Tod vom Allerfeinsten

Das aktuelle politische Geschehen in Deutschland und der ganzen Welt sowie wichtige Ereignisse der Weltgeschichte.
C.G.B. Spender
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Mi 30. Mär 2005, 12:54 - Beitrag #1

Tod vom Allerfeinsten

Ein interessanter Artikel aus dem Jahre 2001 steht auf www.zeit.de:[indent]
Wie ernst Fachleute die Gefährdung nehmen, zeigt eine von der Weltgesundheitsorganisation WHO initiierte Studie unter Führung des Schweizer Präventivmediziners Nino Künzli. Nach den Berechnungen seines 13-köpfigen internationalen Teams fordert die Luftverschmutzung in den drei Nachbarländern Frankreich, Schweiz und Österreich jährlich rund 40 000 Todesfälle, verursacht mehr als 290 000 Episoden kindlicher Bronchitis und über 500 000 Asthmaanfälle. Rund die Hälfte der Todesfälle wird Emissionen aus dem motorisierten Verkehr zugeschrieben. In Deutschland dürften die Schäden ähnlich hoch sein: Die Einwohnerzahl entspricht grob geschätzt der Summe aller Franzosen, Schweizer und Österreicher, die Umweltbelastung in den vier Ländern ist vergleichbar.
[/indent]Das kann man nicht so einfach in den Wind schlagen. Der Feinstaub, von 2,5 Mikrogramm und weniger, ist gefährlich für die Gesundheit. Dabei wird gerade diese Art von Feinstaub wird Deutschland nicht flächendeckend überwacht, während dies in den USA schon seit 1997 geschieht, was allerdings im Bezug auf die Einführung von Grenzwerten, zu einem juristischen Streit geführt hat.

Auf der Zunge, nicht der Lunge, sollte man sich zergehen lassen, dass bei den heute verwendeten Rußfiltern, z.B. für PKWs nur der gröbere Staub herausgefiltert wird, während der Feinstaub und Ultrafeinstaub trotzdem in die Umwelt geblasen wird. Umso fataler, denn die größeren Rußpartikel binden eine große Anzahl der kleineren Feinstaubpartikel und ziehen sie so zu Boden. Ohne diese großen Teilchen bleibt mehr Feinstaub in der Luft. Diese sogenannte saubere Luft enthält somit mehr Feinstaub-Schwebeteilchen. Das habe ich bisher auch noch nicht bedacht und man sieht einmal mehr, wie leicht man sich doch in Sicherheit wiegen läßt.

Die ultrafeinen Partikel, wie man in dem Artikel nachlesen kann, verursachten in Tierversuchen in höherer Konzentration innerhalb von kurzer Zeit den Tod. Dabei ging es um "[...] Titandioxid, das massenhaft als Weißmacher in Farben oder Zahnpasten Verwendung findet. Oder Teflon, allseits geschätzt als Pfannenbeschichtung und völlig ungiftiger Kunststoff in der Medizin. Als man Ratten feinsten Teflonstaub inhalieren ließ, waren sie allesamt innerhalb weniger Stunden tot. Zwar zeigte sich später, dass bei der Produktion des Teflonstaubs giftige Flusssäure entstanden war und den Tod der Tiere beschleunigt hat. Das Beispiel lehrt jedoch auch, dass bei der Bildung von Stäuben überraschende Effekte auftreten und dass die Partikel dank ihrer Eindringtiefe in den Körper und ihrer riesigen relativen Oberflächen verheerende Wirkungen entfalten können. [...]"

Ich finde das Ganze, besonders im Hinblick auf die Messungen der letzten Zeit, sehr alarmierend. Selbst die tödliche Wirkung auf Menschen, ist bereits eindeutig nachgewiesen worden:[indent][...] Dass Feinstaub auch Infarkte auslösen kann, zeigte jüngst eine Studie im Fachblatt Circulation. Annette Peters, eine Kollegin von Wichmann, hatte gemeinsam mit Forschern der Harvard University den zeitlichen Zusammenhang von Feinstäuben in der Bostoner Stadtluft und dem Auftreten von Herzinfarkten analysiert. Stieg der Feinstaubgehalt deutlich an, kletterte die Infarktrate nach zwei Stunden um 48 Prozent, in 24 Stunden sogar um 69 Prozent. [...][/indent]Wer wissen möchte, wie es in seiner Heimatstadt aussieht, der sollte einmal die Seite vom Umweltbundesamt besuchen. In M.Gladbach wurden gestern 68 Mikrogramm pro Kubikmeter gemessen. Der Grenzwert liegt seit dem 1. Januar 2005 bei 50 Mikrogramm.

