Ossis & Wessis - immer noch in den Köpfen der Menschen...

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Koshiro
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So 23. Jan 2005, 17:35 - Beitrag #1

Ossis & Wessis - immer noch in den Köpfen der Menschen...

Ich bin jetzt 19 und damals so ziehmlich gleich nach der Wende (mit ca. 5 Jahren) mit meinen Eltern aus Ostberlin nach Niedersachsen gezogen. Begrüßt wurden wir übrigens von unseren Nachbarn neben denen wir gebaut haben wie fogt: "Jetzt seit ihr zu uns rübergekommen und glaubt, dass ihr etwas besseres geworden seid?" Das brachte für mich schon etliche Probleme mit sich, da mich früher Lehrer nicht beachteten oder sich wegen meines Dialektes lustig über mich gemacht haben. Selbst die Kinder in der Grundschule wurden von den Eltern die wussten, dass ich aus Ostberlin kam, gegen mich aufgehetzt und das brachte einige Schwierigkeiten mit sich.

Heute ist die Akzeptanz der Jugendlichen sowie der Eltern wesentlich höher, jedoch sitzt es noch immer tief in den Köpfen der Menschen fest - "Ossis und Wessis - das kann nicht funktionieren"

Warum ist es wichtig für Menschen zu Wissen, woher ich komme? Ost- oder Westberlin? Was macht das für einen Unterschied? Ich wäre mit Sicherheit der selbe Mensch wie heute, wenn ich in Westberlin geboren worden wäre...(außerdem, was hatte ich für eine Wahl?)

Auch verstehe ich es von Jugendlichen nicht, es nicht zu akzeptieren, dass ich nicht getauft worden bin. In Berlin bzw. den neuen Bundesländern gibt es die Jugendweihe, welches fast mit der Konfirmation gleichzusetzen ist. Nur bin ich dann nicht "evangelisch" oder "katolisch" sondern ohne Bekenntnis.

Das Problem liegt aber nicht nur bei den "Ossihassern", sondern auch bei der anderen Partei. Kaum besuche ich meine Verwandtschaft und Feunde in Berlin, bekomme ich gleich wieder die Lästerein von den "Ossis" über die "Wessis" mit. "Ja, hast du den und den gesehen? Glaubt wohl er wäre etwas besserers" etc.

Ich weiss nicht was man da in der Gesellschaft machen kann - wahrscheinlich garnichts, denn erst wenn die nächste Generation am Zug ist und die Lohnverteilung in ganz Deutschland vollends ausbalanciert ist, wird es keine Streitigkeiten mehr geben und das "OST-WEST"Dasein für immer vergessen worden sein...das hoffe ich für Deutschland!!

Jetzt möchte ich eure Stellung dazu wissen, woher kommt ihr und wie sind eure Erfahrungen bezüglich diesesThemas?

Traitor
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So 23. Jan 2005, 18:03 - Beitrag #2

Diese Beobachtung kann ich nicht bestätigen. Sowohl in meinem Umfeld als auch in den Medien wird zwar gerne über Ossis gelästert, aber genausogerne wird über Bayern oder Hessen gelästert. Das ist alles wenig ernstgemeint und verteilt sich recht gleichmäßig.

Die einzige Situation, in der ich echte Ablehnung gegenüber Ossis wahrnehme, ist, wenn es mal wieder um "früher war alles besser" geht, und dann in meinen Augen auch eindeutig zu recht.

Wenn die mangelnde Taufe dir negativ angerechnet wird, musst du in einer statistisch sehr seltenen erzreligiösen Gegend gelandet sein - auch im Westen sind üblicherweise durchaus nennenswerte Bevölkerungsteile konfessionslos, und das stört niemanden.

Koshiro
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So 23. Jan 2005, 18:14 - Beitrag #3

Zitat von Traitor:Diese Beobachtung kann ich nicht bestätigen. Sowohl in meinem Umfeld als auch in den Medien wird zwar gerne über Ossis gelästert, aber genausogerne wird über Bayern oder Hessen gelästert. Das ist alles wenig ernstgemeint und verteilt sich recht gleichmäßig.

Die einzige Situation, in der ich echte Ablehnung gegenüber Ossis wahrnehme, ist, wenn es mal wieder um "früher war alles besser" geht, und dann in meinen Augen auch eindeutig zu recht.

Wenn die mangelnde Taufe dir negativ angerechnet wird, musst du in einer statistisch sehr seltenen erzreligiösen Gegend gelandet sein - auch im Westen sind üblicherweise durchaus nennenswerte Bevölkerungsteile konfessionslos, und das stört niemanden.


Wir sind in einem Dorf gelandet, wo jeder, jeden kennt. Wir waren als Neulinge sozusagen gleich das Angriffsobjekt Nr. 1. Zwar habe ich heute einen guten Freundeskreis, der meine Herkunft und mich akzeptiert und unsere Nachbarn konnten sich über die Jahre auch zusammenreißen. Dennoch werde ich oft mit diesem Thema konfrontiert, vor allem, wenn ich neue Leute kennenlerne...

