Die Chaostheorie

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Mi 23. Mär 2005, 21:19 - Beitrag #1

Die Chaostheorie

Hier je ein Artikel als Anstoss zum Thema Chaostheorie von Bruce Sterling und Harlan Ellison

Heraus mit einem Bangs, herein mit einem Fogg von Bruce Sterling

Ich bin Science-Fiction-Autor, obgleich die erfolgreichste Geschichte, die ich geschrieben habe, nicht viel "Science" in der Handlung hat. Es geht um einen toten Rockmusik-Kritiker.

In seinem echten Leben starb dieser Rockmusik-Kritiker, Lester Bangs, an der Grippe und an einer Überdosis Darvon.

Weil ich aber einfallsreiche Fantasiegeschichten schreibe, entschloss ich mich, Lester ein anderes und alternatives Leben zu geben. Statt also so zu sterben wie er es wirklich tat, kommt Lester beinahe unter die Räder eines rücksichtslosen New Yorker Taxifahrers.

"Die Menschen wollen spüren, dass großartige, schaurige Mächte in ihrem eigenen Leben walten."

Schockiert durch dieses unerwartete Missgeschick kauft Lester sich ein Flugticket, kommt irgendwann in San Francisco an, findet die Liebe seines Lebens, heiratet, zieht nach Kansas, gibt sein wildes und ungezügeltes Leben auf und stirbt viel später, in seinen Sechzigern, beim Schneeschippen.

Um es anders auszudrücken, zeige ich, wie ein Menschenleben durch das zufällige Ausreißen eines Rades einen völlig neuen Weg einschlägt. Die neue Straßenkarte von Lesters Leben macht genauso viel Sinn wie Lesters relativ sinnloser Tod - vielleicht sogar mehr Sinn, wenn man es richtig bedenkt.

Diese Story von mir wurde viel öfter, und an merkwürdigeren Stellen, nachgedruckt als irgendeines meiner anderen Werke. Vielleicht deshalb, weil viele Leute wilde Typen wie Lester Bangs bewundern.

Ich bin geneigt zu glauben, es läge daran, dass die Leute wirklich an Metaphysik interessiert sind. Sie mögen Geschichten über das Schicksal und die Vorherbestimmung, über Ego und Selbstbestimmung und moralische Verantwortung und den über Allem schwebenden Willen.

Den Leuten gefällt dieses Zeug irgendwie. Sie wollen spüren, dass großartige, schaurige Mächte in ihrem eigenen Leben walten. Sie können gar nicht anders als glauben, der wirre Mischmasch von Ereignissen, der ihre Tage durchzieht, müsse auf, sagen wir mal, so etwas wie einer guten Story basieren. Etwas Dramatisches und Bedeutungsvolles.

Es ist sowohl beunruhigend als auch befreiend, zu erkennen, dass die Freiheit den freien Willen überhaupt nicht voraussetzt. Selbst Phänomene, die so ungezielt und zufällig erscheinen wie Blitz, Wind und Regen, sind, wie Physiker sagen, "abhängig von Anfangsbedingungen." Deterministisches Chaos. Butterfly Effect.

Also kann das winzige, schicksalsverändernde Niesen eines Schmetterlings einen Sturm der Kategorie Fünf in der Karibik verursachen, der dann die Hochspannungsmasten in Pensacola in Florida umknickt. Und das alles nur wegen einer Laune des Zufalls.

Ebenso könnte eine Hornisse einen Hurrikan verursachen, oder auch eine Stubenfliege. Wir nennen es den Schmetterlingseffekt, weil der Schmetterling so hübsch ist. Deterministisches Chaos ist eine glitzernde und graziöse Vorstellung. Wie die Chinesen sagen: "Der Schmetterling ist nie in Eile, auch dann nicht, wenn er verfolgt wird."

"Es ist sowohl beunruhigend als auch befreiend, zu erkennen, dass die Freiheit den freien Willen überhaupt nicht voraussetzt."

Gibt es ein angemesseneres Symbol für das existenzielle Mysterium des Lebens, wo Sinn und Entschluss und Absicht sich an den Grenzen des Zufalls auflösen? Es erscheint sinnlos und ist doch voller Lebenskraft.

Durch eine Art von "Schmetterlingszufall" schrieb ich vor Kurzem ein Vorwort zu Jules Vernes Klassiker "In 80 Tagen um die Welt", der in den 1880er Jahren erschien.

Da haben wir Phileas Fogg, diesen ultra-rationalen Robotermenschen aus Isaac Newtons Uhrwerk-Universum. Cool, vorhersehbar, unerschütterlich. Nicht gerade die Art von Mensch, der sich Gedanken um Schmetterlinge macht, wie es scheint.

Und doch geht Phileas Fogg aufgrund einer zufälligen Bemerkung bei einem Kartenspiel eine sinnlose Wette ein und stürmt dann los wie eine Fledermaus direkt aus der Hölle. Und nach nur wenigen Stunden ist Fogg schon dabei, wütende Ureinwohner zu bekämpfen und Elefanten zu klauen.

Es ist unvorstellbar, dass Fogg jemals locker lässt und in seinen alten Trott zurückfällt. Die Spannung im Buch nimmt ständig zu, während Fogg auch die letzte Illusion von Stabilität im Leben des Menschen zunichte macht.

Je merkwürdiger er wird, umso unwahrscheinlicher erscheint es, dass er aufhören wird. Es ist, als wäre er an eine unerschöpfliche Quelle stürmischer Energie angeschlossen worden, die kein rationaler Willensakt jemals in seiner Seele hätte freisetzen können.

Wie Thoreau einmal sagte, wird oft der unauffälligste Mensch aus der Verzweiflung heraus stark. Wir wissen nie genau, was in uns steckt, bevor nicht der Blitz eingeschlagen hat. Ob Mann, Frau oder Kind, wir alle sind grundsätzlich zufallsbedingte Geschöpfe.

Von unserer Natur her sind wir die Erben einer genetischen Lotterie... ein weibliches Ei in der fruchtbaren, beweglichen menschlichen Suppe mit Millionen von Möglichkeiten. Nichts ist so unwahrscheinlich wie der Leib, den wir bewohnen, und wir alle sind mysteriöse Geschöpfe in unserer eigenen Seele.

Bruce Sterling ist einer der ersten Cyberpunk-Autoren. Einige seiner Romane sind Holy Fire, Distraction und Zeitgeist. Seine Kurzgeschichten und Artikel sind unter anderem in Time, Newsweek, The Wall Street Journal und in The New York Times erschienen . Er schreibt regelmäßig eine Kolumne für Wired. Im Fernsehen hatte er Auftritte bei ABC's Nightline, BBC's The Late Show und auf MTV.

