Toleranz

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e-noon
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Mi 11. Mai 2005, 19:12 - Beitrag #1

Toleranz

Heute im Unterricht haben wir unter dem Thema Aufklärung den Begriff Toleranz etwas näher beleuchtet, und dabei hat mein Geschichtslehrer eine imo sehr seltsame Erklärung des Begriffs geliefert. Ich wollte gerne mal eure Meinung dazu hören :)

Ist Toleranz

a) Wenn man die Meinung anderer akzeptiert und sich freut und gutheißt, dass es andere Meinungen gibt oder

b) schon, wenn man die Meinung anderer zulässt, ob man sie nun gutheißt oder ihr gleichgültig bzw. mißbilligend gegenübersteht?

Zwei Beispiele dafür waren

1. für a) Herr Schröder hat in der CDU eine Opposition, deren Meinung nicht der seinen entspricht, aber er heißt es letztlich gut, dass es Opposition gibt, und ist erst dadurch tolerant.

2. für b) Ich finde es, gelinde gesagt, seltsam zu glauben, durch den Verzicht auf Schweinefleisch könne man in den Himmel kommen, und mir wäre lieber, wenn niemand diesem Glauben anhängen würde; dennoch lasse ich es zu, wenn andere diesen ihren Glauben ausleben, lasse sie es glauben, habe deswegen keine Vorurteile über ihren sonstigen Charakter und bin allein dadurch schon tolerant.

Meiner Meinung nach zeugen beide Beispiele von Toleranz, und auch das Fremdwörterbuch gibt die von dem lateinischen Wort "tolerare"=ertragen kommende Bedeutung "zulassen, ertragen" an. Vielleicht irren jedoch auch das Wörterbuch und ich (und drei weitere Lehrer, die ich zu dem Thema gefragt habe und die ebenfalls meiner Meinung waren), und mein Geschichtslehrer hat die "richtige", dh. offizielle, meistgebrauchte Definition gegeben. Wie seht ihr das?

Traitor
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Mi 11. Mai 2005, 19:17 - Beitrag #2

Ich irre ebenso wie du, das Wörterbuch und die anderen Lehrer.

Wo kämen wir denn hin, wenn man sich über Gegenmeinungen stets freuen müsste? Man kann sich darüber freuen, dass das Gegenüber seinen Verstand benutzt und nicht blind alles schluckt, was man behauptet. Aber dass er dabei zu einer gegenteiligen Schlussfolgerung kommt - in den meisten Fällen auch ohne dass man selbst den Weg zu dieser nachvollziehen kann - muss und sollte man nicht gutheißen. Ansonsten würde man ja jeden Antrieb verlieren, die eigene Meinung kundzutun, was Voraussetzung dafür ist, etwas zu bewegen.

Fib
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Mi 11. Mai 2005, 19:59 - Beitrag #3

Meine Meinung zu Toleranz ist: wenn man zum Beispiel Arbeitskollegen hat, mit denen man nicht klar kommt, oder diese gewisse Angewohnheiten haben die man selbst nicht nachvollziehen kann, dass man sich zwar eine Meinung drüber bildet, und sich auch ehrlich mit anderen drüber austauscht (nicht lästern sondern einfach nur sagen!) aber demjenigen nicht damit schadet. Dies ist eins meiner Lebensmottos. Etwas zu tolerieren heißt für mich es "genemigen" drüber hinwegsehen egal um was es geht und der Person auf keinen Fall zu schaden.


***mein erster Beitrag lol ***

aleanjre
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Mi 11. Mai 2005, 21:31 - Beitrag #4

Ich habe deinen Text jetzt so verstanden, dass dein Geschi - Lehrer meint, man müsse sich über die entgegengesetzte Meinung recht herzlich freuen, erst dann ist man tolerant?

Ist doch Quatsch. "Fehlverhalten tolerieren" ist eine stehende Redewendung. Natürlich kann ich gutmütig ertragen, dass meine Nachbarinnen gerne am Fenster stehen und die Straße beobachten, aber muss ich mich freuen, dass sie minutiös meine Bewegungen nachvollziehen können? Nein! Ich bin auch so schon tolerant, weil ich ihnen ihren Lebensstil nicht vorwerfe.

Also, noch einmal zur Sicherheit: Für deinen Lehrer war nicht das ertragen einer anderen Meinung entscheidend, sondern die eigene Freude darüber?

Maurice
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Mi 11. Mai 2005, 22:04 - Beitrag #5

Früher habe ich "tolerieren" und "akzeptieren" gleichgesetzt, bis mich Nuriko auf den Unterschied hingewiesen hatte, mit dem Verweis auf seinen Duden (iirc).
Demnach heißt tolerieren nur etwas zulassen, während akzeptieren heißt, dass man dieses zusätzlich auch gutheißt.
Stimmen wir darin überein?

