Veschwörungstheorien

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Ipsissimus
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Mi 16. Mär 2005, 17:24 - Beitrag #1

Veschwörungstheorien

nein, es soll nicht noch eine Sammlung erfolgen, und es soll auch nicht noch eine Verschwörungstheorie diskutiert werden. Was ich zur Debatte stellen möchte, ist folgender Fragenkomplex:

Wie kommt es, daß die Charakterisierung einer These als Verschwörungstheorie nahezu automatisch dazu führt, daß eine ernsthafte Auseinandersetzung mit der These nicht mehr stattfindet? Gut, es wird vielleicht noch diskutiert, ob es sich wirklich um eine solche handelt, aber wenn das bejaht wird, ist die These so gut wie tot. Was mich dabei irritiert, ist einmal der Umstand, daß viele solcher Verschwörungsthesen für mich nicht auf den ersten Blick zu erkennen sind, ich verfüge also über keine apriori-Kriterien, und zum anderen ist für mich nicht klar, daß selbst aus der korrekten Einordnung in diese Kategorie automatisch das "unbrauchbar" oder "Wahrheitswert Null" erfolgt.

Milena
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Mi 16. Mär 2005, 18:01 - Beitrag #2

äähh..? hüstel und gleich nochmals hüstel, Ipsi, ich glaube,ich verstehe Dich nicht wirklich,
um was geht es denn eigentlich, oder hättest Du vielleicht ein Beispiel dbzgl,
oder ist das zu sehr philosophisch angehaucht und ich täte mir einen
Gefallen und halte mich lieber aus dieser Diskussion heraus?
wer oder was hat sich miteinander verschworen,
die Mafia? oder nur eine These, aber welche mit welcher?
sorry,aber ich checks echt nicht..;)

e-noon
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Mi 16. Mär 2005, 18:55 - Beitrag #3

Meinst du so etwas wie die These, ein paar amerikanische TV Programme hätten im Voraus von dem Anschlag auf das WTC gewusst, da sich von diesen Sendern just an diesem Tage keine Angestellten in den Gebäuden befanden?
Für mich ist es ehrlich gesagt auch etwas schwierig, in solchen Fällen herauszufinden, wann und warum eine solche These als Verschwörungstheorie gilt und dann keinerlei Wahrheitsgehalt mehr haben soll. Ich habe keinerlei annähernd gesichertes Wissen darüber, deswegen muss ich mich einerseits auf die Aussagen von Bekannten stützen, die sich auszukennen scheinen, andererseits die jeweiligen Quellen untersuchen; zB. würde ich ARD Nachrichten größere Wahrheitswahrscheinlichkeit zutrauen als zB. der Bildzeitung. Vielleicht kommt daher der Spruch, "Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht..."; selbst wenn in der Bildzeitung einmal etwas nicht übertrieben Aufgebauschtes oder auf reinen Spekulationen Beruhendes gebracht wird, schenke ich dem nicht sofort Glauben, erst recht nicht, wenn nicht andere ähnliches behaupten. Dabei kann es gut sein, dass ein Körnchen oder sogar etwas mehr Wahrheit in dem einen oder anderen reißerischen Artikel steckt.

So ist es dann wohl auch mit Verschwörungstheorien: auch wenn mir die Theorie auf den ersten Blick plausibel erscheint und ich keine gegenteiligen Indizien habe, traue ich ihr nicht mehr, wenn sie von mehreren anderen Quellen als übertriebene Verschwörungstheorie deklariert wird bzw. andere Quellen überhaupt keine Kenntnis von der Theorie nehmen.

Ich verlasse mich also einfach darauf, dass die Medien sich schon auf alles verschwörerische stürzen werden, wenn es erst einmal nachgewiesen oder einigermaßen gesichert ist ;) wenn sie das nicht tun, ist das für mich ein Zeichen, dass der Theorie nicht zu trauen ist, da wohl keine Journalisten der Konkurrenz freiwillig das Monopol auf eine neue, aufregende (=gut verkäufliche) und wahre Nachricht überlassen.

