Wahrheit und Wahrscheinlichkeit

Auf der Suche nach dem Sinn des Lebens und der Wahrheit.
Maurice
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So 31. Okt 2004, 13:04 - Beitrag #1

abgetrennt aus http://www.aj4.de/showthread.php?s=&postid=261599#post261599 (Padreic)
gute Frage, einfache Antwort: es gibt nichts, was wahr ist, es gibt nur Wahrscheinlichkeiten

Definitionssache. Es kommt darauf an, wie du den Begriff "Wissen" definierst und je nachdem kann man sagen es gibt wahre Erkenntnis oder es gibt sie nicht. Natürlich ist es dir überlassen, wie du den Begriff definierst, aber solltest du nicht vergessen, dass diese Definition ein Konstrukt ist. Der Begriff Wahrscheinlichkeit ist auch so eins und man könnte auch behaupten, dass es keine Wahrscheinlichkeiten gibt, wenn man die Definiton passend wählen würde.

Ipsissimus
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So 31. Okt 2004, 13:21 - Beitrag #2

"Definitionssache. Es kommt darauf an, wie du den Begriff "Wissen" definierst und je nachdem kann man sagen es gibt wahre Erkenntnis oder es gibt sie nicht. "

Die Conclusio mag noch so korrekt sein, der Wahrheitsgehalt steht und fällt mit den Prämissen. Insofern stimme ich dir zu, daß es - im Sinne eines logischen Systems - korrekte Ableitungen von dessen Axiomen gibt. Ich stimme ebenfalls zu, daß die Grundaxiomsysteme unserer Kulturen aufgrund Konsensbildung einigermaßen stabil sind, zumindest während einer Lebenszeit (was schon problematisch ist, siehe Ende 2. WK).

Auf dieser Basis mag es so etwas wie "gültiges Wissen" geben, gültig im Inneren einer Kultur und in einem gewissen Zeitraum. "Gültig" infolge Handhabung als "gültig", würde ich sagen. Grundproblem eines Axioms ist jedoch, daß es nicht erwiesen sondern gesetzt ist, gesetzt für bestimmte Zwecke. Damit ist dieses gültige Wissen prinzipiell mit einem Wahrscheinlichkeitswert versehen, der nicht 1 ist.

Maurice
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So 31. Okt 2004, 13:32 - Beitrag #3

Ich stimme dir zu, dass wir im absoluten Sinne nichts wissen. Nur finde ich es fragwürdig, immer im absoluten Sinne von wissen zu reden, was imo nämlich die Kommunikation erschwert.
Außerdem rein logisch kommen wir wohl nicht darum zu behaupten wir wüssten etwas, oder? Ich meine selbst du wirst doch wohl meinen, dass du weißt, dass du nichts weißt. ;)

Ipsissimus
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So 31. Okt 2004, 13:40 - Beitrag #4

nein, ich behaupte nicht, daß ich nichts weiß :-) Ich verfüge über genug "praktikables Wissen", um eine zeitlang mein Leben fristen zu können; und damit Wissen praktikabel ist, muß es nicht notwendig "wahr" sein, es muß nur vor dem Hintergrund des Kulturkonsens "Sinn" machen.

Deiner Kritik an Absolutheit als Referenzgröße kann ich mich nur anschließen, verweise jedoch darauf, daß aufgrund meiner ganzen Argumentation ich "eigentlich" gerade einer bin, der diese Absolutheit in Frage stellt :-)

Padreic
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So 31. Okt 2004, 14:15 - Beitrag #5

@Ipsissimus
gute Frage, einfache Antwort: es gibt nichts, was wahr ist, es gibt nur Wahrscheinlichkeiten

