Die Welt der Zahlen: Reste eines Platonismus in einer materialistischen Welt

Auf der Suche nach dem Sinn des Lebens und der Wahrheit.
Maurice
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Mi 8. Dez 2004, 20:19 - Beitrag #1

Die Welt der Zahlen: Reste eines Platonismus in einer materialistischen Welt

Platons Welt der Ideen sollten die meisten kennen. Für alle, die das Modell kenne hier eine kurze Erklärung:
Platon war der Auffassung, dass es von allem was es gibt eine ideale Idee über den Dingen, die wir sehen gibt. Es gibt zum Beispiel jede Menge Pferde, aber diese sind nur ein Abglanz der Idee des Pferdes. Die Seele kannte bevor sie in einem Körper zur Welt kam alle Ideen und hat diese bei der Geburt in ihren Gefägnis von Körper alle wieder vergessen. Wenn wir nun z.B. ein Pferd sehen, erkennen wir dieses als Pferd, weil sich unsere Seele wieder an die Idee des Pferdes erinnert. Platon hat also neben der empirischen Welt, eine nicht greifbare Welt der Ideen postuliert. Platons Höhlengleichnis baut auch auf diese Vorstellung auf.
Ich hoffe meine Ausführungen waren bis hier hin richtig.
Kritik an diesem Modell ist nicht schwer. Es ist allein schon die Frage, warum man ein solches Modell annehmen sollte, haben wir doch wie es scheint keinen Grund einen solchen ontologischen Aufsatz beizustimmen. Wie damals Aristoteles sagen wir (so nehme ich zumindest von allen hier anwesenden an), dass wir die Idee eines Pferdes erst konstruieren, nachdem wir mehrere Pferde gesehen haben. Wir abstraieren unsere Erfahrungen zu unseren Vorstellungen der Dinge, sodass jeder von uns eine Idee von einem Pferd hat. Zweiter großer Kritikpunkt ist die Frage, wann diese Ideen in die Köpfe der Menschen gekommen ist. Das ist auch eine allgemeines Problem in bezug auf die Seele, wenn man annimmt, dass nur Menschen eine solche haben und man dennoch kein Kreationist ist. Der Mensch entwickelt sich also vom Primaten zum homo sapiens und irgendwann plötzlich kommen die Ideen in seinen Kopf.
Das soll keine Diskussion über die ursprüngliche Idee von Platons Ideenwelt werden und vor allem nicht ob es eine Seele gibt. Dieser Abschnitt war nur an jene gedacht, die noch nie etwas von Platons Ideenwelt gehört haben, um zu wissen, was der Hintergrund ist. Wenn ich irgendwo grobe Fehler gemacht habe, so berichtige mich bitte jemand, ist nämlich schon ein paar Jahre her, seit ich das in seiner Urform in der Schule hatte.

Nun zum eigentlichen Thema:
Was sind Zahlen und was für eine Entität stellen diese dar?
Es gibt durchaus Menschen, die für die Zahlen eine eigene Welt postulieren, die der Ideenwelt von Platon ähnelt. Zahlen seien schon immer da gewesen, selbst bevor es den Menschen gab und in dieser Welt der Zahlen wären auch alle mathematischen Gesetze vorhanden.
Ein imo modernerer Ansatz vertritt hingegen den Standpunkt, dass Zahlen wie Wörter menschliche Konstrukte sind. Zahlen sind damit keine für sich existierenden Dinge, sondern nur Vorstellungen von Menschen und somit Hirnprozesse. Wenn es keine Menschen gäbe, gäbe es auch keine Zahlen. Das berücksichtigt natürlich nicht die Möglichkeit, dass es auch andere Lebewesen geben könnte, die Zahlen denken, aber darum soll es hier nicht gehen.
Wenn man also saggt, dass eine Zahl, so ein solches abstraktes Ding, erst existiert, wenn man sie denkt, so ist das soweit imo noch kein Problem. Nun aber mein Problem: Ich schreibe z.B. irgendeine Zahl, die angenommen vorher nicht gedacht wurde, z.B. 198.156.478 und kann damit sagen, dass diese Zahl existiert, aber bevor ich sie gedacht hatte noch nicht. Diese Zahl ist aber nach unseren Aussagen ein Teil einer Zahlenmenge z.B. Q, wenn diese Zahl also schon vorher ein Teil dieser Menge war, dann müsste sie schon vorher in dieser existiert haben. Ein anderes Problem ist, dass ich sagen kann, dass diese Zahl möglich war zu denken, sie also in einem Bereich der möglich zu denkenden Zahlen lag. Was für eine Entität stellt dieser Bereich des Möglichen dar und existieren unendlich viele Zahlen in einer Zahlenmenge unabhängig davon, ob ich sie gerade denke? Wo existieren diese Zahlen dann?
Existiert eine Ideenwelt der mathematischen Zahlen?