Maurice
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Mi 16. Mär 2005, 19:07 - Beitrag #4

Die Macht der Medien

Ich finde das Thema so "brisant" (mir fällt spontan kein besserer Begriff dazu ein), dass ich den Thread in die Philosophie-Sektion stecken würde, weil hier ein spezieller Fall von Erkenntnistheorie vorliegt.

Die Frage die Ipsis zusammenhängt ist "Warum glauben wir manchen Aussagen und anderen nicht?".
Aber zuerst zu Ipsis Frage:
Ich neige auch dazu Aussagen von Minderheiten, die nicht zu den von den Medien allgemein propagierten Weltbild passt, spontan als Unsinn abzustempeln. Zum einen dürfte das daran liegen, dass man dazu neigt eher das zu glauben, was man häufiger hört und zum anderen, dass viele solcher Aussagen einfach sehr abgehoben sind. Wenn ich das Wort "Verschwörungstheorie" höre, dann denke ich spontan an Tempelritter, Illuminati, Area 51 und Aliens. Ich vertraue den Medien, weil es mir plausibel erscheint, was sie erzählen, aber ich kann mir auch nicht ihren Wahrheitsgehalt sicher sein. Denn ich kann weder beweisen noch wiederlegen, dass in der Area 51 Aliens sind, noch dass es den Holocaust gab. Dennoch halte ich das Erste für Unsinn und das Zweite für einen historischen Fakt.
Um jetzt wieder auf die allgemeine Ebene zu kommen: Wir glauben den Aussagen, die in unser Weltbild passen und sind solchen von vorneherein erstmal skeptisch, die inkohärent zu unseren bisherigen Meinungen sind.
Ich weiß nicht, ob du darauf hinaus willst Ipsi, aber es ist imo berechtigt, wenn du auch hier wieder auf den Einfluss der Mächtigen hinweist, die Macht über uns ausüben, was in diesem Fall durch die Medien geschiet.

Ipsissimus
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Mi 16. Mär 2005, 19:35 - Beitrag #5

nöö, das ist schon ziemlich genau das, worüber ich sprechen möchte, Maurice. Ich war mir nicht sicher, ob es sich wirklich um ein Thema für das Philosophieforum handelt, habe aber auch nichts dagegen, wenn es dahin verschoben wird, denn natürlich ist deine erkenntnistheoretische Erweiterung und Umformulierung genau der Knackpunkt, der hinter der Frage lauert.

Milena, e-noon hat ein gutes Beispiel gebracht. "Natürlich" ist es Unfug, daß die Sender vorher von dem Anschlag wußten. Aber weswegen sind "wir" - viele - bereit, dies tatsächlich so zu akzeptieren, wenn wir über gleichermaßen wenige geheimdienstliche Fakten verfügen, die für oder gegen die These sprechen (wobei es wie gesagt nicht um die Diskussion dieser bestimmten These geht, sondern um die Frage, anhand welcher Kriterien wir unsere "Gläubigkeit" verteilen)

e-noon
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Mi 16. Mär 2005, 20:06 - Beitrag #6

Ein paar wurden ja schon genannt -
Zum einen dürfte das daran liegen, dass man dazu neigt eher das zu glauben, was man häufiger hört und zum anderen, dass viele solcher Aussagen einfach sehr abgehoben sind. / Wir glauben den Aussagen, die in unser Weltbild passen.
, außerdem kommt es imo auf die Glaubwürdigkeit der jeweiligen Quellen an.
Ein weiterer Faktor ist vielleicht, dass man sich auch von dem emotionalen Verhältnis beeinflussen lässt, dass man zum Vertreter bzw. Bewerter der These hat, sowie der jeweilige Bildungsstand und die Entwicklung eines eigenständigen Denkens.
Als Kind glaubt man zum Beispiel meist alles, was die Eltern erklären, weil man noch gar nicht auf die Idee gekommen ist, dass man es auch in Frage stellen könnte. Je niedriger der Bildungsstand einer Gruppe und je niedriger die Fähigkeit, zu zweifeln, ausgeprägt ist, desto leichter ist sie zu beeinflussen. Und mit emotionalem Faktor meine ich, dass es einem oft leichter fällt, die Meinung von Freunden (unhinterfragt) als richtig anzunehmen, als die von Leuten, die einem unsymphatisch sind.

