Wahlen in Schleswig-Holstein / SSW

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Traitor
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Mi 23. Feb 2005, 01:30 - Beitrag #1

Wahlen in Schleswig-Holstein / SSW

Noch kein Thread dazu? :wzg:

Nun, zum eigentlichen Wahlergebnis ist im Nachhinen wenig zu sagen. Es ist leider weit schlechter ausgegangen, als die Umfragen vorher hoffen ließen, aber immerhin noch gerade eben glimpflich. Dass es eine SPD-Grüne-SSW-Koalition geben wird, ob nun offiziell oder nur de facto, ist für mich ziemlich sicher - die SPD wird dies sicher nicht zugunsten einer Großen Koalition aufgeben, und der SSW sind ja scheinbar eher verkappte Sozialdemokraten, die dann mit Sicherheit lieber mit der SPD als mit der CDU koalieren.

Gerade diesen SSW finde ich aber ausgesprochen interessant. Sind die Privilegien (keine 5-%-Hürde!) für eine derartige Partei noch zeitgemäß? Offiziell sind sie ja die Partei der dänischen Minderheit, aber zum einen sind die Dänen bei ihren Wählern wohl in der Minderheit, und zum anderen sehe ich in unserem juristisch mehr als hinreichend abgesicherten System keinen Grund, den Parlamentarismus zugunsten einer Minderheit zu verzerren. Und was zeichnet diese dänische Minderheit so aus? Warum gibt es dann keine privilegierte türkische Partei? Und warum müssen derartige klassiche "ethnische Minderheiten" überhaupt anders als Minderheiten anderer Art gefördert werden?

Kia
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Mi 23. Feb 2005, 02:02 - Beitrag #2

Was meinst du damit, wenn du schreibst, der SSW wäre "nur" offfiziell Partei der dänischen Minderheit? Und vor allem, wie würdest du definieren wollen, ob die Wähler des SSW dänen sind oder nicht? Bzw sich der dänischen Minderheit angehörig fühlen? Denn in der Bonn-Kopenhagener Erklärung steht, daß diejenigen, die sich der Minderheit angehörig fühlen als Mitglieder der Minderheit zu behandeln sind und deren Rechte und Pflichten geniessen.

Was die dänische Minderheit auszeichnet? Bleib ich doch mal bei deinem Vergleich zu einer türkischen Minderheit. Da gibt es meiner Meinung nach gravierende geschichtliche Unterschiede, welche auch eine unterschiedliche "Behandlung" rechtfertigen. Bin mir nicht sicher, inwieweit die Hintergründe zum SSW und zur dänischen Minderheit im Allgemeinen in D (außerhalb südschleswigs) bekannt sind... aber kann auf nachfrage gerne mehr erzählen, will aber auch niemanden langweilen.

Und die eine Minderheit, welcher Art auch immer, muß nicht anders gefördert werden.. aber es kommt meiner meinung nach auch drauf an, wie sich die Minderheit für sich und Ihre Rechte einsetzt und wielange diese Minderheit historisch schon besteht, wie und wodurch sie sich entwickelt hat etc.

Ich find´s auf jeden fall interessant, daß der SSW auf einmal für solch einen Wirbel sorgen kann und sogar im tiefsten Süden des Landes Interesse weckt...

janw
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Mi 23. Feb 2005, 02:41 - Beitrag #3

Köln-Bonn als tiefster Süden, sehr apart ;)
Nun ja, die dänische Minderheit in Schläfrig-Holzbein ist wirklich eine Gruppe, die durch eine eigene Kultur von ihrer Umgebung abgegrenzt ist und ohne Minderheitenschutz bedrängt wäre. Vergleichbar ist sie etwa mit den Sorben in Brandenburg, die dort auch in besonderer Weise gefördert werden, wenn auch, wohl bedingt durch die DDR, nicht durch politische Sonderregelungen, meines Wissens.