Es wäre natürlich unhaltbar, diese Aussage für wahr zu erachten. Auch zu sagen, dass sie wahrscheinlich ist, ist Selbstwiderspruch, da man hier wieder behauptet, dass es wahr ist, dass die Aussage mir wahr erscheint, womit es meiner Ansicht nach etwas gibt, was wahr ist. Entweder weicht man nun auf eine unendliche Kette von Wahrscheinlichkeiten aus (die aber aus zwei Gründen auch keinen echten Weg darstellt: erstens ist sie praktisch illusorisch, zweitens könnte man mit ihr das Spiel noch einmal beginnen) oder man wandelt die Bedeutung des Wortes 'gibt' bzw. schränkt seine Gültigkeit auf die Außenwelt ein.

der Unterschied mag minimal erscheinen, tasächlich ist er essentiell. Der Traum von "mittelalterlicher Gewißheit" ist ein Traum, der nur dann träumbar ist, wenn der Satz vom ausgeschlossenen Dritten gilt ("Entweder eine Aussage ist wahr oder ihre logische Verneinung ist wahr, eine dritte Möglichkeit gibt es nicht), doch gerade dieser Satz vom ausgeschlossenen Dritten wurde in der Logik seit Mitte bis Ende des 19. Jahrhunderts pulverisiert.

Diese Revolution scheine ich verschlafen zu haben. Man kann sich natürlich den Wahrheitsbegriff so definieren, dass das Tertium non datur nicht mehr gilt; formuliert man aber eine klare Aussage über einen real existenten Gegenstand, dann gibt es meines Erachtens keine dritte Möglichkeit.
Dass ich absolut verfizierbare Erkenntnis über eine objektive Außenwelt erhalten kann, will ich damit nicht behaupten. Aber heißt denn eine Aussage nur dann wahr, wenn sie von einem Subjekt mit absoluter Gewissheit ausgesprochen werden kann? Uns ist nur die Welt des Scheins gegeben, weshalb wir nie diese absolute Gewissheit über eine Außenwelt erlangen werden. Aber selbst über diese Welt des Scheins können wir wahre Aussagen treffen, denn hier ist Wahrscheinlichkeit Wahrheit.

Padreic

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So 31. Okt 2004, 14:40 - Beitrag #6

Juhu Sprachwissenschaft. :D
Der Begriff "wahr" ist unumgänglich. Man bedenke nur mal, dass Aussagen wahr oder falsch sein müssen. Dies sind viele nur in Bezug auf einen Kontext und lassen sich nicht am Satz an sich ausmachen.
Wenn ich z.B. sage "ich finde deine neue Hose toll", so kann diese Aussage wahr oder falsch sein, denn entweder finde ich sie wirklich toll oder ich behaupte dies nur und finde sie in Wirklichkeit nicht toll. Die Behauptung muss aber inhaltlich wahr oder falsch sein. Auf jeden Fall ist sie wahr bezüglich ihrer Existenz.
Komplizierter wird es, wenn man Ironie verwendet. Ich kann sagen "ich finde deine Hose schrecklich", aber weil ich das ineinem bewusst überspitzten Ton sage, wird Ironie suggestiert und mein Gegenüber wird glauben, dass ich die Hose in Wirklichkeit nicht schrecklich finde. Es wird "schrecklich" gesagt aber "toll" suggeriert, was aber nicht bedeuten muss, dass das suggerierte der wahren Meinung entsprechen muss. Dennoch muss die Person zwangsweise eine wahren Standpunkt haben und das ist sicher.
Und selbst wenn dies alles irgendwie widerlegbar wäre, so ist wenigstens wahr und sicher, dass ich diese Behauptung aufgestellt habe. ;)

Ipsissimus
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So 31. Okt 2004, 16:51 - Beitrag #7

zunächst mal wäre eine EXAKTE Definition oder zumindest Bedeutungserläuterung des Begriffes "Wahrheit" und seiner Ableitungen wünschenswert. Wie wäre es mit "Wahrheit ist die Feststellung von Isomorphie zwischen zwei getrennten Strukturen?" Die bewegten Bilder im Fernsehn sind isomorph zu der abgebildeten Wirklichkeit, zumindest hoffentlich. Hatte schon mal jemand das Gefühl, daß diese bewegten Bilder trotzdem lügen?