Feuerkopf
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Mi 16. Mär 2005, 20:07 - Beitrag #7

Ich hoffe auch, dass die Vielfalt der Informationsquellen schließlich dazu führt, dass Unwahrheiten und eben auch "Verschwörungen" irgendwann ans Licht gezerrt werden.
Mir ist etwas im Hinterkopf geblieben, das irgendwo im Senderorkus verschwand: Im Umfeld der Mannesmann-Übernahme durch Vodafone gab es auf West 3 eine sehr beeindruckende Doku über die Zusammenhänge, und wer dran verdient und warum welche Entscheidungen spät oder gar nicht gefällt wurden. Klaus Esser kam da gar nicht gut weg, und die Deutsche Bank schon mal überhaupt nicht.
Diese Informationen tauchten später nicht wieder auf.

So lange aber sogar über die illegalen Gefängnisse der USA auf Cuba oder die Übergriffe im Irak berichtet wird, ist mir nicht bange. Denn daran kann "den Mächtigen" nun mal gar nicht gelegen sein.

Insgesamt geht es mir aber wie Maurice: Ich tendiere auch dazu, weit verbreitetes Wissen zunächst mal für richtig zu halten. Das mag auch daran liegen, dass mancher "Aufklärer" sich selbst in dubiosem Licht darstellt, oder überprüfbare Beweise schuldig bleibt.
Da schmeckt die schönste Theorie schal.

Eine gewisse Skepsis schadet aber bestimmt nicht.

Ipsissimus
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Mi 16. Mär 2005, 20:23 - Beitrag #8

hmm, scheint wirklich eine andere Herangehensweise zu sein. Ich neige dazu, bei jeder Behauptung der Medien und bei den meisten Behauptungen überhaupt immer erst zu fragen, wem/welcher Gruppe nützt es, dies so zu sehen oder darzustellen. Das schließt natürlich Verschwörungstheorien mit ein, aber auch anscheinend sicheres Wissen

Rosalie
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Mi 16. Mär 2005, 20:24 - Beitrag #9

Kann es nicht daran liegen, dass es einfach beängstigend ist, sich vorzustellen, dass es irgendwelche dubiosen Gesellschaften, Interessenverbände etc. gäbe, die im Hinter- und Untergrund die Fäden ziehen? Das es irgendwas gibt, das sehr großen Einfluß auf unser Leben hätte, sich aber unsrer Kontrolle total entzieht? Nach dem Motto: was nicht sein darf - kann auch nicht sein!

Traitor
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Mi 16. Mär 2005, 21:43 - Beitrag #10

Neben der genannten Tendenz, etablierte Informatoren guten Rufes ersteinmal als verlässlich anzusehen, bis sich ein Gegengrund findet, existieren in meinen Augen noch zwei weitere Hauptmechanismen:

Der Signalschilder-Effekt. Das meiste, was schnell als Verschwörungstheorie abgestempelt wird, weist eine Reihe von "Ich bin eine unseriöse Verschwörungstheorie!"-Warnschilder auf. Es gibt immerwiederkehrende Muster, stilistische Eigenheiten und so weiter, die sich nach genügend häufiger Konfrontation schnell erkennen lassen und der Theorie kaum noch eine Chance geben.

