Vom Präsidenten zum Kanzler?

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Traitor
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Mi 26. Jan 2005, 14:52 - Beitrag #1

Vom Präsidenten zum Kanzler?

Aus einem Spiegel-Artikel zu aktuellen Umfragen (in denen die Koalition erstmals wieder vorne liegt)

Wenig erfreulich für CDU-Chefin Merkel fiel zudem das Ergebnis einer Forsa-Umfrage im Auftrag des Magazins "Cicero" aus. Danach könnte sich die Mehrheit der Deutschen Bundespräsident Horst Köhler als Kanzlerkandidaten der Union vorstellen. Auf die Frage, ob sie sich Köhler als Kanzlerkandidaten der Union vorstellen könnten antworteten 52 Prozent mit "Ja". Die Unions-Anhänger sehen sogar zu über 60 Prozent den ersten Mann im Staate als Alternative zu Merkel, Stoiber & Co.

Damit ist die politische Akzeptanz Köhlers in der Bevölkerung weiter gestiegen. In einer Emnid-Umfrage hatten kürzlich 36 Prozent der Bundesbürger erklärt, dass sie einen Kanzlerkandidaten Köhler für möglich hielten, unter den Unions-Anhängern waren es 50 Prozent.

Das Bundespräsidialamt war in der Geschichte der Republik bisher immer Endstation für Politikerkarrieren. Doch das Grundgesetz verbietet ein politisches Leben nach dem höchsten Staatsamt nicht ausdrücklich.


Wie der Artikel sagt, eigentlich ist es Deutschland fest ins Blut übergegangen, dass das Präsidentenamt das letzte einer politischen Laufbahn ist und man von dort nicht ins "niedere Tagesgeschäft" wechselt. Und es wäre auch eine weitere Demontage dieses Amtes, wenn ein Inhaber somit de facto eingesteht, dass es nicht die höchste Position ist.
Andererseits ist Köhler ein sehr untypischer Präsident - verhältnismäßig jung, keine bundesdeutsche politische Vorkarriere, eher pragmatisch ausgerichtet. Das Anforderungsprofil "Großvater der Nation" erfüllt er nicht, mit seiner Finanz-Vorgeschichte könnte man ihn sich als Minister oder Kanzler eigentlich eher vorstellen als als Präsidenten.

Es ist auf jeden Fall ein interessantes Gedankenspiel, und vielleicht für die CDU eine echte Alternative, wenn man sich ihre sonstigen Ritter von der traurigen Gestalt ansieht: Merkel - chancenlos, da antisympathisch. Stoiber - chancenlos, da Stoiber. Koch - chancenlos, da (zurecht) den Ruf eines Kriminellen habend. Wulf - chancenlos, da farblos.

Maurice
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Mi 26. Jan 2005, 15:28 - Beitrag #2

Schon komisch... ich habe schon vor seiner Wahl zum Bundespräsidenten den Gedanken gehabt "der scheint mir gar nicht dumm, warum nicht als Alternative zu Merkel?". Ich kenne mich imo nicht mehr so gut in der Politik aus, aber wenn ich auf Grundlage der Informationen urteilen sollte, die ich vermittelt bekomme... mit keiner der Kanzlerkandidaten, die zur Debatte stehen wäre ich zufrieden. Über die Kandidaten der Union brauchen wir wohl nicht zu diskutieren und von Schröder halte ich nicht viel.
Mein Wunschkandidat auf der Unionsseite wäre auch Köhler, weil er auf mich den Eindruck macht, dass er dem Ideal seines Berufs gerecht werden will und nicht allein kurzsichtige ich-gerichtete Interessen besitzt, wie sie es die meisten anderen Politiker mir zu haben scheinen. Auf der Seite der SPD wäre mein Wunschkandidat Clement.

Mal eine Frage für die, die mehr Ahnung von Politik haben als ich: Könnte die CDU theoretisch Köhler als neuen Bundeskanzler vorschlagen oder könnte Köhler wenn überhaupt erst bei der übernächsten Wahl kandidieren?