Letztlich hängen alle Fördermaßnahmen wie besonderer Sprachunterricht u.a. von der Geldverwendung der öffentlichen Hand ab, und so ist eine Mitwirkung dieser Minderheit an der politischen Willensbildung und Haushaltsverabschiedung in meinen Augen durchaus sinnvoll.

Was die Türken betrifft, so wird von ihnen aufgrund ihrer späteren Einwanderung landläufig kulturelle Integration verlangt - was ich für bestimmte Bereiche z.B. in Berlin mittlerweile für eine illusionäre Vorstellung halte. Ich bin der Meinung, daß Politik für alle Menschen da sein muß und alle Angehörigen anteilmäßig relevanter Gruppen gewissermaßnen da "abholen" muß, wo sie sind. In einem vornehmlich von einer bestimmten Volksgruppe bewohnten Stadtteil müssen diese Menschen in meinen Augen auch die Möglichkeit bekommen, in Ortsräten mit zu arbeiten.
Nur durch mitwirken lassen an der örtlichen Wirklichkeitsgestaltung wird in meinen Augen eine Identifikation mit unserem Gemeinwesen und so etwas wie eine Integration erreichbar sein.

Fragt sich nur, wann die 5%-Klausel der CSU wegfällt...

Meuchelmoench
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Mi 23. Feb 2005, 12:27 - Beitrag #4

Mh, vor allem: die dänische Minderheit ist ja auch unabhängig von ihrem Status an politischer Partizipation *als Minderheit* interessiert, zumindest teilweise. Viele türkischstämmige Mitbürger hätten ja auch die Möglichkeit, anstatt der etablierten Parteien eigene zu gründen und zu wählen, und zumindest auf kommunaler Ebene hätten die sicher auch Chancen auf ein paar Mandate, in Berlin sicher auch auf Landesebene. Tun sie aber halt nicht, und zwingen sollt man ja keine Minderheit, "ihre" Partei zu gründen.

Zum SSW selbst: ein klein bisschen merkwürdig ist das schon, der dänischen Minderheit will ich ihr Recht durchaus einräumen, und auch, dass keiner festlegt, wer dazu gehört, sondern dass das jedem selbst überlassen bleibt. Allerdings wird zurecht kritisiert, dass der SSW südlich des Kanals kandidiert (also in Süd-SH, da ist die dänische Minderheit historisch gesehen eher schwach vertreten). Und viele der Wähler sehen den SSW ja auch als demokratischen Weg, "Protest" zu wählen, was sicher deutlich besser ist als eine Aussenpartei zu wählen.
Aber wenn der SSW sich selbst als solche Partei anbietet, also als Partei nicht einer Minderheit sondern als Partei, die für ein anderes Politikmodell steht, dann ist die Frage zumindest berechtigt, warum diese Partei Sonderstatus geniesst und andere historische Minderheiten wie die Sorben und Friesen nicht.

Und ob man die Bayern zu diesen Minderheiten zählen will, darüber lässt sich sicher diskutieren... :D
Allerdings brauchen und haben die ja keinen Sonderstatus, die erreichen auf Bundesebene locker über 5% und haben ausserdem deutlich mehr als die benötigten drei Direktmandate für ihren Fraktionsstatus.

janw
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Mi 23. Feb 2005, 15:58 - Beitrag #5

Meuchelmoench, leider können die Türken nicht so ohne weiteres eine eigene Partei gründen und diese bei der Kommunalwahl wählen. Es sei denn, sie nehmen die deutsche Staatsbürgerschaft an, was aber Geld kostet und womit sie meines Wissens in der Türkei Probleme bekommen, wenn sie dort einmal etwas erben wollen oder zurückkehren und dort Land kaufen wollen o.ä.
Zumindest auf kommunaler Ebenen sollten wir mal zu einem System kommen a la ea regio (vivendi in tempore certe) ubi locus electionis. Denn, immerhin Steuern zahlen müssen sie hier...

