Philosophie - philosophisch betrachtet

Auf der Suche nach dem Sinn des Lebens und der Wahrheit.
Ipsissimus
Dämmerung
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 10251
Registriert: 29.10.2004
Di 1. Mär 2005, 15:07 - Beitrag #1

Philosophie - philosophisch betrachtet

anhand eines kleinen, schon etwas älteren Textes von mir möchte ich ein paar Fragen zum Thema "Philosophie" aufwerfen.

Was hat Philosophie geleistet?
Was kann Philosophie leisten?
Hat die Philosophie in wichtigen Bereichen versagt, in denen sie nicht hätte versagen müssen?
Ist die heutige Priorität der naturwissenschaftlichen gegenüber den philosophischen Fragestellungen Folge des Versagens der Philosophie oder folgerichtige Konsequenz in der Entwicklung des Denkens?
Was sind die Folgen dieser Priorität der naturwissenschaftlichen Fragestellungen?
Sind Möglichkeiten vorstellbar, der Philosophie wieder einen gleichberechtigten Platz neben der Naturwissenschaft zu sichern, ohne daß sie vor dieser und deren Methoden den Kotau vollziehen muß?

Der folgende Text "kreist" um diese Fragen, er stellt und beantwortet sie nicht explizit.

eins
Setze einem Kind eine beliebig chaotische Struktur vor. Jedes Kind wird in kürzester Zeit in dieser Struktur Sinnprovenienzen gefunden und Sinn konstruiert haben. Die Technik, die es hierfür anwendet, besteht darin, alles auszublenden, was für seine situativen Belange belanglos ist, also fast alles.


Die Entwicklung von Form ist also ein Ausblendprozeß, bei dem eine gewünschte Form dadurch im Total der Wirklichkeit wahrgenommen wird, daß alle Anteile dieses Totals, die nicht zur Konstruktion des Gewünschten beitragen, vergessen, verdrängt, nicht wahrgenommen, eben ausgeblendet werden.

Das Wesentliche dieses Vorgangs und dieser Fertigkeit ist die Erwünschtheit des Ergebnisses, die anderen Komponenten sind demgegenüber triviale Grundfertigkeit.

zwei
Diese Fertigkeit hat sich auch das Erwachsene bewahrt.

drei
Die Kriterien, nach denen das Kind und das Erwachsene Sinnprovenienzen finden, unterscheiden sich im Grad der Gebundenheit an externe Vorgaben.

vier
Auch zwischen Erwachsenen unterscheiden sich diese Kriterien im Grad der Gebundenheit an externe Vorgaben.

fünf
Aufgrund dieser Verschiedenheit können wir davon ausgehen, daß faktisch ein Kontinuum zwischen Kriterien »völlig gebundener« und »völlig ungebundener« Auffindung von Sinnprovenienzen besteht; »völlige Ungebundenheit« würde dabei zu konstatieren sein als Eigenart eines Menschen, dem alles als Zeichen für eine Sinnprovenienz dient, z.B. schon Vogel- oder Wolkenflug, Kaffeesatz oder Sternkonstellation, der gesamte Bereich der Mantik, »völlige Gebundenheit« bezeichnet andererseits die Eigenart eines Menschen, Zeichen für Sinnprovenienz ausschließlich dort zu sehen, wo sie mit Vorgaben positivistischer wissenschaftlicher, gesellschaftlicher oder ökonomischer Theorien in Einklang stehen, also erst im Bereich der »harten Fakten«.

sechs
»Technik« funktioniert nur im Rahmen eines bestimmten Sinnzusammenhangs. Die explodierende Atombombe, die als Beweis für ein objektives Funktionieren dienen könnte, kann nicht als göttlicher oder dämonischer Natur seiend widerlegt werden, ohne den gesamten Sinnzusammenhang mitzuvermitteln, innerhalb dessen solche Widerlegung »wahr« ist. Dies impliziert aber die Aufgabe eines anderen Sinnzusammenhangs, innerhalb dessen sich die Atombombe als ebenso tödlich erweisen würde, allerdings auf einem anderen Erklärungszusammenhang basierend. Wir sind in einem Strudel von Metaebenen gefangen.

