Essays zum Seminar "Bertrand Russell: Probleme der Philosopie"

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Maurice
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Mi 24. Nov 2004, 00:09 - Beitrag #1

Essays zum Seminar "Bertrand Russell: Probleme der Philosopie"

So jetzt poste ich wie versprochen mein neustes Essay, dass für ein Seminar an der Uni entstanden ist. Dies ist das erste von insgesamt vier Essays, welche ich für das Seminar schreiben werde. Ich habe dieses Essay vorletztes Wochenende geschieben und heute zurück bekommen. Trotz großer Freude, halte ich mich mit dem Urteil des Dozenten über mein Essay zurück, weil ich ja nicht unnötig eingebildet wirken will. ^^
Die Bewertung spielt hier ja auch keine Rolle, es soll allein darum gehen, auch anderen mein Essay verfügbar zu machen, in der Hoffnung, dass dieses ihnen von Nutzen sein möge. Ich versuche mich kurz zu fassen und wünsche viel Freude beim lesen. :)

PS: Auch wie in dem anderen Essay-Thread gilt hier, dass der Thread für die Präsentation der Essays und nicht zur Diskussion über diese dienen soll. Falls Diskussionsbedarf besteht, bitte dazu einen eigenen Thread aufmachen.

PPS: Der vorgegebene Rahmen des Essays betrug 3-4 Seiten und die Aufgabe war es, die zu beginn gestellte Frage aus Russells Sicht zu beantworten.

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"Hunde hören Töne, die für das menschliche Ohr zu hoch sind. Könnte es Töne geben, die für jegliche Lebewesen zu hoch sind?" - J. Rosenberg, "Philosophieren"
Eine Frage die sich die meisten Menschen so oder so ähnlich schon mindestens einmal gestellt haben. Die Frage ist eindeutig, die Antwort aber nicht sofort ersichtlich. Wie die Antwort des Philosophen Russells auf diese Frage lautet, werde ich in folgendem Essay versuchen zusammenzufassen. Zuerst werde ich darstellen, wie Russell an den Sachverhalt herangeht,
danach seinen Standpunkt über das Verhältnis von Subjekt und Welt wiedergeben, um dann eine Antwort auf die Ausgangsfrage geben zu können.

