Welche Art Kindheit macht zum "besseren Menschen"?

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Scipio
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So 24. Apr 2005, 13:56 - Beitrag #1

Abgetrennt aus dem Kindheits-Erinnerungen-Thread


Hat zwar nichts mit dem Thema zu tun, aber mich interessiert dennoch...

In wiefern glaubt ihr, dass man ein besserer Mensch ist nach einer schönen Kindheit?
Die Leute, die meinen Respekt in besonderer Weise ernten, sind nach meinen Erfahrungen meistens Leute, die es nicht leicht hatten.
So entwickelten "sie" besondere Charaktereigenschaften ( eher im emotionalem Sinne) und haben einen ausgeprägten und starken Charakter....

Ich kann mir beispielsweise vorstellen, dass Maurice durch seine unschöne ( wenn ich sie so nennen darf) Kindheit ein besserer(also zumindest nach meinen Vorstellungen, wie er das selbst sieht, weiß ich ja nicht...) oder zumindest ein interessanterer Mensch geworden ist als mit einer außerordentlich schönen Kindheit...

Maurice
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So 24. Apr 2005, 14:29 - Beitrag #2

Wenn du mich als einen interessanten Menschen einschätzt, dann danke ich für dieses Kompliment. Aber warum scheinst du dich nicht zu trauen, auf Grund der hier vorandenen Informationen den Standpunkt zu vertreten, dass ich interessant bin oder nicht? ;)
Also die meisten Menschen die mir begegnen finden mich langweilig und können mit mir wenig anfangen. Da dies aber auch in umgekehrter Richtung zutrifft, stört mich das nicht besonders. Ich habe mich daran gewöhnt und habe auch nicht das Interesse, dass ich zu einem Menschen werde, der viel unter Menschen ist.

Die Frage, die du hier in den aufwirfst, finde ich aber sehr interessant. Imo sollte man diesen Teil des Threads abtrennen und eine eigene Diskussion machen, damit die beiden Themen hier nicht durcheinander kommen.
Was meine Jugend angeht, so sehe ich die Distanz zu den meisten Menschen und vor allem von Gleichaltrigen nicht als Nachteil an. Ich bin froh, dass ich nie das Interesse an Partys und saufen hatte und nehme mir heraus wenigstens auf dieser Ebene über einigen anderen Menschen zu stehen.
Was meiner Entwicklung aber geschadet hat war das jahrelange Mobbing in der Schule und die Spannungen zu hause. Zum einen hat dies mein eigenständiges Denken gefördert, weil mich äußeren Einflüssen entzog und mich schon zu Ansätzen von philosophischen Überlegungen brachte, noch bevor das Interesse richtig ausbrach. Zum anderen hat es meinem Selbstwertgefühl geschadet. Ich habe in Diskussionen immer meine Meinung gesagt, wenn ich dies wollte und tue es auch heute noch, egal wie die Meinung der anderen ist. Selbstbewusst bin ich deswegen trotzdem nicht. In dieser Paradoxie steckt wohl der Versuch wenigstens auf der argumentativen Ebene den anderen überlegen zu sein.

Ich gehe daher davon aus, dass ich jetzt eine leistungsfähigere Person wäre, wenn mache Probleme gar nicht oder zumindest weniger aufgetreten wären. Ich glaube aber auch, dass ein Mensch verweichlicht, wenn er ohne jeglichen Widerstand aufwächst. Diese These halte ich damit bestätigt, dass viele Jugendliche über belanglose Probleme klagen, weil sie durch mangelnden Interlekt, der auch in der Auseinandersetzung gefördert wird, nicht begreifen, wie gut es ihnen geht.