Gerüchteweise habe ich mal gehört, die Bayern hätten das Grundgesetz nie anerkannt, und regelmäßig erreicht die CSU DDR-würdige Wahlergebnsisse. Ob da alles demokratisch läuft, oder eher unter dem Biertisch? ;)
Interessant ist auch, daß Bayern mal die Schutzmacht über die Heimatvertriebenen übernommen hat, eigentlich müßten die doch für Ostpreußen wählen, oder? :rolleyes:

Ipsissimus
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Mi 23. Feb 2005, 17:17 - Beitrag #6

hier ist ein kurzer historischer Abriss über den SSW, ist vielleicht nicht ganz uninteressant für die Fragestellung

http://www.ssw-landesverband.de/www/de/ueberuns/geschichte.php

Traitor
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Mi 23. Feb 2005, 19:15 - Beitrag #7

@Kia:
Was meinst du damit, wenn du schreibst, der SSW wäre "nur" offfiziell Partei der dänischen Minderheit?
In einem der letzten Spiegel war ein Artikel, der die derzeitige Politik des SSW beschrieb und zum Fazit kam, dass er sich zu einer gewöhnlichen Partei gewandelt hat, die zwar besonderes Augenmerk auf die Interessen der Dänen legt, aber ansonsten einfach eine kleine Mitte-Links-Partei mit den üblichen Ansichten und Einsätzen ist. Die Selbstbeschreibung
Der SSW bezieht heute zu allen Fragen der Landespolitik Stellung und markiert sich im Landtag als starke dritte Kraft, die unabhängig von politischen Blöcken ist.
aus Ipsissimus' Link unterstützt diese Darstellung.
Und vor allem, wie würdest du definieren wollen, ob die Wähler des SSW dänen sind oder nicht?
Konkret definieren will ich das nicht, aber es lässt sich abschätzen - die dänische Minderheit scheint i.A. auf ca 50.000 Menschen beziffert zu werden, was 1,7% der Bevölkerung Schleswig-Holsteins entspricht. Davon ausgehend, dass der Anteil der Wahlberechtigten innerhalb dieser Gruppe nicht wesentlich vom Landesschnitt abweicht, legt das nahe, dass allermindestens die Hälfte ihrer Stimmen (3,6%) aus der sonstigen Bevölkerung kommt.
Was die dänische Minderheit auszeichnet? Bleib ich doch mal bei deinem Vergleich zu einer türkischen Minderheit. Da gibt es meiner Meinung nach gravierende geschichtliche Unterschiede, welche auch eine unterschiedliche "Behandlung" rechtfertigen. Bin mir nicht sicher, inwieweit die Hintergründe zum SSW und zur dänischen Minderheit im Allgemeinen in D (außerhalb südschleswigs) bekannt sind... aber kann auf nachfrage gerne mehr erzählen, will aber auch niemanden langweilen.
Mein Kenntnisstand, grob umrissen: die deutsch-dänische Grenze ist im letzten Jahrtausend regelmäßig hin und her gewandert, dadurch sind auf beiden Seiten der heutigen Grenze dem jeweils anderen Land zugehörige Minderheiten verblieben. Über spezielle Informationen, die über die Inhalte in Wikipedia hinausgehen, wäre ich aber sicher nicht gelangweilt.
Was an dieser Geschichte eine derartige Sonderregelung rechtfertigt, erschließt sich mir aber nicht. Es geht nicht darum, dass ich diese Regelung konkret den Dänen absprechen möchte, da ich etwas gegen diese hätte, sondern darum, dass ich mich frage, warum überhaupt irgendeine Minderheit diese Regelung genießen sollte. JanW führt an:
Letztlich hängen alle Fördermaßnahmen wie besonderer Sprachunterricht u.a. von der Geldverwendung der öffentlichen Hand ab, und so ist eine Mitwirkung dieser Minderheit an der politischen Willensbildung und Haushaltsverabschiedung in meinen Augen durchaus sinnvoll.
Mit demselben Argument müssten aber auch meine türkische Partei, die Grauen Panther als Rentnerpartei, eine Obdachlosenpartei oder eine [hier bitte beliebige Minderheit einsetzen]-Partei von der 5%-Klausel ausgenommen sein, denn auch die Fördermaßnahmen für Dinge, die im Interesse dieser Parteien liegen, sind von der Geldverwendung der öffentlichen Hand abhängig und nur so hätten diese Minderheiten die Möglichkeit, direkt über sie zu entscheiden.
Natürlich fordere ich nicht die Ausweitung der Regelung auf solche Parteien, und ich weiß auch, dass eine "alle oder keine"-Argumentation im allgemeinen zu kurz greift. Aber was ich damit durchaus zeigen kann: es ist nicht a priori selbstverständlich, warum ethnische-Minderheits-Parteien protegiert werden sollten. Dafür muss es starke Gründe geben, die ich in unserem durch Rechtsstaat und verhältnismäßig offene Politikkultur geprägten Land nicht sehen kann.
Ich find´s auf jeden fall interessant, daß der SSW auf einmal für solch einen Wirbel sorgen kann und sogar im tiefsten Süden des Landes Interesse weckt...
Ich halte den deutschen Föderalismus in seiner derzeitigen Form für reichlich kleinkariert und sehe deshalb keinen Grund, mich für Vorgänge in Schleswig-Holstein oder Bayern sonderlich weniger zu interessieren als in NRW. Wir sind alle Deutsche, oder besser: Europäer. :)

