Warum sollte eine deterministische Sicht für einen Materialisten zwingend sein?

Auf der Suche nach dem Sinn des Lebens und der Wahrheit.
Ipsissimus
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Mo 1. Nov 2004, 12:56 - Beitrag #21

sollte es sich hier etwa um den Versuch handeln, die Unschärfe der Wirklichkeit zu bannen? :-)

Fangen wir mit dem trivialsten an, der Physik. Die Heisenbergsche Unschärferelation hat mit dem mechanischen Determinismus des 19. Jahrhunderts kurzen Prozeß gemacht. Es gibt eine prinzipielle, nicht messtechnische Grenzgröße für die Genauigkeit der Erfassung der materiellen Wirklichkeit. Alle Vorgänge, die in einer kleineren Größenordnung stattfinden und kausalitätsbildend sein mögen, können nicht mehr genügend genau erfaßt werden. Die Frage, ob sie einer Determination unterliegen oder nicht, bleibt daher genau so müßig wie die Frage nach der Existenz eines transzendenten Gottes. Aus unserer Sicht kommt an dieser Stelle ein unvorhersagbarer Zufallswürfel ins Spiel, dessen Verhalten nur probabilistisch über eine sehr große Anzahl von Würfen verstanden werden kann. Zumindest die Rückverfolgung von Kausalität findet hier eine Grenze. Das materielle physikalische Universum ist nicht deterministisch. Der Traum von dem Finiten-Elemente-Programm, das das gesamte Universum berechnet scheitert an der Unschärferelation.

Was Menschen anbelangt, ist die Situation eher noch schlimmer. Zum einen haben wir da die "innere Evidenz" von Freiheit. Noch ein Sklave weiß davon, weiß zumindest von der Möglichkeit freier Entscheidung. Diese innere Evidenz mag illusionär sein oder einen korrekten Eindruck wiederspiegeln - das ist "ihr" egal. Sie verbürgt sich ständig dafür, und das einzige Gegengewicht im Menschen ist die intellektuelle Infragestellung. Selbst noch unter dem Zustand expliziter Unfreiheit verbürgt sie sich derart dafür, daß wir von Freiheit träumen und - weil wir an die Möglichkeit glauben - nach ihr streben oder uns zumindest nach ihr sehnen.

Zum andern sind Menschen Wesen, die mühelos einander widersprechende Sachverhalte in sich bergen können. Ein Mensch kann sich danach verzehren, sein Idealgewicht wiederzuerlangen und dafür große Mengen Schokolade, Nüsse und Frankfurter Kranz in sich zu stopfen, ohne das Wiedersprüchliche daran zu realisieren, oder schlimmer, wenn er es realisiert hat, zu ändern.


Wenn wir also Bewußtheit als Funktion eines komplexen Zusammenspiels von Masse und Energie auffassen, haben wir auf der materiellen Seite einen Würfel im Spiel und auf der psychischen Seite ein gerüttelt Maß an Willkür. Freiheit als einen Zustand des materiellen Systems aufzufassen scheint mir gegenstandslos - bis an die Grenze der Unschärferelation handelt es sich dabei um nichts anderes als Masse und Energie, die sich gemäß der physikalischen Gesetze verhalten - die Moleküle einer Gehirnzelle können nach allem was wir wissen, nichts vorsätzlich beschließen - das kann erst die Metafunktion "Bewußtsein".

Also liegt Freiheit, wenn irgendwo, auf der psychischen Seite, ist mithin eine weitere Metafunktion der Materie und damit bis zu einem gewissen Grad unabhängig von der sie erzeugenden Materie. Für das Empfinden des Individuums scheint es mir dabei belanglos zu sein, ob die Empfindung von Freiheit auf einer Illusion beruht - ich verweise darauf, daß "Freiheit" kein physikalischer Begriff ist, sondern ein philosophisches Konstrukt.


Frage: inwieweit glauben wir dem Fernsehmechaniker die Behauptung, er könne aufgrund seines qualifizierten Wissens über die Elektronik und den Aufbau eines Fernsehgerätes zuverlässige Aussagen über die Qualität der auf dem Gerät empfangbaren Sendungen treffen?

Die Frage ist nicht als Witz gedacht - nach meinem Dafürhalten versuchen Neurologen und Biochemiker derzeit etwas Äquivalentes mit dem Gehirn und seinem Bewußtsein.


