Christentum und Kirche

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Monostratos
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Fr 8. Apr 2005, 21:25 - Beitrag #1

Christentum und Kirche

Aufgrund des Todes von Papst Johannes Paul dem Zweiten steht seine Bestattung und etwaiger Rummel, und somit die katholische Kirche wieder im Interesse der Medien. Auch hier im Forum wurden wieder Gespräche diesbezüglich geführt.

Wie soll ich anfangen...?

Ich schätze, vielen ist nicht bewusst, dass Christsein und Kirchenzugehörigkeit zwei verschiedene Paar Schuhe bedeuten. Denn Christ ist nicht jemand, der an die Jungfrau Maria oder technische Angelegenheiten wie unbefleckte Empfängnis, an Heilige oder Reliquien glaubt, getauft ist oder das Abendmahl begeht, sondern wer an Jesus glaubt und ihm nachfolgt.

Die Ekklesia (Kirche, oder besser: Gemeinschaft), von der in den Evangelien die Rede ist, hat für mich nichts mit einer institutierten Kirche, wie man sie heute kennen mag, gemein: Mit der Ekklesia (ich lasse den Begriff Kirche dafür mal weg, ist zu vorbelastet) ist eine Gemeinschaft der Christen gemeint, die vom heiligen Geist durchdrungen ist. Eine Institution wie die (kath.) Kirche ist für mich keine Gemeinschaft mehr, sie verhindert eher das Wirken des heiligen Geistes durch ihre Dogmen, Reglements und Hierarchien. Eine Ekklesia ist für mich schon vergleichbarer mit z.B. einem Hauskreis oder einer lebendigen, christlichen WG.

Die katholische Kirche hat, da ich in letzter Zeit vermehrt theologische Bücher (aus den Studienzeiten meines Vaters) lese, für mich ihre Richtigkeit als Kirche verloren. Die Anbetung von Heiligen (insbesondere der Jungfrau (oder jungen Frau? virgo...? ) Maria), die Existenz von Reliquien, der Papst als Stellvertreter Gottes auf Erden: All das hat für mich nichts mit dem Glauben zu tun, noch steht davon in der Bibel. Es sind eher Krücken, die den Glauben erleichtern sollen, indem sie die Sache greifbarer machen. Aber eine gesunde Beziehung zu Gott besteht eigentlich nur im direkten Kontakt mit ihm: "Mensch <-> Gott"; und nicht im indirekten wie "Mensch <-> Geistlicher <-> Gott". Weiterhin weist für mich die kath. Kirche ein Charakteristikum einer Sekte auf, als dass sie die Position einer Offenbarungsquelle (Dogmen, Unfehlbarkeits...edikt? in bestimmten Angelegenheiten) für sich beansprucht, obwohl das eigentlich nur Gott durch die Bibel sein kann. Wie sagte Luther noch...? Sola deo gratia, sola fide, sola scriptura, solo Christo.

Damit das hier nicht zu einseitig wird: Auch die evangelische Kirche ist nicht perfekt, auch dort gibt es Institution und Reglements. Jedoch finde ich, dass diese sich doch eher auf das Notwendige beschränkt, wie die Verwaltung von Spenden oder Anfallenden Kosten wie Miete für Gemeinderäume u.ä. .

Zum Papst: Nun gut, Jesus hat zu Petrus gesagt: "Du bist der Fels, auf dem ich meine Gemeinde bauen werde.", aber was hat das damit zu tun, dass Petrus damit auch zum Oberhaupt der Gemeinden gekürt worden sein sollte? Für mich klingt es eher danach, dass Petrus damit der Hauptantreiber der Verbreitung des christlichen Glaubens wird. Und von der Weiterreichung dieses "Amtes" und der damit irgendwie verbundenen Stellung in einer Hierarchie, die dadurch vergeben wird, davon will ich lieber gar nicht sprechen...

LadysSlave
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Fr 8. Apr 2005, 21:46 - Beitrag #2

Du machst dir Gedanken zum Glauben und das ist bestimmt nicht schlecht.

Wenn Jesus heute auf die Erde kommen würde, so würde er in vielen Kirchen die Austreibung der Geschäftemacher fordern.