Padreic, ich erkenne in deinen Erläuterungen noch nichts, was mich wirklich zwingt, anzunehmen, daß mein Satz von Wahrheit und Wahrscheinlichkeiten nicht selbstreferentiell sein darf. Selbstverständlich unterliegt dieser Satz sich selbst, ist also mit einer Wahrscheinlicheit größer Null und kleiner Eins versehen.




"Diese Revolution scheine ich verschlafen zu haben. "

Fuzzy-Logiken, nicht-duale Logiken, mehrwertige Logiken, possibilistische Logiken, nichtmonotone Logiken - nur um ein paar der wichtigsten Stichworte zu modernen Logiksystemen zu nennen. Viele moderne technische Geräte aus der Elektronikbranche funktionieren nur, weil das Tertium non datur überflüssig ist :-)


"Man kann sich natürlich den Wahrheitsbegriff so definieren, dass das Tertium non datur nicht mehr gilt; "

das ist GENAU der Punkt: mensch kann sich den Wahrheitsbegriff so definieren, daß er bestimmte Zwecke erfüllt. Das heißt wiederum lediglich, daß es eine fixierte Wahrheit nicht gibt..



formuliert man aber eine klare Aussage über einen real existenten Gegenstand, dann gibt es meines Erachtens keine dritte Möglichkeit.""


was bitte ist ein real existierender Gegenstand? Eine Bewußtseinskonvention!

Ich sitze hier gerade an einem schönen stabilen, "harte Wirklichkeit" verkörperndem Schreibtisch. Was ist dieser Schreibtisch. Holz, ein paar Chemikalien, ein bißchen Kleber, ein bißchen Metall. Was sind die genannten Dinge? Moleküle und Molekülverbände. Was sind Moleküle? .... am Ende stehen ein paar Elementarteilchen in ihrem fortwährenden Geistertanz über das Nichts und ob das schon das Ende der Dekontruktion ist, wissen wir nicht.

Die General Semantics spricht in diesem Zusammenhang von Abstraktionsleitern. Auf jeder Stufe der Leiter "ist" der besprochene Gegenstand etwas anderes. Aber selbst die gesamte Leiter kommt nicht an seine Totalität heran. "Wahrheit" bleibt damit ein sehr pragmatischer Begriff, der nur zustande kommt, wenn du von der unerreichbaren Totalität, über die sich nichts aussagen läßt als ihre Unerreichbarkeit, sehr sehr viele Accidentien wegstreichst bis du bei der Abstraktionsschicht angelangt bist, auf die du den Wahrheitsbegriff anwenden willst, was insgesamt reine Willkür oder Zweckdienlichkeit bleibt.

Aber heißt denn eine Aussage nur dann wahr, wenn sie von einem Subjekt mit absoluter Gewissheit ausgesprochen werden kann?"

"Wahrheit" ist ein idealistischer und damit Absolutheit beanspruchender Begriff. Wenn du das aufgeben willst, bist du diesbezüglich nicht weit von dem weg, wo ich diesbezüglich auch stehe.


"Juhu Sprachwissenschaft."

vorsicht, Sprachwissenschaftler im Zweitstudium :-)


"Der Begriff "wahr" ist unumgänglich. "

reine Behauptung, der Begriff "wahr" ist vielmehr überflüssig :-)


"Man bedenke nur mal, dass Aussagen wahr oder falsch sein müssen."

reine Behauptung, Aussagen können vielmehr kontextabhängig wahr oder falsch sein und sie können sich dieser Kategorisierung komplett verschließen:
"Über meinem Bett schweben Engel"


"Wenn ich z.B. sage "ich finde deine neue Hose toll", so kann diese Aussage wahr oder falsch sein, denn entweder finde ich sie wirklich toll oder ich behaupte dies nur und finde sie in Wirklichkeit nicht toll. Die Behauptung muss aber inhaltlich wahr oder falsch sein. Auf jeden Fall ist sie wahr bezüglich ihrer Existenz."

der Begriff "toll" unterliegt in einem derartigen Maße der Vieldeutigkeit, daß seine Behauptung zu einer Allaussage wird. Da Allaussagen per Definition immer gültig sind, eignen sie sich nicht wirklich für eine Diskussion des Wahrheitsbegriffes.


