Qualia

Auf der Suche nach dem Sinn des Lebens und der Wahrheit.

Ist Qualia-Reduktion korrekt: Wie kann sich etwas schön oder schlecht anfühlen?

Umfrage endete am So 20. Feb 2005, 11:44

Ja
0
Keine Stimmen
Nein
0
Keine Stimmen
 
Abstimmungen insgesamt : 0

Lars
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Fr 21. Jan 2005, 11:39 - Beitrag #1

Qualia

Es gibt 3 verschiedene Qualitäten, die leider meist alle als Qualia bezeichnet werden:

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  • Unterscheidbarkeit: Verschiedene Wahrnehmungen sind unterschiedlich. Z.B. ist Hören ganz anders als Sehen. Aber auch innerhalb einer Art von Wahrnehmung nimmt man Dinge unterschiedlich wahr. Z.B. ist "rot" ganz anders als "grün". Diese Unterschiede in der Wahrnehmung lassen sich aber ganz einfach dadurch erklären, dass verschiedene Neuronen feuern. Genauso könnte man fragen: Warum sind 2 Gedanken unterschiedlich?- Weil unterschiedliche Neuronen feuern.
  • Sekundäre Qualia: Oft wird als Beispiel für Qualia gebracht, dass die Farben "rot" und "grün" verschiedene Qualitäten haben, da zusätzlich zur Unterscheidbarkeit von rot und grün noch ein unterschiedliches Gefühl entsteht.
    Tatsächlich ist aber das Gefühl zu diesen Farben nur erlernt. Man kann das Gefühl nur psychologisch erklären. Z.B. verbindet man mit "grün" die Natur, in der man sich immer wohl gefühlt hat. Dieses Wohlgefühl hat man dann wenn man "grün" denkt. Was man mit einer Farbe verbindet ist individuell verschieden, sehr vielfältig und oft nicht in Worte zu fassen. Die eigentliche (primäre) Qualia ist also das Wohlgefühl, das man in der Natur erlebt hat.
  • Primäre Qualia: Dies ist die eigentliche Qualia, die uns von vorneherein gegeben ist. Alle sekundäre Qualia entsteht durch Verknüpfungen mit der primären Qualia. Oft ist es gar nicht so einfach zu entscheiden, ob es sich um primäre oder um sekundäre Qualia handelt. Z.B. kann das Wohlgefühl in der Natur dadurch zustande kommen, dass man dort immer sehr entspannt war. Dann hätten also "grün" und "Natur" sekundäre Qualia und "Entspannung" wäre die primäre Qualia. Daher denke man bei Qualia besser an einfache Beispiele, etwa Qualia beim Essen oder Schmerz.
  • Damit lässt sich das Qulia-Problem auf die Frage reduzieren: Wie kann sich etwas schön oder schlecht anfühlen?

    Korrekt?

    Maurice
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    Fr 21. Jan 2005, 12:56 - Beitrag #2

    Also ich verstehe unter primären und sekundären Qualitäten etwas anderes. Üblicherweise gehören zu den primären Qualitäten der Dinge Form, Ausdehnung, Dichte usw. während die sekundären Qualitäten Farbe, Geruch, Geschmack usw. gehören. Die primären Qualitäten sind also vom Subjekt unabhängig, während die sekundären auf eine individuelle Interpretation zurückgehen.
    Natürlich kannst du deine Punkte so bezeichnen, wie du willst, aber wäre es wohl ratsamer, sie anders zu benennen um Verwechslungen zu vermeiden.

    Das ist vielleicht Haarspalterei, aber haben die verschiedenen Farben wirklich verschiedene Qualitäten oder sollte man nicht besser sagen, dass sie andere Qualitäten sind?