Ich sehe es aber so: Wir Menschen sind umterschiedlich und genauso unterschieldlich sind die Wege zu gott zu kommen.
Was dem Einen ein segen ist, kann dem Nächsten schon ein abschreckendes Beispiel sein.
Deshalb glaube ich, dass alle Gemeinden, die Jesus und die Bibel im Mittelpunkt haben ihre Berechtigung haben.

Ich sage bewusst nicht Kirchen, sondern Gemeinden, denn so steht es im altgriechichen Text der Bibel.

Andersrum solltest du auch die Toleranz aufbringen, Gemeinden zu akzeptieren, die dir nichts sagen.
Viele Wege führen zu Gott und er ist das Ziel, nicht die Gemeinden selbst, denn sonst wäre es eine Sekte.
Auch wenn ich die Marienverehrung nicht nachvollziehen kann, so ist das eine Sache, die die Menschen selber verantworten müssen.
Ich gehe jedenfalls davon aus, dass das Wort Jesu: Da ist keiner, nicht einer, der ohne Fehl ist noch genauso aktuell ist, wie zu der Zeit, als Jesus es aussprach. In diesem Zusammenhang sehe ich dann auch, das weitere Wort Jesu, als er sagte: Wer von euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein.

Ich versuche meine Meinung zu begründen, aber ich versuche nciht, meinem Gegenüber meine Meinung aufdrücken zu wollen. Denn: Da keiner, nciht einer ohne Fehl ist, könnte ja auch ich derjenige sein, der sich da irrt!

Monostratos
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Fr 8. Apr 2005, 21:58 - Beitrag #3

Dass ich die kath. Kirche als grösstenteils "falsch" ansehe, hat ja nichts mit meiner Toleranz ihr gegenüber zu tun. Die gegeben ist. Auch der Selbstverantwortung des Menschen gegenüber Gott bin ich mir wohl bewusst. Das, was ich oben gepostet habe, ist meine Auffassung von Gemeind e/schaft, und ich setze sie ja nicht absolut, sondern auf meiner Auffassung von dem, was in den Evangelien steht. Dass Luther und einige andere Theologen Hilfestellung geben, heisst nicht, dass ich auch sie nicht kritisch prüfe...

Ich sehe es aber so: Wir Menschen sind umterschiedlich und genauso unterschieldlich sind die Wege zu gott zu kommen.
Ich dachte, der Weg wäre einzig Jesus, und dementsprechend sollte doch auch er im Mittelpunkt stehen...? Dieser Weg kann unterschiedlich aussehen, aber für mich ist es nur _einer_.

LadysSlave
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Fr 8. Apr 2005, 22:05 - Beitrag #4

Da nicht alle von der gleichen Stelle kommen, werden die Wege auch unterschiedlich sein!

Das Zeil ist das gleiche! Und dieses ist der Schritt über Jesus zu Gott.

Doch die Wege zu Jesus sind doch sehr unterschiedlich.

Ich wollt dir ja auch keinen Vorwurf machen, sondern nur aufzeigen wie ich es sehe.

Ipsissimus
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Sa 9. Apr 2005, 01:55 - Beitrag #5

ich bin schon lange aus der (evangelischen) Kirche ausgetreten ... aus steuerrechtlichen Gründen. Den Glauben an ihre Lehren hatte ich schon viele Jahre früher hinter mir gelassen.

Es gab eine große Existenzberechtigung der katholischen Kirche - wenn sie DIE besser ausgespielt hätte, könnte sie meiner vollen Unterstützung sicher sein, aber sie hat nicht.

Menschen suchen nicht nach Gott. Menschen suchen ein Ritual. Gib ihnen ein starkes, ein - nicht überzeugendes, vielmehr ein - überwältigendes, erfüllendes Ritual, und sie werden alles haben, was sie je begehrten.