Anscheinend ist es wohl genauso gesund, in München Nichtraucher zu sein, wie auf der Alm zu leben und zu rauchen. :)

So, was denkt ihr darüber?

Glaubt ihr vielleicht sogar, dass es ein Nebeneffekt der technischen Entwicklung unserer Zeit ist, dem man sogar mit verbesserter Medizin begegnen kann?

Oder schaufeln wir unser Grab selbst?

Wir leben im Schnitt doch länger als früher, kann es dann überhaupt so schlimm sein? Die Frage ist dann vielleicht auch: Wie lange wird es dauern, bis die Menschen wieder früher sterben werden?

Werden sich die Politiker oder/und bestimmte Konzerne wieder querlegen, wenn es um Grenzwerte und deren Einhaltung geht?

Feuerkopf
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Mi 30. Mär 2005, 13:32 - Beitrag #2

Mein erster Gedanke bei der Feinstaubdiskussion war: Aha, der Absatz von Benzin-Autos stagniert. Wir brauchen ein neues No-No, nehmen wir doch die Diesel-Fahrzeuge.

Spender,
es stimmt: Eigentlich müssten wir alle viel eher sterben und tun es doch nicht.
Das Pendel wird aber aus einem ganz anderen Grund umschlagen.
Wenn der soziale Abbau so weiter geht und die ärmeren Bevölkerungsgruppen nur noch eine Minimalversorgung bekommen, wenn immer mehr Menschen am Existenzminimum herumkrebsen und sich nicht mehr gesund ernähren können, wenn wegen dieser Zustände die psychische Verfassung negativ auf die Gesundheit wirkt, dann sinkt die Lebenserwartung von ganz allein.
Nur wird das niemand zugeben.

Wenn ich mir anschaue, wo die am meisten betroffenen Straßen in Dortmund liegen, so sind das bestimmt nicht die priviligierten Wohnbezirke...

Ipsissimus
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Mi 30. Mär 2005, 13:41 - Beitrag #3

ein vielfältiger Fragenkomplex; nur ein paar Gedanken dazu

Eine ganz einfache Anweisung wie

"Mach deine Autos/Geräte/Maschinen usw. so, daß sie für Menschen unschädlich sind - "unschädlich" heißt, daß keine Veränderungen durch sie ausgelöst werden"

enthält ein Kriterium, anhand dessen entschieden werden kann, ob sie eingehalten werden. Das ist nicht gewünscht; viel lieber formuliert mensch Grenzwerte, über die sich dann trefflich streiten läßt, während aus dem Fokus der Öffentlichkeit der schlichte Sachverhalt entschwindet, daß selbst strengste Grenzwerte dazu da sind, bestimmte Einflüsse der Maschinen auf den Menschen grundsätzlich zuzulassen und nicht, diese zu vermeiden. Grenzwerte garantieren also nicht die Unschädlichkeit, sie verlagern nur die Diskussion vom eigentlichen Problem auf Ablenkungskriegsschauplätze. Kummulative Effekte werde bestritten, solange irgend möglich - danach werden die Grenzwerte neu angepaßt :-)

Die Erhöhung der Lebensdauer hat in erster Linie etwas mit besserer Hygiene, verbesserter Krankheits- und Unfallbekämpfung und "humanerer Arbeitswelt" zu tun. Darüber hinaus ist der menschliche Körper wie jeder Organismus ein gepuffertes System, das nicht einfach so schlapp macht, sondern erst mal jede Menge Mist ausgleicht. Bis der große Knall kommt, kann mensch sich daher im süßen Wahn wiegen, es sei alles in Ordnung, obwohl sein Körper schon längst am Anschlag ist.