Nochmal @Jan direkt: Die Sorben überlegen übrigens derzeit, ob sie auch eine derartige Klausel fordern sollen. Interessant, dass selbst die das erst jetzt mitkriegen... Türken mit deutscher Nationalität gibt es übrigens genügend, sogar politikinteressierte, man denke z.B. an den Herrn Özdemir. (Bei dem ich es nachwievor bedauere, dass er per Affäre nahezu mundtot gemacht wurde. Aber langsam scheint er wieder aus der Versenkung aufzuerstehen.)


PS: Ein Kommentar zum Thema bei Spiegel Online
Der Artikel macht in meinen Augen einen zentralen Fehler: Er betrachtet Grundsatzargumente als falsch. Es heißt, Wettern gegen den SSW wäre kurzsichtige Uneinsichtigkeit der CDU. Aber gerade wenn man jetzt, wo der SSW der SPD nutzt, als SPD-Anhänger gegen den SSW argumentiert, zeugt das doch von Integrität. Dann heißt es, gleichzeitig müsste man dann in Kauf nehmen, dass Deutsche in Polen Sonderrechte verlieren. Und? Dafür bin ich schließlich ebenfalls. Keine unbegründeten Vorteile für Dänen in Deutschland, keine für Deutsche in Polen, das ist nur recht und billig. Und dann ist da der Schlüsselsatz: "Denn das vereinigte Europa ist vor allem ein System kommunizierender Röhren, fragil, widersprüchlich, zusammengehalten von ein paar Ideen, vor allem aber immer noch von Verträgen und Agreements." Genau das ist es doch, wogegen angegangen werden muss! Ein politisches System, das nicht regelmäßig mit Grundsatzfragen durchgeschüttelt wird, erstarrt in einem immer komplizierter und irgendwann unauflösbar werdenden Konglomerat von nur historisch begründeten Sonderregelungen. Paradebeispiel ist die Föderalismusgroteske derzeit. Und in dieser Gefahr lebt auch die EU.

janw
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Mi 23. Feb 2005, 21:20 - Beitrag #8

Wenn ich das richtig sehe, macht der Spiegel nur einen Fehler:
Die diversen Verträge und Agreements datieren alle (oder doch fast) aus der Zeit vor den jeweiligen EU-Beitritten der Länder, und es gibt in den EU Verträgen keine Klausel, die diese Verträge explizit aufhebt.
Und eben auf solch einer, cum grano salis, historischen Altlast von 1955 basiert die Regelung zugunsten der SSW.
Letztlich ist der Vereinszweck der SSW in erster Linie die Vertretung der dänischen und friesischen Minderheit; daß sie in Zeiten, wo diese Problematik nicht akut virulent ist, sich auch andere Politikbereiche erschließt, ist nur natürlich und zu erwarten in meinen Augen und in Ordnung solange sie ihren Kernbelang nicht vernachlässigt.