Die katholische Kirche verfügte in der lateinischen Messe über ein solches Ritual. Es mußte Latein sein - hätte auch eine andere alte Sprache sein können -, weil das kaum jemensch verstand. Das Ritual nicht zu verstehen, aber seine Inhalte, große Inhalte, erahnbar zu machen, das ist das Geheimmis des Glaubens. Und das hat die KK leichtfertig dahergegeben, in der irrigen und von keinerlei psychologischer Erkenntnis beflecken Annahme, es ginge beim Glauben um die Inhalte. Vielmehr: je weniger es intellektuell zu fassen ist, desto mehr kann es mit - je und je subjektiv - erahnter Bedeutung aufgeladen werden.

ob "Christ sein" - im von dir geschilderten Sinne - und Kirchenzugehörigkeit tatsächlich zwei verschiedene Sachverhalte markieren, hängt ganz wesentlich davon ab, Monostratos, ob eine wesentlich fundamentalistische Auslegung der Bibel akzeptiert wird oder nicht. Und es gibt Christen, die mit Jesus nichts, aber auch gar nichts am Hut haben, und dafür glühende Marienverehrer sind. Und nein - das ist NICHT durch die Bibel verboten, widerlegt, usw. Das ist NUR im Rahmen einer bestimmten Auffassung davon, wie die Bibel zu deuten sei ... verboten. Ein Denkverbot, resultierend aus der Auffassung der Verbalinspiration.

Es gibt keine objektive - d.h. vor Gott einzig richtige - Art, Christ zu sein. ich höre schon die Affirmationen, daß das niemensch behauptet habe. Aber diese Affirmationen sind falsch. Es wird tatsächlich ständig behauptet. "Gläubig" reicht nicht, es muss lauten "gläubig in unserem Sinne", damit Gläubigkeit anerkannt wird.

Das sind nur ein paar intrasystemische Kritikpunkte.


Wenn ich noch Christ wäre, und wollte Apologet des christlichen Glaubens sein, würde ich als allererstes öffentlich thematisieren und eingestehen müssen, daß fast alles, was je von Christen über den "Weg zu Gott" gesagt wurde, inklusive der Aussagen der Bibel, Blödsinn ist. Gott wird darin noch nicht einmal tangiert. Danach, nach diesem Eingeständnis, kann eine ernsthafte Frage gestellt werden: wie kommt mensch denn dann zu Gott. Und die Antwort: wir wissen es nicht; doch da wir es nicht wissen, muss es denen, denen es WIRKLICH darum geht, ein lebenslängliches Anliegen sein, das sie bis zum Augenblick ihres Todes durchhalten, ohne je zu wissen, ob sie damit irgendetwas für die Erreichung ihres Zieles bewirken.

Und für diese - aber wirklich nur für DIESE Menschen hat Jesus ein paar Tipps auf Lager, die aber allesamt nicht darum kreisen, an ihn zu glauben. Sondern sich auf Gott einzulassen.

Was ist die vornehmste Funktion eines Gebetes? Zu übertönen, was Gott zu sagen hat.

LadysSlave
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Sa 9. Apr 2005, 02:10 - Beitrag #6

Ich weiss ja nicht, wie du das Gebot : Ich bin Gott der Herr, du sollst nicht andere Götter haben ,neben mir interpretierst? ich denke, dass da wenig Platz für eine Auslegung ist.
Nach deiner Auslegung wäre ja auch ein goldenes Kalb und Rituale drumherum ähnlich. Was nach der Bibel wohl nicht akzeptiert werden kann.
Und dann hat Jesus gesagt: Ich bin nicht gekommen um die Gesetze aufzuheben, ich bin gekommen um sie zu erfüllen. Jesus bezeichntete sich als Sohn Gottes! Ohne Wenn und Aber.
Zumal ein Christ nun überhaupt nicht ohne Jesus sein Kann, weil er Christus ist, nachdem sich die Christen bezeichnen. Somit kann sich jemand, dem Jesus egal ist jeden Namen geben, nicht aber Christ.
Natürlich gibt es andere Glauben, wenn diese sich nach dem Objekt ihres Glaubens bezeichnen, so bin ich der Letzte, der das nicht toleriert. Ich muss diesen Glauben ja nicht teilen.
Aber sich Christ zu nennen und Jesus abzulehnen ist einfach eine Mogelpackung!