Das alles bitte ich, nur mal als lockere Assoziationskette, nicht als durchgefeiltes Konzept zu betrachten

e-noon
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Mo 1. Nov 2004, 15:12 - Beitrag #22

Wenn ich das richtig verstehe, ist also ein deterministischer Ablauf der Realität in unserem Universum möglich, jedoch unbedeutend, da man aufgrund der Folgen der Unschärferelation aus diesem möglichen Determinismus keine genauen Schlüsse ziehen oder Vorraussagen kann.
Wenn also das Universum determiniert ist, ist auch der Mensch determiniert, es spielt jedoch keine Rolle, da man niemals alle Informationen über einen bestimmten Zustand erfassen und daher auch nie die einzig mögliche Folge daraus schließen kann.

Demnach wäre eine deterministische Sicht für einen Materialisten nicht zwingend, sondern nur Glaubenssache, wie du es mit deinem Vergleich mit der Existenz eines transzendenten Gottes angedeutet hast.
Allerdings sollte auch, wer an eine Determiniertheit des Universums glaubt, sich der Tatsache bewusst sein, dass sie keine große Rolle spielt und nicht für exakte Vorraussagen genutzt werden kann.

Ipsissimus
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Mo 1. Nov 2004, 15:56 - Beitrag #23

ja, das ist eine ganz gute Zusammenfassung der Idee :-)

Maurice
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Mo 1. Nov 2004, 20:21 - Beitrag #24

Dieses *piep* System! Pilz-Forum, echt... also nochmal neu schreiben...

Ipsi soweit ich die Physiker-Fraktion in dem Zufall-Thread in der Wissenschaft-Sektion richtig verstanden habe, können wir nicht sagen, ob es Zufälle gibt. Die Unschärferelation zeigt uns nur, dass wir nicht sagen können, ob es Zufälle gibt, nicht aber dass es keine gibt. Für uns erscheinen die Ereignisse auf Quantenebene zufällig, was ja nicht bedeuten muss, dass sie es auch wirklich sind.

Ob der mensch determiniert ist, hat sehr wohl eine Auswirkung, nämlich auf sein Selbstbild. Es ist ein Unterschied, ob wir meinen selbst Dinge abwägen zu können, Handlungsmöglichkeiten zu haben und Entscheidungen zu treffen oder ob unser Handlung schon in jedem Fall feststeht. Ein Spruch wie "du hast dein leben selbst in der Hand" wäre dadurch Unsinn.
Ich sehe darin durchaus ein Problem.

Zur Auflockerung einen Witz der uns ein Prof heute erzählt hat:
Angeklagter: Ich bin determiniert , ich beantrage Freispruch.
Richter: Ich bin determiniert, ich verurteile sie zu 5 Jahren Haft.
:D

e-noon
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Mo 1. Nov 2004, 20:40 - Beitrag #25

*lol* Genauso muss man sich das vorstellen :D

Maurice, imo hat Ipsissimus die Existenz von Zufällen nicht bestritten, sondern nur ihre Relevanz in Bezug auf eindeutige Vorhersagen. In Bezug auf das Selbstbild allerdings ist es ein enormer Unterschied, der "Glaube" an den Determinismus enthebt einen nämlich bei geneigter Auslegung jeder Verantwortung :cool:

Auch wenn schon feststeht, was ich tue, sage, denke, im voraus wissen kann ich es nicht, sonst wäre ja die Überraschung weg. Die Gefahren, die in einer Annahme der Determiniertheit liegen, sind ja offensichtlich, Resignation und Passivität durch das Wissen, dass man sein "Schicksal" in keinster Weise verändern kann.

Ipsissimus
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Mo 1. Nov 2004, 21:06 - Beitrag #26

"Für uns erscheinen die Ereignisse auf Quantenebene zufällig, was ja nicht bedeuten muss, dass sie es auch wirklich sind."

nun, infolge der Grenze, die die Unschärferelation setzt, bleibt das unentscheidbar - zumindest für unsere Lebenszeit sehe ich auch keine große Gefahr, daß die Unschärferelation ausgehobelt werden könnte :-) und damit bleibt es bis an die Grenze unserer Erkentnisfähigkeit Zufall. Alles weitere wäre bereits Transzendenz - eine idealiter denkbare Möglichkeit, die realiter aber gegenstandlos ist.