sieben
Da jenes, was Menschen von Belang ist, im Laufe ihres Lebens wie auch in den unterschiedlichen Lebensbereichen sich als veränderlich erweist, können wir ebenfalls davon ausgehen, daß die Kriterienauswahl, sozusagen die Position eines Menschen innerhalb dieses Kontinuums, mit Zeit und Anwendungsfall sich ändert. Ein Wissenschaftler kann innerhalb seines Fachbereichs ein strenger Positivist sein, gleichzeitig sein Leben insgesamt nach den Vorgaben einer Religion gestalten und gelegentlich und insgeheim Astrologen um Rat fragen - aber nur sein Psychoanalytiker weiß, von welchen Monstern der Kindheit der Gute gequält wird. Erfahrungsgemäß sind solche oder analoge Strukturen im Leben der allermeisten Menschen die Regel, nicht die Ausnahme. Die Widersprüchlichkeit, die hierbei sachlich auf der Ebene der Ideen zu konstatieren ist, wird durch das menschliche Grundvermögen des gleichzeitigen Handlings einander widersprechender Ideen spielend ausgeglichen.

acht
Gemäß den situativ oder strategisch gewünschten Zielen werden in der Regel die mit jenen Zielen korrespondierenden Lösungen eines Bereichs als normativ gesetzt - gemäß der Machtvollkommenheit des oder der Setzenden. Andere Lösungsmöglichkeiten werden suspekt gemacht.

neun
Auf den ersten Blick spielt sich menschliches Leben vor dem Hintergrund einer verwirrenden, riesigen Vielfalt von Einflußfaktoren ab, deren Zielsetzungen sowohl das Einzelne als auch jede Gruppe in mehr oder weniger hohem Maße unterliegt. In diesem Zusammenhang kommt es als triviale, anscheinend völlig selbstverständliche und von allen gewußte und akzeptierte conditio humana daher, daß menschliches Miteinander, menschliche Beziehungen sich in asymmetrischen Machtverhältnissen abspielen.

[...]

Menschen schaffen sich eine grauenhafte Wirklichkeit. Ich habe nicht vor, diesen Satz zu rechtfertigen. Wer es vorzieht, in Szenarien von heiler Welt zu denken, die lediglich durch individuelle Fehlleistungen der »Bösewichte« bedroht sei, möge beruhigt weiterschlafen. Menschen schaffen sich eine grauenhafte Wirklichkeit. Aber: der Einsatz reiner Gewaltmittel (als Extremmöglichkeit von Macht) ist nicht immer der effektivste Weg, die eigene Maximalverwirklichung auf Kosten anderer - und darum geht es letztlich und beinahe ausschließlich - durchzusetzen. Viel einfacher ist es, die eigenen Absichten anderen als in deren ureigenstem Interesse liegend zu vermitteln. Wem diese Vermittlung gelingt, verfügt über einen extrem wirksamen Agenten der eigenen Absichten »im Herzen des Feindes«. Über Theologie mag ich in diesem Zusammenhang nicht mehr eigens sprechen. Es scheint mir allerdings auch nicht zu weit hergeholt, Philosophie mitsamt ihren Ablegern im wesentlichen als Versuch eines Anthropodizees aufzufassen. Dieses Kunstwort bezeichnet also in Anlehnung an den Begriff des »Theodizees« den Versuch der Rechtfertigung des Soseins der menschlichen Spezies angesichts der begangenen Bösartigkeiten.