Ipsissimus
Dämmerung
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Sa 9. Apr 2005, 13:04 - Beitrag #7

Ich bin Gott der Herr, du sollst nicht andere Götter haben ,neben mir interpretierst? ich denke, dass da wenig Platz für eine Auslegung ist.


natürlich steht das an zwei Stellen im AT. Dort steht auch, wenn ich paraphrasieren statt zitieren darf, daß ein junges vergewaltigtes Mädchen zu töten sei, falls ihre Vergewaltigung in der Stadt geschehen ist und sie niemensch schreien gehört hat. Ohne daß diese beiden Vorschriften des Deuteronomiums hierarchisch voneinander abgesetzt wären. Und im NT finden wir schöne Stellen der Art, daß der Mann für seine Ehefrau sei, was Christus für den Mann sei, nämlich sein/ihr Haupt.

Es scheint mir daher offensichtlich - da auch christliche Fundamentalisten und selbst Zeugen Jehovas, soweit ich sehen kann, ihre vergewaltigten Töchter anschließend nicht erschlagen, daß selbst in fundamentalistischen Kreisen eine - möglicherweise unbewußte - Hierarchisierung der Aussagen der Bibel praktiziert wird, daß mithin eine Notwendigkeit zur Interpretation empfunden wird. Dies resultiert natürlich aus den völlig geänderten Lebensumständen, denen ein Buch, das einmal fixiert wurde, statt als "work in progress" in alle Ewigkeit sich zu ändern, natürlich nicht gerecht werden kann.

Das Ausmaß dieser Interpretation wird sicherlich unterschiedlich empfunden, und an dieser Stelle gibt es gewaltige Unterschiede in den resultierenden Darstellungen und Lehrgebäuden. Aber wenn ich deren Gemeinsames finde, habe ich das Eigentliche des Christentums gefunden - die Suche nach Gott. Von da aus ist es dann sicher kein großer Schritt mehr zu der Einsicht, daß das Christentum dies mit seinen gesetzesreligiösen Brüdern und Schwestern gemeinsam hat, und sich mit ihnen zusammen als eine einzige Religion entpuppt. Die Ringparabel grüßt recht freundlich.

Traitor
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Sa 9. Apr 2005, 13:13 - Beitrag #8

@Mono: Ich stimme dir weitgehend zu, wenn dann auch an einem entscheidenden Punkt nicht mehr.
Die einzige Form des Gottglaubens, die mir ansatzweise nachvollziehbar erscheint, ist die, welche ich als "aufgeklärten Theismus" bezeichnen würde, eine wirklich rein transzendentale Form des Glaubens. Frei von Mystizismus, Klerus und Ernährungsgeboten. Wunder, Verkündigung und derartiges könnte so ein Glauben durchaus enthalten, aber in einer sehr abgespeckten Form und mit anderer Perspektive gegenüber Protestantismus oder gar Katholizismus. Von diesen Elementen und dem Jenseits abgesehen wäre die Welterklärung dann ziemlich äquivalent zur rein atheistisch-naturwissenschaftlichen Sicht, aber kann den Menschen mit Sicherheit erfüllen, so er diese benötigt.
Allerdings: die Dreifaltigkeit ließe sich hiermit nicht besser verbinden als die Heiligen- oder Reliquienverehrung. Jede Jesus-Interpretation, die über "hoch erleuchteter Mensch mit extrem direktem Gott-Kontakt" hinausgeht, verwässert in meinen Augen die Erhabenheit eines derartigen Glaubens nur.

In Sachen Toleranzfähigkeit des Christentums an sich bin ich ziemlich pessimistisch. Ein Gottglauben kann IMHO nur in sich konsequent sein, wenn er sich eben als Absolute Wahrheit ansieht. Jeder Mensch mag fehlerbehaftet sein, und Gottes Wort mag nicht unverfälscht wiedergeben werden, doch wenn der Glaube tatsächlich als etwas Höheres gesehen wird, muss ihm, von Details abgesehen, dennoch Alleingültigkeit zugesprochen werden, um das eigene Handeln und Glauben nicht bis zur Unhaltbarkeit zu relativieren.

Ipsissimus
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Sa 9. Apr 2005, 13:48 - Beitrag #9

Traitor, prinzipiell teile ich deine Skepsis, gebe jedoch zu bedenken, daß der Gläubige nicht der Glauben ist, sprich, daß gläubige Menschen in einer Weise glauben können, die den Glauben in die Gegenwart bringt - was sie dann üblicherweise natürlich bei den restlichen Gläubigen dieses Glaubens ziemlich unbeliebt macht.