Maurice
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Mi 17. Nov 2004, 20:21 - Beitrag #27

Und wir haben doch Freiheiten

Traitor hat zwar schon vor einer kleinen Ewigkeit angekündigt, einen Post zu verfassen, in dem er darlegt, dass aus einer materiellen Sicht der Welt kein völlig unfreier Mensch resultieren muss, aber da er das immer noch nicht gemacht hat und er das wohl auch so schnell nicht macht, habe ich mich noch intensiver selbst mit der Problemlösung beschäftigt.
Traitor meinte, dass es ein Fehler sei von einem mechanistischen Weltbild auszugehen, weil dieses veraltet sei. Er führte dies nicht weiter aus und ich verstand nicht was er meinte, bis ich heute im Bunge-Seminar etwas gehört habe, was wohl das ist, was Traitor meinte. Ja das hätte mir auch vorher einfallen können, aber wenn man nur GK-Physik gehabt hat, dann neigt man wohl eben zu einem veralteten Weltbild. ^^*
In der Uni und auf dem Weg nach hause, habe ich weiter über die Thematik nachgedacht und mir kamen neue Ideen, die sich zu einem interessanten Ganzen entwickelten. Zu Hause habe ich als erstes den Block rausgenommen und geschrieben. Der Text ist jetzt noch nicht überarbeitet, ich hoffe er ist nicht zu chaotisch, verzeiht also mögliche Schwächen. ;)
Hier also mein Versuch:

------------------------------------------------

Es erscheint uns eindeutig, dass der Mensch ein lebendes Subjekt ist und ein Stein ein totes Objekt. (Anmerkung: "Subjekt" sei hier im groben descartischen Sinne als "denkendes Wesen" definiert.)
Geht man von einem mechanischen Weltbild aus, in dem Materie rein passiv ist, so muss wohl alles, das aus ihr besteht, dies ebenso sein und nicht aktiv. Aus dieser Sicht macht der Begriff "Subjekt" keinen Sinn, da alle Dinge bloße Objekte sind, die sich nur in ihrem Aufbau allein und nicht in ihrer Qualität unterscheiden lassen. (Anmerkung: Was unterschieden werden kann, muss nicht zwangsweise unterschieden werden.) Doch ist es eine falsche Sicht, wenn man meint Materie sei nur passiv, denn sie besitzt ein "Eigenleben". Damit ist gemeint, dass Materie aktiv ist, weil diese Kräfte besitzt, mit der materielle Teilchen auf andere wirken. Wenn Materie aktiv ist, dann ist ein Ding, das aus ihr besteht auch aktiv. Es gibt keine absolute Passivität, passiv ist etwas nur in Relation zu einem aktiveren Ding.
Wo liegt nun der Unterschied zwischen Subjekt und Objekt? Wir nennen den Menschen Subjekt und den Stein Objekt, weil ersterer im Gegensatz zu letzteres eun Bewusstsein besitzt. (Anmerkung: Dass wir ein Bewusstsein haben ist eindeutig und der Stein besitzt laut uns keines, weil wir keinen Grund zum Anlass haben, ihn ein solches zuzuschreiben. (siehe ontologisches Sparprogramm (/MEG)))
Wo liegt der Unterschied zwischen den beiden folgenden Aussagen?
1. "Der Mensch tötet XY"
2. "Der Stein tötet XY"
"Töten" bezeichnen wir als Tätigkeit, diese lässt sich in zwei Arten unterteilen:
1. Handlung
2. Verhalten
Eine Handlung ist ein Verhalten, dass mit einem subjektiven Sinn (Absicht) verbunden ist. Ein Subjekt kann einen solchen Sinn haben, muss dies aber nicht bei jeder Tätigkeit haben, deshalb kann es sich sowohl verhalten als auch handeln. Ein Objekt kann sich nur verhalten.
Tätigkeiten laufen nicht ohne Grund ab, sie sind kausal. Ein Objekt reagiert nur auf Einflüsse, weshalb es sich nur zu anderen Dingen verhält. (Anmerkung: Da es keine absolute Passivität gibt, liegt auch im reagieren ein Grad von Aktivität.) Da eine Handlung eine bewusste Tätigkeit ist, lässt sich diese nicht auf eine bloße Reaktion in ihrer Kausalität zurückführen, weshalb hier von Entscheidung gesprochen werden soll. Entscheiden bedeutet, zwischen mehreren Möglichkeiten wählen zu können und dies macht nur Sinn, wenn alle Möglichkeiten wählbar sind. Ohne Wahlmöglichkeit keine Entscheidung. Weil der Mensch ein aktives und bewusstes Ding ist, trifft er Entscheidungen und reagiert nicht nur ausschließlich.
Alle Dinge die Subjekte sind, haben nicht nur ein Verhalten, sondern handeln auch. Der Mensch besitzt somit im Gegensatz zum Stein Freiheiten in seinen Tätigkeiten.