Kein Erweis einer Bösartigkeit, keine Ausrottung einer Tierart, keine Vernichtungskampagne, keine Folter, nichts, was irgend geschieht, darf anscheinend dazu führen, daß das Sosein der Spezies ihren Individuen jemals ernstlich und irreversibel suspekt wird. Wir wollen - um das Prinzip unseres Lebens ganz deutlich und böse auszudrücken - wenn es notwendig ist tagsüber im Lager Auschwitz Juden zu Tode quälen und abends im Kreise der Unsrigen für wunderbare, feinfühlige, kunstsinnige, zärtliche, menschliche Menschen gelten. Auschwitz ist vorüber; das Prinzip hingegen ist allgegenwärtig.

Anders ausgedrückt: Philosophie liefert Begründungszusammenhänge, warum das, was Macht ohnehin zu tun beschlossen hat, für notwendig, wünschenswert und - oft genug - »gut« zu gelten hat. Noch anders gesagt: Sinn von Philosophie (mitsamt ihrer Schwester Theologie) ist die Verschleierung von intentionaler Willkür als dem zentralen Grundprinzip menschlicher Existenz.

Milena
Lebende Legende
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 1797
Registriert: 17.01.2005
Di 1. Mär 2005, 17:20 - Beitrag #2

Ipsi, Du machst Deiner Signatur alle Ehre,
leider bin ich philosophisch nicht sehr versiert und kann keine
hervorragende Antwort Dir bieten, wenn überhaupt,
vielleicht nur:
Wahrheit ist das Sich-Entbergen des bisher Verborgenen, und dieses Entbergen müsse man geschehen, auf sich zukommen lassen,
und der Wille zur Wahrheit ist noch nicht die Wahrheit selbst oder
wie sagte bereits Aristoteles:
die Wirklichkeit des Geistes ist selbst schon Leben.
Aber ich habe den grossen Verdacht, das hat jetzt so gar nichts mit Deinem Thread zu tun und war lediglich ein wenig klugscheiss von mir....

Ipsissimus
Dämmerung
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 10251
Registriert: 29.10.2004
Di 1. Mär 2005, 17:38 - Beitrag #3

och, Aristoteles passt im Zusammenhang gar nicht mal so schlecht, mit seiner Auffassung, daß Sklaven "lebende Werkzeuge" seien :-)

jaiden
Junior Member
Junior Member

 
Beiträge: 51
Registriert: 03.01.2005
Di 1. Mär 2005, 19:11 - Beitrag #4

"Ich habe nicht vor, diesen Satz zu rechtfertigen."

:rolleyes:

Wenn ich so nen Satz schon lese...

jaiden

Ipsissimus
Dämmerung
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 10251
Registriert: 29.10.2004
Di 1. Mär 2005, 19:21 - Beitrag #5

ja? was ist dann?

Milena
Lebende Legende
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 1797
Registriert: 17.01.2005
Di 1. Mär 2005, 21:28 - Beitrag #6

@jaiden, wie wäre es mit folgendem Satz:
Aus dem Rauschen des Geschwätzes kann plötzlich ein Gedicht entstehen...
,gliederte doch Aristoteles die Welt in eine Stufenfolge des Stoff-Form-Verhältnisses
oder wie man heute sagen würde:
die Verwandlung des Unwahrscheinlichen ins Wahrscheinliche...

Padreic
Lebende Legende
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 4485
Registriert: 11.02.2001
Di 1. Mär 2005, 21:28 - Beitrag #7

Ich kann Milena mit dem Hinweis auf deine Signatur zustimmen. Du dürftest selbst wissen, dass du mit deinen abschließenden Worten nicht die ganze Philosophie erfasst. Interessanterweise passt das aber wunderbar mit dem ersten Teil deines Textes zusammen ;).

Was hat Philosophie geleistet?

Gesellschaftlich gesehen war der Einfluss der Philosophie selten (wenn auch manchmal doch) direkt. Aber durch ihre langfristige Beeinflussung der Geistesströmungen und damit auch Erziehung etc. hat sie doch einiges an Wirkung hervorgebracht. Beispielsweise sind die sogenannten "Menschenrechte" unter anderem auch Resultat von Philosophie.
Das primäre Feld der Philosophie ist aber der Einzelne. Für diesen kann sie sinnstiftend sein, sie kann sinnzerstörend sein. Sie mag ihm zu einem geglückteren Leben verhelfen.