PS: Dazu fällt mir ein Zitat von Schopenhauer ein:
Ganz er selbst sein darf jeder nur solange er allein ist. Wer also nicht die Einsamkeit liebt, der liebt auch nicht die Freiheit. Denn nur wenn man allein ist ist man frei.

e-noon
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So 24. Apr 2005, 15:06 - Beitrag #3

Welchen Einfluss eine gute oder schlechte Erziehung hat hängt auch davon ab, welche Anlagen man zusätzlich zu den Erlebnissen in der Kindheit mitbringt und wie man auf diese Erlebnisse reagiert. Wenn man eine sehr schlimme Kindheit hatte, zum Beispiel oft missbraucht oder seelisch gequält wurde von Menschen, die man liebte, ist es sehr schwer, dennoch später positive Bindungen an andere Menschen herzustellen. Andererseits kann es, wenn man es schafft, dies zu verarbeiten und darüber hinwegzukommen, auch dazu führen, dass man besonders sensibel wird und verstärkt auf ein angenehmes Umfeld und Freundlichkeit und Rücksicht anderen gegenüber achtet. Schlimme Erlebnisse können das Selbstwertgefühl schwächen, aber sie können einem auch die Gewissheit geben, dass man auch derart schwierige Situationen irgendwie durchstehen kann, und dieses Bewusstsein wiederum kann in späteren schwierigen Situationen hilfreich sein :)

Ein Manko in meiner Kindheit war zum Beispiel mein Vater, der oft sehr krank und die Medikamente manchmal nicht zurechnungsfähig ist. Ich hätte mir eher gewünscht, dass er noch öfter nicht da ist, und ziemlich darunter gelitten, dass er manchmal so seltsam war, ich ihn aber lieben sollte, als wäre nichts geschehen, wenn er wieder normal war. Dieser Konflikt besteht immer noch, aber ich habe mich inzwischen weitgehend von dem Anspruch frei gemacht, ihn lieben zu müssen, einfach weil er mein Vater ist, und versuche, Verständnis für ihn zu entwickeln. Und zwar in meinem Interesse, nicht in seinem. Das ist nicht leicht, aber wenn man gezwungen ist, sich mit einer ähnlichen Lage auseinanderzusetzen, erwächst daraus imo ein Verständnis für die individuellen Beweggründe anderer, das später wesentlich zur Verständigung und Konfliktlösung beitragen kann. Dass man die Gründe für das Handeln der anderen kennt und versteht, muss nicht heißen, dass man alles toleriert, aber es ist leichter, etwas zu ändern, wenn man die Ursachen einer Situation kennt.
Ich habe noch keine endgültige Lösung gefunden, aber momentan betrachte ich meinen Vater in seinen verschiedenen Geisteszuständen einfach als zwei verschiedene Personen, kann die eine in Ruhe verachten und mich mit der anderen normal unterhalten ^^
Trotzdem bin ich manchmal wütend auf meinen Vater, weil ich finde, dass er seiner Vaterrolle nicht gerecht wird. Mir wäre es immer noch lieber, wenn er in eine Klinik oder ein Kloster ziehen würde, aber ich habe Mittel und Wege gefunden, mich davon nicht so stark beeinflussen zu lassen. Ich kann traurig darüber sein, aber es ist nichts mehr, was mich verzweifeln lässt, und das ist meiner Meinung nach eine sehr wichtige Änderung in meinem Verhalten.


Mobbing in der Schule war in gewisser Hinsicht noch schlimmer als eine schwierige familiäre Situation. In der eigenen Familie kann man sich eher noch wehren, wütend oder ablehnend verhalten als in einer Gruppe gleichaltriger, die alle gegen einen sind. Morgens schon Angst vor dem Tag zu haben, sich am liebsten irgendwo verkriechen wollen und zu wissen, dass man in die Schule gehen muss , ist eine meiner übelsten Erinnerungen. Am schlimmsten ist, wenn die, die man als seine Freunde betrachtet hat, so tun, als wäre nichts, und einem nicht helfen. Für eine Krankheit kann man nichts, aber Mobbing gibt einem oft das Gefühl, selbst daran Schuld zu sein, weil man nicht gut genug ist, und macht einen misstrauisch gegenüber jeglichen sozialen Kontakten.- Obwohl es viele Menschen gibt, die ich mag, kenne ich nur zwei Menschen außer den blutsverwandten, denen ich vertraue.

Eine stabile Familie und eine glückliche Kindheit haben meiner Meinung nach eher einen positiven Einfluss als eine negative, aber auch mit einer schwierigen Kindheit ist es durchaus möglich, ein guter Mensch zu werden, wenn man sich Mühe gibt; mit Rückhalt und Selbstbewusstsein aus Familie und Umfeld hat man es meiner Meinung nach jedoch sehr viel leichter, dieses Ziel zu erreichen.