Padreic
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Mi 17. Nov 2004, 20:50 - Beitrag #28

@Maurice
Da eine Handlung eine bewusste Tätigkeit ist, lässt sich diese nicht auf eine bloße Reaktion in ihrer Kausalität zurückführen, weshalb hier von Entscheidung gesprochen werden soll.

Das ist IMHO der springende Punkt in deinem Text und eine Aussage, die du aus einem materialistischen Weltbild sicherlich näher begründen musst.
Du siehst Freiheit als die Möglichkeit, Entscheidungen zu treffen, d.h. dass mehrere Alternativen existieren müssen, die alle wählbar sind. Was heißt denn dieses wählbar überhaupt? Ich könnte mir dies in diesem Kontext höchstens als die Verbindung dessen, dass das Geschehen von allen Alternativen vorstellbar ist und dass wir das Bewusstsein bzw. Gefühl einer Wahl haben, denken. Dann wäre Freiheit durchaus mittels bloßem, sich aus irgendwelchen Gründen makroskopisch ausschlagendem Zufall zu erklären.
Deterministisch gesehen wäre aber natürlich immer nur eine Möglichkeit wählbar und jedes Verhalten bloße Reaktion (letztendlich auf den Urknall).

Padreic

e-noon
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Do 18. Nov 2004, 14:36 - Beitrag #29

@Padreic: Dito.
Maurice, dein Konzept KLINGT zwar mehr nach Freiheit, da du dem Subjekt einen Zweck, eine Absicht in seinem Verhalten unterstellst, und sein Verhalten damit zur Handlung erhebst. Außerdem behauptest du, wir wären in der Lage, zwischen mehreren Möglichkeiten wählen zu können. Dem ist jedoch deterministisch gesehen nicht so, da du nur eine einzige Entscheidung treffen kannst, die durch alle vorher geschehenen Ereignisse eindeutig vorgegeben ist.

Ein Objekt reagiert nur auf Einflüsse, weshalb es sich nur zu anderen Dingen verhält.

Ein Subjekt auch!

Du kannst es dir wie eine Funktion vorstellen: Jedem einzelnen momentanen Zustand des Universums ist ein zweiter, darauf folgender Zustand eindeutig zugeordnet. Daher wird das Konzept der Entscheidung hinfällig und somit auch die Freiheit des Menschen.

Zwischen Passivtät und Aktivität zu unterscheiden, macht imo durchaus Sinn. Es steht dir frei zu behaupten, es gebe nur die Aktivität, nur die Passivität, oder beides. Letzteres ist imo nützlicher, und im allgemeinen Sprachgebrauch kannst du dann Wesen mit Bewusstsein oder Lebewesen insgesamt als aktiv bezeichnen, während du Wesen ohne Bewusstsein oder einfach alle übrige Materie für passiv erklärst. Diese Unterscheidung entspricht jedoch nicht der zu Grunde liegenden Sachlage, sondern macht nur Aussagen über die Komplexität der Systeme und unterscheidet die Bewertung der Art, wie wir sie wahrnehmen.

Trotzdem weiß ich deinen Versuch sehr zu schätzen :s11: Versuch´s bitte weiter!

Maglor
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Do 18. Nov 2004, 15:33 - Beitrag #30

Original geschrieben von e-noon
Zwischen Passivtät und Aktivität zu unterscheiden, macht imo durchaus Sinn. Es steht dir frei zu behaupten, es gebe nur die Aktivität, nur die Passivität, oder beides. Letzteres ist imo nützlicher, und im allgemeinen Sprachgebrauch kannst du dann Wesen mit Bewusstsein oder Lebewesen insgesamt als aktiv bezeichnen, während du Wesen ohne Bewusstsein oder einfach alle übrige Materie für passiv erklärst.


Ist den ein Feuer etwa weniger aktiv als ein Mensch, der im Prinzip ja auch auf dem Feuer beruht oder warum schnappen wir ständig nach Sauerstoff?

Subjekt und Objekt unterscheiden sich vor allem durch die Perspektive. Das Subjekt selbst sie alles andere als Objekt. Allein schon die Existenz der Passivformen im deutschen zeigen wie beliebig Subjekt und Objekt sind.