Hat die Philosophie in wichtigen Bereichen versagt, in denen sie nicht hätte versagen müssen?

Es ist nicht die Aufgabe der Philosophie, gesellschaftliche Wirkmacht zu haben. Man könnte es aber als Aufgabe der Machthabenden (also insbesondere jedes Einzelnen) sehen, aus einem Verständnis der Welt heraus zu agieren und einem solchen kann es durchaus gut tun, philosophisch zu sein.
Es ist nicht die Philosophie, die versagt hat, es sind die Menschen.

Was sind die Folgen dieser Priorität der naturwissenschaftlichen Fragestellungen?

Naturwissenschaften bieten auf die meisten wichtigen Fragen keine Antwort. Die Leute wollen aber antworten haben. Wenn die Denkpriorität auf den Naturwissenschaften liegt, dann nehmen sie halt nicht durchdachte Antworten. Nicht selten welche, die auf obskure Weise aus ein naturwissenschaftlichen Sichtweise abgeleitet sind.

Sind Möglichkeiten vorstellbar, der Philosophie wieder einen gleichberechtigten Platz neben der Naturwissenschaft zu sichern, ohne daß sie vor dieser und deren Methoden den Kotau vollziehen muß?

Was soll Gleichberechtigung von nicht gleichen?

Padreic

Monostratos
Senior Member
Senior Member

 
Beiträge: 948
Registriert: 16.11.2003
Di 1. Mär 2005, 22:24 - Beitrag #8

$.02

Durch die sokrates'schen Siebe hätte der Text es nicht geschafft... Zumal am Ende die Wahrheit einiger Passagen des Textes doch zu sehr vom Welt- und Menschenbild des Lesers abhängig ist. Dem Grossteil des Textes (1-4, 7) stimme ich zu, nur die Quintessenz behagt mir ebend nicht. Aber das sollte keinen überraschen.

Wenn man will, kann man den Text sich selbst aushebeln lassen, indem man Absatz eins auf den neunten, und das Schlusswort bezieht.

Ipsissimus
Dämmerung
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 10251
Registriert: 29.10.2004
Mi 2. Mär 2005, 00:31 - Beitrag #9

Monostratos, der Wahrheitsgehalt jedes philosophischen Textes hängt in hohem Maße von den weltanschaulichen apriori-Entscheidungen eines Lesers ab :-) und Sokrates selbst gibt sich in seinen Texten derart willkürlich ...

Du dürftest selbst wissen, dass du mit deinen abschließenden Worten nicht die ganze Philosophie erfasst.


Padreic, nein, sicher nicht die ganze. Aber ich muss tief in mich gehen, um die Ausnahmen herauszupicken. Und ich besinne mich im Moment in der Tat auf keinen einzigen Philosophen, der explizit die Herrschaft von Menschen über Menschen grundsätzlich - das heißt: nicht nur bestimmte Erscheinungsweisen davon - desavouiert hätte (Marx mal außen vor, so ganz ernst kann ich ihn in diesem Zusammenhang nicht nehmen). Insofern vermeine ich, die wesentlich Tendenz der Philosophie durchaus korrekt dargestellt zu haben und mich zumindest darin nicht in der Kunst von eins ergangen zu haben :-)

Das primäre Feld der Philosophie ist aber der Einzelne. Für diesen kann sie sinnstiftend sein, sie kann sinnzerstörend sein. Sie mag ihm zu einem geglückteren Leben verhelfen.


insofern der/die Einzelne selbstreflektiv philosophisch tätig wird, stimme ich dem zu. Insofern dabei an eine Übernahme philosophischer Lehren oder "Wahrheiten" gedacht ist, erachte ich Philosophie in der analogen Gefahr schwebend wie jede Religion. Davon abgesehen ist es oft notwendig sinnzerstörend wirksam zu sein, um sinnstiftend zu wirken :-)


