Beweis des Induktionsproblems und Fragen zur Logik

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Maurice
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Do 3. Mär 2005, 21:20 - Beitrag #1

Lösung des Induktionsproblems und Fragen zur Logik

"Bisher ging jeden Tag die Sonne auf, also geht sie auch morgen wieder auf."
Wer sich ein bisschen mit dem Thema Induktion beschäftigt hat, wird jetzt entgegnen, dass dieser Schluss logisch nicht haltbar ist.
Für Leser die noch nie was von Induktion gehört haben: Induktive Aussagen sind Folgerungen vom Einzelnen auf das Allgemeine.
Wir sind dazu geneigt zu glauben, dass die Sonne jeden Tag wieder aufgehen wird, dass der Apfel immer auf den Boden fallen wird usw., doch nur weil wir etwas bisher immer so war, heißt das nicht, dass es auch in Zukunft so sein wird. Russell verdeutlicht das mit dem anschaulichen Beispiel des Huhns, dass jeden Tag vom Bauern gefüttert wird und annehmen könnte, dass dies immer so bleiben wird... bis zu dem Tag, an dem der Bauer dem Huhn den Hals umdreht.
Auf Grund dieser scheinbaren Unbeweisbarkeit induktiver Sätze hat sich die Meinung etabliert, dass solche Sätze nicht endgültig bewiesen (verifiziert) werden könnten, sondern nur durch ein einziges Gegenbeweis widerlegt (falsifiziert) werden könnte. Ich möchte diese Meinung hier hinterfragen.

Wenn ich mehrere Dinge X untersuche und an ihm eine bestimmte Eigenschaft A zuschreibe, dann könnte ich darauf schließen, dass alle diese Dinge X die Eigenschaft A haben. z.B. könnte ich aus der Beobachtung mehrerer weißer Schwäne urteilen, dass alle Schwände weiß sind. Diese Meinung würde dann erschüttert werden, sobald ich einen schwarzen Schwan sehen.

Nun meine erste Frage:
Wenn ich sage, dass es zum Wesen des Schwans gehört, dass er weiß ist und dass eine Tier das wie ein Schwan aussieht aber schwarz ist, kein Schwan ist, dann könnte die These, dass alle Schwäne weiß sind nicht widerlegt werden. Wäre der Satz "alle Schwäne sind weiß", wenn Schwäne per Definition weiß sein müssen noch ein induktiver Schluss oder nicht?

Zeite Frage: Wenn ich "Schwan" so definiere, dass er nicht weiß sein muss und vorher meine es gäbe nur weiße Schwäne gibt und dies widerlegt wird ist damit nicht der Satz "manche Schwäne sind weiß und andere schwarz" bewiesen? Ist der Satz "manche Schwäne sind weiß und manche schwarz" ein induktiver Satz? In gewisser Weise schon, weil ja alle schwarzen Schwäne aussterben könnten und dann nicht mehr manche Schwäne schwarz wären. Wenn ich aber sage "Schwäne können weiß aber auch schwarz sein" dann wird dieser Satz nicht durch das Aussterben der schwarzen Schwäne widerlegt, aber ist ein solcher Satz ein induktiver?

Dritte Frage: Beinhaltet der Satz "manche Schwäne sind weiß und manche schwarz" die Möglichkeit, dass ein Schwan auch theoretisch pink sein könnte oder meint dieser Satz, dass ein Schwan nur weiß oder schwarz sein kann? Rein sprachlich sehe ich kein Problem, dass dieser Satz auch pinke Schwäne erlaubt, aber wie sieht es aus rein formallogischer Sicht aus? Schließt der Satz "X = A oder B" aus, dass X auch C sein kann? Müsste es dann nicht besser heißen "X ausschließlich = A oder B"?

Padreic
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Do 3. Mär 2005, 21:47 - Beitrag #2

Zur ersten Frage: Dann hast du nur noch ein analytisches Urteil. Das ist nicht Gegenstand einer gescheiten Induktion.

Zur zweiten Frage: Wenn meine These, dass alle Schwäne weiß sind, empirisch widerlegt ist, ist damit nur bewiesen, dass es mindestens einen Schwan anderer als weißer Farbe gibt.
"Manche Schwäne sind weiß und manche Schwäne sind schwarz." ist nur dann induktiv, wenn du es ausschließlich verstehst (s. Frage 3), aber als bloße Existenzaussage ist es nicht induktiv, da es nur eine Existenzaussage ist. Bloß die Verneinung wäre Induktionsaussage.
Bei "Schwäne können weiß aber auch schwarz sein" ist es die Frage, ob das überhaupt noch eine empirische Aussage ist. Man könnte sie empirisch höchstens so verstehen, dass es mindestens eine Zeitpunkt gibt, wo ein weißer Schwan existiert, und mindestens einen Zeitpunkt, wo ein schwarzer Schwan existiert. Damit wäre es wieder nur eine Existenzaussage und keine induktive.