Gilmor
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Mi 26. Jan 2005, 16:20 - Beitrag #3

IIRC wird der Bundeskanzler aus der Mitte des Bundestages gewählt.(meine Staatsrechtsstunden sind schon ein paar Jährchen her *gg*). Daher könnte er durchaus 2006 kandidieren. Schließlich kann er mit einem passenden Listenplatz den entsprechenden Sitz im Bundestag bei der kommenden Wahl kriegen.

Noriko
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Mi 26. Jan 2005, 17:32 - Beitrag #4

Wenn der Bundeskanzler aus dem Bundestag rekrutiert wird, hätten Stoiber und der Schrödi niemals dorthin kommen können, da beide MiniÜräsis waren.
@topic
Imho auf der symtaischste CDUler, und das willw as heissen wenn ich soiwas sage ;)

Arschfurunkel
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Mi 26. Jan 2005, 17:47 - Beitrag #5

Zitat von Maurice:Mal eine Frage für die, die mehr Ahnung von Politik haben als ich: Könnte die CDU theoretisch Köhler als neuen Bundeskanzler vorschlagen oder könnte Köhler wenn überhaupt erst bei der übernächsten Wahl kandidieren?


Könnte die CDU nicht, zumindest nicht, so lange Köhler noch im Amt ist.

Köhlers Amtszeit dauert bis 2009, ferner spricht Art 55 GG gegen eine Kandidatur:

Artikel 55
(1) Der Bundespräsident darf weder der Regierung noch einer gesetzgebenden Körperschaft des Bundes oder
eines Landes angehören.
(2) Der Bundespräsident darf kein anderes besoldetes Amt, kein Gewerbe und keinen Beruf ausüben und weder
der Leitung noch dem Aufsichtsrate eines auf Erwerb gerichteten Unternehmens angehören.


Also, wenn überhaupt, dann 2010 und da wäre Köhler 67.

Traitor
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Mi 26. Jan 2005, 19:11 - Beitrag #6

@Arschi: Ein gleichzeitiges Engagement als Präsident und Kanzler stünde wohl auch nicht zur Debatte ;) Also trifft dieser Artikel die Frage nicht. Fraglich ist eher, inwiefern man vom Präsidentenamt zurücktreten kann - ob er also Präsident bleiben, als Kanzlerkandidat antreten und bei Erfolg der CDU dann das Präsidentenamt aufgeben könnte.

Wie gesagt wäre ein derartiges Vorgehen, egal ob erfolgreich oder nicht, aber die endgültige Demontage des Präsidentenamtes, dann könnte man es wirklich abschaffen. Ich hoffe, dass die CDU sich nicht zu soetwas hinreißen lässt.

Gilmor
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Mi 26. Jan 2005, 19:43 - Beitrag #7

[quote="Noriko"]Wenn der Bundeskanzler aus dem Bundestag rekrutiert wird, hätten Stoiber und der Schrödi niemals dorthin kommen können, da beide MiniÜräsis waren.
@topic
Imho auf der symtaischste CDUler, und das willw as heissen wenn ich soiwas sage ]

Schließt das eine das andere aus?

Noriko
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Mi 26. Jan 2005, 19:44 - Beitrag #8

Nun, das denke ich zumindest ;)
ich stelle es mir schwer vor, auf einer sitzung im bundes tag und landtag gleichzeitig zu sein. ^^

Traitor
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Mi 26. Jan 2005, 19:57 - Beitrag #9

Laut Wikipedia hatte Schröder pünktlich zur Kanzlerwahl 1998 ein Bundestagsmandat angetreten.
Ich stelle mir die Taktik so vor: Ist ein Ministerpräsident als Bundeskanzler oder -minister eingeplant, so wird er auf einen sicheren Listenplatz gestellt, und wenn die Partei tatsächlich die Regierung stellt, tritt er diesen an. Wenn nicht, gibt er ihn an den Nächstplazierten weiter und verbleibt in seinem Land.