Was soll Gleichberechtigung von nicht gleichen?


es hat eine gesellschaftliche Dimension, oder? Die faktische Zerschlagung der Geisteswissenschaften, die zur Zeit stattfindet, hat eine ganze Menge damit zu tun, daß "bloß philosophisches" Gedankengut nicht eben hoch im Kurs steht. Außerdem ist die Frage in sich schon fraglich :-) Was soll Gleichberechtigung von Mann und Frau? Sie sind schließlich nicht gleich :-) Gemeint ist natürlich Gleichwertigkeit im Sinne von gleiche Förderung, gleiche Anerkennung usw.

Padreic
Lebende Legende
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 4485
Registriert: 11.02.2001
Mi 2. Mär 2005, 16:35 - Beitrag #10

Und ich besinne mich im Moment in der Tat auf keinen einzigen Philosophen, der explizit die Herrschaft von Menschen über Menschen grundsätzlich - das heißt: nicht nur bestimmte Erscheinungsweisen davon - desavouiert hätte

1. Man kann das Ergebnis einer Betrachtung nicht mit ihrem Sinn oder Zweck gleichsetzen (zumindest nicht ohne weiteres).
2. Ein Philosoph behandelt nie nur eine philosophische Fragestellung. Und beispielsweise die Frage danach, warum etwas und nicht vielmehr nichts ist, mit konkreten Machtfragen in Verbindung zu bringen, hört sich für mich doch etwas konstruiert an.

insofern der/die Einzelne selbstreflektiv philosophisch tätig wird, stimme ich dem zu. Insofern dabei an eine Übernahme philosophischer Lehren oder "Wahrheiten" gedacht ist, erachte ich Philosophie in der analogen Gefahr schwebend wie jede Religion. Davon abgesehen ist es oft notwendig sinnzerstörend wirksam zu sein, um sinnstiftend zu wirken :-)

Durchaus Zustimmung. Auch wenn fremde philosophische Lehren sehr hilfreich zur Vertiefung der eigenen philosophischen Reflexion sein können.

es hat eine gesellschaftliche Dimension, oder? Die faktische Zerschlagung der Geisteswissenschaften, die zur Zeit stattfindet, hat eine ganze Menge damit zu tun, daß "bloß philosophisches" Gedankengut nicht eben hoch im Kurs steht. Außerdem ist die Frage in sich schon fraglich :-) Was soll Gleichberechtigung von Mann und Frau? Sie sind schließlich nicht gleich :-) Gemeint ist natürlich Gleichwertigkeit im Sinne von gleiche Förderung, gleiche Anerkennung usw.

Ich würde Philosophie nicht unbedingt als Geisteswissenschaft sehen, aber das nur am Rande. Genauso nur am Rande, dass ich die "Gleichberechtigung" von Frau und Mann, wie sie jetzt vollzogen wird, durchaus kritisch beäuge.
Wichtig in der Frage der Förderung der Philosophie ist wohl der grundsätzliche Gegensatz von Theoria und Techne, von der Erkenntnis um des Verstehens willen und der Erkenntnis um des konkreten Handelns willen. Während man die theoretischen Zweige der Naturwissenschaften oft noch um ihrer Grundlagenwirkung für spätere technische Anwendungen willen rechtfertigt, ist das bei der Philosophie nur schwer möglich. Deswegen kann ich es einem Staat, der darein nicht investiert, schwerlich verübeln. Auch wenn ich es natürlich schade finde, denn ein gewisses Anstoßen kann für diejenigen mit philosophischen Potential durchaus recht wichtig sein; wo dies nicht persönlich geschehen kann, mag etwas wie ein guter Philosophieunterricht helfen können.
Klar dürfte sein, dass eine Förderung der Philosophie auf andere Weise geschehen müsste als eine der Naturwissenschaften, weil es bei ersterem (noch weniger als bei letzterem) um die bloße Vermittlung von Wissen geht. Es geht um Denken, um Verstehen. Und um die bewusste Entscheidung des Einzelnen dazu, was das wichtigste ist. Philosophie kann man nicht nach Kochrezept lernen.