...ich lebe damit und Menschen, die immer noch dieses "Denken" haben leben nicht im "Hier und Jetzt", sondern in der "Vergangenheit", die heute eigentlich nicht mehr Thema sein dürfte.

Feuerkopf
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So 23. Jan 2005, 18:24 - Beitrag #4

Ich habe sehr unterschiedliche Erfahrungen gemacht.
Da ich sehr viel Verwandtschaft in Thüringen haben, bin ich seit frühester Jugend immer mal in der DDR gewesen, d. h. ich kenne noch die Grenzkontrollen, die Überwachung, die Vorsicht, die heftige Indoktrination. Meine Verwandten erschienen mir immer sehr normal, ich war gut mit einer Cousine befreundet.

Nach der Wende habe ich beobachtet, wie einige Familienangehörige den Wechsel nur schlecht verkrafteten. Leider gingen entsetzlich viele Arbeitsplätze verloren, auch wurde pauschal das gesamte System und seine ideologische Basis als falsch dargestellt.
Meine Tante, aufgewachsen in der DDR, litt sehr unter dem Verlust des Glaubens an die politische Idee des Sozialismus. Wie sehr die Idee pervertiert worden war, ist ihr erst nach und nach klar geworden, denke ich.
Meine Verwandten kamen allerdings relativ gut mit der "neuen" Republik klar, da sie immer Westkontakt hatten.

Ich machte häufig Urlaub in Ostdeutschland und konnte innerhalb weniger Jahre feststellen, dass "uns Wessis" immer unfreundlicher begegnet wurde. "Wir" waren verantwortlich für alles, was nicht klappte. Der Enthusiasmus der Wiedervereinigung war sehr schnell verflogen.

Heute muss ich sagen, dass ich keine große Lust habe, z. B. nach Mecklenburg-Vorpommern zu fahren oder in bestimmte Regionen Sachsens. Die Vorstellung, irgendwelchen Braunhemden über den Weg zu laufen, denen niemand Einhalt gebietet, macht mich krank.
Ein Bekannter, gebürtiger Dresdner, einer der wenigen DDR-Bürger mit schwarzafrikanischem Vater, hat deutliche Probleme mit dem latenten und stellenweise offenen Rassismus, der ihm begegnet.

Mir ist völlig klar, dass es skrupellose Wessis gegeben hat, die den Osten als Geldkuh missbraucht haben.
Ich sehe noch viele Unterschiede. Aber vielleicht müsste ich mal wieder hinfahren...

Läufer
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So 23. Jan 2005, 19:24 - Beitrag #5

Warum ist es wichtig für Menschen zu Wissen, woher ich komme? Ost- oder Westberlin? Was macht das für einen Unterschied? Ich wäre mit Sicherheit der selbe Mensch wie heute, wenn ich in Westberlin geboren worden wäre...(außerdem, was hatte ich für eine Wahl?)


Eine Wahl hattest Du nicht.
Der gleiche Mensch, egal wo Du aufgewachsen bist, wärst Du nicht geworden. Die Sozialisation im Westen hat sich von der im Osten unterschieden.
Beide Seiten sollten sich jetzt endlich "zusammenraufen" und kritisch die jeweiligen Vor- und Nachteile der unterschiedlichen Systeme durchgehen.
Mir fällt zB ein größeres Zusammenhaltsgefühl unter Ostdeutschen, im Gegensatz zum immer größer werdenden Egozentrismus im Westen auf.

Milena
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Mo 24. Jan 2005, 13:02 - Beitrag #6

na was jetzt...

Hi Läufer,
wieso widersprichst Du Dir selbst...
bist Du nun derselbe Mensch, oder nicht...
hattest Du eine oder keine Wahl...?
wie wärs mit einer klaren Entscheidung.....

Feuerkopf
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Mo 24. Jan 2005, 13:18 - Beitrag #7

Milena,
Läufer hat den ersten Abschnitt nicht als Zitat gekennzeichnet. Koshiro hat den Text ganz zu Anfang dieses Threads geschrieben.

Milena
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Mo 24. Jan 2005, 15:22 - Beitrag #8

Hi Läufer,

darf ich mich hiermit im Namen meiner Spontanität,
meines Übereifers, meiner selbst bei Dir entschuldigen..?:)

SummerRain
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Mo 24. Jan 2005, 15:28 - Beitrag #9

ich finds eigentlich auch egal ob man nun aus westen oder osten kommt.
es kommt doch nicht auf die Herkunft, sondern auf den Menschen selbst an!

wegen meiner ausbildung zieh ich auch nach sachsen - na und?!