    Ein weiteres Problem sehe ich in der Frage, in wie weit unsere Reaktion auf bestimmte Farbeindrücke auf vergangene Erfahrungen zurück zu führen sind oder wie weit sie genetsich bedingt sind. Dafür, dass wir bestimmte Farben, auf Grund von bestimmten Erfahrungen bevorzugen, spricht, dass auch andere Sinnesqualitäten durch Erfahrungen konotiert werden. Diese Konotierung wird aber wohl nicht ausschließlich auf Erfahrung beruhen, da wir ja auch bei der Konotation anderer Sinnesqualitäten genetisch vorgeprägt zu sein scheinen.

    Ipsissimus
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    Fr 21. Jan 2005, 14:55 - Beitrag #3

    zusätzlich zu Maurices´ Einwänden verstehe ich auch nicht richtig, was an dieser Frage abzustimmen ist. Eine inhaltliche Diskussion dürte bei Sachfragen doch um einiges weiterführen als eine "demokratische" Abstimmung.

    janw
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    Fr 21. Jan 2005, 18:28 - Beitrag #4

    Eine wissenschaftliche Organisation hat in ihrer Satzung den Passus stehen:"Wissenschaftliche Fragestellungen sind von Abstimmungen ausgeschlossen"
    Qualia sind unbestreitbar ein Begriff der Philosophie und auch mit Bewußtsein befassender Naturwissenschaftler.
    Der Begriff der Qualia beschreibt den "Spalt" zwischen der neuronalen Sinneswahrnehmung und der sehr individuellen Bewußtwerdung des Reizes, oder anders gesagt, den Unterschied zwischen einem Sinnesreiz und einem Sinneseindruck.

    Lars gibt die Angelegenheit recht detailliert wieder, eine sehr gute Ausführung findet sich auch in wikipedia.

    @Lars:Die Frage ist nicht so sehr die kategorische nach schön oder schlecht, sondern danach, WIE sich etwas überhaupt "anfühlen" kann

    Lars
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    So 23. Jan 2005, 15:27 - Beitrag #5

    Qualität und Quantität

    Zu Maurice:

    1.) Dinge wie Form, Ausdehnung, Dichte usw. sind physikalische Eigenschaften. Sie haben überhaupt keine Qualität. Eine Qualität erhält ein Ding erst durch ein Subjekt, das ihm ein Qualität zuschreibt. Ein Subjekt kann physikalische Dinge quantitativ und qualitativ erfassen. Die Quantitative Erfassung beinhaltet Form, Ausdehnung, Dichte etc. die sich auf einer Messskala einordnen lassen. (Bei der Form ist diese Einordnung genaugenommen keine Skala sondern eine nüchterne Klassifikation des Objekts.) Die Qualitative Erfassung beinhaltet, welche Bedeutung das Objekt für das wahrnehmende Subjekt hat; oder anders gesagt, welche Qualia das Objekt im Subjekt auslöst. Deine Unterscheidung in primäre und sekundäre Qualia ist unpassend, da bei Dir "primäre Qualia" gerade nichts qualitatives ist, sondern nur quantitatives.

    2.) "Verschieden" oder "Anders": Es gibt verschiedene primäre Qualia wie z.B. Hunger,Sex, etc.. Das rätselhafte an diesen Qualia ist aber nicht deren Verschiedenheit, denn schließlich bewirken sie einfach ein Feuern von anderen Neuronen. Dass sich Hunger ganz anders anfühlt als Sex liegt daran, dass sie schon von Geburt an an verschiedenen Stellen entstehen. Das rätselhafte an Qualia ist, dass sie angenehm oder unangenehm sind. Möchte ich ausdrücken, dass z.B. Hunger und Sex verschieden sind, so verwende ich den Ausdruck "verschieden" oder synonym dazu "anders". Möchte ich ausdrücken, dass sich etwas angenehm oder noch angenehmer anfühlt, so würde ich sagen es fühlt sich "besser" an. In diesem Fall zu sagen eine Quale ist besser als eine ander wäre allerdings ein Kategorienfehler. Denn Quale bezeichnet den Typ eines Gefühls. Und verschiedene Typen sind nicht vergleichbar. Z.B.: Ist Essen besser als Sex? Nur innerhalb eines Typs lässt sich sagen, ob ein Gefühl besser oder schlechter war.