Padreic

Ipsissimus
Dämmerung
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 10251
Registriert: 29.10.2004
Mi 2. Mär 2005, 16:57 - Beitrag #11

Auch wenn fremde philosophische Lehren sehr hilfreich zur Vertiefung der eigenen philosophischen Reflexion sein können

Zustimmung :-) ich wollte auch nicht zum Ausdruck bringen, daß ich die Neuerfindung des Rades für notwendig halte, nur, daß Rezeption nicht das eigene Denken ersetzen kann


Während man die theoretischen Zweige der Naturwissenschaften oft noch um ihrer Grundlagenwirkung für spätere technische Anwendungen willen rechtfertigt, ist das bei der Philosophie nur schwer möglich. Deswegen kann ich es einem Staat, der darein nicht investiert, schwerlich verübeln.


in einem Staat, der sich selbst "demokratisch" nennt, ist es relativ unverständlich, daß gleiches Interesse seiner Bürger nicht zu gleicher Förderung führt. Ich sehe die derzeitige einseitige Förderung der Ingenieurswissenschaften überaus kritisch für die Bildungslage der Nation und für extrem kurzsichtig gedacht - aber daß das Prinzip des Lobbyismus sich nicht mit dem Anspruch der "Demokratie" vereinen läßt, ist natürlich ein anderes Thema.

Auch ich erachte Mann und Frau nicht als "gleich", wohl aber als gleichwertig. Und daß diese Gleichwertigkeit noch längst nicht durchgesetzt ist, ist auch kein wirkliches Geheimnis ... :-)

jaiden
Junior Member
Junior Member

 
Beiträge: 51
Registriert: 03.01.2005
Do 3. Mär 2005, 12:38 - Beitrag #12

Zitat von Padreic:Während man die theoretischen Zweige der Naturwissenschaften oft noch um ihrer Grundlagenwirkung für spätere technische Anwendungen willen rechtfertigt, ist das bei der Philosophie nur schwer möglich. Deswegen kann ich es einem Staat, der darein nicht investiert, schwerlich verübeln.


Hm, aber eigentlich gäbe es diesen Staat ohne Philosophie doch gar nicht, oder? Denn die Voraussetzung dafür, nämlich unser Menschenbild, würde ich durchaus noch in den philosophischen Bereich packen...

Die Zeiträume sind halt noch etwas größer als in den Naturwissenschaften :)


jaiden

Padreic
Lebende Legende
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 4485
Registriert: 11.02.2001
Do 3. Mär 2005, 15:54 - Beitrag #13

@jaiden
Die Staatsphilosophie hatte sicherlich ihren Einfluss auf unser reales Staatswesen, z. B. auch beim Stichpunkt Gewaltenteilung. Das würde ich aber eher als ein Randgebiet der Philosophie bezeichnen, dass eher zur Politologie gehört.

Du nennst einen weiteren Zweig, die Philosophie, die sich mit dem Menschenbild beschäftigt, nämlich die Anthropologie. Man mag im Einzelnen bezweifeln, inwieweit dasjenige, das unserem Staatswesen zugrunde liegt, wirklich philosophisch geprägt ist, aber meinetwegen kann man zugestehen, dass es so ist.
Es ist aber nicht der Fall, dass unser Menschenbild in der Öffentlichkeit als defizitiär gesehen wird. Alle Menschen sind frei und gleich, besitzen die Menschenrechte (die man nur noch durchsetzen muss), was muss man mehr wissen? Was noch am Menschen zu untersuchen ist, ist Aufgabe von Psychologie und Biologie, aus Sicht der Öffentlichkeit.

Padreic


Zurück zu Philosophie

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 2 Gäste

cron