Maglor
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Di 12. Apr 2005, 12:57 - Beitrag #10

Tendenziell ist das Christentum von allen Weltreligionen die intoleranteste!
Allein die Tatsache, dass die Gläubigen sich nicht allein an die Schrift halten, bewahrt die Christenheit vor dem schlimmsten.
Der Islam duldet (nach wörtlicher Auslegung) wenigstens Christen und Juden. Juden und Hindus kennen eigentlich keine Bekehrung und einer Ethnoreligion sollte es eigentlich völlig gleich, was die anderen machen.
Das Christentum hingegen hat den klaren Missionsauftrag gegen alle anderen Lehren.
Das Glaube an andere oder keine Götter steht im Widerspruch zum ersten Gebot. Und hier will mir doch keiner sagen, dass die zehn Gebote (da altes Testament) bedeutungslos sind?

MfG Maglor

e-noon
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Di 12. Apr 2005, 13:14 - Beitrag #11

Wenn ich "Ungläubige sollen in der Hölle schmoren" (aus dem Koran) wörtlich auslege, kommt aber auch nicht viel tolerantes dabei heraus ;)
Ich denke nicht, dass das Christentum von allen Weltreligionen die Intoleranteste ist, denn wie schon gesagt, es kommt auf die Menschen an, die den Glauben vertreten, nicht allein auf die schriftlichen Aussagen. Diese werden nämlich im Islam soweit ich weiß sehr viel enger ausgelegt und es wird viel strenger auf die Einhaltung geachtet, als das im Christentum (zumindest hier) der Fall ist. Vielleicht ist also die Bibel strenger als der Koran (wobei für Christen das NT wichtiger ist), aber das Christentum wird hier sicher nicht intoleranter gelebt als der Islam.

Ipsissimus
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Di 12. Apr 2005, 14:17 - Beitrag #12

e-noon, da vergleichst du aber fundamentalistische islamische Auslegung des Korans mit aufgeklärter rationaler Auslegung der Bibel. Letzteres gibt es auch für den Koran und ersteres auch für die Bibel; die Fundamentalisten der jeweiligen Religionen geben sich normalerweise nichts hinsichtlich ihres Fundamentalismus

e-noon
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Di 12. Apr 2005, 15:06 - Beitrag #13

Sicher, das stimmt schon, aber so doch deutlich, dass man nicht an der Schrift festmachen kann, wie tolerant oder intolerant eine Religion ist. Die aufgeklärte, rationale Auslegung der Bibel ist die einzige, die ich aus meinem Umfeld kenne (etwa Mitteleuropa, darüber hinaus weis ichs nicht); und die fundamentalistische Auslegung des Koran ist auch die einzige, die ich von Muslimen kenne, was sicher auch an der sensationslüsternen Auswahl der Medien liegt und nicht bedeutet, dass diese Art der Auslegung die einzige durch Muslime ist oder auch nur die häufigste. :)

Maglor
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Di 12. Apr 2005, 15:23 - Beitrag #14

Man kann ja gerne U-Boot-Christen und Fundamentalisten miteinander vergleichen.
Allerdings ist es so, dass es große Teil der sogenannten europäischen Christenheit unter die Kategorie relativ christlich.
Da finden sich reine Steuerzahler, Leute, die einfach mal an Gott glauben und auch durchaus Personen, die sich mit der Bibel befassen.
Wenn ein U-Boot-Christ ein Christ ist, dann wär ja Gerhard Schröder Sozialist.

MfG Maglor

Ipsissimus
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Di 12. Apr 2005, 15:55 - Beitrag #15

nun, die fundamentalistische Bibelauslegung ist auch nicht weit weg - Freie Evangelische Gemeinden und Pfingstgemeinden gibt es fast schon in jedem größeren Ort, Bibel TV ist ganz nahe und auch die freundlichen Damen und Herren von den Zeugen Jehovas und unsere amerikanischen Freunde winken ganz nah. Wenn du aber glaubst, im katholischen Umfeld wärest du sicher davor, dann nimm dir mal die Enzykliken und Dogmen und Katechismen vor, die faktischem heutigem Kirchenrecht entsprechen. Und dann mußt du unbedingt mal mit älteren protestantischen ChristInnen über Gott-ist-tot-Theologie reden ...