    3.) Das Standard-Beispiel für Qualia, nämlich die rot- oder grün-Wahrnehmung ist sicher nicht genetisch festgelegt, also keine primäre Qualia. Welchen biologischen Sinn sollte das haben, dass sich eine physikalische Eigenschaft anders anfühlt als eine andere? Oder glaubt hier jemand C.G.Jung? Die Wahrnehmungen, die keine Konotation benötigen, um Quale hervorzurufen, sind gerade die primären Qualia.

    Zu Ippissimus: Abstimmung dient nicht der Wahrheitsfindung und ist so gesehen überflüssig, aber Dein Kommentar dient auch nicht der Wahrheitsfindung und ist daher auch überflüssig :-)

    Zu janw: "Die Frage ist nicht so sehr die kategorische nach schön oder schlecht, sondern danach, WIE sich etwas überhaupt "anfühlen" kann."
    Ich frage mich, ob Du meinen Beitrag durchgelesen hast. Ich habe ja gerade erläutert, wie sich das Qualia-Problem auf die Frage reduzieren lässt, wie sich etwas angenehm oder unangenehm anfühlen kann. Du tust so, als hätte ich das Qualia-Problem nicht verstanden. Wie wärs mal mit inhaltlicher Kritik?

    Ipsissimus
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    So 23. Jan 2005, 23:13 - Beitrag #6

    Es gibt 3 verschiedene Qualitäten, die leider meist alle als Qualia bezeichnet werden:


    Auf welchen Bezugsrahmen bezieht sich deine Aussage von der Existenz der drei Qualitäten? Ich hatte bisher bei der Existenz von Qualitäten nicht an ontische Gegebenheiten gedacht, sondern an Kategorien des Beschreibens, letztlich also des Denkens; damit ist es prinzipiell möglich, soviele Qualitäten zu bilden, wie für einen gegebenen Anlaß notwendig sind.

    In der aristotelisch-scholastischen Tradition gilt "Qualität" als eine der akzidentiellen kategorialen Bestimmungen der Substanz. In der Neuzeit bezeichnen wiederum primäre Qualitäten die quantitativ-messbaren Eigenschaften der Dinge, während die "nur subjektiven" sekundären Qualitäten allesamt auf jene primären Qualitäten zurückgeführt werden. Die von dir genannten primären Qualitäten Hunger, Sex usw. wären somit nur in hochgradig spezialisierten Bezugssystemen sinnvoll als primär auffaßbar; allerdings ist mir schon zweifelhaft, ob es sich dabei überhaupt um Qualitäten handelt

    Nebenbei: weswegen werden die Qualitäten "leider" als "Qualia" bezeichnet?

    Lars
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    Fr 28. Jan 2005, 10:59 - Beitrag #7

    Qualität[primäre, sekundäre(Unterscheidbarkeit, sekundäre Qualia, primäre Qualia)]

    Mir geht es um das Qualia-Problem. Mit "Qualität" meine ich nicht eine Eigenschaft eines Gegenstands sondern "Erlebnisqualität". (Ich verwende den Ausdruck Erlebnisqualität nur ungern, da er ein Subjekt voraussetzt, das erlebt. Aber eigentlich ist Qualia die Voraussetzung, dass es ein Subjekt gibt und nicht das Subjekt Voraussetzung für Qualia.)

    Mit Deiner Begriffsdefinition spreche ich also nur von sekundären Qualitäten, die ich nochmal unterteile: Unterscheidbarkeit, sekundäre Qualia, primäre Qualia.(Ab jetzt werde ich besser darauf achten, dass ich Quale für eine Klasse von Qualitäten verwende (z.B. Hunger) und Qualität für ein bestimmtes Gefühl (z.B. das konkrete Hungergefühl, das ich jetzt habe.)