Die Ausgangsfrage bei Russell ist, was wir wissen können. Er stellt gleich zu Beginn fest, dass viele Dinge, die uns für gewöhnlich eindeutig erscheinen, bei kritischer Hinterfragung Zweifel aufkommen lassen. Als Beispiel nimmt er einen Tisch und prüft diesen auf seine Eigenschaften. Er bemerkt, dass die Farbe des Tisches nicht an jeder Stelle gleich aussieht und je nach Blickwinkel und Lichteinfall variiert. Für gewöhnlich meinen wir, dass der Tisch eine Farbe hätte, aber da der Tisch uns in seinem Äußeren wechselhaft erscheint, muss dieses Urteil wohl falsch sein. Welche der Farben, die wir sehen, ist nun die wirkliche Farbe des Tisches? Russell antwortet, dass es keinen Grund gibt, eine der Farben für die "wirklichere" des Tisches zu halten, als eine der anderen. Da die Farbe des Tisches nicht eindeutig ist, kann diese nichts sein, was dem Tisch an sich innewohnt, sondern wird durch den Tisch, die Beleuchtung und den Beobachter für letzteren bestimmt. Daraus folgert Russell, dass wir leugnen müssen, dass der Tisch an sich irgendeine bestimmte Farbe hat. Ein ähnliches Problem tritt auf, wenn man die Oberfläche des Tisches untersucht. Wir meinen, die Oberfläche sei glatt und eben, aber unter einem Mikroskop entdecken wir Unebenheiten. Umso stärker dabei das Mikroskop ist, umso stärker sind auch die Unebenheiten. Welche Sicht des Tisches ist nun die richtige? Russell bringt in seinem Buch noch andere Beispiele, aber ich denke, dass diese beiden von mir genannten ausreichen sollten, um die Problematik deutlich zu machen.
Was wir also wahrnehmen, schlussfolgert Russell, ist nicht der wirkliche Tisch. Die Vorstellung des Tisches in unserem Kopf ist nicht dasselbe wie der wirkliche Tisch. Dieser ist uns nicht unmittelbar bekannt, sondern kann wenn überhaupt nur aus unseren Beobachtungen erschlossen werden. Gibt es nun überhaupt einen wirklichen Tisch und wenn ja wie ist sein wahres Wesen? Um die Frage zu beantworten, führt Russell ein paar Begriffe ein, deren Definition ich der Einfachheit halber hier zitiere:
Als "Sinnesdaten" wollen wir die Dinge bezeichnen, die uns unmittelbar in der Wahrnehmung gegeben sind: z.B. Farben, Geräusche, Gerüche, Härten, Rauheiten usf. Als "Empfindung" wollen wir das Erlebnis bezeichnen, das wir haben, wenn wir diese Dinge unmittelbar wahrnehmen. So haben wir immer, wenn wir eine Farbe sehen, eine Empfindung dieser bestimmten Farbe, aber die Farbe selbst ist ein Sinnesdatum und keine Empfindung. Die Farbe ist das, was wir unmittelbar wahrnehmen, und das unmittelbare Wahrnehmen selbst ist die Empfindung. (…) Den wirklichen Tisch - wenn es ihn gibt - wollen wir "materiellen Gegenstand" nennen. Wir haben somit die Beziehung zwischen Sinnesdaten und materiellen Gegenständen zu betrachten. Die Gesamtheit aller materiellen Gegenstände nennt man "Materie".
Wenn wir uns also in der Art der materiellen Gegenstände irren können, könnten wir uns dann auch irren, dass es sie überhaupt gibt? Es wäre möglich, dass wir in einer Wüste stehen und alles, was wir wahrzunehmen glauben, nur Täuschung ist. Eine solche Idee können wir zwar nicht sicher widerlegen, doch haben wir auch keinen Grund dies anzunehmen, weil sie das Gegenteil unserer instinktiven Sicht der Welt ist. Weil es also keinen ernsthaften Grund gibt, an der Existenz der materiellen Objekte zu zweifeln, sondern nur an der Art wie wir sie wahrnehmen, stellt sich die Frage, wie das Verhältnis zwischen den Sinnesdaten und den materiellen Objekten ist. Ich werde versuchen, dieses Verhältnis an zwei Beispielen zu erläutern:
Wir haben eingesehen, dass wir den Objekten keine sicheren wirklichen Farben zuordnen können, wie gehen wir nun mit den Farbempfindungen um? Betrachten wir noch einmal den Tisch und fragen uns, warum wir meinen der Tisch hätte eine Farbe. Warum sehen wir Farben? Die naturwissenschaftliche Antwort darauf sollten wir alle in der Schulzeit kennen gelernt haben, die wie folgt aussieht: Die Sonne strahlt Photonen auf die Erde, die von den Objekten, die wir sehen, reflektiert werden und auf unsere Netzhaut treffen. Je nachdem welche Wellenlänge die Photonen haben, werden diese von unserem Gehirn als eine andere Farbe interpretiert. Der Tisch hat somit, wie wir schon gesagt haben, an sich keine Farbe, sondern reflektiert die Photonen auf Grund seiner Struktur nur auf eine solche Weise, dass diese bei uns den Eindruck der Farbe erzeugen, welche wir empfinden. Es wäre also falsch, wenn wir z.B. sagen, der Tisch ist braun, wenn wir damit meinen, dass das Braun eine von uns unabhängige Eigenschaft des Tisches wäre. Korrekt müssten wir also sagen, der Tisch ist für uns braun, oder wir sehen den Tisch braun.
Als zweites betrachten wir die Töne, um damit auch wieder zu der Ausgangsfrage zurückzukehren und den Kreis zu schließen. Nehmen wir wieder den Tisch als Objekt unserer Betrachtung. Wir schlagen mit unseren Fingerknöchel auf den Tisch und wir hören ein Geräusch. Unbedacht könnten wir sagen, dass ein Geräusch entsteht, wenn wir auf den Tisch schlagen, doch das stimmt so nicht ganz. Wenn wir auf den Tisch schlagen, entstehen Schallwellen, die, wenn sie auf unser Trommelfell treffen, von unserem Gehirn als bestimmte Töne interpretiert werden. Was also entsteht, wenn wir auf den Tisch schlagen, sind keine Geräusche, sondern erstmal nur Schallwellen, die erst durch unser Gehirn zu Tönen werden. Ein nicht zu unterschätzender Unterschied, wie wir gleich feststellen werden. Bevor ich nun endlich die Ausgangsfrage auflöse, noch ein kleines Beispiel um den Sachverhalt weiter zu verdeutlichen: Wenn im Wald ein Baum umfällt und niemand anwesend war, gab es dann ein Geräusch? Nach der gerade genannten Sicht der Dinge muss die Antwort nein heißen. Wenn der Baum umfällt, entstehen Schallwellen, aber weil sie auf kein Subjekt treffen, werden sie nicht als Töne interpretiert.
Die Ausgangsfrage lautete: Könnte es Töne geben, die für jegliche Lebewesen zu hoch sind? Auf Grund der bisherigen Ausführungen sollte diese Frage nun für jeden ohne weiteres zu beantworten sein. Die Antwort lautet, dass es keine Töne gibt, die von keinem Lebewesen gehört werden können, sondern nur Schallwellen, die kein Tier interpretieren kann. Alle Schallwellen, die interpretiert werden, werden als Töne wahrgenommen.

