aleanjreModeratorin im Ruhestand


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Neu Delhi (dpa) - Neuer Tsunami-Alarm und ein Ansteigen des Meeresspiegels haben vier Tage nach der verheerenden Flutkatastrophe massive Panik an der indischen Küste ausgelöst. Der bis Samstag geltende Flutwellen-Alarm wurde am Donnerstag vom indischen Innenministerium ausgelöst, das sich sich auf Warnungen vor einem starken Beben nahe Australien berief.
Panik brach auch auf Sri Lanka aus und behinderte die Rettungsarbeiten. Die internationale Hilfe lief unterdessen voll an. Die Vereinten Nationen sprachen von einer «außerordentlich großen Hilfsbereitschaft» weltweit.
Im indischen Tamil Nadu und auf den Andamanen und Nikobaren wurde ein Ansteigen des Meeresspiegels beobachtet. Die Andamanen und Nikobaren wurden erneut von vier Nachbeben erschüttert. Die Bewohner der betroffenen indischen Küstenregionen wurden aufgerufen, sich zwei Kilometer vom Strand entfernt aufzuhalten. Tausende Menschen flohen, einige von ihnen waren nach der Katastrophe vom Sonntag gerade erst wieder an die Küste zurückgekehrt. Menschen kletterten auf Bäume und Hausdächer. Viele weinten. Eine Reporterin sprach von sprach von «unglaublicher und vollständiger Panik» auf den Straßen.
Am Donnerstagmorgen (Ortszeit) bereitete sich das erste Lazarett-Flugzeug der Bundeswehr auf den Rücktransport von etwa 50 verletzten Deutschen von der thailändischen Urlauberinsel Phuket vor. Die USA entsenden einen Flugzeugträger und mehrere Schiffe in die Region. Derweil befürchten Hilfsorganisationen, dass die Zahl der Toten der Naturkatastrophe auf insgesamt mehr als 100 000 steigen könnte. Die Opferzahl stieg auch am Donnerstag weiter an.
Im Norden der indonesischen Insel Sumatra sind nach Einschätzung der Gesundheitsbehörden hunderttausende Überlebende von Krankheiten bedroht. In der besonders schwer getroffenen Provinz Aceh würden zehntausende weitere Helfer benötigt, um die Gesundheitsgefahren durch verwesende Leichen einzudämmen, hieß es.
Unterdessen lobte der Präsident des Deutschen Roten Kreuzes (DRK), Rudolf Seiters, die hohe Spendenbereitschaft der Deutschen. Er stelle «voller Dankbarkeit» fest, dass in Deutschland sehr viel Hilfe aus der Bevölkerung komme, sagte Seiters am Donnerstag im DeutschlandRadio Berlin. «Ich kann vor Silvester nur bitten, dass man uns weiterhin hilft, damit wir unsere Aufgaben bewältigen und das Leid mildern können.»
Nach Angaben der Bundesregierung werden noch rund 1000 deutsche Touristen im Krisengebiet vermisst. «Dies ist eine Katastrophe wirklich weltweiten Ausmaßes», sagte Bundeskanzler Gerhard Schröder am Mittwoch in Berlin. Es sei von einer «dreistelligen Zahl» deutscher Opfer auszugehen. Die Bundesregierung ordnete Trauerbeflaggung an und erhöhte die Hilfe für die Katastrophenländer auf 20 Millionen Euro.
Die Bundeswehr wird nach den Worten von Verteidigungsminister Peter Struck jede mögliche Unterstützung zur Verfügung stellen, sobald diese von den Regierungen der Katastrophenregion gewünscht wird. So könne beispielsweise ein Luftlande-Rettungszentrum innerhalb von 72 Stunden in die Katastrophenregion gebracht werden, sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums in Berlin am Mittwochabend.
Hilfsorganisationen schätzten am Mittwoch erstmals die Zahl der Katastrophen-Opfer im sechsstelligen Bereich. Nach offiziellen Angaben sind bislang 69 000 Tote zu beklagen, sagte eine Sprecherin der Internationalen Rotkreuz- und Rothalbmond-Föderation (IFRC) in Genf. Wegen der hohen Zahl der Vermissten sei jedoch noch ein deutlicher Anstieg bis auf 100 000 Tote zu befürchten.
Allein auf Sri Lanka rechnete der europäische Koordinator für Hilfe mit bis zu 50 000 Toten. Die Lage sei «apokalyptisch», sagte Philippe Nardin. In Indonesien stieg die offizielle Opferzahl auf mehr als 45 000. UN-Generalsekretär Kofi Annan brach seinen Urlaub ab und wollte am Donnerstag persönlich die Aufsicht über die größte Nothilfeaktionen in der Geschichte der UN übernehmen.