Letztlich müßten europaweit alle vergleichbaren Verträge gesichtet und auf ein europaweit einheitliches Maß umgewandelt werden.
Das Ziel dazu könnte klar umrissen werden: Die Vielfalt der Kulturen wird gesamteuropäisch als besonderer Wert begriffen und ist deshalb zu erhalten und dementsprechend auch die Kultur regionaler Minderheiten aus anderen Kulturen. Diese sind deshalb in besonderer Weise von den Mehrheitskulturen zu achten.
So würden dann auch die Südtiroler in Norditalien besonderen Schutz genießen, den sie jetzt aufgrund bilateraler Vereinbarungen zwischen Italien und Österreich besitzen, die Sorben hätten eine Regelung, die Deutschen in Polen, die Ungarn in Bulgarien, die Basken in Spanien usw.

Für die Türken wäre eher die Einführung überhaupt eines Wahlrechtes in meinen Augen zu diskutieren, es wäre letztlich analog zur Regelung in England, wo alle Bürger aus Commonwealth-Staaten nach einer gewissen Zeit auch wählen dürfen.

Eine Ausdehnung der 5%-Regelung auf andere als kulturelle Minoritäten wäre jedoch denke ich nicht so sinnvoll: die Belange der Senioren lassen sich auch anderweitig gut vertreten, wie auch der alleinerziehenden Väter. Vor allem aber trifft auf diese ein Merkmal nicht zu:
Die kulturellen Minderheiten leben in regional begrenzten Gebieten und bilden dort oft genug eine Mehrheit. Trotzdem können sie auf der Ebene eines Landes "untergehen" und eben z.B. in der Landesplanung übergangen werden, indem ihre Regionen vernachlässigt werden o.ä.

Insofern: Pro Sylter Millionärspartei! Nur für den Fall, daß irgendwer mal auf die Idee kommt, Sylt der Nordsee zu schenken...

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Do 24. Feb 2005, 01:59 - Beitrag #9

Zitat von Traitor: Mein Kenntnisstand, grob umrissen: die deutsch-dänische Grenze ist im letzten Jahrtausend regelmäßig hin und her gewandert, dadurch sind auf beiden Seiten der heutigen Grenze dem jeweils anderen Land zugehörige Minderheiten verblieben. Über spezielle Informationen, die über die Inhalte in Wikipedia hinausgehen, wäre ich aber sicher nicht gelangweilt.
Was an dieser Geschichte eine derartige Sonderregelung rechtfertigt, erschließt sich mir aber nicht. Es geht nicht darum, dass ich diese Regelung konkret den Dänen absprechen möchte, da ich etwas gegen diese hätte, sondern darum, dass ich mich frage, warum überhaupt irgendeine Minderheit diese Regelung genießen sollte.


Zumindest bei den Infos kann ich weiter helfen: http://www1.ndr.de/ndr_pages_std/0,2570,OID1006392_REF4536,00.html oder http://www.geschichte.schleswig-holstein.de/vonabisz/bonnkopenhagenererklaerung.htm oder, sehr umfassend, http://www.auswaertiges-amt.de/www/de/eu_politik/aktuelles/zukunft/d_dan_erkl/index_html