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Der Kapitän des Schicksals von Harlan Ellison

Eigentlich ist es nur eine ganze Wagenladung voll unverständlicher Terminologie. Mandelbrot-Sets. Lineare und Nicht-lineare Systeme. Der abgedroschene und ermüdende "Schmetterlingseffekt", den jeder benutzt, der informiert erscheinen möchte. Fraktale. Einfache Attraktoren. Komplizierte Attraktoren. Iteratives Wachstum und Erosion. Selbstähnlichkeit. Die "Koch-Kurve" (dasselbe wie Fraktal). Zufallsverhalten in anscheinend normalen Mustern. Die Art und Weise, in der Rauch verfliegt; der Weg, den die Milch in einer Tasse Kaffee nimmt; ein einsamer Spaziergänger an einer Weggabelung. Chaostheorie.

Nichts von diesem Kauderwelsch hilft dir weiter. Aber...

"Den Zufall gibt es nicht, nur Muster, die wir nicht verstehen."

Mit Hilfe des Konzepts der Chaostheorie und ihrer universellen Anwendung auf fehlerhafte, irrende, überwiegend lächerliche menschliche Wesen - hier geht's um dich und mich, mein Lieber - kann ich Das Große Geheimnis für dich in ein System bringen. Ich kann dir sagen, wie du Reichtum, Ruhm und wahre Liebe findest, Unfälle vermeidest und die Früchte des Beliebtseins erntest, wie du deine Zukunft sicherst, und, um es kurz zu sagen, wie du das Leben zu einem süßen Lied für dich machen kannst. Pass auf.

"Der Zufall begünstigt denjenigen, der gewappnet ist." - Louis Pasteur

Ich werde mit einer Anekdote beginnen. Sie hat noch niemals versagt, kein einziges Mal; bei keiner Vorlesung, die ich gehalten habe, ob bei der "Yale Political Union", am MIT oder der London School of Economics, am Caltech oder am "Estrella Mountain Community College" - in Hunderten und Aberhunderten von Vorlesungen in über 50 Jahren - hat sie jemals versagt: Irgend jemand kommt zu mir und fragt mich nach DEM GEHEIMNIS.

So wie Willy Loman im "Tod eines Handlungsreisenden" von dem ihm erscheinenden Geist seines Bruder Ben verlangt: "Was ist das Geheimnis? Was ist es, Ben! Sag' mir, wie ich erfolgreich sein kann! Was ist es, Ben?!" Und der Geist sagt etwas völlig Nutzloses wie "Sei beliebt, Willy" oder "Ich ging in den Dschungel und bahnte mir den Weg zu einem Weltreich aus dem großen Nichts... es sind Diamanten, Willy!"

Das ist es, was sie wissen wollen. Das GEHEIMNIS. Als ob wir, die wir etwas aus unserem Leben gemacht haben, nachts um Punkt zwölf mit einer Ziegenledertasche voll von Gorillaknochen auf den Dachboden klettern und die Runen zeichnen würden, um dann im nebligen Licht des frühen Morgens mit dem gelösten GEHEIMNIS wieder herunterzukommen.

All das ist genauso nutzlos wie die Chaostheorie-Terminologie.

Aber auf die Chaostheorie selbst trifft das nicht zu. Weil nämlich, wie schon Pasteur sagte, der Zufall denjenigen begünstigt, der gewappnet ist. Wenn mich also ein Student oder ein Geschäftsmann fragt - auf die eine oder die andere Weise - "Was ist das GEHEIMNIS?", sage ich ihm oder ihr: "Lesen Sie die Sherlock Holmes-Geschichten. Die ganze Conan Doyle-Reihe." Weil alle Geschichten nämlich auf dem Konzept der Logik aufgebaut sind, auf dem logischen Denken als Waffe und als Werkzeug, mit dem wir unsere eigene Existenz kontrollieren können.

Je mehr du weißt, je klarer du alle Aspekte des Problems im Auge hast, umso wahrscheinlicher ist es, dass du nicht in ungute Situationen mit deinem Partner gerätst, dich nicht auf unlogische und unrealistische Geschäftspläne einlässt und dass du es niemals mit schrägen Typen zu tun bekommst, die nur deine Zeit verschwenden und dafür sorgen, dass du versumpfst.

"Ich kann dir sagen, wie du Reichtum, Ruhm und wahre Liebe findest, Unfälle vermeidest und deine Zukunft sicherst."

Wenn du erstmal verstanden hast, dass der Zufall nicht existiert, dass es nur Muster gibt, die wir nicht verstehen, dann wirst du aufhören, an falsche Religionen zu glauben, an Astrologie, fliegende Untertassen, Helden und Dämonen, Gut und Böse (was wir "das Böse" nennen, ist meistens bloß Unfähigkeit), an Geister, an die Unfehlbarkeit von Politikern und an all die anderen, irrsinnigen Ablenkungen vom klaren Denken.

Den Zufall gibt es nicht. Das Chaos gibt es. Und das Chaos ist falsch verstandene Entropie. Der Lauf der Welt wird nicht durch eine geheime Verschwörung gelenkt, sondern von Leuten, die die Systeme, in denen sie handeln, nicht verstehen; und die deshalb versuchen, die Systeme ihren eigenen Zwecken anzupassen.

Aber das Chaos wird sich durchsetzen. Diese Flüsse werden ihren wahren Lauf finden, egal wie viele Dämme der Heuchelei, der Gier, des Hasses und der Manie auf ihrem Weg errichtet werden. Der Zufall begünstigt diejenigen, die gewappnet sind. Das Chaos wirkt zu deinem Vorteil. Versuche, soviel zu wissen wie möglich. Versuche zu verstehen und dich zu erinnern.

Das Leben hält nur eine große Lektion bereit. Es sagt zu dir PASS AUF! Ob im Chaos oder in der Entropie, je mehr du weißt, je schlauer und je besser informiert du bist... umso leichter wird es für dich sein, auf dem Wellenkamm des Chaos' zu reiten, das GEHEIMNIS zu erreichen.

Du bist herzlich eingeladen. Und du musstest dich nicht einmal für ein Seminar einschreiben. Das Chaos ist ein Straßenräuber, wild und frei.

Chaos, das ist, wenn ein Mann voranschreitet, seine Seele aber zurückbleibt.