Der "Warum zum Geier?"-Effekt. Viele Verschwörungstheorien sind gegenüber den "offiziellen" Erklärungen so ungeheur aufgebläht, benötigen so viele Axiome und Eventualitäten, um zu funktionieren, dass das in jedem von uns fest verdrahtete Rasiermesser erheblichen Widerspruch einlegt. In Anlehnung an deine Signatur (Der ich übrigens immer noch das Recht auf einen Punkt zuspreche ;) ): "Einfache Fragen bedürfen keiner komplexen und schwierigen falschen Antworten."

Ipsissimus
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Mi 16. Mär 2005, 22:06 - Beitrag #11

hmm ... was haltet ihr hiervon? Verschwörungstheorie oder nicht?

http://www.heise.de/tp/r4/artikel/19/19682/1.html

e-noon
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Mi 16. Mär 2005, 22:16 - Beitrag #12

*lol* falls es jemanden interessiert, allein deshalb, weil du gerade die Seriösität des Textes leicht in Zweifel gezogen hast, war meine Haltung schon in den ersten drei Zeilen deutlich skeptischer als sie es normalerweise ist ^^* wollt ich nur mal anmerken. Jetzt les ich weiter.

e-noon
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Mi 16. Mär 2005, 22:26 - Beitrag #13

Tja... keine Ahnung, ganz ehrlich. Ich handhabe das meistens so, dass ich Dinge, die für mich nicht von Relevanz und Interesse sind, einfach den Zuständigen überlasse, in diesem Falle einfach den Historikern. Wenn einige von ihnen sich ernsthaft bemühen und es ist etwas Wahres daran, vermute ich, dass sie Beweise finden werden und die Atombombenversuche unter dem Naziregime in den Geschichtsbüchern stehen. Wenn nicht, war es eben nicht so, oder niemand hat sich dafür interessiert, oder es gibt keine Beweise mehr dafür - und ist es dann nicht letztlich egal, ob es so war?

Feuerkopf
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Do 17. Mär 2005, 00:07 - Beitrag #14

Es würde mich nicht wundern, wenn die Atomforschung in der Nazizeit weiter gediehen wäre, als heute allgemein bekannt ist. Wundern würde mich allerdings, dass bisher keine Nachricht nach draußen gedrungen ist.
Mal eben einen Atombombenversuch - das macht man "nicht mal so". An den mutmaßlichen Teststellen sollte wirklich noch etwas nachweisbar sein, denke ich.

Ich nehme die Theorie als auf und warte, ob sie verifiziert oder falsifiziert wird.

Ipsissimus
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Do 17. Mär 2005, 11:20 - Beitrag #15

hmm ... wenn ich die Tendenzen des bis jetzt Gesagten zusammenfasse, läuft das darauf hinaus, daß sicheres Wissen und damit auch gemutmaßtes Wissen (als Komplement des ersteren) sich aus einem Fundus von "allgemeinem Weltwissen" ergibt, der ergänzt und/oder pointiert wird durch "Signalschilder", die auf bestimmte Eigenschaften von Thesen hinzudeuten scheinen.

Also ein sehr viel höheres Maß von Wissen, das auf "wie man sagt" beruht, als mensch meinen möchte

janw
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Do 17. Mär 2005, 11:56 - Beitrag #16

Nunja, über das Buch habe ich vor einigen Tagen eine Rezension gehört, die eher die Schwachstellen betonte, der link läßt die Sache schon positiver erscheinen.
Aber als Verschwörung würde ichs nicht ansehen.

Traitor
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Do 17. Mär 2005, 12:50 - Beitrag #17

Das Karlsch-Buch scheint nach diesem Heise-Artikel und noch einem weiteren, umfangreicheren in der FAS kürzlich durchaus ernstzunehmend zu sein. Etwas über's Ziel hinausgeschossen und mit ein paar fragwürdigen Quellen und Schlussfolgerungen, aber insgesamt im Rang einer bedenkenswerten wissenschaftlichen Arbeitshypothese.