Zur dritten Frage: Formallogisch musste mit Prädikatenlogik operieren. Also:
((Existiert x): (x ist Schwan und x ist weiß)) und ((Existiert y): (y ist Schwan und y ist schwarz)).
[symbolisch wär's natürlich viel schöner]

Padreic

Maurice
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Do 3. Mär 2005, 22:01 - Beitrag #3

Wenn ich also sage "A=B", dann ist A automatisch ungleich allen Nicht-B, wenn ich nicht auch sage, dass A z.B. auch C sein kann? Intuitiv würde ich alle Nicht-Bs nur dann ausschließen, wenn ich sagen würde "A=ausschließlich B". Denn wenn ich sage "ein Ball ist rund" (A=B), dann folgt daraus ja nicht, dass der Ball auch noch andere Eigenschaften haben kann, z.B. dass er aus Gummi ist (A=C). Ich müsste doch sagen "der Ball ist ausschließlich rund"(hier=besitzt ausschließlich die eine Eigenschaft dass er rund ist), um alle anderen Eigenschaften auszuschließen.
Für das Beisiel müssen wir natürlich davon absehen, dass ein Ball nicht ausschließlich nur eine Eigenschaft besitzen kann. ;)

Diese logischen Formulierungen sind schon wie eine eigene Fremdsprache. ^^

Padreic
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Do 3. Mär 2005, 22:21 - Beitrag #4

Habt ihr bei euch im Studium keine Einführung in die philosophische Logik? Eine Schande ist das...

Das Wort 'ist' kann zwei verschiedene Sachen ausdrücken, Identität und Prädikation (man spricht einem Objekt/Subjekt eine Eigenschaft/ein Prädikat zu), letzteres ist sehr viel öfter der Fall.
In der Formallogik drückt man nur die Identität mit dem Gleichheitszeichen aus. Für die Prädikation würde man RundBall schreiben (wobei man normalerweise eben 'Rund' und 'Ball' jeweils mit einem Buchstaben bezeichnen würde, der Übersichtlichkeit halber, z. B. dann Rb).

Beim Gleichheitszeichen kann man drüber streiten, ob es genügt, dass alle Eigenschaften gleich sind oder ob die Objekte wirklich dieselben sein müssen. Das Problem fällt natürlich weg, wenn man Klassen von Objekten oder Abstrakte behandelt.

Das mit der Fremdsprache ist sicherlich nicht ganz falsch.

Padreic

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Fr 4. Mär 2005, 01:11 - Beitrag #5

Zusätzlich zu Padreics Detailantworten möchte ich noch was zum Einführungsabschnitt sagen.
Auf Grund dieser scheinbaren Unbeweisbarkeit induktiver Sätze hat sich die Meinung etabliert, dass solche Sätze nicht endgültig bewiesen (verifiziert) werden könnten, sondern nur durch ein einziges Gegenbeweis widerlegt (falsifiziert) werden könnte.
Wie ich schonmal irgendwo erwähnte (iirc war's nur Wmig oder sowas), ist das, was du (und vielleicht auch Philosophen, die den Begriff so verwenden, wirst du eher wissen) unter "Induktion" verstehst, sozusagen nur "unvollständige Induktion" im Gegensatz zur in der Mathematik gebräuchlichen "vollständigen Induktion".
Letztere zeigt im ersten Schritt, dass eine Aussage für ein bestimmtes Objekt gilt, und im zweiten, dass aus der Gültigkeit für ein beliebiges Objekt folgt, dass sie auch für das nächste Objekt gilt. Damit ist dann bereits gezeigt, dass sie für alle gilt, und dies ist ein eindeutiger und unzweifelhafter Beweis. Es setzt aber natürlich voraus, dass man eine sinnvoll abzählbare und geordnete Menge untersucht, und ist deshalb auf philosophische oder allgemeinlogische Betrachtungen im Allgemeinen nicht anwendbar.
Und auch wenn man eine derartige Menge hat (z.B. die Menge der Tage für das Sonnenaufgangsbeispiel) ist es bei realweltlichen Problemen leider meist nicht vernünftig möglich, den zweiten Schritt zu vollziehen, da die Welt leider nicht mechanistisch ist bzw. zu schwer berechenbar.

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Fr 4. Mär 2005, 12:13 - Beitrag #6

um bei dem Sonnenaufgangsbeispiel zu bleiben, würde eine angemessene Erörterung des Problems auch nicht den Versuch einer induktiven Beweisführung beinhalten, sondern den Versuch, klar herauszuarbeiten, was genau während des Phänomens "Sonnenausgang" geschieht, sprich das Phänomen in einer umfassenderen Gesetzmäßigkeit aufzulösen und somit die Bedingungen für "Sonnenaufgang" zu verstehen. Dann würde mensch von induktiven Fehlschlüssen wegkommen.

Was mich interessieren würde: ist die vollständige Induktion, wie sie in der Mathematik bei geeigneten Strukturen durchführbar ist, im strengen Sinne eine Beweisführung? Es kommt mir so vor, als sei sie letztlich "nur" eine Umformulierung des Peanoschen Axioms, wonach eine Menge natürlicher Zahlen, welche die "1" als Element enthält und mit jedem Element auch dessen Nachfolger n+1 identisch sei mit der Menge natürlicher Zahlen. Da dies ein Axiom ist, somit unbewiesen, ist wohl auch die vollständige Induktion kein strenger Beweis. Oder seh ich da was falsch?

Padreic
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Fr 4. Mär 2005, 18:05 - Beitrag #7

Exkurs zur mathematischen Beweisführung:
Axiomatiken sind implizite Definitionen von Strukturen. Genau das, was die Peano-Axiome erfüllt, kann sich natürliche Zahlen nennen, so ist die Definition. Und definiert man die natürlichen Zahlen konstruktiv, wie wir sie kennen, dann kann man das Induktionsgesetz auch durchaus beweisen (natürlich nur unter der Voraussetzung wieder grundlegender Axiomatiken, wie die der Logik).
Aus mathematischer Sicht ist die Induktion ein genauso strenges Beweisverfahren wie der normale direkte oder indirekte Beweis (letzter setzt ja auch das ("unbeweisbare") Gesetz des ausgeschlossenen Dritten voraus).

Padreic


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