Anaeyon
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So 24. Apr 2005, 15:21 - Beitrag #4

Mh..was ist ein 'besserer Mensch'? Kann man sagen es sei besser, gewisse Dinge anders zu sehen, als wenn man ne andere Kindheit hatte?

Ich hatte ne tolle Kindheit, nie Stress mit Eltern, wurde zu nichts gezwungen. Jetzt bin ich, so wie ich mich selbst einschätze, ein sehr netter und geduldiger Mensch, wenn ich es sein will, dafür aber ziemlich faul.

Ne Freundin hat einen Alkoholiker als Vater, ritzt sich, hat verdammt wenig Selbstbewusstsein und es ist dementsprechend schwer, mit ihr zu reden, zumindest wenn das Thema ein bisschen ernster ist. Allerdings ist sie ziemlich fleissig, hat immer alle Hausaufgaben. Vielleicht weil sie oft Flaschen aus dem Keller holen musste, Hof fegen etc.

Hat wohl alles seine vor- und Nachteile. Ich denke es kommt weniger auf die Strenge der Eltern an, als darauf, wie sehr sie sich um das Kind kümmern.
Lieber ein Kind sehr streng erziehen, und ihm trotzdem Liebe zeigen, als es wie Luft zu behandeln.

Milena
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So 24. Apr 2005, 15:47 - Beitrag #5

diese Art von Frage macht keinen Sinn, sie beeinhaltet keinen vernünftigen Hintergrund, da sie zum ersten zu allgemeingültig gestellt ist, und nicht individuell, auch nur ansatzweise vernünftig beantwortet werden kann und zweitens ist natürlich die Kindheit von grosser, wenn nicht sogar von grösster Bedeutung bei der Entwicklung, Reifung eines Menschen, aber noch lange nicht ausschlaggebend und massgebend für die Charaktereigenschaft eines Menschen.
Aus einer beschissenen Kindheit kann sich genauso ein Mensch heraus entwickeln mit guten(besseren) Charaktereigenschaften, als auch ein sogenannter ´schlechter´Mensch( wobei ich nicht weiss, wie ich das interpretieren sollte), der eine super tolle, liebevolle Kindheit erlebt hatte.

Maurice
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So 24. Apr 2005, 16:26 - Beitrag #6

Aus einer beschissenen Kindheit kann sich genauso ein Mensch heraus entwickeln mit guten(besseren) Charaktereigenschaften, als auch ein sogenannter ´schlechter´Mensch( wobei ich nicht weiss, wie ich das interpretieren sollte), der eine super tolle, liebevolle Kindheit erlebt hatte.

Meinst du damit, was man sich unter "schlecht" vorzustellen hat?
Natürlich ist "gut" oder "schlecht" subjektiv bzw. intersubjektiv und vom Kontext abhängig. Am objektivsten würde ich es noch auf die allgemeine Formel bringen:
guter Mensch = der Allgemeinheit nützlich
schlechter Mensch = der Allgemeinheit schädlich

Da-Fe
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So 24. Apr 2005, 16:48 - Beitrag #7

Also ich muss/kann Milena da nur zustimmen. Ich glaube wie jemand mit seiner Kindheit fertig wird, sei sie nun "einfach" zu bewältigen oder schwer zu bewältigen, ist immer von der Person abhängig. Jemand, dessen Vater Alkohliker war, der die Kinder und Mutter verprügelt hat, dann nachdem er verlassen wurde die Familie verfolgt und tyrannisiert hat, so dass sie immer wieder umziehen mussten, inzwischen mit neuem "Vater" der sich rührend um die Kinder kümmerte, diese adoptieren und die Mutter heiraten wollte, der dann aber bei einem Unfall gestorben ist (ich nenne dieses Bsp. weil ich eine Person kenne der dies widerfahren ist), so jemand kann in eine Drogenkarriere abrutschen, vollkommen unauffälig bleiben, selbstmord begehen, ein sehr stiller mensch sein oder genau das Gegenteil... Ich denke, wie ein Mensch wird, hängt von seiner Persönlichkeitsstruktur UND seiner Kindheitsentwicklung ab.
Jemand, bei dem eigentlich alles normal bzw. toll gelaufen ist (wie auch immer man das jetzt definieren will) kann in meinen Augen aber genau die gleichen möglichen Entwicklungswege gehen (s.o)