Dieses Modell wird auch wissenschaftlicher Essentialismus genannt und wurde unter anderem von John Locke vertreten. Demnach sind die Eigenschaften der Objekte in primäre und sekundäre Qualitäten unterteilt. Die primären Qualitäten sind Festigkeit, Ausdehnung und Form, während zu den sekundären Qualitäten Farbe, Geruch, Klang und Geschmack gehören. Die primären Qualitäten besitzen die Objekte an sich, während die sekundären Qualitäten von der Existenz eines Subjekts abhängen, das das Objekt wahrnimmt.
Ich selbst halte diese Sicht der Dinge für vernünftig und einleuchtend. Wir kommen zwar nicht darum herum ein wenig umzudenken, aber stellt dies kein großes Problem dar. Dieses Modell hält sich an ein ontologisches Sparprogramm und versucht es zu vermeiden, unnötig neue Entitäten zu postulieren und entspricht damit unserem modernen wissenschaftlichen Denken, ohne aber dabei empfindlich unserer alltäglichen Sicht zu widersprechen.

Maurice
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Mi 22. Dez 2004, 20:50 - Beitrag #2

Zweites Essay

Ich bekomme die korrigierte Version des zweiten Essays erst nach den Winterferien zurück, aber weil das erst in zwei Wochen ist, poste ich das Essay hier shcon jetzt. Imo war die Fragestellung des Essays etwas ungünstig vom Dozenten gewählt, weshalb ich auch nicht weiß, ob mir das Essay richtig gelungen ist. Aber vor allem für noch nicht so bewanderte Hobby-Philosophen, ist wohl lesenswert, da es mir doch zumindest wohl wieder gelungen sein sollte, den Inhalt verständlich zu formulieren. :)

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"Nichts ist im Verstand, was nicht (vorher) in den Sinnen [in der sinnlichen Wahrnehmung] gewesen wäre, mit der Ausnahme: nur der Verstand selbst."
Diese Behauptung wurde von dem rationalistisch orientierten Philosophen G. W. Leibniz aufgestellt, als er sich mit den Empiristen in der strittigen Frage nach "angeborenen Ideen" auseinander setzte; sie ist eine pointierte Erweiterung der empirischen These, dass "nichts im Verstand sei, was nicht vorher in den Sinnen gewesen wäre."
In diesem Essay werde ich versuchen Leibniz' These mit Russells Überlegungen zu den allgemeinen Prinzipien unseres Denkens zu vergleichen, um die Frage zu beantworten, ob Russell Leibniz' Ansicht teilt. Zuerst werde ich Russells Ausführungen zu den allgemeinen Prinzipien unseres Denkens zusammenfassen, danach seine Kritik an den rationalistischen und empiristischen Positionen betrachten, um schließlich einen Vergleich mit Leibniz' Aussage zu machen.