Zu der Frage nach der Zeitgemäßheit der Aufhebung der 5%-Klausel: Zunächst einmal sie nicht unrechtmäßig. Das Bundesverfassungsgericht ]Schließlich verkennt das OVG, dass es nicht Aufgabe der Gerichte ist zu
prüfen, ob der Gesetzgeber für die Gestaltung des Wahlsystems eine
zweckmäßige oder rechtspolitisch vorzugswürdige Lösung gefunden hat. Die
verfassungsgerichtliche Kontrolle ist darauf beschränkt, die Einhaltung
der verfassungsrechtlichen Grundsätze zu überwachen. Ob aber eine
Verhältniswahl nach Landeslisten, nach Landesteil-, nach Bezirks- oder
nach Kreislisten erfolgt, obliegt der Entscheidung des Wahlgesetzgebers.
Eine auf den SSW beschränkte verfassungsrechtliche Pflicht zur
Aufstellung von Landesteillisten ist nicht ersichtlich.
[/quote]

Das beantwortet Deine Frage nicht direkt, aber anders herum kann man genau so fragen, ob die 5%-Hürde noch oder überhaupt zeitgemäß ist. Der historische Grund der 5%-Hürde ist klar: Vermeidung Weimarer Verhältnisse, aber immerhin führt die Hürde dazu, daß der Wählerwillen von bis zu fast 1/20 der wählenden Bevölkerung "unter den Tisch fällt". Das ist aber nicht das Thema.

Nun aber meine Sicht der Dinge: Ich stamme aus Schleswig-Holstein und sehe im Sonderstatus des SSWs ein Zeichen der Akzeptanz Minderheiten gegenüber und ein Ausdruck gut nachbarschaftlicher Beziehungen. Diese haben zweifelsfrei 1955 eine größere Rolle gespielt als 2005, wo D und Dk in der EU vereint sind, aber ein gut funktionierendes Miteinander -und sei es auf vertraglicher Basis- ist für mich immer zeitgemäß.

Daß sich der SSW in der politischen Richtung gewandelt hat, ist ein Zeichen der Weiterentwicklung. Die Grünen sind auch längst nicht mehr die Ökopartei, die sie noch vor 25 Jahren waren. Bis zur Landtagswahl 1996 ist der SSW ausschließlich im schleswiger Landesteil wählbar gewesen, zur Wahl 2000 wurde von Ein- auf Zwestimmen-Wahl umgestellt, so daß der SSW in ganz S-H mit der Zweitstimme wählbar ist.

Das erklärt zwar alles nicht den Unterschied zwischen dänischer und z.B. sorbischer Minderheit, aber das ist der dänischen Minderheit nicht anzulasten. Daß die dänische Minderheit Sonderrechte genießt (wie die deutsche in Nordschleswig [Dk] auch; wenngleich ohne parlamentarische Vertretung) ist, wie Kia anführte, hauptsächlich historisch bedingt ohne andere historische Vergleiche, aber trotzdem berechtigt in meinen Augen.

Traitor
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Do 24. Feb 2005, 02:02 - Beitrag #10

@janw:
daß sie in Zeiten, wo diese Problematik nicht akut virulent ist, sich auch andere Politikbereiche erschließt, ist nur natürlich und zu erwarten in meinen Augen und in Ordnung solange sie ihren Kernbelang nicht vernachlässigt.
Einzuwenden habe ich dagegen auch nichts. Nach allem, was man hier vom tatsächlichen Verhalten der Partei mitbekommt, erscheint sie mir sogar ausgesprochen sympathisch. Aber "objektiv" betrachtet macht dies ihren Sonderstatusanspruch selbst dann fragwürdig, wenn man Sonderstatuten generell erhalten will.

Was die europaweite Förderung ethnischer Minderheiten angeht, bin ich stets sehr zwiegespalten. Einerseits sehe ich, dass jede Sprache, jede Tradition wunderbare Facetten zu unserem Europa hinzufügt und deshalb an sich erhaltenswert ist. Andererseits sehe ich aber, dass teils absurde Sonderrechte zugestanden werden und dass noch viel absurderer bürokratischer Aufwand getrieben werden muss (wenn ich's richtig verstehe, ist Schleswig-Holstein kürzlich gezwungen worden, sämtliche Gesetzestexte ins Friesische zu übersetzen). Und ich sehe nicht, weshalb die trennende Sprache alle Aspekte einer Subkultur in jedem Fall in besondererem Maße erhaltenswert machen als dieselben Aspekte mehrheitssprachiger Subkulturen.

