IpsissimusDämmerung


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Hedonismus heißt die Lebensanschauung, nach welcher die (körperliche und geistige) Lust, das Vergnügen (hêdonê) Motiv und Zweck des (sittlichen) Handelns ist. Die Lust ist das höchste Gut (s. d.). Für den Hedoniker ist die Lust das Höchstgewertete, das an sich Wertvolle, Selbstzweck, Strebungsziel. Der Hedonismus ist eine Form des Eudämonismus.
Nach DEMOKRIT ist die Freude, Gemütsheiterkeit (euthymiê, euestô) das höchste Gut. Als Hedoniker treten entschieden auf die Kyrenaiker. Nach ARISTIPP hat die Lust einen absoluten Wert, sie ist Selbstzweck, sie ist Strebungsziel. Die Lust ist ein unbedingtes Gut. Zu erstreben ist die einzelne Lust. An Stelle der Lust bestimmt HEGESIAS als Strebensziel die Schmerzlosigkeit, da mehr nicht erreichbar sei. ANNIKERIS erkennt neben der Lust auch Freundschaft, Eltern-, Vaterlandsliebe als Strebensziele an, um derentwillen man auch Schmerz hinnehmen muß. THEODORUS betrachtet die Freude (kara) als das Erstrebenswerte. - Nach EPIKUR ist die Lust das Princip des glücklichen Lebens (hêdonên archên kai telos legomen einai tou makariôs zên), sie (und die Leidlosigkeit) ist das Motiv alles Handelns. Die Lust ist das erste und das naturgemäße Gut, aber nur jene Lust ist ein Gut, der keine Schmerzen folgen, denn es ist das Erstrebte. Eine richtige Abmessung (symmetrêsis) der Lust und ihrer Folgen zeugt erst von der Tugend, der phronêsis. Ohne Einsicht, Gerechtigkeit, Maßhalten kann man nicht glücklich leben, und umgekehrt ist mit der Tugend Lust notwendig verknüpft. Die höchste Lust ist die geistige, wiewohl an sich keine Lust schlecht ist.
R. GOLDSCHEID: »Der Mensch ist ein hedonistisches Wesen«. Aber die Ethik darf nicht hedonistisch sein, sondern vermag nur »eine Verteilung von Lust und Unlust auszubilden, die zu einem Verhalten gemäß objectiver Moralprincipien antreibt«.
PAULSEN bestreitet die hedonistische Anlage des Menschen. »Der Trieb und das Verlangen der Betätigung ist vor aller Vorstellung von Lust«. Lust ist schon der Ausdruck dafür, daß der Wille erreicht hat, was er will; ähnlich bei SCHOPENHAUER, E. v. HARTMANN, NIETZSCHE).
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Eudämonismus (eudaimonismos)
ist laut ARISTOTELES (Eth. Nic. IV 13, 1127 b 18) jede ethische Anschauung, nach welcher Motiv und Zweck des sittlichen Handelns die Gewinnung oder Förderung eigenen oder fremden Glückes (d.h. andauernder, wahrer Glückseligkeit) ist. Der Eudämonismus im weiteren Sinne umfaßt den Hedonismus und den Utilitarismus.
Eudämonisten sind DEMOKRIT, SOKRATES, die Cyniker, Kyrenaiker, teilweise PLATO, ARISTOTELES, EPIKUR, SPINOZA, CHR. WOLF, die meisten englischen Moralisten des 18. Jahrhunderts, die Aufklärungsphilosophie (besonders die deutsche), CONDILLAC, LA METTRIE, HELVETIUS, HOLBACH, BENTHAM, J. ST. MILL, COMTE, FEUERBACH, FECHNER, SCHUPPE, ADICKES, DÖRING, SIGWART u. a., teilweise auch H. CORNELIUS.
Ein schroffer Gegner des Eudämonismus ist KANT. »Eudämonist« ist ihm jeder Egoist, der »bloß im Nutzen und in der eigenen Glückseligkeit, nicht in der Pflichtvorstellung, den obersten Bestimmungsgrund seines Willens setzt«. »Alle Eudämonisten sind... praktische Egoisten« (Anthr. I, § 2).