Russell stellt fest, dass es Prinzipien geben muss, durch die die Dinge miteinander verbunden sind, damit wir Wissen erlangen können. Wir gehen ganz automatisch von der Existenz solcher Prinzipien aus, weil wir uns sonst nicht in der Welt zurechtfinden könnten. Wir zweifeln z.B. nicht daran, dass die Sonne jeden Tag aufgehen wird. Aber warum tun wir dies eigentlich? In der Vergangenheit ist die Sonne jeden Tag aufgegangen, also nehmen wir an, dass dies auch weiterhin so sein wird. Weil etwas immer so war, meinen wir, dass es immer so sein wird. Dass diese Methode aber nicht sicher ist und unsere Erwartungen falsch sein können, illustriert Russell an dem Beispiel eines Huhns, dass jeden Tag vom Bauer Futter bekommt, bis es eines Tages von diesem den Hals umgedreht bekommt. Nur weil das Huhn jeden Tag Futter bekommen hatte, folgte daraus also nicht, dass dies immer so sein wird. Woher wissen wir also, dass die Sonne morgen nicht plötzlich aufhört zu scheinen und dass die Erde sich weiter um diese dreht?
Russell sagt, dass wir es nicht wissen können, aber auch keinen Grund haben, das Gegenteil anzunehmen. Wir erwarten, dass die Himmelkörper sich weiter nach den Naturgesetzen verhalten werden, die wir meinen erkannt zu haben. Auch an die Kontinuität der Naturgesetze glauben wir nur, weil diese bisher immer der Fall waren und nicht weil wir einen Beweis haben, dass sie auch morgen noch gelten werden. Wir haben Erwartungen an die Dinge und diese nehmen Wahrscheinlichkeiten in Anspruch, weshalb wir keine Beweise brauchen, dass diese erfüllt werden müssen, sondern nur Gründe, warum sie wahrscheinlich sind. Umso häufiger eine These bestätigt wird, umso wahrscheinlicher ist sie, sagt Russell. Es gibt hier also keine absolute Gewissheit, weshalb wir die Richtigkeit der Gesetze, die wir meinen erkannt zu haben, nicht endgültig beweisen können, sondern wenn überhaupt nur widerlegen können.
Das heißt aber nicht, dass keine Aussagen mehr beweisbar sind. Wenn ich z.B. behaupte, dass alle Objekte A die Eigenschaft B haben, dann ist diese These nicht bewiesen, nur weil bisher keine Objekte A gesehen habe, die nicht die Eigenschaft B haben. Bewiesen wäre dies erst, wenn ich alle Objekte A untersucht hätte. Finde ich nun ein Objekt A, das nicht die Eigenschaft B besitzt, ist die ursprüngliche These widerlegt. Gleichzeitig ist aber auch belegt, dass manche Objekte A die Eigenschaft B haben und manche nicht.
Die Methode, von einem besonderen Fall auf einen anderen besonderen Fall oder auf ein allgemeine Gesetzmäßigkeit zu schließen, nennt man "Induktion". Die Methode, von einer allgemeinen Gesetzmäßigkeit auf eine andere allgemeine Gesetzmäßigkeit oder auf einen besonderen Fall zu schließen, nennt man dagegen "Deduktion".
Außerdem nennt Russell noch drei andere noch grundlegendere Prinzipien, die so genannten "Denkgesetze":
1. der Satz der Identität: "Alles was ist, ist."
2. der Satz vom Widerspruch: "Nichts kann zugleich sein und nicht sein."
3. der Satz des ausgeschlossenen Dritten: "Jedes Ding muss entweder sein oder nicht sein."
Es muss dabei erwähnt werden, dass diese "Denkgesetze" auf Dinge und nicht bloß auf Gedanken zutreffen.
All diese Prinzipien und die Logik sind Denkmuster, die schon immer in uns sind, sagt Russell. Diese Prinzipien können in ihrer Richtigkeit weder bewiesen noch widerlegt werden und werden allein deswegen verwendet, weil dies notwendig ist. Da diese Prinzipien schon seit jeher in uns und nicht erst ein Produkt unserer Erfahrungen sind, bezeichnet man diese als "a priori".