Der Autor und Preisträger, Journalist und Drehbuchautor Harlan Ellison ® hat 75 Romane und 1.700 Kurzgeschichten, Essays und Artikel geschrieben oder herausgegeben. Einige Titel seiner Bücher lauten Deathbird Stories, Slippage, Mind Fields und The Essential Ellison, ein Rückblick auf 50 Jahre. Fürs Fernsehen schrieb er unter anderem für Star Trek und The Twilight Zone , und er ist das einzige Mitglied der Writers Guild of America , das viermal den Preis für Most Outstanding Teleplay for solo work erhielt. Ihm wurde auch der Silver Pen for Journalism vom P.E.N. verliehen.

Copyright © 2003 by The Kilimanjaro Corporation. Harlan Ellison ® ist ein eigetragenens Warenzeichen der Kilimanjaro Corporation

Milena
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Do 24. Mär 2005, 09:42 - Beitrag #2

ja richtig, der Weg ist das Ziel, und kannst Du vielleicht noch sagen, was wir, bzw. ich jetzt damit anfangen soll..?

Monostratos
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Do 24. Mär 2005, 11:35 - Beitrag #3

Ziemlich reisserische Artikel ...

"Es ist sowohl beunruhigend als auch befreiend, zu erkennen, dass die Freiheit den freien Willen überhaupt nicht voraussetzt."
Auch wenn Du nur diese Artikel von SciFi-Autoren gepostet hast: Könntest Du das bitte etwas genauer erklären?

Der zweite Artikel... naja. Der hört sich für mich an wie die Einleitung zu einer Weltformel.

trekkie29
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Do 24. Mär 2005, 12:08 - Beitrag #4

Wenn man unter Freiheit die Möglichkeiten zu Handeln bzw. die möglichen Wege, die man gehen kann, versteht, so ist die Freiheit unabhängig vom Willen. Es ist immer alles möglich und jedem stehen alle Türen offen.
Durch den Willen wird unabhängig davon bestimmt, welchen Weg man geht.

Befreiend ist dies, da man sich bewusst wird, dass die einzigen Hindernisse, die im Weg liegen, von einem selbst (dem nicht freien Willen) dort hingelegt wurden.
Beunruhigend ist dabei, dass man sich nicht immer bewusst ist, wenn man in bestimmten Situationen fremdbestimmt ist. Ein Beispiel ist der oft unbemerkte Einfluss der Werbung auf das Kaufverhalten. Durch Werbung glaubt man gerade jetzt ein bestimmtes Produkt zu brauchen, oder beim Einkaufen richtet sich der Blick meist auf Produkte die man bereits aus der Werbung kennt.

Ideengeber
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Do 24. Mär 2005, 23:58 - Beitrag #5

"Den Zufall gibt es nicht, nur Muster, die wir nicht verstehen."

Hmm sehr interessant.
Verstünden wir alle Muster, liesse sich obige Aussage verifizieren.
Da dem nicht so ist, ist obige Aussage einfach nur interessantes Geblödel.

janw
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Fr 25. Mär 2005, 03:02 - Beitrag #6

Nun, interessantes Geblödel ist die Aussage nicht in meinen Augen, denn immerhin ist durch fortschreitend verbesserte Mustererkennung die Prognose z.B. von Wetterereignissen deutlich verbessert worden, was gleichzeitig als Beweis für die Richtigkeit der Aussage gesehen werden kann.

Nach Mustern zu suchen ist ein Weg zur Erkenntnis der Welt und des Selbst, wenn keine einfachen Beziehungen mehr zu erkennen und durch Wiederholung zu belegen sind.
Man vergleiche nur mal nach einer gewissen Lebensspanne die Menschen, die einem etwas bedeuten - wie man sie kennen gelernt, weshalb kennen lernen wollte und was sie sonst miteinander verbindet an Merkmalen.

Der Artikel erster ist allerdings eher mäßig, der letztere schon etwas brauchbarer, wobei gleichwohl auch hier das durchaus nicht unwichtige Fachwissen als nicht massentauglich durch pseudoesoterische Allgemeinplätze ersetzt wird.
Das Pasteur-Zitat hat in Bezug auf die Darwinsche Theorie durchaus eine geswisse Aktualität, was hier aber zu weit führen würde.
Aber "Das Chaos ist falsch verstandene Entropie" bedarf zwingend des Wissens um die Bedeutung des Begriffes Entropie, und solches geht womöglich schon dem Autoren des Artikels ab.

C.G.B. Spender
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Fr 25. Mär 2005, 17:55 - Beitrag #7

Die Wissenschaft hat noch lange nicht alles erklärt und die Theorie, dass scheinbar zufällige Ereignisse nur durch Muster entstehen, die wir nicht verstehen können, ist daher garnicht mal so abwegig. Mir fehlt dabei nur der Beweis.

Wenigstens die Sicht auf den zukünftigen Lauf der Dinge zu haben, wäre interessant. Um die Zukunft vorherzusagen, müßte man jedoch, nach dieser Chaostheorie, alle Muster in ihrem Ablauf erkennen können.

Die Wetterprognosen stimmen nunmal leider nie genau zu einhundert Prozent.

Vielleicht sollte man den Zufall nicht mit Unordnung in Verbindung bringen, vielleicht sollte man Unordnung eher als das eigene Unvermögen ansehen, bestimmte Muster zu erkennen. Wäre das nicht eine Art verstecker Determinismus, in dem der freie Wille eine Art Illusion ist, weil er selbst doch nur auf Umweltreize reagiert, die wiederum nicht durch einen selbst bestimmt sind, sondern durch die Schöpfung?

Freier Wille als eine Art indirektes Reiz-Reaktions-Schema. Die Illusion des freien Willens gibt es nur, damit wir angesichts der wirklichen Muster, die dem Sein zugrunde liegen, nicht wahnsinnig werden.

Oder diese Chaostheorie ist nur eine elegante Art, um der schrecklichen Vorstellung vom Zufall zu entkommen. Denn, wie kann es so etwas gleichgültiges wie den Zufall auch geben? Böser Zufall, aber auch. ;)

janw
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Fr 25. Mär 2005, 20:05 - Beitrag #8

Spender, der Nagel ist fast drin!
Die Wissenschaft hat noch lange nicht alles erklärt und die Theorie, dass scheinbar zufällige Ereignisse nur durch Muster entstehen, die wir nicht verstehen können, ist daher garnicht mal so abwegig. Mir fehlt dabei nur der Beweis.Wenigstens die Sicht auf den zukünftigen Lauf der Dinge zu haben, wäre interessant. Um die Zukunft vorherzusagen, müßte man jedoch, nach dieser Chaostheorie, alle Muster in ihrem Ablauf erkennen können.