Marc Effendi
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Di 12. Apr 2005, 18:24 - Beitrag #16

So, jetzt muß ich mich als praktizierender Christ mal einmischen. Allen Versuchen E-noons zum Trotz stelle ich fest, und das mit Recht, das Christentum ist eine absolut intolerante Religion. Als zentrales Werk meines Glaubens zitiere ich hier die Bibel: "Jesus Christus spricht: niemand kommt zum Vater, denn durch mich." Wer Jesus als seinen Erlöser annimt, ist dabei, wer das nicht tut, nicht. Punkt. Da gibt es kein Vielleicht oder eventuell, nur schwarz oder weiß. Im Gegenteil, in der Offenbarung steht ganz deutlich, das es zwar Zwischentöne gibt, aber diese "lauwarmen" Dinger "speit Gott aus". Ihm ist es lieber, man "sei heiß oder kalt".

Übrigens ist der Islam nicht weniger intolerant, was die Gläubigen angeht und ich spreche dabei nicht über die religiösen Eiferer, die es auch im Christentum gab und gibt. Im Koran steht wörtlich, das es jedem Gläubigen gestattet ist, Nichtgläubige zum Islam zu bekehren und wenn der zu Bekehrende das nicht tut, ist es dem Gläubigen gestattet, den Ungläubigen zu töten.

Ich selbst bin übrigens in keiner Staatskirche, sondern gehöre zu einer freien, pfingstlerischen Gemeinde.

Monostratos
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Di 12. Apr 2005, 18:53 - Beitrag #17

@Marc, und vor allem @ Maglor: Das Christentum ist insofern die intoleranteste Religion, als dass hier Glaubenswahrheiten angesprochen werden, wie Marc schon erwähnte. Toleranz zu Mitmenschen und ihrem Glauben ist schon allein aufgrund von "Liebe deinen Nächsten wie dich selbst" geboten.

Zitat von Maglor:Das Glaube an andere oder keine Götter steht im Widerspruch zum ersten Gebot. Und hier will mir doch keiner sagen, dass die zehn Gebote (da altes Testament) bedeutungslos sind?
&
Zitat von Maglor:Allein die Tatsache, dass die Gläubigen sich nicht allein an die Schrift halten, bewahrt die Christenheit vor dem schlimmsten.
Und für wen gelten die zehn Gebote...? Richtig, für das Volk Israels. Im Gegensatz zu den ganzen anderen Gesetzen, die sich noch im AT finden lassen, haben die zehn Gebote ihre moralische Gültigkeit behalten. Jesu Gebot der Nächstenliebe soll für einen Christen aber, noch vor allem anderen, das Entscheidende sein. Soll... :(

Mit Missionierung ist gemeint, die frohe Botschaft denen zu verkünden, die sie noch nicht kennen. Jegliche Form der Glaubensaufzwängung, die man sich daraus ja sehr gerne herleiten mag, ist damit nicht gemeint.



@Ipsi: Ich bin übrigens in einer freien evangelischen Gemeinde. Fundamentalistische Bibelauslegung ahoj :party3: !

Ipsissimus
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Di 12. Apr 2005, 18:59 - Beitrag #18

Marc Effendi, das heißt, er speit deiner Bibeldeutung nach sowohl die lauwarmen als auch die kalten "Dinger" aus, oder sollte ich dich so verstehen dürfen, daß er die kalten Dinger nicht ausspeit, sondern wie die heißen Dinger auch verschluckt?

ich denke, das, was du ein wenig euphemisierend einen "praktizierenden Christen" nennst, trifft sehr gut das, was unter einem "fundamentalistischen Christen" üblicherweise verstanden und zumindest in seiner US-amerikanischen Variante mittlerweile weltweit gefürchtet wird.

Glücklicherweise gibt es auch noch andere Auslegungsweisen dieses Buchs.


