Biologische 'Annäherung' des Begriffes 'Liebe'

Auf der Suche nach dem Sinn des Lebens und der Wahrheit.
C.G.B. Spender
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Mi 11. Mai 2005, 08:33 - Beitrag #21

Zitat von epidemie:"Liebe ist ein vom Körper unterbewusst erzeugtes Gefühl. Hierbei signalisiert der Körper, dass die Person, die vom Organismus geliebt wird, als ein gutes Gegenstück zu Fortpflanzungszwecken angesehen wird. Das Gefühl 'Liebe' ist also ein vom Körper eigens kreiertes Gefühl um zwei Individuen aneinander zu binden um dem Nachwuchs ein Überleben zu ermöglichen."
Unterbewußt mag das Gefühl durchaus sein. Man kann es jedoch mit dem Bewußtsein, einem starken Verstand und Willen in Griff bekommen. Darin zeigt sich, dass Liebe einen nicht unter Kontrolle haben muß, selbst wenn dieses Gefühl unterbewußten Ursprungs ist, was ich nicht bezweifeln will. Das Unterbewußtsein hat durchaus seine Stärken, reagiert unter bestimmten Umständen klarer und schneller als der Verstand. Leider stehen diese Gefühle und Instinkte oft im Widerspruch zu den Möglichkeiten, die sich den Liebenden in bestimmten Lebensituationen bieten. Es zeigt sich für mich, dass bei der Liebe, wie bei vielen anderen Dingen, ein gewisses Gleichgewicht gut ist, denn sowenig wie hemmungsloser Sensualismus und Hedonismus auf Dauer gut sind, sowenig wird alleine der kühle Verstand zum Glück führen.

Liebe ist mehr als die Fortpflanzungstriebe und die Erhaltung der Art. Liebe ist das universelle Werkzeug, um dem Leben inmitten der gleichmütigen Natur einen Sinn zu geben. Liebe ist eine soziale Evolution.

Ipsissimus
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Mi 11. Mai 2005, 10:32 - Beitrag #22

Liebe ist eine soziale Evolution.


ein sehr schönes Bonmot, Spender :-) Mit R und kleinem e hätte es mir noch besser gefallen :-)

Doch, indes, Du unterschätzt mich, der dieses schreibt, selbst an der Liebe leidend und damit lebend und dies nicht missen möchtend als um den Preis der Erlangung des, wonach die Liebe strebt.


nein, janw, ich unterschätze dich nicht, denn nicht von dir kommend befürchte ich solches; ebensowenig empfinde ich den Wind des Utilitarismus von dir mitgetragen :-)

Es ist ein Trugschluss, zu glauben, das Wissen entzaubere die Welt. Für mich wächst dadurch eher schon die Ehrfurcht vor dem, was als Leben so vielfältig in Erscheinung tritt.
Und die Einsicht in die Verwundbarkeit dessen, wes Ende es wär, würde man es so gestalten wie Du es fürchtest.


mag ich gerne glauben. Sehne ich mich manchmal danach, glauben zu können. Aber weil du ja das Leben und das Dasein mit Ehrfurcht betrachtest, zählst du ja auch nicht zu jenen, die das Problem darstellen. Und für jene, die das Problem darstellen, ist die großindustrielle Steuerung von menschlichen Emotionen, so sie denn möglich sein wird, eine Selbstverständlichkeit. Von einem ersten, wenn auch noch kruden Schritt in diese Richtung kann mensch bei http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/0,1518,354671,00.html nachlesen, wobei ich die Aufmerksamkeit nicht auf die technischen Schilderungen sondern die impliziten Selbstverständlichkeiten der aussagenden Personen lenke möchte.

e-noon
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Mi 11. Mai 2005, 15:59 - Beitrag #23

Ich würde gern, ein ganz klein wenig, den Utilitarismus verteidigen ^^
Indem ich utilitaristisch denke, strebe ich zwar prinzipiell immer das an, was dem größten Nutzen dient, aber welcher Nutzen das ist, liegt darin noch nicht beschlossen. Wenn man den größten Nutzen für sich selbst darin sieht, reich zu werden, weil man sich davon Glück und Zufriedenheit erhofft, strebt man als (Individual-) Utilitarist auf dieses Ziel zu. In meinem Fall aber ist zum Beispiel eines der höchsten Ziele die Liebe selbst, und die Liebe anzustreben oder festzuhalten, wird wohl nicht verurteilt werden?

Im biologischen Sinne ist Verliebtheit wohl nur ein neuronaler Zustand, Liebe eine Erweiterung dessen durch das bessere Kennen des anderen und die Akzeptanz seiner schlechten Seiten, aber wiederum ein neuronaler Zustand.

Dennoch kann die Bedeutung der Liebe selbstverständlich auch für Materialisten, Mechanisten, Utilitaristen oder wai weit darüber hinausgehen und persönlich von großer Bedeutung sein. Das Wissen-wollen der Beweggründe und Mechanismen schließt die Freude und Dankbarkeit über das Gefühl nicht aus!

janw
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Mi 11. Mai 2005, 16:34 - Beitrag #24

e-noon, Liebe ist wenn kein neuronaler Zustand, sondern Folge, Ausdruck einer solchen, nach weiterer Verarbeitung.