Die Wetterprognosen stimmen nunmal leider nie genau zu einhundert Prozent.

Letztlich ist alles ein Muster, die Beobachtung, daß ein Hammer einen Nagel trifft und der dadurch im Holz versinkt wie die Beobachtung, daß jemand einen Nagel in Holz schlägt und Tage später ist ein Schrank fertig. Nur daß zu letzterem noch ein paar Faktoren mehr gehören in der richtigen Reihenfolge.
Wenn man nur die Beobachtung kennt, daß am Anfang stets jemand einen Nagel in Holz schlägt, so erscheint das Werden des Schrankes sehr mysteriös. Kennt man die anderen Schritte und schickt regelmäßig jemanden zum nachsehen zum Tischler, kann man schnell genau sagen, daß ein Schrank entsteht und wann er etwa fertig sein wird.
So ähnlich ist es mit dem Wetter, für ein Gewitter braucht es bestimmte Anfangsbedingungen und dann noch Zutaten, damit das Gewitter irgendwo bestimmtes entsteht. Bedingungen und Zutaten kennen wir heute recht gut, nur können wir nicht immer und überall alles messen. Und so bleibt eben noch eine Restunsicherheit, ob das Gewitter über Adorf oder Bstadt ziehen wird. Aber daß es kommen wird, wissen wir schon recht genau.
Vielleicht sollte man den Zufall nicht mit Unordnung in Verbindung bringen, vielleicht sollte man Unordnung eher als das eigene Unvermögen ansehen, bestimmte Muster zu erkennen.

Nun, Unordnung klingt recht negativ für unser regelverwöhntes Bewußtsein. Vielleicht beschreibt die Kategorie der Stabilität des jeweiligen Systems die Sache besser. Bestimmte Dinge geschehen beim Wetter nur, wenn bestimmte Werte über- oder unterschritten sind. Um Hagel entstehen zu lassen, braucht es bestimmte Temperaturen über bestimmte Zeit. Bleibt die Temperatur konstant tief und die Luft feucht genug, so wachsen die Körner, schießt ein warmer Luftschwall hindurch, ist´s vorbei damit, und um so mehr, je grenzwertiger die Bedingungen schon waren bzw. je instabiler.
Letztlich ist es vielfach so, daß sich bis zuletzt alles ändern kann, man müßte also bis zuletzt messen und erhielte dann das Ergebnis, das man auch ohne gemessen zu haben schon gerade sehen würde.

Wäre das nicht eine Art verstecker Determinismus, in dem der freie Wille eine Art Illusion ist, weil er selbst doch nur auf Umweltreize reagiert, die wiederum nicht durch einen selbst bestimmt sind, sondern durch die Schöpfung?
Freier Wille als eine Art indirektes Reiz-Reaktions-Schema. Die Illusion des freien Willens gibt es nur, damit wir angesichts der wirklichen Muster, die dem Sein zugrunde liegen, nicht wahnsinnig werden.

Der freie Wille ist tatsächlich ein Stück weit eine Illusion, insofern, daß die Reizmuster, auf die wir reagieren, uns von der Natur und teilweise durch unser eigenes Leben vorgegeben sind. Wären wir Indios, ganz andere Dinge wären von Interesse. Und das Gehirn ist ständig auf der Suche nach neuen Mustern, nach Neuem hinter den Grenzen des Vorgegebenen. Ordnung, völlige Determiniertheit wäre letztlich tödlich.

Oder diese Chaostheorie ist nur eine elegante Art, um der schrecklichen Vorstellung vom Zufall zu entkommen. Denn, wie kann es so etwas gleichgültiges wie den Zufall auch geben? Böser Zufall, aber auch.

Nun, der Zufall ist genaugenommen das genaue Gegenteil der Determiniertheit, insofern könnte die Chaostheorie auch eine elegante Art sein, der schrecklichen Vorstellung der Determiniertheit, der unbedingten Zwangsläufigkeit aller Abläufe zu entkommen. Denn wie kann es etwas so nervtötendes wie Ordnung auch geben? Eine Welt ohne Spiel wäre eine furchtbare Welt, findich.

C.G.B. Spender
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Sa 26. Mär 2005, 12:35 - Beitrag #9

Kategorie der Stabilität ist ein interessanter Begriff in dem Zusammenhang.

Zitat von janw:Nun, Unordnung klingt recht negativ für unser regelverwöhntes Bewußtsein. Vielleicht beschreibt die Kategorie der Stabilität des jeweiligen Systems die Sache besser. Bestimmte Dinge geschehen beim Wetter nur, wenn bestimmte Werte über- oder unterschritten sind. Um Hagel entstehen zu lassen, braucht es bestimmte Temperaturen über bestimmte Zeit. Bleibt die Temperatur konstant tief und die Luft feucht genug, so wachsen die Körner, schießt ein warmer Luftschwall hindurch, ist´s vorbei damit, und um so mehr, je grenzwertiger die Bedingungen schon waren bzw. je instabiler.
Letztlich ist es vielfach so, daß sich bis zuletzt alles ändern kann, man müßte also bis zuletzt messen und erhielte dann das Ergebnis, das man auch ohne gemessen zu haben schon gerade sehen würde.
Bedeutet dies, dass das zu beobachtende System zu komplex ist, um früh genug verstanden zu werden, oder, dass es einen Zufall gibt? Ich würde ja auf das Letztere tippen. Also verursacht der Zufall den Grad der Unordung, der ein System instabil macht.

Mir ist eine Welt mit gewissem Spielraum auch bedeutend lieber, als eine Welt, in der alles vorbestimmt ist][font=Arial]"[...]Wenn du erstmal verstanden hast, dass der Zufall nicht existiert, dass es nur Muster gibt, die wir nicht verstehen, dann wirst du aufhören, an falsche Religionen zu glauben [...]"[/font][/i]Falsche Religionen? Wie bitte? Was sind denn richtige Religionen? Solche, die ins Weltbild des Autors passen? Es gibt einige Religionen auf der Welt, die für sich die Richtigkeit in Anspruch nehmen. Das Christentum war einst eine Sekte und warum sollte ich den Nachfahren einer Sekte mehr glauben, als meinem eigenen Verstand? Warum sollte ich einem Chaostheoretiker mehr glauben, als einem Taoisten? Wozu überhaupt glauben und nicht-glauben und diese ganze menschliche Begrifflichkeit, mit der wir nur versuchen unsere Welt in für uns verständliche Bausteine aufzubrechen? Vielleicht verlieren wir dadurch mehr und mehr den Blick für das Ganze?