Zurück zum allgemeinen Thema:
Also ein sehr viel höheres Maß von Wissen, das auf "wie man sagt" beruht, als mensch meinen möchte
Dem ist wohl so, aber daran lässt sich auch nichts ändern. Die Welt ist so ungeheuer komplex und kompliziert, dass man nicht in der Lage sein kann, sich über alle relevanten Dinge oder auch nur einen Großteil davon wirklich selbst zu informieren. Deshalb muss man sich auf von Medien vermitteltes Wissen beschränken, und die Fähigkeit, hier eine Auslese zu treffen, ist so ungeheuer wichtig.

Ipsissimus
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Do 17. Mär 2005, 12:56 - Beitrag #18

Traitor, ich habe ja nichts Grundsätzliches dagegen, wenn Wissen auf dieser Basis beruht, zumal ich deine Einschätzung hinsichtlich der Indormationsfülle im wesentlichen teile. Allerdings ist dann halt auch in einem sehr viel höherem Maße Vorsicht angesagt gegenüber dem eigenen Wissen, mehr Vorsicht, als üblicherweise zu spüren ist. Die Chance, daß wir uns täuschen, ist riesig, selbst da, wo wir uns sicher sind :-)

Lykurg
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Mo 27. Feb 2006, 12:15 - Beitrag #19

//déjà vu^^//

Eine wesentliche Komponente der Unglaubwürdigkeit im Netz diskutierter Verschwörungstheorien sind Anonymität und daraus resultierendes Abschreibertum, das einem kursierenden Text durch Vervielfachung Glaubwürdigkeit zu verleihen sucht, die von Menschen mit wissenschaftlicherem Anspruch allein schon aus diesem Grund abgelehnt werden. Das Internet hat durch seine unbegrenzten Möglichkeiten^^ mit der Verschwörungstheoretik ein altes Phänomen zur neuen Blüte gebracht. Die Nutzerschaft ist vielfältig, es finden sich ja auch eine Reihe von Büchern mit konspirativistischen Inhalten auf den Bestsellerlisten (als Beispiel die Illuminatus-Trilogie), über die entsprechenden Fernsehsendungen wird ein Millionenpublikum erreicht. In diesem Zusammenhang haben die Sachbücher mit den letzten Wahrheiten über das Dritte Reich einen ganz besonderen Stellenwert, der kalte Schauder, der diesem Genre anhaftet, macht seinen Erfolg aus.

Anerkannte Wissenschaftler sehen den Ruf ihrer Disziplinen durch die Vorgehensweise von Kollegen oder nichtakademischen Konkurrenten im Kampf um die Deutungshoheit in Gefahr. Auch diese Gegenwehr kann, wie von Ipsissimus dargestellt, scharf ausfallen und ihre Konsequenzen haben: Wie Erforscher paranormaler Erscheinungen beklagen, reicht der einmalige Vorwurf der Verschwörungstheoretik aus, um bei der Verteilung von Forschungsgeldern, Vorträgen, dem Abdruck von Fachaufsätzen usw. dauerhaft stark benachteiligt zu werden. Damit entsteht bei den so Verschmähten andererseits wieder ein Märtyrerempfinden, die Betroffenen erhalten den Eindruck, ihre Erkenntnis werde aufgrund etwa kommerzieller Interessen oder geistiger Unbeweglichkeit der herrschenden Lehrmeinung bewußt unterdrückt.

Moderne Verschwörungstheorien befassen sich sehr oft mit den Umständen unserer technisierten Welt - das Unverstandene wird mystifiziert, das ungelöste Problem zum Symptom des Scheiterns der Forschung erklärt, schwer vermittelbare Inhalte auch wort- und bildreich widerlegt. Beachtenswert übrigens, daß möglicherweise aus Vorsicht, bloß nicht in den Ruch der Verschwörungstheoretik zu geraten, Vertreter des Kreationismus mW nur in den seltensten Fällen ihren Gegnern unlautere Motive und Geheimbündelei unterstellen.