Ipsissimus
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Do 12. Mai 2005, 02:10 - Beitrag #6

zum Tolerieren zählt für mich das eigene negative Beeinflußtsein. Erst wenn ich persönlich durch einen Sachverhalt beeinträchtigt werde, würde ich davon sprechen, ihn dennoch tolerieren zu können. Da wo diese Beeinträchtigung fehlt, würde ich von Akzeptanz oder gegebenenfalls von Gutheißen sprechen (Akzeptanz kann dden Sachverhalten gegenüber auch gleichgültig sein)

sledge
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Do 12. Mai 2005, 02:46 - Beitrag #7

ich schliesse mich mal im Großen und Ganzen Maurice an : -)

Freyja
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Do 12. Mai 2005, 12:40 - Beitrag #8

Wenn ich alles, was ich toleriere auch gutheißen würde, dann wär ich ja von meiner eigenen Meinung überhaupt net überzeugt. Würde sie für falsch halten.

Ein ganz banales Beispiel: Ich mag nur rote Gummibären, jetzt kommt mein Nachbar und sagt, iss doch lieber die grünen. Vorher war ich überzeugt, daß die roten die besten sind. Nu ess ich aber aus lauter Toleranz die grünen, weil ich mich so über die Ansichten von meinem Nachbarn freue. Das hat für mich nix mit Toleranz sondern mit A****kriechen zu tun.
Ansonsten seh ich das so wie Ipsissimus

Traitor
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Do 12. Mai 2005, 18:35 - Beitrag #9

In Sachen "akzeptieren" gegen "tolerieren" schließe ich mich eher Ipsi als Maurice an. Eine typische Redewendung ist etwa auch "Nun gut, ich verstehe es nicht, aber ich akzeptiere es dann halt einfach mal." In dieser Verwendung hat akzeptieren in etwa die Bedeutung von "als zulässig anerkennen, ohne die Legitimiertheit weiter zu überprüfen".

e-noon
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Do 12. Mai 2005, 18:44 - Beitrag #10

Danke für die vielen Antworten :) Alea, ich glaube, seiner Meinung nach muss man sich nicht über die gegensätzliche Meinung freuen, sondern darüber, dass jemand eine andere Meinung hat. Ganz sicher bin ich mir da nicht, aber so habe ich es zumindest verstanden.

@Ipsi: Du meinst also, es muss im Gegenteil gegeben sein, dass man einer Meinung ablehnend gegenübersteht bzw. sie nicht gutheißt, um sie trotzdem tolerieren erkönnen? Also ich muss mich erst in irgendeinem Sinne davon gestört fühlen, um tolerant zu sein? Ich könnte nachvollziehen, dass man die Meinung nicht unterstützen darf, um tolerant zu sein, da sich ja die wenigsten über das beschweren würden, was sie gut finden; aber ist man nicht auch tolerant, wenn einem etwas gleichgültig ist und man es zulässt?

Ich drucke die Diskussion hier wohl einfach mal aus und gebe sie morgen meinem Geschilehrer, vielleicht ist er ja offen dafür, nochmal über die Sache nachzudenken :)

Maglor
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Do 12. Mai 2005, 18:54 - Beitrag #11

Um auch noch ein klärendes Beiwerk darzubieten:

Es die da die Frage, ob man Fehlverhalten, Irrmeinungen etc. erträgt und einfach hinnimmt, oder ob man sie verbietet oder gegen sie vorgeht.
Wenn man jede Meinung und jedes Verhalten einfach hinnimmt, so verfällt man zwar nicht der Gleichgültigkeit sondern Teilnahmslosigkeit. Im Grunde ist man unzufrieden, weigert sich aber die Dinge zu ändern. Akzeptieren hingegen bedeutet, dass man mit der Sache zufrieden ist und sie auch sinnigerweise nicht ändern möchte.

MfG Maglor

e-noon
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Do 12. Mai 2005, 19:24 - Beitrag #12

Das, denke ich, trifft es nicht so ganz. Eine meiner Meinung nach Irrmeinung wie etwa die eines Fundamentalisten, dass die Erde von Gott in sieben Tagen geschaffen wurde und es keine Evolution gab, kann ich nicht gutheißen oder aus meinem Weltbild heraus anders bezeichnen als Schwachsinn. Dennoch kann ich es zulassen, dass andere Menschen so denken, ich kann sie tolerieren, ohne dadurch teilnahmslos oder gleichgültig zu werden ;)

Stalker
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Do 12. Mai 2005, 20:25 - Beitrag #13

Wenn man etwas als Schwachsinn bezeichnet, toleriert man es eben nicht, sondern lehnt es ab. Man kann tolerieren, was man einem persönlich nicht gefällt oder der eigenen Meinung zuwiederläuft, sobald man aber beleidigt (Und nichts anderes liegt da vor) ist dies keine Toleranz mehr.