Maurice
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So 24. Apr 2005, 16:54 - Beitrag #8

Ich denke, wie ein Mensch wird, hängt von seiner Persönlichkeitsstruktur UND seiner Kindheitsentwicklung ab.

was meinst du mit "Persönlichkeitsstruktur"? Wir die Persönlichkeit nicht erst durch die Erfahrungen geprägt und eben besonders aus denen der Kindheit?
Also ich würde es einfach auf die deterministsche Formel bringen:
Gene + Erfahrung -> Persönlichkeit

Da-Fe
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So 24. Apr 2005, 17:42 - Beitrag #9

Gene + Erfahrung -> Persönlichkeit

ja... das meinte ich, bzw. dem stimme ich zu. Wobei dann noch zu bemerken wäre, dass die "Art" der Gene auch ausmacht, wie die Erfahrung in Persönlichkeit umgewandelt wird.
Also:
Gene 1 + Erfahrungsmuster 1 -> Persönlichkeit 1
Gene 2 + Erfahrungsmuster 1 -> Persönlichkeit 2
=> gleiche Erfahrung, unterschiedliches Ergebnis
Ich hoffe, dass ich das jetzt nochmals richtig resümiert habe (?)

Milena
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So 24. Apr 2005, 17:54 - Beitrag #10

Persönlichkeit=zeichnet sich durch unterschiedliche Persönlichkeitszüge aus
=ein Muster von charakteristischen Gedanken, Gefühlen und Verhaltensweisen,
die eine Person von einer anderen unterscheiden und die über Zeit und Situation fortdauern.
fünf Faktoren, die eine wesentliche Rolle in der Beschreibung von Persönlichkeit spielen:
-Extraversion
-Verträglichkeit
-Gewissenhaftigkeit
-Neurotizismus
und Offenheit.
bei Ausprägung und Dominanz eines dieser Persönlichkeitsmerkmale und wenn bei einem auffälligen Persönlichkeitszuges das subjektive Befinden, die soziale Anpassung oder die berufliche Leistungsfähigkeit relevant eingeschränkt ist=Persönlichkeitsstörung=auch Störungen der zwischenmenschlichen Interaktion und Kommunikation.
Persönlichkeit haben eine komplexe Genese.
Die menschliche Person ist mehr als das Produkt von Anlage und Umwelt.
Sie ist immer auch das, was sie selbst aus den Anlagen und Umwelteinflüssen macht.
Aus psychodynamischer Sicht entstehen Persönlichkeitsstörungen hauptsächlich durch Störungen in den einzelnen frühkindlichen Entwicklungsstufen.
Aus der Sicht der Lerntheorie stellen Persönlichkeitsstörungen gelerntes Verhalten dar.(operantes Konditionierens).
Dadurch werden auf der kognitiven Ebene spezifische Überzeugungen verhärtet, die die Einstellung des Menschen zu sich selbst
und zur Umwelt prägen.
und jetzt das Eigentliche:
bislang war die Rede von Persönlichkeitsstörungen, die in der Kindheit oder Adoleszenz beginnen und im Erwachsenenalter andauern,
nun gibt es noch die Persönlichkeitsänderungen, die als Folge schwerer oder anhaltender Belastung, ernst zu nehmender psychiatrischer Störungen oder Hirnerkrankungen und-verletzungen erworben werden,
und somit es von deutlicher, zu unterscheidenter Relevanz sich auszeichnet, ob und wie sich ein Mensch, eine Persönlichkeit im Laufe seines Lebens noch entwickelt oder sich bereits entwickelt hat, und ob, wie ihr es nennt, er ein guter oder schlechter Mensch geworden ist, aufgrund einer guten oder schlechten Kindheit und es somit ein Ding der Unmöglichkeit ist den Menschen bei dieser Frage dieses Threades auf einen blossen Kamm zu scheren und auch nur ansatzweise den Versuch zu starten darauf eine befriedigende Antwort zu starten.