Der Bundesregierung zufolge wurden bislang 26 deutsche Opfer identifiziert. Allein in Thailand war jedoch das Schicksal von mindestens 600 Deutschen unklar, wie die Botschaft in Bangkok berichtete. Für die meisten Gäste und Beschäftigten des vorwiegend von Deutschen besuchten Luxushotels «Magic Lagoon» bei Khao Lak gibt es unterdessen kaum noch Hoffnung. Bis Mittwoch wurden nur 185 der 415 zumeist aus Deutschland stammenden Gäste lebend gefunden.
Cuddalore/Indien (AP) Ganze Heerscharen von Helfern registrieren im asiatischen Katastrophengebiet die geborgenen Leichen. Eine präzise Zahl der Todesopfer kann jedoch nicht erwartet werden. Zwar bemühen sich die Helfer beispielsweise in Indien um genaue Angaben, doch wo Bulldozer Tote zur raschen Beisetzung in Massengräber schieben, können Zahlen nur geschätzt werden. «Die Leute hier stehen vor einer chaotischen Situation, sie müssen mit vielen Mängeln fertig werden», sagt Steve Hollingworth, der Indien-Direktor der internationalen Hilfsorganisation CARE.
Bis zum Donnerstag wurden in elf asiatischen und afrikanischen Ländern offiziell rund 78.000 Tote bestätigt. Das Internationale Rote Kreuz befürchtet aber, dass die Zahl die Marke von 100.000 übersteigen könnte. In Indien registrieren Regierungsbeamte und Polizisten jeden Toten genau mit Namen, Alter, Namen der Eltern, Adresse und besonderen Kennzeichen. Von jeder Leiche wird ein Foto gemacht.
Sri Lanka verfährt ähnlich. Dennoch nennen Armee, Polizei, das nationale Katastrophenzentrum und die Regierung jeweils verschiedene Opferzahlen. Nach Angaben des Katastrophenzentrums kamen auf der Insel mehr als 22.000 Menschen in der Flutwelle ums Leben. Auf die Frage, ob die Regierung die verschiedenen Zuständigkeiten nicht so koordinieren könne, dass Einigkeit über die Opferzahl herrscht, sagt der Direktor des Zentrums, Nimal Hettiarchchi: «Tut mir leid, fragen Sie mich das nicht.»
In Indonesien, dem mit mindestens 45.000 Toten am schwersten von der Katastrophe betroffenen Land, räumen die Verantwortlichen ein, dass sie zu groben Schätzungen gezwungen sind. So wurden beispielsweise die Toten in einem Massengrab gezählt und auf die Zahl der Toten in anderen Massengräbern übertragen. In anderen Fällen wurde die Bevölkerungszahl eines Dorfes geschätzt, dann wurden die Überlebenden gezählt. Die Differenz wurde als Zahl der Toten in dem Dorf angenommen. «Zuerst haben wir die Leichen noch einzeln gezählt, aber später haben wir einfach zu viele gefunden, das hat uns überfordert», sagt Irman Rachman, ein freiwilliger Helfer des indonesischen Roten Kreuzes. «Deshalb haben wir unseren Schätzungen die Zahl der Leichen in den Massengräbern zugrunde gelegt - ein Massengrab für etwa 400 Leichen.»
In muslimischen Regionen stimmten die Geistlichen Massenbeisetzungen zu. In muslimischen Dörfern Sri Lankas beeilten sich die Bewohner, ihre Toten den Regeln des Islams gemäß binnen 24 Stunden zu bestatten, noch bevor die offizielle Zählung begann. «Ich bin sicher, dass es tausende Varianten dieses Szenarios gibt», sagt CARE-Direktor Hollingworth.
In der indonesischen Provinz Aceh wurden am Mittwoch hunderte Tote von Bulldozern in ausgehobene Gruben geschoben. Keiner der Toten wurde fotografiert, niemand hielt ihre Namen oder sonstige Erkennungsmerkmale fest. «Wir müssen das tun wegen des Verwesungsgeruchs und des Gesundheitsrisikos», sagt der Gouverneur der Provinz Aceh, Azwar Abu Bakar. «Wir haben keine Kühlräume, um diese Leichen aufzubewahren.» Viele Witwen sind allerdings auf eine Sterbeurkunde angewiesen. Können sie keine vorweisen, droht ihnen ein Leben in Armut, da sie dann keine Renten oder Entschädigung erhalten.
Eine chaotische Verwaltung und die geographische Abgeschiedenheit mancher betroffenen Regionen tragen ebenfalls dazu bei, dass das Zählen der Toten schwierig ist. Die letzte Volkszählung in Indonesien ist zwölf Jahre her, und in vielen abgelegenen Regionen gibt es ohnehin kaum schriftliche Aufzeichnungen über Geburten und Todesfälle.
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