Ich glaube das natürlich nicht, doch habe ich Probleme den Sachverhalt so zu formulieren, dass die Aussagen, dass eine Zahl eine von einem denkenden Subjekt abhängige Entität ist, mit dem zu vereinbaren, dass es in einer Zahlenmenge unendlich viele Zahlen existieren.
Imo muss hier eine sprachliche Verwirrung oder unglückliche Ausdrucksweise vorliegen, ähnlich einem Satz wie "die Funktion steigt an". Eine Funktion kann nicht ansteigen, sondern nur die Linie, die diese Funktion darstellen soll.

Padreic
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Mi 8. Dez 2004, 23:01 - Beitrag #2

Das geht sehr in Richtung Mathematikphilosophie. Da müsste man im Grunde etwas weiter ausholen. Heut Abend hab ich dazu leider keine Lust mehr, aber ich will einen Beitrag, den ich mal für ein anderes Forum geschrieben habe, hier reinkopieren. In weiten Teilen dürfte er ganz gut passen. Ein konkretes Eingehen auf deinen Post verschiebe ich auf morgen oder so.


Ich will hier versuchen, kurz die drei größten mathematischen Schulen vorzustellen, Platonismus, Intuitionismus und Formalismus.

Der Platonismus ist die älteste der drei. Während er schon auf die alten Griechen zurückgeht, sind die anderen Beiden im wesentlichen Geburten des 20. Jahrhunderts. Der Platonismus (im weitesten Sinne) sieht die Mathematik als Beschreibung einer objektiven Realität außerhalb unseres Geistes. Der Name rührt von der Vorstellung her, dass diese in der ideellen Wirklichkeit der platonischen Ideen gegeben ist. Erdös (1913-1996) sagte, dass im Himmel ein Buch mit allen schönen und eleganten Beweisen liege. Wie ernst er dies meinte ist nicht bekannt...
Auf jeden Fall macht der Platonismus mit dem Postulat einer externen Realität mathematischer Objekte die stärksten philosophischen Annahmen aller mathematischen Schulen. In etwas abgeschwächter Form kann man auch einen Platonismus sehen, wenn man den mathematischen Objekten keine Realität an sich zuschreibt, sondern sie nur in den Dingen verwirklicht sieht (d.h. in einer Menge von zwei Schafen ist eben die zwei enthalten), komplexere und abstraktere mathematische Wahrheiten wären dann vielleicht auch nur Zusammensetzung und Abstraktion von den grundlegenden mathematischen Objekten.
Zumindest in den stärkeren Formen des Platonismus ist auch jede mathematische Aussage entweder wahr oder falsch, so z. B. auch die Kontinuumshypothese. [Diese besagt, dass es keine unendliche Teilmenge der reellen Zahlen gibt, deren Mächtigkeit von der der reellen und der der natürlichen Zahlen verschieden ist. Von Gödel und Cohen wurde bewiesen, dass die Wahrheit dieser Vermutung von den Axiomen der herkömmlichen Mengenlehre unabhängig ist, d.h. dass man logisch konsistent sowohl die Hypothese als auch deren Negation zum Axiomensystem hinzufügen könnte. Gödel hielt die Hypothese aber beispielsweise in einem tieferen platonischen Sinne für falsch.] Dies ist gerade ob Gödels Unvollständigkeitssatz, der besagt, dass es in jedem formalen System von einem gewissen Umfang Aussagen gibt, die in diesem unentscheidbar sind, d.h. weder bewiesen noch widerlegt werden können; diese müssen aber nach dem Platonismus trotzdem entweder wahr oder falsch sein. Im Platonismus ist so auch nicht jedes widerspruchsfreie Axiomensystem gleich gültig.