Übliche Zielgruppen von Verschwörungstheorien früherer Jahrhunderte, die sich aber auch in heutigen Konstrukten regelmäßig wiederfinden, sind Randgruppen aller Art, die ein mysteriöses Moment aufweisen. (Heute weitestgehend erledigt hat sich in diesem Zusammenhang das Mysterium Frau; unverstandene Monatsblutung und Kindgeburt ließen darin Magie erkennen, heilkundliche Kenntnisse und ein Leben außerhalb der gesellschaftlichen Erwartung konnten schnell auf den Scheiterhaufen führen.) Bei den Opfern späterer Verschwörungstheorien handelte es sich oftmals um in der Minderheit befindliche religiöse Gruppierungen, deren Rituale einer Mehrheit unbekannt oder unverständlich und damit in regelmäßiger Konsequenz unheimlich bzw. 'böse' erschienen. Die Gruppe, auf die das mit der historisch größten Regelmäßigkeit zutraf und -trifft, sind 'die' Juden; Geschichten über Schändung blutender Hostien, Entführung und Verzehr christlicher Säuglinge etc. haben (in starker Abwandlung) ihren Weg bis in Tageszeitungen der heutigen arabischen Welt geschafft. Für religiöse Geheimbünde und Sekten wie Freimaurer, Illuminatenorden, Jesuiten, Templer, Katharer uvm. war das Mysteriöse gewissermaßen prinzipbildend, hier ergaben sich die entsprechenden Verschwörungstheorien fast zwingend aus dem Widerstreit mit der katholischen Kirche, deren vatikanische Strukturen ihrerseits zu vielen Vermutungen Anlaß gaben.

Die Abkehr von vielen der letzteren Punkte in Teilen der westlichen Welt liegt in ihren schmerzvollen Erfahrungen begründet, die sorgsam konserviert und dem laufenden Betrieb zugeführt werden (müssen, über dieses ambige Müssen ließen sich wohl ganze Abhandlungen schreiben^^), um den gärenden Widerspruch ruhigzustellen. Das kann mit einer gewissen Zwangsläufigkeit dazu führen, gegenwartsbezogene Verschwörungstheoretik mit dem Blick auf die historisierende auszublenden. Diese Vorgehensweise ist zwangsläufig wenig fundiert, mit einer ähnlichen Argumentation ließe sich auch jeglicher wissenschaftliche Fortschritt leugnen.

Andere Widerlegungsversuche scheitern (systematisch bedingt) an der immunisierenden Skepsis von 'Konspirativisten', finden aber den Zuspruch derjenigen, die ohnehin nie an die jeweilige Theorie glauben wollten, verschärfen die Gegensätze also nur. Insofern stellt sich mir die Frage nach einer anderen Vorgehensweise - unabhängig von der Frage nach zutreffender oder ablehnender Bewertung. Vollständiger Dissens bei gegenseitiger Unterstellung böser Absichten kann nur den Zweck haben, die jeweilige Gegenseite durch Aussitzen totzukriegen, ist aber letztlich unproduktiv.

Sind wir nicht alle auf Wahrheitssuche?^^

Ipsissimus
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Mo 27. Feb 2006, 12:30 - Beitrag #20

Sind wir nicht alle auf Wahrheitssuche?^^



wenn wir "Wahrheitssuche" auffassen als "Suche nach einer Konvention, die uns erlaubt, vor uns selbst so zu tun, als seien wir sicher", dann ja. Oder wie der Dichter und Mystiker in deiner Signatur es wunderschön ausgedrückt hat:

Ihr irrt, indem ihr schlaft; ihr irrt, indem ihr wachet; [...]
bis der gefund'ne Tod euch frei vom Irren macht.

^^

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