Russell stellt in seinem Buch die beiden philosophischen Richtungen des "Empirismus" und des "Rationalismus" dar. Die Anhänger des Empirismus, sagt Russell, vertreten die Ansicht, dass all unser Wissen auf Erfahrung beruht. Einer der berühmtesten Empiristen, John Locke, verglich den Menschen bei seiner Geburt mit einem leeren Blatt Papier. Die Rationalisten dagegen vertreten den Standpunkt, dass es neben unserem Wissen aus Erfahrung noch "angeborene" Ideen und Prinzipien gibt. Aus den bisherigen Ausführungen ist klar, dass Russell die Ansicht der Rationalisten teilt, dass wir gewisse Dinge a priori wissen. Russell sagt aber auch, dass wir uns erst durch Erfahrungen diesem apriorischen Wissen bewusst werden. Russell stimmt also zwar zum einen den Rationalisten zu, dass wir schon immer Wissen in uns tragen, vertritt aber auch den Standpunkt, dass all unser Wissen durch Erfahrung hervorgerufen und verursacht wird. Er betont dabei, dass man sich Wissen a priori nicht so vorstellen darf, als ob sich ein Kind schon von Geburt an all dieser Prinzipien bewusst wäre. Dieses Wissen "schlummert" nur im Menschen und wird wie gesagt erst durch die Erfahrungen bewusst. Der Mathematik schreibt Russell einen apriorischen Charakter zu und auch gewisse ethische Urteile sind für ihn a priori, z.B. dass Glück erstrebenswerter ist als Leid. Auf der anderen Seite stimmt er den Empiristen in dem Punkt zu, dass auf die Frage was existiert, uns nur die Erfahrung Antwort geben kann. Russell nimmt also einen Standpunkt zwischen beiden Extremen in Anspruch.
Ob Russell nun mit Leibniz' Einstellung konform geht, ist meiner Meinung nach nicht eindeutig feststellbar, weil man durch den einen Satz von Leibniz allein nicht weiß, was für diesen "Verstand" genau ist. Wenn man davon ausgeht, dass für Leibniz der Verstand die eben aufgezählten apriorischen Prinzipien sind, dann wird Russell ihm natürlich zustimmen. All unser Wissen beruht letztendlich für Russell auf Sinnesdaten, mit Ausnahme der apriorischen Prinzipien. Ich vermute aber, dass Russell Kritik an der Formulierung von Leibniz geäußert hätte, weil eben das Wort "Verstand" so etwas ungenau ist. Russell hätte es wohl so ausgedrückt: "Nichts ist in unserem Denken, was nicht vorher erfahren wurde, außer den Prinzipien unseres Denkens." Ich betone dabei noch mal, dass man auf Grund des einen Satzes von Leibniz nicht sicher sagen kann, wie genau er mit Russells Ansichten übereinstimmt, sondern dies nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit vermuten kann.

Russell führt uns vor Augen, dass wir uns ständig Prinzipien bedienen, denen wir uns meistens nicht bewusst sind. Dass diese Prinzipien aber auch hinterfragbar sind, zeigt nicht nur er, sondern auch einige andere Philosophen, wie z.B. Karl Popper. Seine Kritik am Induktionsprinzip, welche hier nicht weiter ausgeführt werden kann, sorgte für viele Diskussionen, bei denen sich aber herausstellte, dass das Induktionsprinzip nicht widerlegt werden konnte.
Ich möchte an dieser Stelle anmerken, dass im Laufe der Jahre die Extrempositionen des Empirismus und des Rationalismus selten geworden sind und diese beiden Begriffe heute dafür stehen, auf welche Aspekte der Erkenntnisgewinnung der Schwerpunkt gelegt wird. Obwohl schon Kants Kritizismus versuchte beide Positionen zu vereinen, gehen trotz aller Diskussionen auch heute noch die Meinungen in einigen Punkten, z.B. der Mathematik, deutlich auseinander, was wir a priori wissen und was erst durch Erfahrung, und es ist fraglich, ob diese Fragen jemals vollständig geklärt werden können.


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