"Dennoch muss die Person zwangsweise eine wahren Standpunkt
haben und das ist sicher."

reine Behauptung :-) zwing mich, das zu akzeptieren


"so ist wenigstens wahr und sicher, dass ich diese Behauptung aufgestellt habe. "

in der Tat, jedoch ist auch Descartes schon ein paar Jahrhunderte her :-) du könntest träumen

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So 31. Okt 2004, 17:28 - Beitrag #8

Germanistik-Student im zweiten Semester

Ja alles könnte ein Fake sein... aber warum sollte ich das annehmen?

"Man bedenke nur mal, dass Aussagen wahr oder falsch sein müssen."

reine Behauptung, Aussagen können vielmehr kontextabhängig wahr oder falsch sein und sie können sich dieser Kategorisierung komplett verschließen:
"Über meinem Bett schweben Engel"

Du ignoriest scheinbar meine Erklärung zu der Behauptung. Du gehst lediglisch auf einen kleinen Teil an. Dass eine Aussage vom Kontext abhängig ist, habe ich auch gesagt, aber warum sollten diese in diesem nicht wahr oder falsch sein?
Deine Aussage ob du Engel siehst ist auch entweder wahr oder falsch, nämlich bezüglich, ob du das wirklich denkst oder nicht und ob dort wirklich Engel sschweben oder nicht.

"Dennoch muss die Person zwangsweise eine wahren Standpunkt haben und das ist sicher."

reine Behauptung :-) zwing mich, das zu akzeptieren

Wenn du eine Aussage machst, so musst du diese Aussage entweder so auch meinen oder nicht, also ist die Aussage entweder wahr oder falsch. Widerlege das.

Padreic
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So 31. Okt 2004, 17:50 - Beitrag #9

@Ipsissimus
zunächst mal wäre eine EXAKTE Definition oder zumindest Bedeutungserläuterung des Begriffes "Wahrheit" und seiner Ableitungen wünschenswert.

Eine exakte Definition ist, wie bei jedem anderen Begriff, selbstverständlich unmöglich, da diese Definition für ihre Exaktheit wieder exakte Definitionen ihrer Bestandteile voraussetzen würde.
Wie wäre es mit "Wahrheit ist die Feststellung von Isomorphie zwischen zwei getrennten Strukturen?" Die bewegten Bilder im Fernsehn sind isomorph zu der abgebildeten Wirklichkeit, zumindest hoffentlich. Hatte schon mal jemand das Gefühl, daß diese bewegten Bilder trotzdem lügen?

Der Begriff der Isomorphie ist mir erstmal nur aus der Mathematik bekannt. Lehnt man ihn in deiner Definition an den mathematischen an, kommt wohl kaum etwas sinnvolles heraus (schon allein wegen der Zweidimensionalität des Fernsehbilds und der Dreidimensionalität der Wirklichkeit könnte keine Isomorphie vorliegen). Vielleicht solltest du daher deine Verwendung dieses Begriffes näher erläutern.
Padreic, ich erkenne in deinen Erläuterungen noch nichts, was mich wirklich zwingt, anzunehmen, daß mein Satz von Wahrheit und Wahrscheinlichkeiten nicht selbstreferentiell sein darf. Selbstverständlich unterliegt dieser Satz sich selbst, ist also mit einer Wahrscheinlicheit größer Null und kleiner Eins versehen.

Da kommt m. E. schon eine Retorsion in's Spiel. Du behauptest doch, dass die Aussage, dass der Satz eine Wahrscheinlichkeit von größer Null hat, wahr ist, was du dem Satz zufolge allerdings nicht kannst, da nichts wahr ist.

