ich strapaziere mal meinen Brockhaus
Der um 1870 erstmals verwendete Begriff der Esoterik wird heute in doppeltem Sinn gebraucht:
1. als Sammelbezeichnung für okkulte Praktiken, Lehren und Weltanschauungsgemeinschaften,
2.für »innere Wege«, bestimmte spirituelle Erfahrungen zu erlangen, die von einer bloß »äußeren« Befolgung von Dogmen und Vorschriften zu unterscheiden sind.
Der Begriff Esoterik leitet sich ab von dem griechischen Adjektiv »esoterikos« (seit dem 3.Jahrhundert n.Chr. belegt), womit zunächst die Insider griechischer Philosophenschulen und deren Lehren bezeichnet wurden (der gegensätzliche Begriff »exoterikos« nach außen gerichtet findet sich bereits bei Aristoteles im 4.Jahrhundert v. Chr.).
Esoterik als Geheimlehre und Einweihungsweg
Mit »Esoterik« werden, anknüpfend an die oben bezeichnete Tradition, Geheimlehren bezeichnet, die nur für einen ausgewählten Kreis von Menschen zugänglich sein sollten und nicht für die breite Öffentlichkeit bestimmt waren.
Esoterische Traditionen finden sich in allen Kulturen. Ungeachtet ihrer Verschiedenheit zeichnen sich esoterische Gemeinschaften durch eine Reihe von Übereinstimmungen aus. Marc Roberts hat in seinem »Lexikon der Esoterik« folgende Merkmale herausgestellt:
1. Tradition
Die Lehren und die in der Gemeinschaft praktizierten Rituale wurden über Jahrhunderte hinweg in einer Kette von Meister zu Meister überliefert, am Beginn steht oft eine mythische Person.
2.Arkandisziplin oder Pflicht zur Geheimhaltung.
Die Mitglieder müssen Schweigen über alles Gesehene, Gehörte und Erkannte bewahren. Die Lehrinhalte sind deshalb oft so formuliert, dass nur Eingeweihte sie verstehen können. Über die Mysterienkulte, die im Altertum an vielen Orten praktiziert wurden (z.B. in Griechenland die Mysterien von Eleusis), weiß man daher im Einzelnen nur sehr wenig.
3. Initiation oder Einweihung.
Der Aufnahme in eine esoterische Gemeinschaft geht eine Zeit der Prüfung bzw. Selbstprüfung voraus, in welcher der Neuling (Neophyt) unter Leitung eines Meisters oder Gurus und abgeschirmt von seiner bisherigen Umgebung das Wissen der Gemeinschaft und ihr Mysterium erleben soll. In dieser Probezeit muss sich der Neuling manchmal gewissen Praktiken wie Fasten, Schlafentzug, Trance unterziehen oder Drogen einnehmen. Die Probezeit, an deren Ende der Neophyt »Erwachter« oder »Neugeborener« ist, schließt mit seiner Aufnahme in die Gemeinschaft ab.
4. Instruktion oder Belehrung.
Der Initiierte wird nun von seinem Meister mit den esoterischen Lehren vertraut gemacht. 5. Ritus oder symbolhaftes Handeln. Die Praktiken einer esoterischen Gemeinschaft verbergen hinter ihrer äußeren Form einen inneren Sinn, der nur Eingeweihten verständlich ist. Als formale Mittel, um die Geheimhaltung und den Schutz des esoterischen Wissens vor Missbrauch vonseiten Fremder zu bewahren, dienen Bilder und Symbole, auch Geheimschriften. Zum Beispiel waren die Aufzeichnungen der Essener, einer vorchristlichen jüdischen Gemeinschaft, in einer Art Geheimschrift verfasst, bei der die Buchstabenfolge umgedreht wurde.
Hauptquellen der traditionellen Esoterik sind die Weisheitslehren des Ostens (Hinduismus, Buddhismus, Taoismus u.a.) und des Westens (Gnosis, Gralslegende, Alchemie, Kabbala, Mystik u.a.), die bis zu den Griechen und den Ägyptern zurückreichen. Alle großen Religionen kennen neben ihren bekannten (exoterischen) Lehren esoterische Traditionen, zum Beispiel das Christentum Gnosis und Mystik, das Judentum die Kabbala und den Chassidismus, der Islam den Sufismus, der Buddhismus die tantrischen Lehren. Auch der Orient, Stämme in Ozeanien, Afrika und die Ureinwohner Nord- und Südamerikas (Indianer) haben ein uraltes geheimes Wissen, das über viele Generationen hinweg tradiert wurde und heute von der modernen Esoterik entdeckt wird.
Bibliographisches Institut & F. A. Brockhaus AG, 2005, Beginn des Artikel "Esoterik", der insgesamt um einiges umfangreicher ist
Ich denke, daraus ergibt sich zwanglos, daß die Esoterik nach Grundanliegen, Methodik und Weltauffassung ein derart komplexes Gebilde ist - durch die Jahrtausende hindurch - daß sie als eigenständiger Zweig neben Religion und Philosophie aufgefaßt werden muss, selbstverständlich in vielfältiger komplexer Durchdringung und "Verzopfung" mit diesen Nachbarn. Die Reduzierung der Esoterik auf das "New Age"-Getue führt imo zu falschen Auffassungen über die Esoterik als Ganze.
"Religion" kann auch eine Ersatzreligion sein :-)
"Philosophie" kann auch eine Ersatzreligion sein :-)
"Esoterik" kann auch eine Ersatzreligion sein :-)
OB es eine Ersatzreligion ist, hängt imo so hochgradig vom Einzelfall der Gruppe oder des sie betreibenden Einzelnen ab, daß auch hier Verallgemeinerungen nur in die Irre führen. Die Gefahr besteht immer, die Möglichkeit, dieser Gefahr aus dem Weg zu gehen, auch. Vielleicht ist in unserer hochglanzpolierten Zeit die Gefahr etwas größer, was aber imo nicht an inhärenten Problemen der Esoterik liegt.
Esoterik ist inhärent weitgehend nichts Wissenschaftliches, wiewohl Esoteriker vielleicht die ersten Wissenschaftler waren - die Astrologen sind gemeint, die ernsthaft Astronomie betreiben mußten.
Ihre Charakterisierung als "unwissenschaftlich" ist meines Erachtens trotzdem eine Verunglimpfung, weil ihr da das Fehlen einer Methodik vorgeworfen wird, die in Zielrichtungen weist, welche der Esoterik gar nicht unterstellbar sind.
Wenn ich - beispielsweise - "Liebe" verstehen will, und mich "wissenschaftlich" mit der Problematik auseinandersetze, auf Biologie, Genetik, Hormone uvm. verweise, werde ich zwar bestimmte Ergebnisse erzielen - es bleibt fraglich, ob ich Liebe damit "begriffen" habe. Der Gegenstand der Esoterik zielt ins Persönliche, in die je eigene angemessene Weise, die Welt aufzufassen - damit macht die Esoterik der Philosophie, der Religion und - durch ihre hochgradig psychoaktiven Methoden - der Psychologie und Psychoanalyse Konkurrenz, nicht der Wissenschaftlichkeit als völlig andersbasierter Ideologie.