Dass Wahlrecht mit Staatsbürgerschaft verknüpft ist, halte ich durchaus für richtig. Eher sollte die Türkei gezwungen werden, im Zuge der Annäherung an Europa bürokratische Hürden für "austritts"willige Türken in Deutschland abzuschaffen, wobei ich nicht genau informiert bin, wie diese tatsächlich aussehen.

Dass die ethnischen Minderheiten (den Begriff halte ich für treffender als dein "kulturell", denn kulturell sind andere Minderheiten eben auch) regional gehäuft vorkommen, spricht für mich noch stärker dafür, sie nicht anders zu behandeln als andere. Denn sie können sich dann in ihren Kommunen politisch stark beteiligen, und den Kommunen kann höhere Mitbestimmung zugestanden werden, was dann allen zugute kommt, nicht nur den dänischen und sorbischen, sondern auch den anderweitig benachteiligten oder vernachlässigten.

Edit: Mit Arschis Post überschnitten, Reaktion auf diesen folgt.

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Do 24. Feb 2005, 13:14 - Beitrag #11

je mehr solche Gruppen, desto besser :-) jedes kleinste Steinchen im Räderwerk des Bestrebens, Menschen zugunsten ihrer einfacheren Handhabbarkeit zu vereinheitlichen, ist mir willkommen

Arschfurunkel
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Do 24. Feb 2005, 15:35 - Beitrag #12

Zitat von Traitor:Andererseits sehe ich aber, dass teils absurde Sonderrechte zugestanden werden und dass noch viel absurderer bürokratischer Aufwand getrieben werden muss (wenn ich's richtig verstehe, ist Schleswig-Holstein kürzlich gezwungen worden, sämtliche Gesetzestexte ins Friesische zu übersetzen).


Ach ne, Traitor, ganz so "schlimm" ist es dann doch nicht.

Es ist korrekt, daß es in S-H das Friisk Gesäts gibt, das Friesisch zur zweiten Amtssprache im Kreis Nordfriesland und auf Helgoland macht, aber der einzige Punkt, der die Schriftform betrifft, ist folgender:

Die Behörden können offizielle Formulare und öffentliche Bekanntmachungen im Kreis Nordfriesland und auf der Insel Helgoland zweisprachig in deutscher und friesischer Sprache abfassen.


Wenn man sich die Frage stellt, ob das "sein muß", dann muß das sicherlich nicht sein, aber es ist nicht schlimm, wenn es passiert.

Man hat mit dem Friisk Gesäts das umgesetzt, was praktisch ohnehin größtenteils in den Amtsstuben im Kreis NF und auf Helgoland passiert ist, nämlich, daß neben Deutsch auch Friesisch gesprochen wird. Die einzige Änderung ist, daß jetzt auch die Schriftform hinzukommen darf und daß die friesische Flagge neben der Landesflagge gezeigt werden darf.

Letztendlich dient das Friisk Gesäts dem Erhalt der friesischen Sprache und trägt somit zur Erhaltung der "Artenvielfalt" in D bei ;) .

Wenn ein kleines Land wie die Schweiz problemlos mit vier Sprachen auskommt, dann sollte es S-H mit zweien in zwei Teilen des Landes auch schaffen. Ja, ich weiß, wenn es alle machen würden... ;)

Feuerkopf
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Do 24. Feb 2005, 18:15 - Beitrag #13

Jede Sprache beinhaltet auch eine höchst eigene Sicht der Welt. Geht sie verloren, so geht auch eine Facette menschlichen Denkens verloren.

Abgesehen davon freue ich mich immer diebisch, wenn ein von unbeugsamen Friesen bevölkertes Dorf, äh, Landstrich nicht aufhört, dem Eindringling Widerstand zu leisten. ;)


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