Der Formalismus geht einen anderen Weg. Sein Begründer war der große Mathematiker Hilbert, der ihn gerade auch als Reaktion auf die Widersprüchlichkeit der naiven Mengenlehre Cantors und auch aufgrund von einigen kontra-intuitiven mathematischen Objekten formulierte. Er setzt die gesamte Mathematik mit formalen Systemen gleich, wobei hier ein formales System bedeutet, dass man bestimmte Zeichenketten, die Axiome, und bestimmte Schlussregeln hat, mit denen man die Zeichenketten kombinieren kann, und so Beweise und mathematische Sätze erhält. Wahr ist genau das, was in einem solchen System beweisbar, d.h. aus solchen Zeichenkettenmanipulationen ableitbar ist. Der gleiche Satz kann so in einem System wahr, in einem anderen falsch sein, jeder muss für sich selbst entscheiden, welches er wählt. Formal unentscheidbare Sätze sind dann auch weder wahr noch falsch.
Wichtig ist auch, dass die Zeichen von ihrer Bedeutung abstrahiert sind und nur durch ihre Relation zueinander und in den Sätzen, die sie enthalten, definiert sind. Ein bekanntes Beispiel ist dafür der Begriff der Menge, der noch von Cantor zu definieren bzw. umschreiben versucht wurde, der aber zu grundlegend ist, als dass er klar und exakt mathematisch definiert werden könnte, außer in den Axiomen, die ihn enthalten. Das ist gewissermaßen eine Abkehr von dem Grundsatz, dass man erst die Begriffe definieren muss, bevor die Axiome formulieren kann.

Die dritte "große" Schule der Mathematik ist der Intuitionismus (es ist wohl in Wirklichkeit sehr schwer jemanden zu finden, der sich voll zu ihr bekennt...ich kenne jemanden, der mal einen Intuitionismuskongress besucht hat, weil er sich sehr für das Thema interessierte, dort aber keinen voll überzeugten Intuitionisten gefunden hat...). Begründet wurde sie von Brouwer (obwohl es schon vorher Leute gab, die in die Richtung dachten, wie beispielsweise Kronecker). Der Intuitionismus ist vor allem eine Reaktion auf die im späten 19. Jahrhundert aufkommenden vollkommen nicht-konstruktiven Existenzbeweise (d.h. man bewies, dass es eine bestimmte Sache gab, obwohl man keine Ahnung hatte, wie so ein Teil konkret aussehen konnte. So war es z. B. mit den transzedentalen Zahlen (reelle Zahlen, die nicht Nullstelle irgendeines Polynoms sein können), bevor man zeigte, dass Pi und e Vertreter dieser Menge sind).
Er sieht Mathematik als das an, was ein kreatives Subjekt (eine Art von idealisierten menschlichen Geist, der sich nicht irrt) konstruieren kann. Nur Dinge, von denen ein Mensch weiß, wie man sie konstruieren kann, sind mathematisch existent und sie werden es auch erst in dem Augenblick, wo ein Mensch dies weiß. Aussagen, deren Wahrheitsgehalt noch unbekannt ist, sind unentschieden. So gilt für die Intuitionisten auch nicht das Gesetz des ausgeschlossenen Dritten. Ein "anschauliches" Beispiel dafür ist ein Sack mit unendlichen vielen Kugeln, von denen man weiß, dass sie entweder schwarz oder weiß sind. Wenn man bisher nur weiße gefunden hat, enthält der Sack dann nun auch schwarze Kugel oder nicht? Der Intuitionist sagt, weder noch, da man es einfach nicht weiß. Interessant sind auch die Ergebnisse aus der intuitionistischen Analysis, z. B. ist der Zwischenwertsatz falsch (weil man nicht unbedingt die enstprechende Stelle konstruieren kann) oder es sind z. B. auch alle Funktionen vom Einheitsintervall in die reellen Zahlen gleichmäßig stetig.
Formale Sprachen und Logik sehen die meisten Intuitionisten nicht als Basis für die Mathematik an, eher umgekehrt. Auf Basis der mathematischen Konstruktion können sie gewisse logische Sätze für diese herleiten. Da sie von der mathematischen Grundintuition ausgehen, sind auch formale Sprachen für sie nur ein möglicherweise ungenauer Versuch diese einzufangen und nicht die Mathematik selbst. Als Basis für ihre Konstruktionen nehmen sie meines Wissens nur die natürlichen Zahlen selbst, die sie als dem kreativen Subjekt unmittelbar gegeben sehen.
Metaphysische Annahmen müssen die Intuitionisten nicht tätigen, da sie nur die abstrahierte Tätigkeit des menschlichen Geistes betrachten.