Maurice
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So 24. Apr 2005, 18:06 - Beitrag #11

@Milena:
Die menschliche Person ist mehr als das Produkt von Anlage und Umwelt. Sie ist immer auch das, was sie selbst aus den Anlagen und Umwelteinflüssen macht.

Ich finde diese Ausdrucksweise irreführend, wenn ich sie richtig verstehe. Ok wir werden hier wohl auch verschiedene Ansichten haben, was das Thema Willensfreiheit angeht. Ich vertrete ja bis auf weiteres einen Determinismus, bis mir jemand ein plausibles Konzept einer Akteurskausalität vorlegt, die weder die Umwelteinflüsse ignoriert, noch bloße Willkür postuliert.
Das "etwas aus sich machen" ist imo eine Selbstorganisation der Psyche, die die Erfahrungen verarbeitet unter Einfluss der genetischen Prägung.

@Da-Fe:
Gene 1 + Erfahrungsmuster 1 -> Persönlichkeit 1
Gene 2 + Erfahrungsmuster 1 -> Persönlichkeit 2

Imo wirkt diese Ausführung etwas missverständlich, weil man meinen könnte, dass in deinem Modell allein die Gene eine Rolle spielen. ;)

Wombat
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So 24. Apr 2005, 19:10 - Beitrag #12

Ich denke damit meint Milena folgendes:

Fallbeispiel 1:
Gene: schüchtern
Erfahrung: mobbing
--> eingeschüchtert ---> kein Selbstbewußtsein

Fallbeispiel 2:
Gene: schüchtern
Erfahrung: mobbing
--> läßt sich dennoch nicht unterkriegen --> "starke" Persönlichkeit

e-noon
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So 24. Apr 2005, 19:29 - Beitrag #13

@3T(aboo): Natürlich könnten dieselben Gene theoretisch zu verschiedenen Persönlichkeiten führen, die auf die gleichen Erfahrungen, wie zB. Mobbing, unterschiedlich reagieren. Dazu müssten sie aber imo zunächst unterschiedlichen Bedingungen (Erziehung, sonstige Umwelteinflüsse) ausgesetzt werden. Wenn zwei Menschen mit exakt den gleichen Genen exakt den gleichen Bedingungen ausgesetzt werden, dann müssen sie sich auch zu exakt den gleichen Persönlichkeiten entwickeln.

Maurice
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So 24. Apr 2005, 19:30 - Beitrag #14

@3T: Deine Ausführung ist imo auch irreführend. Auf mich macht das den Eindruck, als ob unter den selben Umständen unterschiedliche Persönlichkeiten entstehen könnten. Aber unter bestimmten Umständen kann sich immer nur eine Persönlichkeit entwickeln.
Deine Beschreibung kann natürlich der Fall sein, aber dann darf man auch nicht vergessen, dass auch andere Faktoren eine Rolle spielen und dass ihre Verschiedenheit in den einzelnen Fällen zu anderen Persönlichkeiten führen.

aleanjre
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So 24. Apr 2005, 19:40 - Beitrag #15

Die Zwillingsforschung hat doch längst bewiesen, dass gleiche Gene und exakt gleiche Umweltbedingungen trotzdem stets zwei verschiedene Persönlichkeiten hervorbringt. Eben weil es "exakt gleiche Umweltbedingungen" nicht gibt. Allein schon die Frage, welcher Zwilling im Mutterleib der dominantere war und sich besser entwickeln konnte, bringt unterschiedliche Temperamente hervor. Zwei verschiedene Persönlichkeiten mit unterschiedlichen Interessen!
Meine Kurze hat eineiige Zwillies im Kindergarten, die man optisch wirklich nur anhand der verschiedenfarbigen Zopfbänder unterscheiden kann. Die eine ist aufgeschlossen, neugierig, recht wild und manchmal auch ziemlich unsympathisch. :( Die andere ist schüchtern, ängstlich, kreativ begabt, und wesentlich umgänglicher. Und sie werden wirklich gleich behandelt, im Sinne das es keine Bevorzugung gibt.