    Einige träumen davon ein intelligentes Computer-Programm zu schreiben. Anerkannt ist dabei, dass man zur Lernfähigkeit ein Belohnungssystem benötigt. Wie kann man aber ein physikalisches System belohnen? Das macht das Qualia-Problem so interessant. Löst man das Problem, wie man ein physikalisches System (bzw. Computerprogramm) bauen muss, dass es angenehm oder unangenehme Gefühle entwickeln kann, so kann man es auch lernfähig machen. Bisher ist es immer im Programm festegelegt, was gelernt wird. Ein intelligentes System müsste aber alles mögliche lernen können.

    In der Philosophie wird als häufigstes Beispiel für Qualia gebracht, dass "rot" und "grün" verschiedene Qualia haben. Ich meine, dass "rot" und "grün" von Geburt an gar keine Qualia haben, sondern nur unterscheidbar sind. Die Qualia entsteht nur durch Erlebnisse, die Verknüpfungen mit primärer Qualia herstellen. Ich sage, dadurch bekommen "rot" und "grün" sekundäre Qualia. (Genauer gesagt, bekommen "rot" und "grün" nicht Qualia, sondern "rot" und "grün" erzeugen in mir Qualia. Aber diese genauere Ausdrucksweise ist schwerfällig und sowieso klar, wenn man über das Qualia-Problem spricht.)

    Da meine Dreiteilung der Qualia in der Philosophie fehlt, erscheint Qualia als etwas sehr mysteriöses, was zu Diskussionen führt, ob es grundsätzlich möglich ist ein physikalisches System zu erzeugen, das Qualia fühlt. Bei dieser langen Diskussion gibt es eine einfache Antwort: Man sieht doch am Menschen, dass es möglich ist. Man sollte besser nicht so viel Zeit verschwenden ob, sondern besser wie Qualia zu realisieren ist. Dazu ist meine Dreiteilung der Qualia ein erster Schritt. Denn nun geht es "nur noch" darum, wie man angenheme und unangenehme Gefühle realisieren kann.

    Offenbar entsteht beim Menschen Qualia durch Neurotransmitterkonzentrationen in den Synapsen. Zu klären wäre, welche Mechanismen notwendig sind, dass die Neurotransmitterkonzentration Lernen ermöglicht. Z.B. Handlungen, die eine hohe Neurotransmitterkonzentration zur Folge haben, werden wiederholt. Aber wie genau funktioniert das?

    Die Philosophie hält sich leider noch immer mit dem "ob" auf und nicht mit dem "wie". Daher meine ich, "leider" werden Unterscheidbarlkeit, sekundäre und primäre Qualia immer noch einfach als Qualia bezeichnet. Und "What its like to be a bat?" stiftet weiterhin Verwirrung.


    Ipsissimus
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    Fr 28. Jan 2005, 12:24 - Beitrag #8

    na ja, "die" Philosophie als Ganzes sicher nicht, da gibt es mittlerweile doch mehr als nur einige wenige Philosophen, die aus der naturwissenschaftlichen Schiene kommen bzw. darauf abzielen. Ob zum Schaden oder Nutzen des Diskurses bleibt vorerst noch offen :-)

    Ich denke, ehe deine Frage wirklich beantwortet werden kann, ist es notwendig, sich Sicherheit darüber zu verschaffen, ob "Leben" einfach nur ein weiteres physikalisches System darstellt oder ob mit dem - mangels eines anderen Wortes - "Prinzip" der Lebendigkeit etwas einhergeht, das nicht materiell-energetisch im physikalsichen Sinne greifbar ist. Es ist ja ohne weiteres möglich, ene Simulation zu erzeugen, die in der Rückmeldung sich verhält, wie sich auch ein Mensch verhalten würe - mit allen Einschränkungen, denen dies derzeit noch unterworfen ist, bedingt durch Grenzen der Computertechnologie und der KI-Entwicklung. Möglich ist heute schon längst die Implementierung von Reizreaktionen, z.B. die Wahrnehmung von Farben und eine farbangepaßte Reaktion usw. - ein Analogon zu menschlichen Wahrnehmungs- und Reizverarbeitungsprozessen - zumindest "optisch".