Ich denke, diese Feinstaubgeschichte ist nur ein Symptom wie viele andere auch, und wie üblich bleibt über dem Symptom die Krankheit unbeachtet.

C.G.B. Spender
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Do 31. Mär 2005, 11:52 - Beitrag #4

Zitat von Feuerkopf:Mein erster Gedanke bei der Feinstaubdiskussion war: Aha, der Absatz von Benzin-Autos stagniert. Wir brauchen ein neues No-No, nehmen wir doch die Diesel-Fahrzeuge.

[...]

Wenn ich mir anschaue, wo die am meisten betroffenen Straßen in Dortmund liegen, so sind das bestimmt nicht die priviligierten Wohnbezirke...
Das sind zwei Gedanken, die mir dabei auch schon gekommen sind. Deswegen gebe ich nie viel auf Statistiken. Würde man schauen, wie es bei den sogenannten Unterpriviligierten aussieht, und die anderen einmal ausklammern, dann sähe diese Statistik sicher nicht mehr so rosig aus. Wieviele da wohl überhaupt das Rentenalter erreichen?

Die Diesel-sei-gesünder-Behauptung habe ich im Übigen eh nie geglaubt. Wie wir jetzt sehen, sind Filteranlagen, die nur den Feinstaub durchlassen, sogar noch schädlicher für den Menschen. Wie paradox!


Ipsissimus, dein Satz: [font=Tahoma]"[/font][font=Tahoma]Mach deine Autos/Geräte/Maschinen usw. so, daß sie für Menschen unschädlich sind - "unschädlich" heißt, daß keine Veränderungen durch sie ausgelöst werden"[/font]hat wirklich etwas für sich. Schade, das die Industrie nicht so denkt. :(

Die Erhöhung der Lebensdauer hat in erster Linie etwas mit besserer Hygiene, verbesserter Krankheits- und Unfallbekämpfung und "humanerer Arbeitswelt" zu tun. Darüber hinaus ist der menschliche Körper wie jeder Organismus ein gepuffertes System, das nicht einfach so schlapp macht, sondern erst mal jede Menge Mist ausgleicht. Bis der große Knall kommt, kann mensch sich daher im süßen Wahn wiegen, es sei alles in Ordnung, obwohl sein Körper schon längst am Anschlag ist.

Ich denke, diese Feinstaubgeschichte ist nur ein Symptom wie viele andere auch, und wie üblich bleibt über dem Symptom die Krankheit unbeachtet.
Leider habe ich schon erleben müssen, wie dieses "gepufferte System menschlicher Körper" bei nahen Verwandten nach und nach zerstört wurde, eben weil man in dem Irrglauben war, man könnte jahrelang Raubbau betreiben, ohne irgendwann die Rechnung dafür zu bezahlen. Das ist auch mit ein Grund dafür, dass ich solche Meldungen ernst nehme. Vor allem, wenn man bedenkt, dass es in Deutschland nur ein Messnetz für Feinstaub der Größenordnung 10 Mikrometer gibt und nicht für den noch gefährlicheren Ultrafeinstaub, der nicht ausgehustet werden kann...

fanvarion
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Do 31. Mär 2005, 21:10 - Beitrag #5

Zitat von C.G.B. Spender:
Die Diesel-sei-gesünder-Behauptung habe ich im Übigen eh nie geglaubt. Wie wir jetzt sehen, sind Filteranlagen, die nur den Feinstaub durchlassen, sogar noch schädlicher für den Menschen. Wie paradox!


Ich kenne die Feinstaubdisskussion seit mehreren Jahren. Es gibt noch keine Filter der den Feinstaub abfängt und dann nicht selbst schnellstens verstopft.


Zitat von C.G.B. Spender: Ipsissimus, dein Satz: [font=Tahoma]"[/font][font=Tahoma]Mach deine Autos/Geräte/Maschinen usw. so, daß sie für Menschen unschädlich sind - "unschädlich" heißt, daß keine Veränderungen durch sie ausgelöst werden"[/font]hat wirklich etwas für sich. Schade, das die Industrie nicht so denkt. :(


Doch die Industrie sucht zwar nicht mit dem größten Engament aber einige Betriebe des Bergbaues versuchen dieses Problem schon länger zu lösen. Vielleicht wird der öffentliche Druck so groß das es jetzt etwas schneller geht.