Monostratos, woher ihr Christen das immer nur herhabt, was da gemeint und was nicht gemeint ist, wo die ganze Praxis eures Glaubens eine ganz andere und meist eindeutige Sprache spricht :-)

Padreic
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Di 12. Apr 2005, 19:34 - Beitrag #19

@Ipsi
(nur kurz)
Aber wenn ich deren Gemeinsames finde, habe ich das Eigentliche des Christentums gefunden - die Suche nach Gott. Von da aus ist es dann sicher kein großer Schritt mehr zu der Einsicht, daß das Christentum dies mit seinen gesetzesreligiösen Brüdern und Schwestern gemeinsam hat, und sich mit ihnen zusammen als eine einzige Religion entpuppt.

Ein wenig mehr ist da schon. Namentlich das Christusereignis, inklusive dessen, dass Christus mehr war als nur ein Prophet. Zumindest das sollte als Gemeinsames aller christlich zu nennenden Interpretationen zu sehen sein. Und das ist schon etwas anderes als bei Judentum und Islam.
Mag sein, dass alle diese Religionen die selbe Quelle haben, ist sie denn real (und damit meine ich keine anthropologische). Aber trotzdem sind sie unterschieden.

Die katholische Kirche verfügte in der lateinischen Messe über ein solches Ritual. Es mußte Latein sein - hätte auch eine andere alte Sprache sein können -, weil das kaum jemensch verstand. Das Ritual nicht zu verstehen, aber seine Inhalte, große Inhalte, erahnbar zu machen, das ist das Geheimmis des Glaubens. Und das hat die KK leichtfertig dahergegeben, in der irrigen und von keinerlei psychologischer Erkenntnis beflecken Annahme, es ginge beim Glauben um die Inhalte. Vielmehr: je weniger es intellektuell zu fassen ist, desto mehr kann es mit - je und je subjektiv - erahnter Bedeutung aufgeladen werden.

Ich finde es auch recht schade, dass die katholische Kirche dieses Ritual aufgegeben hat...
'Glauben' kann man in einem (oder auch mehreren) engeren Sinne und in einem weiteren Sinne verstehen. Bezieht es sich nur auf das Gefühl des Glaubens (was sicherlich in jedem Glaubensbegriff zentral ist), dann hast du wohl recht. Aber gerade bei Leuten, die vielleicht nicht so schlichten Geistes ist, kann dieses Glaubensgefühl in einen engen Zusammenhang mit Glaubensinhalten (auch intellektuell verstanden) treten.
Zu sagen, dass es bei Glaube generell nicht um Inhalte ginge, kommt mir so ähnlich vor, wie zu sagen, dass es bei der Liebe generell nicht um den Geliebten ginge. Letzteres kann auch der Fall sein....aber nicht immer.

Padreic

Ipsissimus
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Mi 13. Apr 2005, 09:36 - Beitrag #20

hmm, das gemeinsame Element der Gesetzesreligionen sehe ich in der Idee des sich aus eigenem Antrieb seiner Schöpfung offenbarenden Gottes - das Christusereignis ist lediglich die spezifisch christliche Weise dieser Offenbarung (da ich kein Christ bin, fällt es mir natürlich einfacher, solche Fragen auf einem höheren Abstraktionsniveau zu behandeln als das ein Christ tun würde, der sich davon existentiell betroffen fühlt). Es ist vor allem bei der Lektüre der christlichen mittelalterlichen Mystiker - die natürlich nicht umsonst mehrheitlich als Ketzer qualifiziert wurden - durchaus auffällig, welche zunehmenden Schwierigkeiten sie im Laufe ihrer Meditationen und Kontemplationen haben, "Christus" und "Vater" oder "Gott" begrifflich noch sauber im Sinne des theologischen Dogmas zu trennen, oder anders gesagt, durch ihre "Erfahrung mit Gott" entlarvt sich ihnen auf existentieller Ebene diese dogmatische Trennung als Humbug - sehr ähnlich, wie dies auch bei Sufis und Kabbalisten zu beobachten ist.

Hinsichtlich der Glaubensinhalte fände ich es interessant zu untersuchen, wie eine spezifische Gläubigkeit und ein spezifisches Glauben entsteht - damit meine ich nicht die Bekenntnisse fundamentalistischer Christen sondern das psychologische Sezieren dieses Vorgangs. Später vielleicht, im Moment habe ich nicht die Zeit dafür.

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