Schindlers Liste - Die Sache mit der Dusche

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Diavolous
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Fr 24. Dez 2004, 02:14 - Beitrag #1

Schindlers Liste - Die Sache mit der Dusche

Ich hab da eine Frage, vll weiß ja jemand etwas dazu. Als ich jetzt letztens mal wieder Schindlers Liste gesehen habe, hat mir eine Sache nicht recht einleuchten wollen. Folgende Szene:
Der Zug mit den Frauen kommt in Auschwitz an, die Frauen werden "entladen", geschoren und entkleidet. Nackt und mit der Erkenntnis des baldigen Todes werden sie in den Duschraum getrieben. Jedoch kommt kein Gas aus den Brausen, sondern Wasser.

Hier meine Frage: Warum werden die Frauen geduscht?


Mit Schindler hatte dies nichts zu tun, der kam erst später im KZ an.

Auschwitz war doch ein reines Vernichtungslager, wo wäre der Sinn einer Dusche?

Bleibt für mich nur noch eine Möglichkeit übrig: Hollywood-Dramatik.

Weiß jemand mehr, kann mir jemand weiterhelfen oder liege ich mit meiner Einschätzung richtig?

Jatrix
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Fr 24. Dez 2004, 12:28 - Beitrag #2

Also diese Szenen haben schon Spannung in den Film gebracht, aber erfunden sind die Duschen nicht.

Hier mal ein Zeitzeugenbericht (von vielen):

Auch Stanislaw Staszkriewicz hat ein bewegendes Leben hinter sich, das er nun auf Polnisch vor uns darlegen möchte. Nach seiner Verhaftung aufgrund politischer Aktionen in einer Widerstandsgruppe im Untergrund wurde der damals 20jährige 1943 mit einem Transport, bestehend aus 24 Männern und 15 Frauen, nach Auschwitz deportiert. Da sie von dem Konzentrationslager Auschwitz wußten, waren sie dementsprechend schockiert, als sie erfuhren, wohin sie gebracht werden. Auch diese Männer und Frauen mußten den Prozeß der Registrierung über sich ergehen lassen. Nach dem Ausziehen, Rasieren, der Desinfektion und Entlausung bekam Stanislaw Staszkriewicz die Nummer 130382 auf den Unterarm tätowiert. Danach sollten sie in den Waschraum zum Duschen gehen, wobei sie nun natürlich Angst bekamen; denn sie hatten schon von den Gaskammern gehört. "Aber zum Glück kam nur Wasser aus den Hähnen."


Es war vielleicht als Schutz vor Läusen oder Krankheiten gedacht (also damit die Wärter nicht krank werden). Vielleicht war es auch einfach nur Grausamkeit.

Diavolous
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Fr 24. Dez 2004, 14:19 - Beitrag #3

Mein Problem ist wohl einfach nur, dass ich den Sinn einer Dusche in Auschwitz nicht wirklich erkennen kann.
Bei einer Durchlaufzeit von gerade einmal 3h in den letzten beiden Kriegsjahren wird der Grund nicht bei einer "Entlausung" zu suchen sein. Ich denke, mit der Grausamkeit wirst du Recht haben.

Edit: Mich würde interessieren, wie der Bericht weitergeht...anscheinend hat der Mensch ja überlebt, also muss es doch Juden gegeben haben, die längere Zeit in dem KZ verbracht haben.

Jatrix
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Sa 25. Dez 2004, 10:30 - Beitrag #4

So geht der Bericht von oben weiter:

Nach dem Anziehen seiner Häftlingsuniform bekam auch er rote Winkel mit einem P, um sie auf Brust und Oberschenkel an die Kleidung zu nähen. Nach einer vierwöchigen Quarantäne im Block 2, zu zweit auf einer Pritsche schlafend, wurden ihnen die deutschen Hauptbegriffe "Mütze ab, Stillstehen..." beigebracht, die er auch heute noch beherrscht. Nach der Einteilung in Arbeitsgruppen war Herr Staszkriewicz beim Bau der Straße von Auschwitz nach Birkenau beschäftigt. Später traf er einen Freund, der ihn in eine leichtere Arbeitsgruppe schleuste. Nun war er zwischenzeitlich beim Bunkerbau, als Maurer und Restaurateur eines Hauses tätig. Seine letzte Beschäftigung war in einem Lebensmittellager, wodurch er eine bessere Möglichkeit zum überleben besaß.
Im Juni 1944 wurde Stanislaw Staszkriewicz mit einem Transport nach Ravensbrück gebracht, um dort in einer Waffenfabrik zu arbeiten. Die Begrüßung klingt auch heute noch in seinen Ohren. Sie lautete: "Ihr seid hierher zum Tod, zur Vernichtung gekommen. Ihr werdet nicht länger leben als drei Wochen." Als Männer, die an dem Warschauer Aufstand beteiligt waren, in das Lager kamen, erfuhren die übrigen Häftlinge, dass die Front immer näher rückt. Nach den Bombenangriffen auf Oranienburg wurden Stanislaw Staszkriewicz und andere Häftlinge als Bombensucher genutzt. Es handelte sich um Bomben mit Zeitzünder, die erst Wochen später explodierten. Jedoch gelang es ihnen durch diese Arbeit, Essen in den Kellern zu finden und so zu überleben. Im April 1945 wurde der letzte Appell durchgeführt, bei dem es hieß "Wer sich gut fühlt auf die rechte und wer sich schlecht fühlt auf die linke Seite". So kam es, daß Herr Staszkriewicz das Lager - er war auf die rechte Seite gegangen - verließ. Vom 18. April bis zum 3. Mai 1945 dauerte der Marsch der Häftlinge an, die zu Fuß bis Schwerin und weiter bis Hamburg liefen. Unterwegs ernährten sie sich von gefundenen Kartoffeln und ausgegrabenen Wurzeln. Als plötzlich die SS-Männer verschwunden waren, liefen sie allein weiter bis sie in Hamburg von den Amerikanern befreit wurden.
Stanislaw Staszkriewicz blieb noch ein Jahr in Hamburg und kehrte 1946 nach Polen zurück. Auf die Frage, wie er mit seinen schrecklichen Erlebnissen umgeht, berichtet er, daß er sehr nervös sei und auch sein Nervensystem nicht in Ordnung wäre. Er war bereits viermal im Krankenhaus und muß sich häufig Beruhigungsspritzen geben lassen. "Gab es Entschädigungszahlungen?" "Nein; es wäre mir zwar zugestattet, aber ich habe nichts erhalten." So wurde der ehemalige Häftling mit medizinischen Experimenten behandelt, beispielsweise mit Röntgenstrahlen, dennoch hat er keine Entschädigungsgelder bekommen.


Hier sieht man dann auch, das es Häftlinge in Auschwitz gab,die nicht direkt getötet werden sollten (wenn man so darüber schreibt,hört sich das so banal an).

Diavolous
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Sa 25. Dez 2004, 18:48 - Beitrag #5

Danke Jatrix, jetzt kann ich das einordenen. :)

Keely
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So 2. Jan 2005, 21:05 - Beitrag #6

Ich kann an der Stelle vielleicht noch hinzufügen, dass Auschwitz nicht im eigentlichen Sinne ein reines Vernichtungslager war, weil es nicht EIN Lager war. Es bestand aus drei Lagern: Auschwitz I und den Nebenlagern Auschwitz II - Birkenau und Auschwitz III - Monowitz.

Dabei war Auschwitz das ursprüngliche Konzentrationslager und diente u.a. auch Verwaltungszentrum des Komplexes. Es wurde im Mai 1940 als Arbeits- und Konzentrationslager gegründet, diente anfangs hauptsächlich zur Aufnahme von polnischen Widerstandskämpfern später aber auch sowjetischen Kriegsgefangenen, politischen Gefangenen, Prostituierten, Homosexuelle, Juden ... Soweit ich weiß war die Höchstzahl der dort hinhaftierten 20.000 Gefangene irgendwann 1942.

Birkenau hingegen war das eigentliche Vernichtungslager (sprich: das Lager mit der systematischen Vernichtung menschlichen Lebens durch Gaskammern). Hier wurden mehr als eine Million Menschen getötet. Es befand sich grob 3 Kilometer von Auschwitz selbst entfernt, ein kleiner Ort namens Brzezinka (Birkenau), die Einwohner wurden von den Deutschen gezwungen, ihre Heimat zu verlassen. Die meisten Menschen kamen mit dem Zug in Auschwitz-Birkenau an, oft gingen komplette Züge sofort zu den Gaskammern, andere Male wieder wurde eine Selektion durchgeführt, bei denen man Arbeitsfähige oder besonders gefragte Arbeiter aussortiert wurden. Wer als nicht arbeitsfähig befunden wurde, landete in der Gaskammer, die arbeitsfähigen wurden für kurze Zeit in eine Quarantäneabteilung überstellt: und vorher zur Verhinderung von Seuchen entlaust und geduscht. Das dürfte in etwa für die Frauen aus Schindler's Liste der Fall gewesen sein (warum da vorher keine Selektion fand - vielleicht einfach nur deswegen, weil der Film sowieso schon sehr umfangreich war).
In Birkenau befand sich meines Wissens nach auch das Frauenlager, sowie der Sortierbereich für die Besitztümer der Angekommenen (wurde "Kanada" genannt).

Die arbeitsfähigen Häftlinge landeten beispielsweise in Monowitz, einem Arbeitslager in dem die Buna-Werke von IG Farben standen. Es gab aber auch andere Firmen, die Werke in der Nähe von Auschwitz hatten und von dort ihre Arbeiter bezogen (z.B. Krupp).

Das mal nur so grob...
Falls jemand Interesse an einer etwas anderen Art der Erzählung über die Judenverfolgung in Polen hat, dem kann ich nur "Maus I - Die Geschichte eines Überlebenden" sowie "Maus II - Und hier begann mein Unglück" von Art Spiegelman empfehlen.


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