MfG Maglor

e-noon
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Do 18. Nov 2004, 17:19 - Beitrag #31

Das schließt das, was ich geschrieben habe, ja nicht aus. Ich halte es für sinnvoll, beide Begriffe anzuwenden, aber worauf man sie anwendet, kann man ja selbst entscheiden. Maurice hat in seinem Text ja auch gesagt, dass aktiv und passiv nur im Vergleich zu anderen Sinn macht,:

Es gibt keine absolute Passivität, passiv ist etwas nur in Relation zu einem aktiveren Ding.


Man kann zB. sagen, ein Mensch ist aktiver als ein Feuer, wenn man meint, dass der Mensch im umgangssprachlichen Sinne mehr Handlungsfreiheit hat. Man kann es auch andersherum sehen, je nachdem wie man seine Definition von aktiv und passiv anlegt, mir ging es nur darum, dass es keinen bestimmten Zustand anzeigt, sondern nur einen Zustand im Vergleich zu einem anderen Zustand.

Maurice
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Do 18. Nov 2004, 23:24 - Beitrag #32

Da ich heute abend nicht viel Zeit habe um hier viel zu schreiben, gehe ich nur kurz auf die Posts ein. Natürlich könnte ich jetzt auch eienn längeren Text verfassen, aber ich will auch noch ein paar andere Threads lesen und das braucht auch seine Zeit. Ich werde aber bei Gelegenheit versuchen nochmal ausführlicher auf das Thema einzugehen. :)

@E-Noon: Nein der Mensch reagiert nicht nur. Wenigstens nach meiner Definition. Wenn du sagst, dass der Mensch auch nur reagiert, dann benutzt du dabei entweder nicht meine oben verwendete Terminologie, oder hast sie nicht verstanden.
Der Mensch reagiert und entscheidet, während ein Objekt nur reagiert. Begründung siehe Post davor.

Jedem einzelnen momentanen Zustand des Universums ist ein zweiter, darauf folgender Zustand eindeutig zugeordnet.

Dass das Universum nicht rein linear funktioniert, sollte aus dem anderen Thread in der Wissenschaft-Sektion klargeworden sein, auf Grund der Quantenmechanik. Voraussetzung natürlich die momentan dominante Theorie in der Physik stimmt. Demnach wäre deine Schlussfolgerung falsch.

Diese Unterscheidung entspricht jedoch nicht der zu Grunde liegenden Sachlage, sondern macht nur Aussagen über die Komplexität der Systeme und unterscheidet die Bewertung der Art, wie wir sie wahrnehmen.

Das Problem hierbei ist, dass du meinst deine bewertung der Sachlage sei richtig und meine falsch, ein driftiges Argument hierfür erkenne ich aber nicht.
Für dich gibt es also ausschließlich nur quantitative und keine qualitative Unterschiede? Wen du konsequent bist, müsstest du imo mit diesem Standpunkt Nihilist sein.


@Pad: Mir geht es ja nicht um einen freien Willen, den gibt es ja nicht und den kann es auch nicht geben. Bunge erklärt imo nett, warum selbst das Postulat einer Seele zu keinem sinnvollen Konzept eines freien Willen führen kann. Er spricht davon, dass wir Handlungsfreiheit haben, aber keine Willensfreiheit, wobei mir seine Ausführungen paradox erschienen. Ich werde die Tage versuchen auch auf ihn nochmal einzugehen.
Was deinen Einwand betrifft, so ist er berechtigt, mein Text war ja auch alles andere als ausgearbeitet. Ich hoffe ich finde die Tage Zeit, darauf näher einzugehen.

e-noon
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Do 18. Nov 2004, 23:39 - Beitrag #33

Zitat:
Jedem einzelnen momentanen Zustand des Universums ist ein zweiter, darauf folgender Zustand eindeutig zugeordnet.


Dass das Universum nicht rein linear funktioniert, sollte aus dem anderen Thread in der Wissenschaft-Sektion klargeworden sein, auf Grund der Quantenmechanik. Voraussetzung natürlich die momentan dominante Theorie in der Physik stimmt. Demnach wäre deine Schlussfolgerung falsch.


Wenn du damit recht hast, und ich mich irre, dann bedeutet das für mich, dass der Determinismus widerlegt ist! Aus der Quantenmechanik geht das imo nicht hervor, aber wenn du einen Beleg dafür hast, zeig ihn mir bitte, dann ist das Problem doch gelöst!