Als eine abgewandelte Form des Platonismus könnte man Kants Sicht der Mathematik sehen, dass sie das Studium bzw. die synthetische Erkenntnis a priori über die Formen der Anschauung, Raum und Zeit sei (ich hoffe, ich gebe das in etwa richtig wieder).
Man muss allerdings auch berücksichtigen, dass Kants Zeit noch keine große Abstraktion in der Mathematik kannte. Ich weiß nicht, wie sich manche modernen abstrakten Formen der Mathematik damit noch in Einklang bringen lassen.

Ich kenne jemanden (der Kursleiter auf der Sommerakademie, wo ich diesem ganzen begegnet bin), der sagt, dass er Philosophen gegenüber Formalist ist, den Intuitionismus hoch interessant findet, in seinem Herzen aber tiefer Platonist mit kantschem Einschlag ist. Ein bisschen so ähnlich geht es wohl vielen Mathematikern. Im Grunde ist der Formalismus weitesgehend anerkannt als (mehr oder weniger) gesicherte Basis für die Mathematik, aber niemand betreibt so Mathematik. Niemand, der sich mit Begeisterung der Mathematik widmet, kann sie als bloß formales Spiel mit Zeichen betrachten, er empfindet, dass er mathematische Wahrheiten entdeckt und nicht nur nach bestimmten Regeln Zeichenketten erfindet.
Platonismus und Formalismus widersprechen sich rein mathematisch aber nicht, der Formalismus ist gewissermaßen das weitere Konzept. Während man den Intuitionismus auch formalisieren kann (auch wenn manche Intuitionisten das nicht mögen könnten), widersprechen sich Platonismus und Intuitionismus in der Art von Mathematik, die sie betreiben, grundlegend. Sowohl in der Methode als auch in den mathematischen Wahrheiten, die sie erhalten (auch wenn sie teilweise mit verschiedenen Methoden auch die gleichen Sätze erhalten). Es gibt nur sehr wenige Leute, die intuitionistische Mathematik ernsthaft betreiben, der ganz große Strom betreibt im Grunde klassische, also platonistische. Was wahrscheinlich auch nicht unabhängig davon ist, dass letztere physikalisch große Erfolge feiern kann.

Kurz erwähnen kann man noch die pragmatische und die ultra-intuitionistische Sicht, die beiden vielleicht Informatikern entgegenkommen mögen . Erstere sucht weniger nach strengen Beweisen, sondern sieht vielmehr das als wahr an, was augenscheinlich funktioniert. Letztere ist eine Art von Erweiterung des Intuitionismus, sieht aber nicht mal alles das als existent an, wo man weiß, wie man es konstruiert, sondern nur das, was schon konstruiert wurde. D.h. auch sehr große Primzahlen existieren noch nicht.

