aleanjreModeratorin im Ruhestand


Beiträge: 2071Registriert: 10.05.2004
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Betroffenen wird nicht gesagt, was ihnen blüht, nämlich ein Mordkomplott ihrer Angehörigen mit einem Arzt? Damit sie sich NICHT ERSCHRECKEN???
Noch zynischer geht es wohl kaum noch, oder? Wer sich erschrecken kann, ist bei Bewußtsein und fähig wahrzunehmen, was mit ihm geschieht. Ergo auch in Besitz irgendeiner Form von Verständigungsmöglichkeit. Und wenn es links schielen für JA und rechts schielen für NEIN ist!
Absolut verabscheuungswürdig, solche Menschen, egal wie krank und leidend, wider ihres Willens einfach zu ermorden! Wenn sie sterben wollten, würden sie das artikulieren!
Auf der anderen Seite sind dann solche Fälle wie z.B. mein Schwiegervater. Nach 7 Jahren kontinuirlicher Verschlechterung der körperlichen und geistigen Verfassung wurde die Ursache seines Leidens festgestellt: Leberkrebs, Metastasen in Knochen, vermutlich auch Gehirn. Zu diesem Zeitpunkt hatte er bereits einen schweren Oberschenkelhalsbruch und jedes Stadium des langsamen Verfalls hinter sich. Entwürdigt, entmündigt udn nicht mehr fähig, sich selbst zu versorgen war er ans Bett gefesselt. Er hasste uns, (Schwiema, mich und die Damen der häuslichen Pflege) die ihn nackt auszogen und in Windeln verpackten, ihn drehten, obwohl das schmerzte. Er war aggressiv, schlug um sich, in seinen schlechten Momenten voller Panik. In seinen hellen Augenblicken hat er sich selbst verabscheut.
Das Morphiumpflaster machte ihn eher noch aggressiver, auch wenn er nun sehr viel schlief. Es war beinahe rohe Gewalt nötig, ihn überhaupt noch zu bewegen, ihm Essen und Trinken zu geben. Schwiegermama ist fast zerbrochen in diesen Wochen. Nur das Wissen, dass er starke Schmerzen leidet, für seine Taten nicht verantwortlich ist (er hat sie mehrmals an der Kehle gepackt und gewürgt, heftig geschlagen) und nur noch wenige Tage zu leben hat, ließ sie weitermachen. Ich war, im gleichen Haus wohnend, Tag und Nacht da.
Er erreichte bald das Stadium, wo das PFlaster allein nicht genügte. Nach kurzem Zusammenfalten des Arztes war der auch bereit, mich das Morphium spritzen zu lassen. Genau vorgeschrieben, was, wann, wieviel. Abgezählte Ampullen.
Mein Schwiegervater war auch Diabetiker. Mann, hat das in den Fingern gejuckt, ein wenig Todesengel zu spielen! Einfach kein Insulin geben, Zuckerkoma, Schock, erlöst!
Aber Schwiepa kämpfte. Er hatte noch irgendetwas zu sagen. In seinen wachen Momenten versuchte er zu sprechen, anscheinend hatte er aber nun auch in der Speiseröhre eine Metastase, die das Sprechen behinderte. Es kamen keine Worte. Einmal schaffte er es doch, Schwiema zuzuflüstern: "Du weißt ja, dass du meine Liebe bist."
Wir dachten, das wäre es gewesen, er würde nun Friede finden und aufhören zu kämpfen. Aber nun legte er erst Recht los. Einerseits konnte er weder Essen noch Trinken. Andererseits konnte er auch nicht loslassen. In diesem Stadium wäre Sterbehilfe dringend notwendig gewesen. Er fiel ins Koma. Und kämpfte weiter um jeden Atemzug. Ohne einen Tropfen Wasser (er verschluckte alles und spuckte es wieder aus) hat er noch 8 weitere Tage überlebt. Kämpfend, krampfend. Mit Nierenversagen über fünf Tage, Atemstillständen von bis zu 45 Sekunden. Der Hausdoc ließ keinen Zweifel daran, dass er die Morphiumampullen, den Blutzucker und alle Kopfkissen genau im Auge hatte. Nicht, dass er Schwiegermama nicht sehr gut verstanden hätte, hätte sie diesem Elend ein vorzeitiges Ende gesetzt. Sie saß 8 Tage und Nächte schlaflos am Bett eines Mannes, der grausam krepierte und voller Panik um jeden Atemzug fechtete. Aber vermutlich hatte dieser Arzt Angst, es würde auf ihn selbst zurückfallen.
Am Morgen des 8. Tages rief Schwiema mich runter. Morgens, ganz früh. Er schnappte nur noch alle 10 - 20 Sekunden mal hastig kurz nach Luft. Die Augen riesig aufgerissen, kämpfte er, voller Angst. Obwohl er noch nicht dran war, hab ich ihm sofort eine Morphiumampulle subcutan gespritzt. Wenn ich gewußt hätte, wirklcih sicher gewußt, dass es nicht bemerkt würde, ich hätte sie intravenös gespritzt. So dauerte es noch weitere 6 Minuten, bis er erlöst war.
Feuerkopf, ich weiß genau, was du mit dem Recht auf eigenen Willen meinst. Da eine richtige Entscheidung zu treffen, bedarf es eines Helden. Aber zwischen einem schwerkranken Menschen, der geistig voll da ist und einfach noch zu viel Angst hat, um sein Leben schon aufgeben zu wollen, noch über einige Wochen Zeit verfügt, mit seinem Leben abschließen zu dürfen, und einem Sterbenden, der von Angst und Schmerz gefoltert um jede Lebenssekunde kämpft, sind riesige Unterschiede.
Der eine braucht liebevolle Begleitung, spirituelle Unterstützung eventuell, Trost und Beistand. Der andere braucht nur noch Erlösung.
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