Fuzzy-Logiken, nicht-duale Logiken, mehrwertige Logiken, possibilistische Logiken, nichtmonotone Logiken - nur um ein paar der wichtigsten Stichworte zu modernen Logiksystemen zu nennen. Viele moderne technische Geräte aus der Elektronikbranche funktionieren nur, weil das Tertium non datur überflüssig ist :-)

Diese Logiken sind mir (bis auf die nichtmonotone) durchaus bekannt. Sie haben aber eine andere Problemstellung als ontologische Wahrheiten zu beschreiben. Übrigens schließen sich mehrwertige Logiken und das Axiom (p oder nicht-p) sich durchaus nicht aus.

das ist GENAU der Punkt: mensch kann sich den Wahrheitsbegriff so definieren, daß er bestimmte Zwecke erfüllt. Das heißt wiederum lediglich, daß es eine fixierte Wahrheit nicht gibt..

Der Schluss mutet mir höchst obskur an. Ich kann mir jeden Begriff nach Belieben definieren. Trotzdem kann ich, lege ich mich einmal auf eine Bedeutung fest, ihn durchaus auf Dinge anwenden ohne in Doppeldeutigkeiten zu kommen.
Es geht hier mehr um den Begriff an sich denn um die spezifische Lautkombination, die man ihm beilegt.

was bitte ist ein real existierender Gegenstand? Eine Bewußtseinskonvention!

Nein, das gerade nicht. Es ist etwas und nicht vielmehr nichts, weshalb die Existenz von Realem feststeht. Über dieses mögen wir keine sicheren Aussagen treffen können, es existiert jedoch unabhängig von unserem Bewusstsein.

"Wahrheit" bleibt damit ein sehr pragmatischer Begriff, der nur zustande kommt, wenn du von der unerreichbaren Totalität, über die sich nichts aussagen läßt als ihre Unerreichbarkeit, sehr sehr viele Accidentien wegstreichst bis du bei der Abstraktionsschicht angelangt bist, auf die du den Wahrheitsbegriff anwenden willst, was insgesamt reine Willkür oder Zweckdienlichkeit bleibt.

Dass man aus pragmatischen Motivationen heraus, den Begriff der Wahrheit ungenau verwendet, ändert nichts an der Existenz seines Geltungsbereiches.

Padreic

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So 31. Okt 2004, 19:10 - Beitrag #10

Nein, das gerade nicht. Es ist etwas und nicht vielmehr nichts, weshalb die Existenz von Realem feststeht. Über dieses mögen wir keine sicheren Aussagen treffen können, es existiert jedoch unabhängig von unserem Bewusstsein.

Möglicherweise hab ich da was falsch verstanden, aber wie will man beweisen, dass etwas real existiert? Das ist jetzt wahrscheinlich ein schlechtes Beispiel, aber ich hab kein anderes: Bei dem Film "Matrix" waren die Akteure zunächst auch überzeugt davon, dass etwas real existiert, von dem sie dann später erfuhren, dass es eben nicht real war, sondern eben nur in ihrem Bewusstsein vorhanden.
Oder meinst du einfach, dass wenn man sich einer Sache bewusst ist, zumindest "irgendetwas" vorhanden sein muss (sei es auch lediglich das Bewusstsein selbst)?

Ipsissimus
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So 31. Okt 2004, 19:20 - Beitrag #11

als Isomorphie bezeichnet man in der evolutionären Erkenntnistheorie die Entsprechung von Erkenntnisapparat und intersubjektiver Realität - gleiches Sensorium deutet auf die gleiche Art der Realitätswahrnehmung hin. In der Soziologie weißt der Isomorphiebegriff darauf hin, daß einander äquivalente Strukturelemente von unterschiedlichern Organisationen auf äquivalente Funktionen dieser Strukturelemente Hinweisen. Davon locker abgeleitet der Begriff, so wie ich ihn verwende, als die funktionale/strukturelle Übereinstimmung zwischen Beschreibung und Beschriebenem, d.h. daß es zu jedem Funktions- und Strukturelement einer beschriebenen Entität ein äquivalentes zuordnungsbares Element der Beschreibung gibt. "Wahrheit" wäre dann die Feststellung aufgrund eines Beweises, daß diese Zuordnung tatsächlich so besteht.