Padreic

Maurice
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Sa 8. Jan 2005, 16:54 - Beitrag #3

Math. Mengen = Formeln

Der Thread hier fand ja nicht gerade viele Anhänger. ^^*
Deine Ausführungen waren sehr interessant Pad, aber waren imo nicht der Versuch mein genanntes Problem zu lösen. Ich habe mir auch weiter über die Sache Gedanken gemacht und bin zu folgenden Lösungsansatz gekommen:

Mathematische Mengen (z.B. R+, Q, N- usw.) sind keine Mengen im klassischen Sinne, weil deren Elemente (der der klassischen Mengen) komplett aufzählbar sind, also von begrenzter Anzahl. Math. Mengen haben zwar auch begrenzte Elemente, diese sind aber nicht endlich und somit komplett aufzählbar. Der Begriff "Menge" ist hier irreführend, weil es sich hier eigentlich um eine Formel handelt, mit der wir Zahlen immer wieder aufs neue kreieren.

Zahlen wären damit weiter nur Prdoukte unseres Denkens und (wenn man der Identitätstheorie anhängt) somit nicht inmateriell. Ein obskurer Zahlen-Idealismus wäre damit vermieden.

Was denkt ihr über diesen Lösungsversuch?

e-noon
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Sa 8. Jan 2005, 17:36 - Beitrag #4

*mich unwürdigerweise in diesen thread einschleich*
Von meinem Verständnis der platonschen Idee und des Materialismus erscheint mir die Korrigierung, dass diese Mengen keine noch nicht vorhandenen, inmateriellen Zahlen beinhalten, sondern eher Formeln darstellen, eindeutig als Verbesserung.
Noch eine Frage dazu: Wenn man sich nun als eine Teilmenge von z.B. N alle ganzen Zahlen von 299.744.777.222 bis 299.744.777.228 bestimmt, und diese Zahlen wurden vorher noch nie von jemandem geschrieben oder vorgestellt, dann wäre die Anzahl der möglichen Zahlen zwar endlich, aber man müsste hier doch auch von einer Formel anstelle einer klassischen Menge sprechen, oder?

janw
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Sa 8. Jan 2005, 17:44 - Beitrag #5

Nun, als kleiner Einwurf, EINER hat diese Zahlen schon mal gesehen und sich vorgestellt...aber für die Erkenntnis muß man zulassen, daß jenseits unserer rationalen Erkenntnissphäre eine weitere Entität existiert.

e-noon
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Sa 8. Jan 2005, 17:49 - Beitrag #6

Sicher :)
Das Problem, zu dem dieser Lösungsansatz erdacht wurde, war ja dieses platonsche Überbleibsel einer inmateriellen Entität in einem materialistischen Weltbild. In einem inmateriellen Weltbild steht es natürlich jedem frei, sich beliebig viele volle, leere oder halbleere Mengen zu erdenken und sie nach Gutdünken zu füllen ;)

Maurice
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Sa 8. Jan 2005, 18:23 - Beitrag #7

Wenn ich dich richtig verstanden habe, dann müsste man bei deinem Beispiel nicht von einer Formel sprechen, sondern kann diesen Sachverhalt als eine Menge um klassichen Sinne bezeichnen, da die Anzahl der Elemente begrenzt und vollständig aufzählbar sind.
Die Menge der Elemente zwischen den von dir genannten Zahlen bestimmen sich nicht selbst, sondern werden durch ein Subjekt bestimmt, der diese konstruiert. Die Elemente zwischen den Zahlen existieren nicht an sich, sondern erst durch das Denken dieser.

(Wie gesagt ich bin mir nicht absolut sicher, was du hier meintest.)

Traitor
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Sa 8. Jan 2005, 18:29 - Beitrag #8

Kurze Zwischenfrage, bevor ich versuchen kann, zu verstehen, worauf du hinauswillst: Was soll eine "Menge im klassischen Sinne" sein? Im umgangssprachlichen? Oder wo wird der Begriff der Menge denn definiert, wenn nicht in der Mathematik?