Das Problem hierbei ist, dass du meinst deine bewertung der Sachlage sei richtig und meine falsch, ein driftiges Argument hierfür erkenne ich aber nicht.
Für dich gibt es also ausschließlich nur quantitative und keine qualitative Unterschiede? Wen du konsequent bist, müsstest du imo mit diesem Standpunkt Nihilist sein.


Das bin ich wohl auch, allerdings kein konsequenter (was du auch aus meinem Post im -->Nihilismusthread lesen kannst).
Es gibt aus physikalischer Sicht imo keine Unterschiede, alles lässt sich auf die unterste Ebene zurückführen, und daher sehe ich nur quantitative Unterschiede. Mir ist allerdings nicht ganz klar, wie du qualitativ meinst, denn die höhere Komplexität und den "Handlungsspielraum" beim Menschen sehe ich auch, denke jedoch, dass er wie alles andere determiniert ist, also daher keinen wirklichen Handlungsspielraum hat.

Schwer zu erklären, ist auch schon spät, ich geh jetzt ins Bett! Morgen versuch ichs vielleicht noch mal!

Maurice
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Do 18. Nov 2004, 23:53 - Beitrag #34

Jo kein Problem, der Thread läuft uns ja nicht weg. :)

@Determinismus: Wir können weder beweisen, noch widerlegen ob es echte Zufälle gibt, was wir auch schon in dem besagten Thread festgestellt hatten. Ich kann deine These, dass es keine echten Zufälle gibt weder falzifizieren, du auch du dies nicht mit der These der Gegenseite kannst, dass es echte Zufälle gibt. Es bleibt deshalb imo wohl Gechmackssache, welchen Standpunkt man einnimmt. Ich bin hier noch unentschlossen.
Die Annahme es gäbe echte Zufälle und diese Unschärfe der Ereignisse übertragen in den Makrokosmos würde das Problem des freien Willens lösen, ist leider eine falsche Annahme. Was nämlich daraus resultieren würde wäre kein freier Wille, sondern ein Wille der z.T. rein willkürlich wäre, was imo noch schlechter wäre.

@Reduktionismus: Ob sich alles auf Physik reduzieren lässt ist fraglich. Ein dialektischer Materialismus hat zwar in dem anderen Thread Verwunderung statt Begeisterung erzeugt, aber ich versuche mich mit dem Ansatz weiter zu beschäftigen, weil ich ihn für einen möglichen Ausweg aus der Problematik halte.
Dass z.B. das Verhalten einer Kultur zu einer anderen rein physikalisch erklärt werden könnte, klingt für mich sehr gewagtl, aber genau das sagt ja der reduktionäre Phyikalismus. Dass das praktisch unmöglich ist, sollte klar sein, die Frage ist dennoch nicht unberechtigt, wegen der theoretischen Ebene.

Maurice
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Mo 29. Nov 2004, 23:20 - Beitrag #35

Fluchtversuche aus dem Reduktionismus

Mal wieder ein kleiner Gedankengang, den ich heute zu Papier gebracht hatte. Ich vertrete zwar nicht den extremen Standpunkt von Wittgenstein, der iirc der Meinung war, dass alle philosophischen Probleme, nur durch den falschen Umgang mit Sprache entstehen, aber ich glaube viele Probleme lassen sich auf den Sprachgebrauch zurückführen. Ich bleibe denke deswegen über das Thema vor allem auf sprachlicher Ebene nach und glaube, dass wir ein verzerrtes Bild vom Sachverhalt haben könnten, weil wir ungeschickt mit den Begriffen umgehen, bzw. uns über sie nicht genug Gedanken machen. Folgender Text ist wieder nur eine Notiz, aber hoffentlich trotzdem inhaltlich interessant.

----------------------------

Die Umwelt bestimmt den Menschen und deshalb wäre er ohne Freiheit. Die Vertreter dieses Reduktionismus vergessen einen Punkt: Der Mensch bestimmt auch seine Umwelt. Wenn diese Umwelt wider den Menschen bestimmt, wirkt das Verhalten des menschens auf ihn zurück. Auch diese Reflexivität enthält eine Selbstbestimmung des Menschens. Der Mensch ist somit nicht allein Produkt der Umwelt, sondern auch Ergebnis seiner eigenen Entscheidungen.
Es ist genauso reduktionistisch zu sagen, der Mensch sei allein fremdbestimmt, wie zu meinen er sei völlig selbstbestimmt. "Völlig fremdbestimmt" meint bloßer Spielball der äußeren Umstände zu sein und "völlig selbstbestimmt" die Freiheit unabhängig der äußeren Umstände zu handeln.
"Fremdbestimmtheit" und "Selbstbestimmtheit" sind zwei Perspektiven mit nur einem Auge. Wer mit beiden Augen sieht muss sagen, dass wir sowohl fremd- als auch selbstbestimmt sind.