An welcher Stelle habe ich behauptet, daß dieser Satz wahr sei, Patreic? Ich weise diesem Satz lediglich eine (wesentlich) höhere Wahrscheinlichkeit zu als ich sie der möglichkeit einer definitiven "Wahrheit" zuweise. Und ausschließlich in diesem Sinne möchte ich alle meine Aussagen verstanden wissen. "Wahrheit" ist nicht mein Problem, mein Problem ist "Angemessenheit" und "Plausibilität".

Wenn du die Ontologie heranziehst, wird der Wahrheitsbegriff noch geisterhafter. Zunächst mal: trotz deiner Verneinung ist das, was wir als "die Realität" auffassen, eine Bewußtseinskonvention. Der Schreibtisch IST gemäß dem derzeitigen Stand der Physik ein Tanz von Elementarteilchen über dem Nichts; aufgrund der Spezifizität unseres Sensoriums und der Reizverarbeitung im Gehirn können wir ohne Hilfsmittel aber lediglich diese besondere Erscheinungsform davon zu einer konsistenten Wahrnehmung integrieren. Unsere Wahrnehmung beschäftig uns also nicht mit den Dingen, sondern sie beschäftigt uns mit sich selbst. Der Rest ist ein Abgleich, den wir in früher Kindheit lernen, eine Prägung, der wir unterliegen. Im Rahmen dieser Prägung lernen wir, Doppeldeutigkeiten zu vermeiden.

Auf Quantenebene sind keine definitiven Aussagen über den Zustand einzelner Quanten möglich, sondern nur Wahrscheinlichkeitsaussagen über eine große Zahl von Quanten. Das Universum ist nicht determiniert, die deterministische Komponente wird erst durch die Inflexibilität unserer Wahrnehmung hinzugefügt.



Maurice, die Möglichkeit gültiger Schlußfolgerungen auf der Basis eines Axiomenssystem habe ich bereits eingeräumt. Der "Wahrheitsgrad" der Schlußfolgerung steht und fällt aber immer noch mit dem Wahrheitsgrad der Axiome, der prinzipiell unentscheidbar ist.

Ich sprach nicht davon, daß ich Engel sehe; und ich sprach auch nicht davon, ob ich davon überzeugt sei, daß dort Engel sind. "Über meinem Bett schweben Engel" ist Beispiel einer Aussage, die sich einer Kategorisierung nach wahr und falsch verschließt.

Wenn du eine Aussage machst, so musst du diese Aussage entweder so auch meinen oder nicht, also ist die Aussage entweder wahr oder falsch. Widerlege das.


siehe oben. Wenn ich eine Aussage mache, bedeutet das, daß ich ihrem Inhalt ein höheres Maß an Wahrscheinlichkeit und kontextabhängig auch mehr Sinn zubillige als anderen Inhalten, nicht, daß ich sie für "wahr" in einem absoluten Sinne halte.

e-noon
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So 31. Okt 2004, 19:41 - Beitrag #12

@Ipsissimus
Inwiefern kann man diese Aussage keiner Kategorie zuordnen? Entweder schweben über deinem Bett Engel, oder tun sie´s nicht: Entweder ist diese Aussage demnach richtig, oder sie ist es nicht. Welche anderen Möglichkeiten siehst du?
Dass man nicht SAGEN oder WISSEN kann, ob eine bestimmte Aussage falsch oder richtig ist, heißt imo nicht dass sie nicht falsch oder richtig IST!

Ipsissimus
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So 31. Okt 2004, 19:51 - Beitrag #13

e-noon, Frage: Schweben über meinem Bett Engel?