Arschfurunkel
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Mi 26. Jan 2005, 20:19 - Beitrag #10

[quote="Traitor"]@Arschi: Ein gleichzeitiges Engagement als Präsident und Kanzler stünde wohl auch nicht zur Debatte ]

Zum ersten Absatz: Das Grundgesetz sagt über einen möglichen Rücktritt nichts aus. Können könnte er, so wie Lübke es tat, aber als amtierender Bundespräsident dürfte er keinen Wahlkampf betreiben, weil er weder einer politischen Partei angehören darf (die Mitgliedschaft ruht während der Amtszeit) noch generell parteipolitisch tätig werden darf (der Bundespräsident ist zur parteipolitischen Neutralität verpflichtet).

Zum zweiten: Ein wenig verwunderlich finde ich die Aussagen der Umfrage schon, denn vor 1 1/2 Jahren hat kaum jemand Köhler gekannt und heute wünschen sich ihn 60% der CDU-Anhänger als Kanzlerkandidaten.
Okay, bei der CDU wundert mich nichts mehr ;) , aber Du hast schon Recht: Das Amt des Bundespräsidenten würde demontiert werden, sollte einj amtierender Bundespräsident für das Amt des Kanzlers kandidieren.

janw
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Mi 26. Jan 2005, 20:32 - Beitrag #11

Ich denke, Herr Köhler hätte sicher das Zeug zur Kanzlerrolle, meine anfängliche Skepsis ihm gegenüber hat sich sogar dahingehend gewandelt, daß ich dieses Zeug etwas wie "Perlen vor die Säue" fände - kurz, wenn viele Entscheidungen nur noch gegen zähe föderalistische Widerstände umzusetzen sind, kann ein Kanzler nur noch begrenzt gestalterisch tätig werden, so gut seine Ansichten auch sind.
Letztlich ist das auch ein Problem von Gerhard...
Der ist genau wie beschrieben kanzlerfähig geworden.

Traitor
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Do 10. Feb 2005, 17:21 - Beitrag #12

Ich greife die Sache mal wieder auf.

@Arschfurunkel: Das mit der Mitgliedschaft ist interessant, wusste ich bisher nicht. Aber auch durchaus eine löbliche Regelung.

@Jan: Auch wenn ich mich im ersten Post relativ positiv zu Köhler geäußert habe, glaube ich doch nicht, dass er wirklich das Zeug zum Kanzler hat. Ein Kanzler muss immer auch Demagoge oder Populist sein, denn er muss sowohl im Wahlkampf von seiner Person überzeugen als auch während der Legislaturperiode das Gesicht der Regierung stellen. Für dieses Anforderungsprofil erscheint mir Köhler viel zu sachlich.

janw
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Do 10. Feb 2005, 18:06 - Beitrag #13

Traitor, das kann man aber auch als sein Prä erachten.

Weizsäcker hat mal über die Politiker gesagt, sie seien Experten in Sachen Machterhalt, sinngemäß, die Macht- und Durchsetzungskompetenz überwiegt die Sachkompetenz und die Weitsicht.
Hier scheint mir Köhler anders zu sein. Wenn auch ich noch auf ein Wort von ihm in Sachen Änderungen des Demonstrationsrechts hoffe - der Aktionismus von Schily erscheint mir hier wirklich gefährlich.

Marc Effendi
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Sa 19. Mär 2005, 08:51 - Beitrag #14

@janw: meinst Du, das das wirklich so wäre? Als ein Bundespräsident losgelöst vom politischen Tagesgeschäft und machtpolitischem Klein-Klein sagt es sich leicht große Worte.

Ich selbst halte Köhler mittlerweile für einen guten Bundespräsidenten, aber nicht mehr. Aber ich denke, sobald die erste Hochphase mal vorbei wäre, wäre es für ihn ein böses Erwachen. Er kann jetzt in seinen Reden viel globaler denken und muß sich nicht um die Umsetzung dessen scheren, was er da fordert.


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