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Mo 29. Nov 2004, 23:41 - Beitrag #36

Die Frage ob der Mensch nun über einen freien Willen verfügt oder nicht, ist genauso unbeantwortbar wie die Frage nach dem Anfang des Seins.

Denn am Anfang des Seins sollte die Geburt des Schicksals oder des freien Willens stattgefunden haben und sonst Nirgends.

Jeder ist so frei wie er frei sein möchte oder nicht?

Ipsissimus
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Maurice, ich denke mittlerweile, daß es essentiell für das "normale", unreflektierte Menschsein von Menschen ist, sich in gewisser Hinsicht der Täuschung zu ergeben. Viele Sachverhalte funktionieren nur, wenn wir uns einbilden können, nicht wenn wir wissen. Unsere ganze Zivilisation ist darauf aufgebaut, uns über Sachverhalte - bestimmte Sachverhalte - hinwegzutäuschen und andere so scharf zu sehen, wie nur möglich. Polizisten funktionieren besser, wenn sie glauben können, im Recht zu sein hieße automatisch, Gerechtigkeit zu üben; Soldaten engagieren sich besser, wenn sie wissen, daß Gott auf ihrer Seite ist usw.

Ich würde Wittgenstein widersprechen: es ist kein falscher Gebrauch von Begriffen, sondern ein intentionaler. Davon abgesehen IST ein Begriff die Art und Weise, wie er gebraucht wird :-)

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Di 30. Nov 2004, 14:52 - Beitrag #38

@Maurice
Du berücksichtigst IMHO in deinem Ansatz zwei Punkte zu wenig:
1) Die Umwelt war vor dem Menschen. D.h. dieses etwas, das wir Mensch nennen und das nachher auf die Umwelt wirken kann, ist Produkt der Umwelt. Letztendlich ist so die Wirkung des Menschen auf die Umwelt nur mittelbare Wirkung der Umwelt auf sich selbst.
2) Dein Begriff von Selbstbestimmtheit scheint sehr weit zu sein. Jeder Gegenstand wirkt auf seine Umwelt, auch der Stein der herabfällt und ein Loch in den Boden schlägt. Ist der Stein deshalb selbstbestimmt.

Wenn man die Begriffe geeignet definiert, ist der Mensch natürlich sowohl selbst- als auch fremdbestimmt. Doch diese Art von Selbstbestimmung, die du hier beschreibst, kann man wieder auf Fremdbestimmung zurückführen, beim Stein offensichtlich, beim Menschen allerdings auch.

Zu Wittgenstein will ich mich nicht weiter äußern, da ich mich leider noch nicht eingehender mit ihm beschäftigt habe, aber so viel ich weiß, muss man im Allgemein vorsichtig damit sein, ihm Ansichten zuzuschreiben, da sich sein Früh- und sein Spätwerk doch nicht unerheblich unterscheiden.

@Ideengeber
Kannst du deine Gedankengänge genauer erläutern?
Meinst du mit deinem zweiten Absatz, das ein Freier Wille nur durch einen Freien Willen gezeugt werden kann und so ein heute existenter Freier Wille, die Existenz eines Freien Willens zu Anfang des Seins voraussetzt?
Und wie meinst du den letzten Absatz? Wenn wir vollständig kausaldeterminiert sind, wie können wir dann frei sein?

@Ipsissimus
Ausnahmsweise mal Zustimmung ;). Obgleich es mich ein wenig an Russell erinnert: "The whole problem with the world is that fools and fanatics are always so certain of themselves, but wiser people so full of doubts."