mfg summerrain

+Luinalda+
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Mo 24. Jan 2005, 16:04 - Beitrag #10

hi!
Zu diesem Thema kann ich nur sagen das es bei uns am Gymnasium ebenso zutrifft wie bei euch . In meiner Klasse ist ein 16 - Jähriger Junge der eben auch aus dem Osten kommt und er wird deswegen fast jeden tag aufgezogen : Es kommen immer dumme witze über die Mauer und seine Herkunft - obwohl er vom Dialekt beispielsweise überhaupt nicht betroffen ist und genauso spricht wie jeder andere in der Klasse . Ich finde so etwas nicht in Ordnung schließlich kann keiner etwas dafür wo er geboren ist und es macht keinen unterschied ob man aus dem westen oder aus dem osten kommt . Leute die über so etwas witze machen haben meist eine sehr beschränkte sichtweise

Läufer
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Mo 24. Jan 2005, 18:06 - Beitrag #11

Hi Milena + Feuerkopf!
Der Lapsus ging ja von mir aus, aber ein schönes Zeichen, das es gemeinsam besser geht.

Trin
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Mo 24. Jan 2005, 22:03 - Beitrag #12

Ich selbst habe bisher wenig von der "West-Ost-Front" abbekommen. Seltsamerweise sind es (bei mir) wenn dann auch nur die "Erwachsenen", die mal eine blöde Bemerkung machen. Ich war inzwischen zweimal bei einer Jugendreise dabei, wo was weiß ich wieviel Akzente und natürlich auch Ost und West aufeinander trafen und keinen hat es gestört. Von Gleichaltrigen musste ich mir noch nie eine Bemerkung zu meiner Herkunft anhören (ich bin 16). Ich krieg höchstens mal einen harmlosen Kommentar zu hören, wenn mein sächsischer Akzent wieder durchbricht. ;)

Tiger
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Di 25. Jan 2005, 11:30 - Beitrag #13

Zur Wiedervereinigung haben mein Mann und ich auch beigetragen. Das Thema taucht natürlich immer noch auf und sicher gibt es immer mal wieder darüber zu reden, denn es ist schließlich Teil unseres Lebens gewesen, auch wenn wir damals noch recht jung waren (18/19) als die Wende passierte und sie somit auch viel besser aufnehmen konnten als zum Beispiel meine und seine Eltern.
Meine Eltern wurden arbeitslos und seine stellten fest, dass man kein gebrauchtes Auto mehr kaufen kann :rolleyes: ...
Ich hatte jedenfalls eine schöne Kindheit, jedes Jahr für 3 Wochen im Ferienlager, wo wirklich viel für die Kinder getan wurde (naja.. sozialistische Ideologie wurde schon eingetrichtet, kann aber nicht behaupten es hätte mir geschadet), Urlaub in Ungarn oder der CSSR, die russischen Märchen in der Flimmerstunde und auch der Kindergarten -. und die Kindergrippe fand ich schön - immer unter Kindern und teilen war richtig IN!
Geimpft wurde regelmäßig und alle ohne Ausnahme, dieses "ich bestimme das, mein Kind soll nicht geimpft werden" in den alten Bundesländern finde ich persönlich verantwortungslos.
Persönlich habe ich damals erlebt, dass Bananen und Apfelsinen von LKW`s in die Ossi-Massen geworfen wurden und wir als "ausgehungert" in der Klatschpresse dargestellt wurden. Doch benehmen Wessis sich genauso wenn Schlussverkauf ist oder es irgendwo was umsonst gibt! Das ist dann aber normal?!

Naja.. das Thema taucht wohl noch Jahrzehnte bei einigen auf. Gänzlich unsere Tochter (9) wird zu der Generation gehören, die das nur noch vom "hören-sagen" und aus Geschichtsbüchern kennenlernen wird.

In diesem Sinne - seit lieb zueinander und mehret Euch .. oder so..

Kiina
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Di 25. Jan 2005, 14:05 - Beitrag #14

Zitat von +Luinalda+:In meiner Klasse ist ein 16 - Jähriger Junge der eben auch aus dem Osten kommt und er wird deswegen fast jeden tag aufgezogen : Es kommen immer dumme witze über die Mauer und seine Herkunft - obwohl er vom Dialekt beispielsweise überhaupt nicht betroffen ist und genauso spricht wie jeder andere in der Klasse .


Ich glaube nicht, dass das wirklich auf den Konflikt Wessis gegen Ossis zurückzuführen ist. Schüler suchen sich einfach gerne Angriffspunkte bei ihren Klassenkameraden, um darüber herzuziehen, ob das nun Äußerlichkeiten sind (Größe, Gewicht etc.) oder eben der familiäre Hintergrund.

+Luinalda+
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Di 25. Jan 2005, 17:10 - Beitrag #15

Das könnte theoretisch sein aber merkwürdig ist das es nur ihn betrifft , obwohl es auch andere "Außenseiter" in der Klasse gibt die nicht halb so viel gehänselt werden .
Grundsätzlich nerven mich auch die dummen witze im Fernsehen , ich hab es gestern erst wieder im Fernsehen gemerkt bei "die nervigsten dinge der 90er" da kam für den Buchstaben O irgendwas mit ossis oder so . Da musste ich auch wieder mit dem kopf schütteln


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