    Aber um zu entscheiden, ob etwas zum "Erleben" einer Erlebnisqualität fähig ist, mußt du "drinstecken" - es läuft letztlich auf die in einem anderen Thread schon reichlich diskutierte Bewußtheitsfrage hinaus (ob ein künstliches Gebilde wie ein Computer je echte Bewußtheit - im biotischen Sinne - erlangen kann). Wir haben ja immer noch Schwierigkeiten, auch nur bei Tieren Bewußtseinsqualitäten nachzuweisen (es könnte fast alles rein instinktive Reizreaktion sein), geschweige denn bei sonstigen "physikalischen Systemen.

    Von daher denke ich, daß deine Frage nach derzeitigem Stand unbeantwortbar ist, was nicht heißt, daß sie noch lange unbeantwortbar bleiben muss.

    Lars
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    So 30. Jan 2005, 21:14 - Beitrag #9

    Argument gegen Behaviourismus

    Hallo Ipissimus!

    1.) Bitte nenne mir die Philosophen, der sich mit dem "wie" beschäftigen. Ich suche danach, habe aber keinen gefunden.

    2.) Was meinst Du mit "materiell-energetisch im physikalsichen Sinne"? Ich hoffe doch mal an, Du bist kein Dualist, der an irgendwelchen Hokuspokus glaubt. Der menschliche Geist entsteht aus emergenten Eigenschaften der neuronalen Verknüpfungen. Wenn an einem System kein unphysikalischer Hokuspokus ist, warum sollte man es dann nicht als physikalisches System bezeichnen?

    3.) Wie verhält sich denn eine Simulation, die "in der Rückmeldung sich verhält, wie sich auch ein Mensch verhalten würde"? Es gibt derzeit noch kein System, das Sprache versteht und wie ein Mensch reagiert. Du sprichst von Farben und eine farbangepasste Reaktion. Allerdings reagiert kein Mensch auf Farben, außer man stellt ihm die Aufgabe, auf Farben zu reagieren. Z.B. siehst Du rot, dann drücke dieses Knöpfchen, bei grün ein anderes Knöpfchen etc. Aber einem System kann man schon die Aufgabenstellung nicht mitteilen, man muss sie ihm einprogrammieren. Was ist also daran menschlich?

    Wie Du richtig sagst geht es bei der KI darum Intelligenz zu simulieren, d.h. das System erscheint nur intelligent. Die besten Schachcomputer sind inzwischen dem besten Schachspieler überlegen und erscheinen daher sehr intelligent. Tatsächlich simulieren sie nur Intelligenz. Man könnte den Schachcomputer als System sehen, das auf einen Reiz(Zug des Gegners) eine intelligente Reaktion(Zug des Computers) hat. Wo ist also der Unterschied zur Intelligenz des Menschen?

    Ich werde dazu erläutern, warum Reiz-Reaktions-Verhalten gerade nicht menschlich ist: Man stelle sich einen Schachcomputer vor, der als Eingabe (=Wahrnehmung) Zugkoordinaten bekommt (oder neues Spiel) und als Ausgabe(=Handeln) die Koordinaten seines Zugs zeigt. Er beherrscht nicht die Regeln, und sein Handeln zielt nicht darauf den gegnerischen König mattzusetzen. Er weiß noch nicht einmal, was Matt ist. Er befindet sich im Erfahrungstand eines Säuglings. Um sinnvolles Reiz-Reaktions-Verhalten zeigen zu können benötigt er ein Belohnungssystem, das gute Züge belohnt. Wie kann er nun erlernen welcher Zug gut ist? D.h. wie kann er einen Zusammenhang herstellen zwischen Reiz und sinnvoller Reaktion? Er muss es machen wie ein Säugling, nämlich einfach mal handeln, d.h. einfach mal ziehen, was ihm gerade in den Sinn kommt. Bei guten Zügen bekommt er eine Belohnung, d.h. eine bestimmte Belohnungs-Eingabe, die einen Parameter erhöht, der diesen Zug begünstigt. Das wäre das behaviouristische Reiz-Reaktions-Lernen. Doch was kann man mit diesem Lernen erreichen?