[font=Arial][...] Den Zufall gibt es nicht. Das Chaos gibt es. Und das Chaos ist falsch verstandene Entropie. Der Lauf der Welt wird nicht durch eine geheime Verschwörung gelenkt, sondern von Leuten, die die Systeme, in denen sie handeln, nicht verstehen; und die deshalb versuchen, die Systeme ihren eigenen Zwecken anzupassen. [...][/font]Der hat etwas gegen den Zufall, eindeutig, Jan...! ;) Das mit den nicht verstandenen Systemen hat allerdings wirklich etwas für sich, jedoch glaube ich, dass es auch eine Menge Leute gibt, die die Systeme genaustens verstehen und gerade deswegen versuchen, sie für ihre Zwecke auszunutzen.

Zitat von Janw:Nun, der Zufall ist genaugenommen das genaue Gegenteil der Determiniertheit, insofern könnte die Chaostheorie auch eine elegante Art sein, der schrecklichen Vorstellung der Determiniertheit, der unbedingten Zwangsläufigkeit aller Abläufe zu entkommen. Denn wie kann es etwas so nervtötendes wie Ordnung auch geben? Eine Welt ohne Spiel wäre eine furchtbare Welt, findich.
Wenn man wirklich ein Anhänger eines deterministischen Weltbildes ist, dann ist diese Chaostheorie sicher weniger erschreckend, als offen zuzugeben, dass es Zufälle gibt. :) Vielleicht ist dieses Wort tatsächlich unzutreffend, wenn es um unerkannte Muster geht. Nur, und das ist der Witz im Witz, sind Muster, ob unerkannt oder nicht, Abläufe, die durch Regeln bestimmt werden. Daher ist das hier vorgestellte, weder eine Theorie des Determinismus, noch eine Theorie des Chaos. Wahrscheinlich ist es damit sogar näher an der Wirklichkeit dran, als zu einseitige Vorstellungen.

Es bleibt die Frage: Was sind Muster, die wir nicht verstehen?

janw
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Sa 26. Mär 2005, 17:33 - Beitrag #10

Bedeutet dies, dass das zu beobachtende System zu komplex ist, um früh genug verstanden zu werden, oder, dass es einen Zufall gibt? Ich würde ja auf das Letztere tippen. Also verursacht der Zufall den Grad der Unordung, der ein System instabil macht.

Naja, Du mußt zeitlich denken.
Wenn sie an Chaos denken, denken die meisten an ihre Küche oder ihren Bürotisch, die dringend mal aufgeräumt werden müßten, also an das nicht regelkonforme Nebeneinander von Dingen. Werden sie wieder regelkonform angeordnet, ist die Welt wieder in Ordnung.
Für zeitliche Prozesse, und die interessieren letztlich, ist eine gewisse Ausgangskonfiguration sicher wichtig, beim Gewitter ein Luftdruckgegensatz oder bei der Hirnaktivität funktionierende Zellen mit einem sie unterstützenden Stoffwechsel. Aber sie besagt nicht, daß das erwartete Ereignis tatsächlich eintrifft oder in welcher Form und Intensität. Diese wird letztlich bestimmt durch verschiedene Faktoren, die zeitlich in bestimmter Abfolge da sein bzw. abwesend müssen und deren Stärke das Ergebnis beeinflusst. Der Ausgang ist also in gewisser Weise bis zum Ende offen. Daß ein Gewitter entstehen kann, sieht man einen Tag vorher, daß es entsteht über den Tag, seine Zugrichtung während es zieht. Wo im Gewitter die Blitze entstehen, dazu müßte man die Spannungen in der Gewitterwolke kleinräumig messen, in einem System, das sich durch Turbulenzen minütlich ändert. Und jeder Blitz baut Spannung ab, bewirkt also, daß an dieser Stelle der nächste Blitz erstmal nicht entsteht. Letztlich also könnte theoretisch mit maximalem Aufwand ein Blitz unscharf vorausgesagt werden, wenn er auch schon gerade aufscheint oder nicht.
Ähnlich bei Denkprozessen: Die Entstehung eines Denkprozesses kann vielleicht noch durch bewußtes Handeln initiiert werden, welche Bahnen dann aber im Hirn genommen werden, hängt davon ab, welche anderen Prozesse gerade laufen, was sich ebenfalls ständig ändert, welche anderen Felder aktiviert werden durch Sinneseindrücke o.ä., letztlich vielleicht dadurch, daß gerade in einem Moment jemand draußen vorbeifährt oder eine Spinne die Wand hochkriecht.
Hinterher ist man immer schlauer, warum etwas so wurde wie es wurde...

Was die Religion betrifft: Sie ist eine gute Möglichkeit, der Erkenntnis der Unvorhersagbarkeit der Zukunft durch vertrauensvolles Anlehnen an eine transzendente und per definitionem gute oder milde stimmbare Macht ihren Schrecken zu nehmen. Dies sage ich als Christ, glücklich, kein Katholik zu sein ;)

Wenn ich mein Leben betrachte, so kann ich tatsächlich Muster erkennen, die Menschen, die ich kennen und schätzen gelernt habe, verbinden bestimmte Merkmale, bestimmte Sternzeichen häufen sich z.B. und bestimmte Charakterzüge.
Und die Abläufe, auch sie weisen relative Ähnlichkeiten auf, und wenn ich daraufhin etwas bewußt anders mache, kommt es anders als es sonst wohl gekommen wäre. Aber diese Muster sind nicht das einzig relevante, vielleicht vergleichbar eher mit den Tragpfosten eines Fachwerkhauses. Womit man die Gefache füllt, da ist genug Raum für Phantasie, Kreativität, Beliebigkeit - Zufall ? Unvorhersehbares jedenfalls.
Ich kann zwar sehen, daß ich in bestimmten Lagen besonders wichtige Menschen kennen gelernt habe, aber was ebenso geprägt hat, war die Feingestaltung der jeweiligen Situation und mit wem oder was der /die jeweils wieder verbunden war oder ist. Und das ist letztlich nicht vorherzusehen, mithin, religiös gesagt, Schicksal, göttliche Fügung.
Letztlich aber auch wieder nur ein nicht erkennbarer Systemteil, der sich erst im Laufe des Prozesses konkretisiert.