Maurice
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Sa 8. Jan 2005, 18:41 - Beitrag #9

Was meine Vorstellung einer (klassichen) Menge ist, habe ich doch oben geschrieben... wenn du den Begriff anders auffasst, dann kannst du ja gerne einen alternative Defintion geben.

e-noon
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Sa 8. Jan 2005, 18:47 - Beitrag #10

Ich kanns auch nicht gut erklären, bewegt sich grade noch am Horizont meines Verstandes... In dieser Menge lassen sich zwar alle Zahlen aufzählen (sind ja nur fünf), aber existieren sie schon, bevor sie je gedacht wurden? Wo sollten sie denn existieren? Aus deinem Lösungsansatz schlussfolgernd, müsste ich auch diese Menge als inmateriell sehen, bis jemand die Zahlen aufgezählt hat, und diese Menge nicht als "klassische" Menge, sondern ebenfalls als Formel sehen.
Es würde also keinen Unterschied machen, ob der Inhalt der Menge potentiell vorhanden ist, also ob er überhaupt gedacht werden kann, oder nicht; lediglich die bereits gedachten Zahlen wären materiell und somit vorhanden.

Traitor
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Sa 8. Jan 2005, 18:50 - Beitrag #11

Du schreibst nur, dass deines Erachtens mit dem "klassischen Mengenbegriff" unvereinbar ist, dass die Menge unendlich viele Elemente enthält. Aber woher dieser klassische Begriff kommt und warum der mathematische sich ihm gegenüber rechtfertigen muss, dazu sehe ich nichts.

Wie gesagt, ich will noch nichts zu deinem Ansatz an sich sagen, sondern nur erstmal wissen, wie du die Begriffe verwendest, damit ich darauf passend eingehen kann.

Maurice
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Sa 8. Jan 2005, 22:37 - Beitrag #12

@Traitor: Imo sind meine Definitionen eindeutig, ich verstehe dein Problem nicht.

@E-noon: Imo existieren diese fünf Zahlen nicht bevor man sie gedacht hat. Ihre Existenz zu postulieren, obwohl sie nicht gedacht wurden, würde wieder einen Idealismus bedeutet. Eine Zahl existiert nur dann, wenn man sie denkt.
Die "Menge" "die Zahlen zwischen X und Y" ist imo wie gesagt keine eigentliche Menge, sondern eine Formel, auf Grund dieser wir die Zahlen zwischen und X und Y bestimmen. Die Zahlen zwischen X und Y können nicht an sich existieren, zumindest wenn man eine materialistischen Ontologie vertritt. Wenn ich hingegen z.B. sage "die Zahlen der Menge XY sind A, B, C usw." dann existieren diese Zahlen in diesem Moment, weil ich sie aktual denke.

Die einzige Frage, mit der ich mich momentan noch beschäftige ist, ob Zahlen jetzt nur als Denkakte existieren oder man auch die Zeichen, die diese repräsentieren, als Zahlen bezeichnet werden können.

e-noon
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Sa 8. Jan 2005, 22:39 - Beitrag #13

Genau das meinte ich ^^ Nämlich dass sich dein Lösungsansatz damit nicht nur auf Zahlenmengen wie N, R, R+ , also unendliche Mengen bezieht, sondern auf jede noch nicht angegebene Zahlenmenge.

Maurice
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Sa 8. Jan 2005, 22:56 - Beitrag #14

Um sicher zu gehen: Wenn ich sage "die Zahlen zwischen X und Y" dann ist das imo eine Formel, aber wenn ich sage "Die Zahlen der Menge XY sind A, B, C usw.", dann ist dies eine Menge, weil alle Elemente aufgezählt sind.

Aber wie gesagt ist dies nur ein Lösungsversuch, ich werde daher natürlich noch über die ganze Sache nachdenken, was nach sich ziehen kann, dass ich meine Idee wieder verwerfe oder modifiziere.

e-noon
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Sa 8. Jan 2005, 23:06 - Beitrag #15

Ja, ich weiß :D Ich hab´s kapiert! Es ist demnach erst eine Menge, wenn alle Elemente dieser Menge aufgezählt sind ^^

nazgul
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Sa 8. Jan 2005, 23:14 - Beitrag #16

Nein.

