologische Begründungsgrundlage durch die Mitochondrien-DNA.

Besonders interessant aber ist an ihr, daß sie sehr wenig mutiert ist und sozusagen Ur-DNA darstellt

Maurice
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Do 28. Okt 2004, 22:31 - Beitrag #6

Das mit dem Baum und der Bank sollte auch keinen evolutionären Aspekt darstellen, sondern nur die Begriffe "selbe" und "gleiche" illustrieren.

Feuerkopf
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Fr 29. Okt 2004, 09:41 - Beitrag #7

@Jan
Ich gucke immer brav meine "Sendung mit der Maus" oder "Galileo" oder "Quarks & Co" ;) Du meinst, mit der Weitergabe der Mitochondrien-DNA könne man das Matriarchat begründen? Not bad!

Maurice,
wenn Du den Baum und die daraus entstandene Bank in Beziehung setzen willst, dann doch über das, aus was beide bestehen: Das Holz.
Natürlich ist die Bank kein Baum und anders herum, aber die Bank besteht aus demselben Holz wie der Baum und ist dadurch eine andere Erscheinungsform des Baums.

Maurice
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Fr 29. Okt 2004, 12:16 - Beitrag #8

Feuerkopf habe ich denn was anderes gesagt? :confused:


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