Das mit den nicht verstandenen Systemen hat allerdings wirklich etwas für sich, jedoch glaube ich, dass es auch eine Menge Leute gibt, die die Systeme genaustens verstehen und gerade deswegen versuchen, sie für ihre Zwecke auszunutzen.

Es ist eben die Frage, was wir stärker betrachten: Sehen wir eher die Pfeiler oder die Gefache des Hauses?
Durchblicke ich die Struktur der Pfeiler, kann ich mich recht sicher durchs Leben bewegen, gewinne ich einen Blick dafür, welche Pfeiler ein wenig morsch sind oder besonders stabil, so setze ich zusätzlich mein Gefühl ein. Und dann muß ich nur für die Feinerkennung des Musters in den Gefachen zusehen, daß meine Brille unbeschlagen bleibt - einen Menschen erkenne ich an seinem Gesicht, genauer grast das Auge bestimmte Punkte im Gesicht ab und bastelt daraus das Muster des Gesichtes zusammen. Mit beschlagener Berille sieht alles etwas verschwommen aus, das Muster ist nicht ganz klar zu erkennen.
Also wird man schon recht ordentlich durchkommen, wenn man seine eigenen Muster kennt, das Hier und Jetzt danach bewerten kann und für die Unschärfen genug Gefühl mitbringt. Und für die Ergebnisse eine Trefferquote von 90% gut findet. Wenn man die Ergebnisse nicht gleich unscharf definiert - Die Zukunft spricht fuzzy!
Ihre Zwecke - der Dreck heiligt den Kittel!

Wenn man wirklich ein Anhänger eines deterministischen Weltbildes ist, dann ist diese Chaostheorie sicher weniger erschreckend, als offen zuzugeben, dass es Zufälle gibt. Vielleicht ist dieses Wort tatsächlich unzutreffend, wenn es um unerkannte Muster geht. Nur, und das ist der Witz im Witz, sind Muster, ob unerkannt oder nicht, Abläufe, die durch Regeln bestimmt werden. Daher ist das hier vorgestellte, weder eine Theorie des Determinismus, noch eine Theorie des Chaos. Wahrscheinlich ist es damit sogar näher an der Wirklichkeit dran, als zu einseitige Vorstellungen.

Es bleibt die Frage: Was sind Muster, die wir nicht verstehen?

Nein, es ist eine Theorie von Allem, mindestens ;)
Die Wirklichkeit ist perfider: Jedes Ereignis steht für sich und wird doch durch vergangene Ereignisse mitbestimmt. Der Grad der Bestimmtheit hängt von der Häufigkeit der Wiederholung ab, von absoluten Gesetzmäßigkeiten oder/und anderen einflußmächtigen Ereignissen und ist so nur relativ absolut, das virtuelle Gesicht ist relativ schemenhaft gezeichnet.
Wir erkennen darin ein Muster, fragt sich nur, ob es dasselbe ist...

Muster entstehen, indem wir verstehen.
Nur: erkennen wir überhaupt das als Muster, was tatsächlich Muster ist?

Ideengeber
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Sa 26. Mär 2005, 22:43 - Beitrag #11

Wenn jeder Moment0 vom Moment-1 abhängt ist die Frage nach dem Determinismus unbeantwortbar.

Und Wenn die Wettervorhersagen auch immer besser werden, liegt das Maximum niemals bei 100%, sondern nur bei 99,99... weil das beobachtende System sich selbst mit in die Berechnungen integrieren müsste.

Die Frage nach dem Zufall macht praktisch nur Sinn.
weil der Müll, der bei den Gedankengängen entsteht, verwertbar ist :).

Da scheint mir Gott schneller entlarvt, als das Chaos mitsamt Anhang.

C.G.B. Spender
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Mo 28. Mär 2005, 11:36 - Beitrag #12

Jan, deine Erläuterung über Wetterphänomene und deren Vorhersehbar- und Messbarkeit ist interessant und aufschlußreich. Leider weiß ich jetzt immer noch nicht so genau, ob Unordnung nur ein Teil eines hochkomplexen Systemes mit Turbulenzen ist, oder ob tatsächlich so etwas wie ein Zufall eine Rolle spielt. So wie du es darstellst, gibt es keinen Zufall, sondern nur die Tatsache, dass die Messmöglichkeiten bei unendlich vielen Entwicklungen, in dem Fall Wetterentwicklungen, niemals ausreichend sein können.

Die zu hundert Prozent eindeutige Messung, die die Zukunft am Raumzeitpunkt B vorhersagen soll, müßte daher auch in der Zukunft zum Raumzeitpunkt B stattfinden, und nicht zum Raumzeitpunkt A in der Gegenwart. Zusätzlich verursachen die Ereignisse selbst, wieder andere Ereignisse als Folge:
[...] Und jeder Blitz baut Spannung ab, bewirkt also, daß an dieser Stelle der nächste Blitz erstmal nicht entsteht. Letztlich also könnte theoretisch mit maximalem Aufwand ein Blitz unscharf vorausgesagt werden, wenn er auch schon gerade aufscheint oder nicht. [...]
Alles ist relativ.

Alle gegenwärtigen Messungen geben daher nur Daten bezüglich der Wahrscheinlichkeiten zukünftiger Entwicklungen. Das heißt, dass unsere Welt immer einen Grad der Unbestimmbarkeit hat. Unschärfe oder Fuzzyness. Die andere Möglichkeit wäre, das unsere Messmethoden und Theorien unzureichend sind, bzw., wie du es formulierst, Jan: "[...]erkennen wir überhaupt das als Muster, was tatsächlich Muster ist?"

Das bezweifle ich nämlich in vielen Fällen. Schließlich sind wir nicht allwissend.

Nein, es ist eine Theorie von Allem, mindestens ;)
Mindestens.... :) Sehe ich auch so!