Bei dieser Diskussion geht mir ein Satz eines Ausbilders durch den Kopf. Der Mensch ist die größte Laborratte die es gibt. Das schönste daran ist betreibe Werbung und verkaufe ihnen das es notwendig und schön ist, dann bezahlen sie freiwillig für den Test auch Unmengen an Geld.

Zitat von C.G.B. Spender: Leider habe ich schon erleben müssen, wie dieses "gepufferte System menschlicher Körper" bei nahen Verwandten nach und nach zerstört wurde, eben weil man in dem Irrglauben war, man könnte jahrelang Raubbau betreiben, ohne irgendwann die Rechnung dafür zu bezahlen. Das ist auch mit ein Grund dafür, dass ich solche Meldungen ernst nehme. Vor allem, wenn man bedenkt, dass es in Deutschland nur ein Messnetz für Feinstaub der Größenordnung 10 Mikrometer gibt und nicht für den noch gefährlicheren Ultrafeinstaub, der nicht ausgehustet werden kann...

Das Problem an dieser Geschichte ist das der Grenzwert für Feinstäube bis Ende 2003 noch 10 Mikrom. war und alle Messstellen sich auf diesen Grenzwerte eingestellt waren. Die Umstellung ist nicht ganz so einfach.
Mein Kollege aus der Gefahrstoffmessstelle hatte auch einige Problem bis er alle geeigneten Messgeräte hatte.

janw
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Do 31. Mär 2005, 21:33 - Beitrag #6

Besonders schön finde ich die Kreativität mancher Kommunen bei der Aufstellung der Meßstationen. Nein, Köln hat keinen Feinstaub, aber dafür stehen die Meßstationen ja auch alle in Parks am Stadtrand :crazy: :wand:

Feuerkopf
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Fr 1. Apr 2005, 01:31 - Beitrag #7

Nord-Süd-Fahrt wäre doch ein nettes Plätzchen. ;)

Bei uns in Dortmund steht so eine Messstation direkt in der Einfahrt zum Borsigplatz, wo eigentlich den ganzen Tag Schwerlastverkehr und Dauerstau herrscht. Entsprechend sind die Ergebnisse, obwohl die Straße jeden Tag feucht gereinigt wird.

C.G.B. Spender
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Mo 4. Apr 2005, 11:57 - Beitrag #8

Zitat von fanvarion:Bei dieser Diskussion geht mir ein Satz eines Ausbilders durch den Kopf. Der Mensch ist die größte Laborratte die es gibt. Das schönste daran ist betreibe Werbung und verkaufe ihnen das es notwendig und schön ist, dann bezahlen sie freiwillig für den Test auch Unmengen an Geld.
So etwas habe ich auch schon mal woanders gehört und mal ehrlich: Man kommt auch selbst drauf, wenn man bedenkt wie manche Sachen gehandhabt werden!

Zitat von janw:Besonders schön finde ich die Kreativität mancher Kommunen bei der Aufstellung der Meßstationen. Nein, Köln hat keinen Feinstaub, aber dafür stehen die Meßstationen ja auch alle in Parks am Stadtrand :crazy: :wand:
Das ist natürlich nicht so sinnvoll, bzw. man fragt sich, ob das nicht schon an Manipulation grenzt? Wahrscheinlich gibt es jedoch wieder ein kompliziertes Antragsverfahren bei der Stadt, um überhaupt eine Messstation aufstellen zu dürfen?
Zitat von Feuerkopf: Bei uns in Dortmund steht so eine Messstation direkt in der Einfahrt zum Borsigplatz, wo eigentlich den ganzen Tag Schwerlastverkehr und Dauerstau herrscht. Entsprechend sind die Ergebnisse, obwohl die Straße jeden Tag feucht gereinigt wird.
Ich bin mal einige Stunden eine Schnellstraße in England mit dem Rad entlang gefahren. Der Windschatten war klasse, nur sah ich nachher etwas schwärzer im Gesicht aus - an meine Lungen will ich dabei erst garnicht denken...und für schönere Haut ist das auch nichts... ;)


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