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Di 30. Nov 2004, 23:50 - Beitrag #39

@Wittgenstein: Ich habe mich mit ihm auch noch nicht näher beschäftigt, ich glaube nur, dass er inhaltlich einmal das erwähnte genannt hat. Ist für die Diskussion hier auch nicht wichtig, was er gesagt hat. :)

@Russell: Das ist die Frage, ob alle die sich sicher in ihrer Meinung fühlen Dummköpfe sind und alle die Zweigeln intelligente Menschen. Abgesehen davon würde ich es doch begrüßen, dass dieser ganze Fremdsprachenquatsch endlich unterlassen wird. Ich verstehe das Zitat ja, aber ich finde es unnötig es nicht einfach in deutsch zu schreiben und es wirkt auf mich auch ziehmlich pseudo-interlektuell. Aber vielleicht sollte man das in einem extra Thread in der Feedback-Sektion thematisieren. Ich habe es jetzt hier nur mal erwähnt, weil es mal wieder der Fall war.

@Ipsi: Wir haben ja schon eine Vorstellung der Begriffe, bevor wir sie definieren. Manche Philosophen machen sich ja die Mühe und definieren jedes Wort fein säuberlich, bevor sie mit ihenn umgehen. Nur kommen da nicht selten Begriffe raus, die zu schwer verständlichen Konstrukten zusammenwirken, weil die Alltagssprache nicht beachtet wurde. Darüber kann man verschiedene Ansichten haben.
Deine genannten Beispiele würde ich nicht einfach unterscheiben. Ein patriotischer Soldat kann durch die Verteidigung des Vaterlandes genauso motiviert sein, wie durch den Glauben an einen Gott. Der Polizist darf sich im Recht fühlen, wenn er vorschriftsgemäß handelt, denn gerecht ist das, was als gerecht definiert wurde.
Das was du ansprichst passt hier wohl weniger in das Thema, aber vielleicht könntest du den Sachverhalt aus deiner Sicht in eienm eigenen Thread näher erläutern.
Ein Thread über den Gebrauch von Sprache hätte die Sektion imo e mal nötig, wurde diese Kategorie der Philosophie doch bisher hier noch nie ausführlich thematisiert, oder?

@Pads Einwände: Es war wie gesagt nur eine Notiz und deine Kritik hatte ich auch schon vorher im Kopf. Wenn ich den Weg, den ich mit der Notiz angedeutet habe, weiterführen will, bedarf es ja e noch weiterer Überlegungen.
Was mich aber sehr wundert ist, dass ich hier scheinbar der einzige bin, der die Vorstellung verteidigen will, dass wir Alternativen in unseren Handlungen haben.
Deine Vorstellung einer Seele als Garant für Handlungsfreiheit, überzeugt mich auch nicht und das nicht allein wegen dem Postulat einer Seele, sondern weil diese Entität nicht das Problem löst ohne nicht selbst neue Probleme zu schaffen.

Padreic
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Mi 1. Dez 2004, 15:58 - Beitrag #40

@Fremdsprachen
Ich hatte das Zitat eben auf Englisch so rumliegen. Hätte ich es in Übersetzung gehabt, hätte ich die gepostet, aber bevor ich mich stümperhaft an eine verfälschende Übersetzung mache, dachte ich, lasse ich das lieber im Original stehen.
Ich kann mich aber in Zukunft bemühen, fremdsprachliche Zitate nur zusammen mit einer Übersetzung anzugeben. Aber fremdsprachliche Zitate nur in Übersetzung anzugeben, finde ich immer etwas unschön. Die Angewohnheit hab ich letztlich wohl aus meiner Tolkien-Beschäftigung, da dort von Spezialisten eigentlich immer im Original zitiert wird, da es in Übersetzungen immer Fehler geben kann (und auch gibt).

@Handlungsfreiheit
Ich will auch nicht behaupten, dass das Postulat einer Seele das Problem löst, aber ich denke, dass diese oder eine vergleichbare Annahme Voraussetzung ist, um hier überhaupt zu einer Lösung zu kommen. Alle meine bisherigen Überlegungen haben ergeben, dass ich mit einem reinen Materialismus nicht zu einer Freiheit, wie ich sie mir vorstelle, kommen werde. Und wenn ich so die Freiheit annehme, muss ich so den Materialismus leugnen. [Das war übrigens auch mein persönlicher Weg, wie es dazu kam, dass ich mich auf eine nicht-materialistische Sichtweise festlegte.]
Nunja, mittlerweile bin ich der Meinung, dass allein schon unser Bewusstsein den Materialismus widerlegt, aber das ist ein anderes Thema ;).

@Sprache
Da dieses Thema im Wirklichkeits-Thread ja doch zu einigen Kontroversen führte, wäre ein eigener Thread dazu sicherlich nicht schlecht.

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