Wenn ich mein Leben betrachte, so kann ich tatsächlich Muster erkennen, die Menschen, die ich kennen und schätzen gelernt habe, verbinden bestimmte Merkmale, bestimmte Sternzeichen häufen sich z.B. und bestimmte Charakterzüge.
Und die Abläufe, auch sie weisen relative Ähnlichkeiten auf, und wenn ich daraufhin etwas bewußt anders mache, kommt es anders als es sonst wohl gekommen wäre. Aber diese Muster sind nicht das einzig relevante, vielleicht vergleichbar eher mit den Tragpfosten eines Fachwerkhauses. Womit man die Gefache füllt, da ist genug Raum für Phantasie, Kreativität, Beliebigkeit - Zufall ? Unvorhersehbares jedenfalls.
Ich kann zwar sehen, daß ich in bestimmten Lagen besonders wichtige Menschen kennen gelernt habe, aber was ebenso geprägt hat, war die Feingestaltung der jeweiligen Situation und mit wem oder was der /die jeweils wieder verbunden war oder ist. Und das ist letztlich nicht vorherzusehen, mithin, religiös gesagt, Schicksal, göttliche Fügung.
Letztlich aber auch wieder nur ein nicht erkennbarer Systemteil, der sich erst im Laufe des Prozesses konkretisiert.
Somit wird in diesem zwischenmenschlichen Fall der Zufall zum Muster, weil wir mit unserem Willen die Wiederholung der angenehmen Erfahrungen anstreben. Wir treffen viele Menschen im Laufe des Lebens, aber wählen doch nur jene als Freunde und Bekannte aus, mit denen uns eine gewisse Gemeinsamkeit verbindet. Diese werden wiederum das Gleiche tun. Schicksal könnte man für eine Konstruktion unseres Geistes halten, der in der Unschärfe zwischen Ordnung und Unordnung nach Mustern sucht. Zwischen den Balken des Fachwerkhauses neue Stützbalken einbaut. Jede Suche ist eine Frage. Jede Frage bestimmt zum Teil schon die Antwort.

Viele Muster stammen von uns selbst.


Was die Religion betrifft: Sie ist eine gute Möglichkeit, der Erkenntnis der Unvorhersagbarkeit der Zukunft durch vertrauensvolles Anlehnen an eine transzendente und per definitionem gute oder milde stimmbare Macht ihren Schrecken zu nehmen. Dies sage ich als Christ, glücklich, kein Katholik zu sein ;)
Die Zukunft hat für mich keinen Schrecken. Warum auch? Wie kann mich etwas erschrecken, dass ich nicht kenne? Es macht mich höchstens sehr neugierig. Ich glaube es waren die alten Griechen, die von der Zukunft sagten, das sie von hinten über sie käme und das ihre Vergangenheit vor ihnen liegen würde. Wenn man immer ängstlich in die Zukunft schaut, ohne die Vergangenheit wahrzunehmen, wird man vielleicht vergessen, wer man ist. Ein ideales Opfer für wahrsagende Götter und ihr virtueller Kirchenraum, in den sie deinen Geist sperren werden, während sie vom Heil für deine unsterbliche Seele reden.

Feuerkopf
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Mo 28. Mär 2005, 12:00 - Beitrag #13

Der Diskurs über Vergangenheit und Zukunft lässt mich mal wieder zu meinem Lieblingspostulat kommen: Ich habe nur dieses eine Leben und ich will das Hier und Jetzt wahrnehmen!

Inzwischen habe ich mich auch damit angefreundet, dass der Zufall eine gewisse Rolle in meinem Leben spielt und dass er nicht mein Feind ist, sondern mich vor Scheuklappendenken bewahrt. Der Zufall zwingt mich, flexibel im Denken und Handeln zu bleiben.

Aus diesem Grund bin ich auch gar kein Freund der absolut sicheren Vorhersage, wiewohl sie in manchen Fällen durchaus segensreich wäre.

Offenbar hat sich das Chaos langfristig bewährt. (Deshalb sollte ich mein Zimmer vielleicht in seinem entsprechenden Zustand belassen. :cool: )

janw
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Mo 28. Mär 2005, 12:47 - Beitrag #14

Jan, deine Erläuterung über Wetterphänomene und deren Vorhersehbar- und Messbarkeit ist interessant und aufschlußreich. Leider weiß ich jetzt immer noch nicht so genau, ob Unordnung nur ein Teil eines hochkomplexen Systemes mit Turbulenzen ist, oder ob tatsächlich so etwas wie ein Zufall eine Rolle spielt. So wie du es darstellst, gibt es keinen Zufall, sondern nur die Tatsache, dass die Messmöglichkeiten bei unendlich vielen Entwicklungen, in dem Fall Wetterentwicklungen, niemals ausreichend sein können.

Naturwissenschaftlich fällt es schwer, an einen echten Zufall zu glauben, zumindest in Bezug auf solche Phänomene. Letztlich könnte aus einer kontinuierlichen Meßreihe rückwirkend das Geschehen rekonstruiert und erklärt werden, und wo soll die Grenze gezogen werden zwischen dem Meßbaren und dem Unmeßbaren, jenem Rest an Unbestimmtheit oder nichtwahrnehmbarer Bestimmtheit?

Wahrscheinlich ist es eine Frage der Wahl der Größe des Betrachtungsraumes. Und dessen, was man als Noch-Ordnung begreift.

Die zum Gewitter gehörenden Faktoren sind miteinander durch bestimmte Gesetzmäßigkeiten verbunden, die ihre gegenseitigen Bedingtheiten beschreiben. Man könnte diese Gesetzmäßigkeiten als wenn-dann und je-desto-Beziehungen charakterisieren. Die Frage ist, was gehört alles zum Gewitter? Die Luftmassen. Die Temperaturen und Feuchtigkeitsgehalte. Aber dann auch die Landschaft, die die Zugrichtung entscheidend mitbestimmt, indem sie für Aufwinde oder Fallwinde verantwortlich ist. Aber dann auch entferntere Luftmassen, die möglicherweise Einfluss nehmen könnten.
Und und...bis hin zu vergangenen Ereignissen (uU im Sheldrakeschen Sinne?) und dem Schmetterling in Sibirien.
Und trotzdem können wir das Gewitter vorhersagen, wenn wir den Raum, indem es auftreten soll, nur entsprechend groß wählen, irgendwo in NRW wird es an einem heißen Sommertag schon donnern. Oder, indem wir eine gewisse Irrtumswahrscheinlichkeit mit einrechnen. Fuzzy lebt, bzw. Ordnung ist nur ein extremer Fall der Unordnung.
Alles ist relativ, so gesehen.