Da-Fe
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Do 12. Mai 2005, 20:26 - Beitrag #14

1. für a) Herr Schröder hat in der CDU eine Opposition, deren Meinung nicht der seinen entspricht, aber er heißt es letztlich gut, dass es Opposition gibt, und ist erst dadurch tolerant.

2. für b) Ich finde es, gelinde gesagt, seltsam zu glauben, durch den Verzicht auf Schweinefleisch könne man in den Himmel kommen, und mir wäre lieber, wenn niemand diesem Glauben anhängen würde; dennoch lasse ich es zu, wenn andere diesen ihren Glauben ausleben, lasse sie es glauben, habe deswegen keine Vorurteile über ihren sonstigen Charakter und bin allein dadurch schon tolerant. .


hmmm imo handelt es sich bei a) um eine Form des Akzeptierens, bei b) um eine Form der Duldung bzw. der Toleranz...

e-noon
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Do 12. Mai 2005, 20:46 - Beitrag #15

@Da-Fe: Das müsste sich imo genau mit Maurices Definition decken, mit meiner.
@Stalker: Ich würde diese Meinung nicht beleidigen, das war natürlich zu krass ausgedrückt. Ich meine, gesetzt den Fall ich würde gegenüber einem Moslem zwar seine Meinung ablehnen, aber diese Meinung zulassen, seine Meinung als in meinen Augen unwahr und seltsam bezeichnen, aber sie nicht beleidigen und nicht diskriminieren. Dann wäre ich doch nicht intolerant?

Natürlich bin ich auch nicht omnitolerant, zB. finde ich es nicht nur schwachsinnig, Frauen zu unterdrücken, weil irgendwo was so geschrieben steht oder weil es schon immer so war, ich würde es auch nicht tolerieren. Da wäre zB. meine Toleranzgrenze, wenn ich etwas nicht mehr zulasse.

Maglor
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Fr 13. Mai 2005, 12:32 - Beitrag #16

e-noon, der Schlüssel zur Lösung deines Problem, wäre die Erkenntnis, dass man nicht einfach zwischen toleranten und intoleranten Menschen unterscheiden kann.
Wenn man eine schwachsinnige Meinung toleriert, so duldet man sie nur, obwohl man sie eigentlich ablehnt. Vielleicht sollte man es an wirklich krassen Beispielen erklären. Sollte man zum Beispiel Atomraketen auf deutschen Boden tolerieren?
Man ist ja ein durchaus intoleranter Mensch, wenn man die 150 Eier nicht akzeptiert. Überhaupt tun das nur intolerante Menschen, die sich dem Fortschritt verweigern und auch sonst gegen alles und jeden sind.(Hier soll jetzt aber bitte keine Diskussion über Sinn und Unsinn atomater Sprengköpfe entstehen!)
Akzeptiert man in Deutschland stationierte Atomwaffen, so hat man im Grunde gar nichts gegen sie. Toleriert man sie nur, so ist man im innersten gegen sie, doch läßt davon ab vor den Stützpunkten zu demonstrieren, spricht man zeigt seine Abneigung nicht.
Toleriert nun Kanzler Schröder die Kritik der Opposition, die er eigentlich nicht akzeptiert also annimmt, so kann er auch die trotzdem die Existenz der Opposition als Verband "netter" und "tüchtiger" Menschen akzeptieren. Wer eine Opposition als solche aber nur tolerieren würde, würde zwar den demokratischen Geist nicht mit Füßen treten doch eigentlich nicht teilen.

MfG Maglor

e-noon
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Di 17. Mai 2005, 17:58 - Beitrag #17

Genau so sehe ich das doch auch :)
Auch deinem ersten Satz stimme ich zu, dabei möchte ich nur anmerken, dass es hingegen sehr wohl möglich ist, zwischen tolerantem und intolerantem Handeln zu unterscheiden, was du ja dann auch tust.
Die meisten Menschen handeln sowohl tolerant als auch intolerant, daher kann man nicht pauschal sagen, ob eine Person nun eher tolerant oder eher intolerant ist. Die wenigsten tolerieren, wenn ihnen Unrecht zugefügt wird, während die meisten Menschen in Deutschland (so hoffe ich zumindest) Menschen mit anderer Hautfarbe, Religion usw. nicht nur tolerieren, sondern auch akzeptieren.
Ich kann zB. nicht akzeptieren, dass man nur durch den Verzicht auf Schweinefleisch in den Himmel kommen soll, jedoch kann ich diese Meinung tolerieren, solange sie mir nicht aufgedrängt werden soll.

Leider hält mein Geschilehrer eine solche Diskussion im Großen und Ganzen für überflüssig, denn "es ist ja gerade das schöne an den Geisteswissenschaften, dass jeder seine Begriffe verschieden verwenden kann und gewisse Freiheiten hat".
Ja, sehr schön, aber wundern Sie sich nicht, wenn Sie niemand mehr versteht.


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