Wie würdest du diese Frage entscheiden? beschreib mir ein Entscheidungsverfahren, das mir eine nachvollziehbare, belastbare Antwort liefert.

Ich weiß schon, worauf du hinauswillst: unabhängig von Entscheid- und Erkennbarbarkeit gibt es einen Zustand. Wozu Wittgenstein so schön sagt: Worüber man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen.

Aber es wird ja gerade nicht geschwiegen. Wenn du wüßtest, wievielen Menschen ich begegnet bin, die Engel sehen :-)

e-noon
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So 31. Okt 2004, 19:56 - Beitrag #14

Ich sagte doch schon: ICH könnte diese Frage nicht beantworten - aber das heißt nicht, dass es nicht feststeht, ob über deinem Bett Engel schweben! Etweder sie schweben da, oder nicht. Sie haben keine Alternativen! Was sollten sie denn sonst tun???

Ipsissimus
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So 31. Okt 2004, 20:02 - Beitrag #15

ich könnte sie mir so sehr einbilden, daß du und niemand mir das widerlegen könnte

lebt der Schizophrene in einer falschen oder in einer anderen Wirklichkeit?

Maurice
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So 31. Okt 2004, 20:13 - Beitrag #16

Ich glaube das liegt Problem liegt hier daran, dass ihr unterschiedliche Definitonen von "Wirklichkeit" habt. Für Ispi scheint mir dies wie im Solipsismus ein reines gedabkliches Konstukt zu sein, zu dem es kein unabhängiges Entsprechendes gibt. Würdest du dich als Solipsist bezeichnen?
Währen E-Noon von der "gänigen" Version ausgeht und den Standpunkt vertritt es gibt eine von uns unabhängigge Welt. Mit den Engeln bezieht sie sich auf diese von uns unabhängige Welt und fragt, ob in dieser Welt die genannten Engel vorhanden sind oder nicht. Dass du das nicht sicher beurtelen kannst, spielt hier keine Rolle.

Ipsi hier geht es nicht nur im die erkenntnistheoretische Praxis, sondern um den Gebrauch der Sprache, ich glaube da liegt dein "Fehler".

Ipsissimus
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So 31. Okt 2004, 20:20 - Beitrag #17

ich würde mich schon als jemand beschreiben, der starke solipsistische Tendenzen aufweist. In meiner spirituellen Praxis bin ich Zen-Buddhist, das paßt bekanntermaßen gut zusammen :-)

Aber ich würde nicht so weit gehen, daß ich mich auf einen ausschließlichen und definitiven solipsistischen Standpunkt zurückziehen würde. Ich wollte in meiner ganzen Darlegung lediglich darauf hinaus, daß die Feststellung von "Wahrheit" so hochgradig konsens- und kontextabhängig ist, daß die Frage nach einer absoluten Wahrheit, nach der Erfassung des absoluten Zustands eines Systems illusorisch bleibt. Und damit auch die Behauptung, DASS ein System einen definitiven Zustand aufweise.

e-noon
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So 31. Okt 2004, 20:43 - Beitrag #18

Wieso bedeutet die Tatsache, dass WIR ein System niemals vollständig erfassen können, denn automatisch, dass ein ein System keinen definitiven Zustand hat? :confused: Das ist eine Behauptung von dir (die übrigens auch wieder nur richtig oder falsch sein kann - also MUSS es doch etwas absolut richtiges oder falsches geben?)

Ipsissimus
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So 31. Okt 2004, 23:43 - Beitrag #19

... daß die Frage nach einer absoluten Wahrheit, nach der Erfassung des absoluten Zustands eines Systems illusorisch bleibt.


nach der Erfassung des absoluten Zustandes, also keine Behauptung meinerseits hinsichtlich dieses Zustandes

e-noon
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So 31. Okt 2004, 23:58 - Beitrag #20

Autsch, da hat mich wohl das Komma irritiert, sorry!

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