Gegner des Eudämonismus sind auch KIRCHNER, WUNDT, NIETZSCHE, C. STANGE, UNOLD u. a. WENTSCHER erklärt: »Nicht die selbstverständlich mit jedem Willen verbundene, in seinem Begriff 'analytisch' schon eingeschlossene Lust, sondern nur eine 'synthetisch' zu ihm hinzutretende, als Endwirkung erhoffte Lust« stempelt eine ethische Theorie zur eudämonistischen (Eth. I, 146; vgl. S. 148).
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Utilitarismus (Utilismus) heißt der Nützlichkeitsstandpunkt in der Ethik.
Der Utilitarismus tritt in zwei Formen auf:
1) der individualistische Utilitarismus, welcher lehrt, Zweck des sittlichen Handelns sei der Nutzen, die Wohlfahrt des einzelnen.
2) Der soziale Utilitarismus, welcher den Zweck des sittlichen Handelns in die Förderung des Gesamtwohles, des Wohles aller, der Gesellschaft setzt.
Ferner ist zu unterscheiden zwischen dem Utilitarismus
a. als Erklärung des Sittlichkeitsursprunges aus (individuellen oder sozialen) Nützlichkeitserwägungen
b. als Motivation, Normierung, Wertung des sittlichen Handelns, Aufstellung der Wohlfahrt als Ziel des Handelns.
Der gemäßigte Utilitarismus betont, daß das ursprünglich rein utilitarisch bestimmte sittliche Handeln (durch das Gesetz der »Motivverschiebung«) später zum Selbstzweck wird.
Den Ausdruck »utilitarian« gebraucht (1802) schon J. BENTHAM. Durch J. ST. MILL, der ihn einer Novelle von Galt, »Annals of the Parish«, entnimmt, wird er populär.
Teilweise utilitaristisch gefärbt ist der Eudämonismus verschiedener Zeiten, auch schon im Altertum. Einen socialen Utilitarismus lehrt EPIKUR bezüglich des Ursprungs der sittlichen Gesetze.
In neuerer Zeit tritt der Utilitarismus auf bei HOBBES und SPINOZA.
Das »great happiness«-Prinzip findet sich schon bei BECCARIA, HUTCHESON, besonders aber bei dem systematischen Begründer des Utilitarismus (im engeren Sinne), J. BENTHAM. Zweck, Ziel des sittlichen Handelns ist die Maximation der Glückseligkeit, das größtmögliche Glück der größtmöglichen Anzahl, »the greatest happiness of the greatest number«, »the greatest possible quantity of happiness« (Introd. II, ch. 17, p. 234. Deontolog.. Traité de la législat. civile et penale, 1802). »By the principle of utility is meant that principle which approves or disapproves of every action whatsoever, according to the tendency which is appears to have to augment or diminish the happiness of the party whose interest, in other words, to promote or to oppose the happiness« (Introduct. l. c. I, ch. 1, p. 3). Das Interesse der Gemeinschaft ist »the sum of the interest of the several members who compose it« (l. c. p. 4 ff.).
Bei der ethischen Reflexion sind von Wirksamkeit die physische (das für unseren Leib Nützliche und Schädliche bestimmende) Sanktion, die moralische Sanction (der öffentlichen Meinung), die politische und die religiöse Sanktion.
Durch ein »moralisches Budget« sollen bei jeder Handlung die nützlichen und schädlichen Folgen (Lust und Unlust) berechnet werden (Moralcalcül). Hierbei zeigt sich der Egoismus als schädlich: das wohlverstandene Eigeninteresse selbst führt zum Altruismus. zuerst zum Uneigennützig-scheinen, dann aber auch zur Uneigennützigkeit selbst.
J. ST. MILL (der in seiner Jugend einen Verein der »Utilitarier« gründete) lehrt einen sozialen Utilitarismus. Im Gegensatz zu Bentham unterscheidet er nicht bloß Quantitäten, sondern Arten des Glückes, verschiedene Glückswerte, wodurch über das rein utilistische eine höhere ethische Norm sich erhebt. Ferner wird durch Assoziation das, was erst Mittel war (das Sittliche), selbst zum Ziele, zum direkten Gegenstande der Billigung.
A. BAIN erklärt: »The Ethical end that men are tending to and may ultimately adopt without reservation, is human welfare, happiness, or being and well-being combined, that is, utility«.
Rationeller Utilitarier ist H. SPENCER. Am höchsten steht das Handeln, wenn es gleichzeitig die größte Summe des Lebens für den einzelnen, für seine Nachkommenschaft und für seine Mitmenschen zustande bringt.
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