Und unsere Theorien sind sowieso unzureichend, weil ja andernfalls die Rechenknechte schuld wären, und bekanntlich ist immer der User schuld ;)

Somit wird in diesem zwischenmenschlichen Fall der Zufall zum Muster, weil wir mit unserem Willen die Wiederholung der angenehmen Erfahrungen anstreben. Wir treffen viele Menschen im Laufe des Lebens, aber wählen doch nur jene als Freunde und Bekannte aus, mit denen uns eine gewisse Gemeinsamkeit verbindet. Diese werden wiederum das Gleiche tun. Schicksal könnte man für eine Konstruktion unseres Geistes halten, der in der Unschärfe zwischen Ordnung und Unordnung nach Mustern sucht. Zwischen den Balken des Fachwerkhauses neue Stützbalken einbaut. Jede Suche ist eine Frage. Jede Frage bestimmt zum Teil schon die Antwort.

Viele Muster stammen von uns selbst.


Wobei einige Eigenheiten der Freunde mir erst später bekannt wurden, habe ich Dich eigentlich schon nach Deinem Sternzeichen gefragt? ;)
Wohl wahr, wir streben nach der Wiederholung der angenehmen Erfahrung, auch wenn dies sich manche als schädlich erwiesen haben auf längere Sicht. Manche Muster sollten wir erkennen, um sie durchbrechen zu können.
Aber mit jedem Tun oder Nichttun schaffen wir Struktur, jede Frage bestimmt eine Antwort, wie Du sagst.
Und vielleicht erkennen wir wieder Muster in der Struktur.

Die Zukunft schreckt mich auch nicht, zumindest nicht allgemein, doch schon ihre scheinbare Unbestimmtheit in manchen Lagen, existentiellen, zum Glück recht selten.
Was Maurice wohl zu der Definition sagen würde? ;)

Ipsissimus
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Di 29. Mär 2005, 11:05 - Beitrag #15

eine sehr schöne Hinführung zur Chaostheorie und deren Problematik bietet

http://www.brg-traun.ac.at/IAAC/gmunden/chaostheorie.htm

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Di 29. Mär 2005, 11:16 - Beitrag #16

Zitat von Feuerkopf:[...] Offenbar hat sich das Chaos langfristig bewährt. (Deshalb sollte ich mein Zimmer vielleicht in seinem entsprechenden Zustand belassen. :cool: )
So kann mans auch sehen. :D Man spricht gerne vom kreativen Chaos, vielleicht meinst du das? ]Naturwissenschaftlich fällt es schwer, an einen echten Zufall zu glauben, zumindest in Bezug auf solche Phänomene. Letztlich könnte aus einer kontinuierlichen Meßreihe rückwirkend das Geschehen rekonstruiert und erklärt werden, und wo soll die Grenze gezogen werden zwischen dem Meßbaren und dem Unmeßbaren, jenem Rest an Unbestimmtheit oder nichtwahrnehmbarer Bestimmtheit? [/QUOTE] In der Hinsicht ist es sicher ein Problem, an so etwas wie einen echten Zufall zu glauben, da stimme ich dir zu. Würde dies nicht doch bedeuten, dass alles vorherbestimmt ist? Ist auch der Zufall vorherbestimmt? Schließlich ist die Naturwissenschaft heutzutage der Grundpfeiler der westlichen Weltanschauung, während es früher eher die Religion war.

Wahrscheinlich ist es eine Frage der Wahl der Größe des Betrachtungsraumes. Und dessen, was man als Noch-Ordnung begreift.
Schaut man auf die unfaßbaren quantenmechanischen Vorgänge, so spielt dort zumindest die Unschärfe in der Messbarkeit eine wichtige Rolle, aber wie sieht es dort mit dem Zufall aus? Weiß man immer, wohin die Subpartikel fliegen, wenn sich zwei Teilchen zerstören?

Und trotzdem können wir das Gewitter vorhersagen, wenn wir den Raum, indem es auftreten soll, nur entsprechend groß wählen, irgendwo in NRW wird es an einem heißen Sommertag schon donnern. Oder, indem wir eine gewisse Irrtumswahrscheinlichkeit mit einrechnen. Fuzzy lebt, bzw. Ordnung ist nur ein extremer Fall der Unordnung.
Alles ist relativ, so gesehen.

Und unsere Theorien sind sowieso unzureichend, weil ja andernfalls die Rechenknechte schuld wären, und bekanntlich ist immer der User schuld ;)
Ordnung als extremer Fall der Unordung - so habe ich das noch nicht gesehen. Für mich war es lange immer umgekehrt, d.h. ich habe lange geglaubt, dass es gar keine Unordnung gibt, sondern nur unzureichendes Wissen, über die tatsächlichen Vorgänge. Ich frage mich, was passiert mit jemandem, der die Fächer und die Balken des Fachwerkhauses sieht? Wird diese Person die Welt verstehen, oder wird es mit Wahnsinn gleichzusetzen sein? Oder beides?

Wobei einige Eigenheiten der Freunde mir erst später bekannt wurden, habe ich Dich eigentlich schon nach Deinem Sternzeichen gefragt? ;)
Zwilling. Für genauere Angaben brauchst du aber noch die Geburtszeit und die GPS-Koordinaten. Die sage ich dir nicht... ;)

Aber mit jedem Tun oder Nichttun schaffen wir Struktur, jede Frage bestimmt eine Antwort, wie Du sagst.
Und vielleicht erkennen wir wieder Muster in der Struktur.
Jede Frage bestimmt zum Teil die Antwort, das ist das Entscheidende! Das Muster in der Struktur ist, dass die Ordnung den Zufall mitbestimmt, so wie der Zufall die Ordnung mitbestimmt.


Pragmatisch gesehen, kann die scheinbar vorherbestimmte Zukunft schon erschrecken, wenn es deutlich negative Vorzeichen gibt. Siehe Umweltverschmutzung; die vergangenen und zukünftigen geo-strategischen Kriege der USA; Länder, die unter einer menschenverachtenden Diktatur leiden, die aber ein Atomwaffenprogramm haben; Genforschung ohne Limits, um den Vorspung zu bewahren, siehe z.B. Großbritannien; der auch hierzulande drohende Überwachungsstaat, etc. Zumindest indirekt sind wir alle betroffen und das kann schon erschreckend und besorgniserregend sein, aber man kann sich schließlich auch wehren und seine Meinung demonstrieren.

Was ich mit "nicht erschrecken" gemeint habe, ist der Teil der Zukunft, der unbestimmt ist und der auch den bestimmten Teil wieder ändern kann. Denn manche von den scheinbar unabänderlich negativen Dingen, können auch positive Wendungen nehmen. Warum also sollte man den Kopf in den Sand stecken? Jeder neue Tag ist eine Chance aus dem Chaos Ordnung zu formen, im Chaos Ordnung zu erkennen und mit Liebe der Welt Bedeutung zu geben.


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