    Z.B. spielt der Mensch im ersten Zug e2-e4 und der Schachcomputer reagiert zufällig mit e7-e5. Für diesen Zug wird er belohnt. Nehmen wir an der Schachcomputer könnte sein Handeln von seiner Wahrnehmung abhängig machen. Dann wird er jetzt auf e2-e4 immer mit e7-e5 reagieren. Bei der nächsten Partie spielt der Gegner im Mittelspiel erst e2-e4 und der Computer reagiert, wie er es erlernt hat mit e7-e5, was bei dieser Stellung aber ein grober Fehler ist. Daran sieht man schon woran Reiz-Reaktions-Lernen scheitert. Reiz-Reaktions-Lernen ist immer zeitlich kontingent. D.h. auf eine Wahrnehmung und darauf folgendes Handeln erfolgt nach kurzer Zeit eine Belohnung, die bewirkt, dass später bei gleicher Wahrnehmung wieder genauso gehandelt wird. Nahezu jedes Lebewesen muss aber zum Überleben ein Ziel verfolgen, z.B. zum Supermarkt gehen, um sich etwas leckeres zu Essen zu kaufen. Das Losgehen war aber noch nie zeitlich kontingent zum Genuss des Essens. Wie sollte man also erlernen, das nach einer halben Stunde eine Belohnung wartet? Oder beim Schachcomputer: Wie kann der Schachcomputer jemals lernen, dass beim zufälligen Mattsetzen nicht nur der letzte Zug entscheidend war? Mit Reiz-Reaktions-Lernen ist das unmöglich. Selbst ein Goldhamster kann seine Fähigkeiten nicht nur durch Reiz-Reaktions-Lernen erworben. Denn die Nahrungssuche starten war noch nie zeitlich kontingent mit dem Fressen. Warum sollte er sich also auf die Suche machen, wenn er nur nach Reiz-Reaktion funktioniert? Wie man sieht, kann man mit Reiz-Reaktion höchstens das Verhalten von kleinen Krabbeltierchen erklären, die z.B. unmittelbar auf Licht reagieren.

    Ein wirkliches intelligentes Computersystem darf also nicht Intelligenz simulieren, sondern muss die organische Struktur des Gehirns simulieren, aus der dann natürliche Intelligenz emergiert. In solch einem Programm darf dann aber nirgendwo Code stehen wie "if(Eingabe == xy) { // Parameter z erhöhen}". Nicht weil das unschön wäre, sondern weil es so kein lernfähiges System funktionieren kann. Bisher stürzt sich die KI-Forschung viel zu sehr darauf die Wahrnehmung zu simulieren (siehe z.B. Kismet). Bevor ein intelligentes System funktionieren kann, muss allerdings das Qualia-Problem gelöst werden (Ich glaube, zur Erläuterung der letzten Aussage benötige ich einen weiteren Beitrag.)




    Ipsissimus
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    So 30. Jan 2005, 21:38 - Beitrag #10

    nur kurz:

    auf Anhieb fällt mir Thomas Metzinger ein (Uni Mainz)

    Der menschliche Geist entsteht aus emergenten Eigenschaften der neuronalen Verknüpfungen.


    "Gödel, Escher, Bach" gelesen? :-)

    eine hübsche These, die auch zu meinen Favoriten zählt ... allein ... bewiesen ist sie nicht :-) von daher wäre ich sehr vorsichtig, auf darauf basierende zu weitreichende Folgerungen zu bauen.


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