Es ist einfach nicht möglich, dass zwei Menschen zu jedem Zeitpunkt 100% die gleichen Erfahrungen machen.

e-noon
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So 24. Apr 2005, 19:54 - Beitrag #16

Die Zwillingsforschung hat doch längst bewiesen, dass gleiche Gene und exakt gleiche Umweltbedingungen trotzdem stets zwei verschiedene Persönlichkeiten hervorbringt. Eben weil es "exakt gleiche Umweltbedingungen" nicht gibt.
Damit widersprichst du dir meiner Meinung nach, alea. Einerseits sprichst du von einem Beweis, dass gleiche Gene unter exakt gleichen Umweltbedingungen unterschiedliche Persönlichkeiten hervorbringen, andererseits sagst du, es gebe keine exakt gleichen Umweltbedingungen.
Niemand hat behauptet, dass es für zwei Personen exakt die gleichen Umweltbedingungen gebe, aber ich bin der Meinung, dass wenn es so wäre, sich diese zwei Personen nicht unterschiedlich entwickeln könnten. Sie würden einander absolut gleichen.

Und auch in der Zwillingsforschung gibt es verschiedene Ergebnisse; eineiige Zwillinge wuchsen zB. an verschiedenen Orten unterschiedlich auf, hatten jedoch verblüffend viele Parallelen in ihrer Lebensgeschichte. Das deutet darauf hin, dass auch die Gene eine sehr große Rolle spielen könnten, aber wie groß die Verteilung von Genen, Erziehung und Umwelteinflüssen ist, kann auch die Zwillingsforschung nicht ermitteln. Möglich wäre dies höchstens durch einen Versuch, in dem der Klon eines Menschen exakt denselben Bedingungen unterliegt wie das Original. Die Ergebnisse eines solchen Versuchs könnten meiner Meinung nach tatsächlich genaue Aussagen über die Gewichtung von Umwelt und Genen auf die Persönlichkeit eines Menschen machen.

Maurice
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So 24. Apr 2005, 20:01 - Beitrag #17

Nein selbst der Versuch mit dem Klon wäre keine Lösung, weil es an der Umsettung scheitern würde. Zweimal die Erfahrungen sind praktisch nicht möglich. Und allein über die Theorie lässt sich hier nicht viel beweisen.

e-noon
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So 24. Apr 2005, 20:15 - Beitrag #18

Klar geht das nicht ^^ wolltes nur mal gesagt haben. Dazu müsste man schon ein Paralleluniversum oder ähnliches bemühen, mit zweimal den gleichen Genen, Umwelteinflüssen... unwahrscheinlich. Dennoch, als Gedankenexperiment taugt es imo ;)

Maurice
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So 24. Apr 2005, 23:14 - Beitrag #19

Wobei ich mir nicht sicher bin, ob der Schluss aus diesem Gedankenexperiment nicht tautologisch wäre. Ein Determinist würde sagen, dass die Person unter den exakt identischen Bedingungen identisch handeln würde, wie das Vorbild. Jemand der an dem Determinismus zweifelt, würde das wohl in Frage stellen, auch wenn das dem Deterministen unlogisch erschiene. Zumindest ist das meine Einschätzung.

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Mo 25. Apr 2005, 00:31 - Beitrag #20

Milena,
deine Beschreibung von "Persönlichkeit" und Persönlichkeitsentwicklung scheint mir die richtige.
Die pränatalen, frühkindlichen und kindlichen Erfahrungen sind die Ressourcen und gleichzeitig die Belastungen, mit denen wir ein Leben lang umgehen können und müssen. Viele Menschen haben aber keine Erinnerung an diese Erfahrungen, weil sie zu jung waren, damals, oder weil sie sich nicht erinnern dürfen.
Es sind manchmal die kleinen Dinge, die uns prägen.

Die Erlebnisse der Teenagerzeit oder des Erwachsenenalters sind dafür normalerweise viel präsenter und auch besser zu integrieren.

Sich-Erinnern-dürfen, liebevolle Zuwendung und Freiheit während des Heranwachsens - ich glaube, das sind die "Zutaten", die einen Menschen ausmachen, der mit sich eins ist.


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