Die Menge der Natürlichen Zahlen eg ist eine Menge, wenn du es schaffst __ALLE__ Elemente aufzuzählen, geb ich dir einen aus.

e-noon
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Sa 8. Jan 2005, 23:20 - Beitrag #17

Hast du dir schon das ganze Thema durchgelesen? :)
Wenn ja, sollte dir aufgefallen sein, dass es aus materialistischer Sicht ein Problem darstellt, Zahlen, die man nicht alle aufzählen kann (also unendliche Mengen wie N, R, Q...), als Menge zu bezeichnen. Bevor jemand eine Zahl gedacht hat, ist sie nämlich in einer solchen Menge "inmateriell" vorhanden, und eine inmaterielle Existenzform passt logischerweise nicht in ein rein materielles Weltbild.
Daher wurde als Lösung vorgeschlagen, solche Mengen nicht als "Mengen" im dem Sinne zu bezeichnen, dass die Menge der möglichen Zahlen schon unsichtbar darin herumschwebt, sondern als eine Formel, mit der die Zahlen in dem Moment, in dem man die Formel anwendet, vorgestellt werden und somit materiell erscheinen.
Auf das Angebot komm ich zurück, wenn ich mal seeeehr viel Zeit hab :P
Oder ich übergebe an Gott, in unendlich viel Zeit sollte man unendlich viele Zahlen aufzählen können ^^

Chennyboy
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Sa 8. Jan 2005, 23:29 - Beitrag #18

Ich würde gerne mal auf den Anfangspost antworten. Kritik ist willkommen. (obwohl, Kritik in der Philosophie?)
Einer der Anfangsfragen ist, ob Wissen wie Mathematik oder das dezimale Zahlensystem nicht schon vor der Erfindung da war.
Also eine stark empirische Auffassung.
Das ist natürlich eine Frage, und ich würde das philosophisch so sehen:
Diese Zahlensystem war vorher nicht da, aber sie ist eine Wahrscheinlichkeit von vielen, die man anwenden konnte, und diese Wahrscheinlichkeit war da. (Es gab ja in der Mittelalter noch das Zwölfersystem)
Also eine Wahrscheinlichkeit von vielen, die getroffen werden kann. Und bestimmt entgegen der Meinung einiger würde ich sagen, dass es nicht unbedingt die beste Möglichkeit ist, sondern, nur eine, die sich zufällig durchgesetzt hat.
Sie ist nicht die perfekte. Sie kann Perioden, pi usw. nicht darstellen.
Wär die Hexadezimalsystem 1000 (willkürlich) Jahren vorher erfunden worden und von den meisten Menschen anerkannt und gebraucht, dann wären die Preisschilder heute imo in Hex-Zahlen.

e-noon
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Sa 8. Jan 2005, 23:42 - Beitrag #19

Jawohl, Kritik an der Philosophie ;) bzw. Suche nach der Lösung eines philosophischen Problems.
Chenny, soweit ich das verstanden habe, geht es wohl nicht um das Zahlensystem, sondern darum, was Zahlen in einem materialistischen Weltbild sind. Auch in einem Zwölfer- oder z.B. einem Binärsystem ergibt sich dieses Problem, es ist nicht allein auf unser derzeitiges System beschränkt.
Was du gesagt hast, dass das Zahlensystem (oder Zahlen überhaupt) nicht vor seiner Erfindung (Vorstellung) da war, passt in ein materialistisches Weltbild, und ich würde dir auch zustimmen, es wurde hier aber auch schon mehrmals gesagt ;)

Maurice
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So 9. Jan 2005, 13:36 - Beitrag #20

Ich will nicht spammen, aber nochmal auf auf die eine Frage hinweisen, die scheinbar etwas untergegangen war:
Sind Zahlen jetzt nur Denkakte oder auch die Zeichen, die diese repräsentieren?

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