Das Konstrukt Deines Gehirns, welches Du Dein Ich nennst, darf gerne utilitaristisch sein, solange es nicht mit anderen ebenfalls utilitaristisch ausgerichteten Ichs kollidiert :P
Und überhaupt, es sollte lieb zu allen anderen Ichs sein ;)

Im Ernst: Ipsi hat nicht Unrecht, von einem allein auf Nützlichkeitserwägungen und Kostenkalkulationen basierenden Weltbild gehen heute mit die größten Gefahren aus, für menschliche Gemeinschaften wie auch für die Natur.

Maurice
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Mi 11. Mai 2005, 21:18 - Beitrag #25

@Rosalie:
Sicher hinterläßt die Liebe "biologische Spuren" im Menschen, aber Liebe ausschließlich auf die Biologie zu reduzieren würde dieser Urkraft des Universums

Warum sollte die Liebe eine solche Kraft sein? Oder sind die folgenden Sätze die Begründung gewesen? (siehe folgendes Zitat)

Stellt Euch unsren Planeten ohne Liebe vor .... nicht nur die erotische Liebe, sondern auch alle andren Varianten ... Könnt ihr Euch so ein Leben vorstellen? Ich denke nicht! Wo keine Liebe, da Gleichgültigkeit, da zählen ausschließlich die eigenen Interessen

1. Ja ich kann mir einen solchen Ort vorstellen und es ist keine schlimme Vorstellung.
2. Aus einem Mangel an Liebe resultiert keine Gleichgültigkeit, weil das Individuum immer noch seinem Überlebenstrieb folgen würde und diesem besser in Gruppen, als alleine nachkommen kann. Aus dieser Überlegung würde Interesse an anderen Individuun resultieren, wenn diese auch "nur" Mittel zum Zweck wären.
3. Egal wie du es drehst, es zählen immer nur die eigenen Interessen. Wir werden nicht gegen alle unsere Interessen handeln können. Das heißt aber nicht, dass das Objekt meines Interesses ausschließlich meine Glücksmaximierung sein muss, sondern es auch möglich ist, dass es mein Interesse ist, das Wohlergehen eines anderen zu fördern. Mein Interesse bleibt dadurch immer noch mein Interesse und ich werde das Wohlergehen einer Person nur dann fördern, wenn es mein Interesse ist und sonst nicht.

@Ipsi:
In diesem Forum herrscht stellenweise ein eisiger utilitaristischer Wind.

Willst du damit sagen, dass Utilitarismus immer "eisig" ist oder dass er nur hier im Forum eisig ist. Ersteres ist prinzipell falsch und resultiert aus einem Unverständnis dieser Ethik. Über letztere These müsste man seperat diskutieren.

Also, entziehe bitte der "Neugierde der Forscher" das Geld, mit dem sie gefördert werden. Entziehe ihnen die Aussicht, daß sie mit den Ergebnissen ihrer Forschung wieder Geld einspielen, und du erlebst, wie weit Neugierde Erwachsene treibt: exakt null Millimeter über das ökomomische Kalkül hinaus.

Gewagte These die du nicht beweisen kannst. Nur weil die Forscher, denen du das Geld entziehst nicht mehr weiterforschen, heißt das nicht, dass alle Forscher so sind. Es soll im Laufe der Menschheitsgeschichte angeblich Menschen gegeben haben, für die Wissenschaft Selbstzweck war, genauso wie es auch solcherlei Künstler, Philosophen etc. gegeben haben soll. In deinen Augen nur Märchen?

@Janw:
Ipsi hat nicht Unrecht, von einem allein auf Nützlichkeitserwägungen und Kostenkalkulationen basierenden Weltbild gehen heute mit die größten Gefahren aus, für menschliche Gemeinschaften wie auch für die Natur.

Janw vielleicht solltest du dich mal mit dem Thema Utilitarismus beschäftigen, denn deine Aussage ist ein Musterbespiel für jemanden, der den Utilitarismus NICHT VERSTANDEN hat.

Es ist ein Trugschluss, zu glauben, das Wissen entzaubere die Welt.

Ob die Wissenschaft die Welt entzaubert, liegt alleine im Auge des Betrachters. Für manche entzaubert sie die Welt, für andere wiederum nicht, zu denen unter anderen du und ich gehören.

e-noon, Liebe ist wenn kein neuronaler Zustand, sondern Folge, Ausdruck einer solchen, nach weiterer Verarbeitung.

Wenn Emotionen kein neuronaler Zustand sind, was sonst? Wenn Emotionen nicht materiell sind, dann müssen sie immateriell sein und dann haben wir wieder den klassischen Dualismus. Dass dieser schwerwiegende Probleme mit sich zieht, sollte dir bewusst sein.

C.G.B. Spender
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Do 12. Mai 2005, 06:33 - Beitrag #26

Zitat von Ipsissimus:
Zitat:
Liebe ist eine soziale Evolution.
ein sehr schönes Bonmot, Spender :-) Mit R und kleinem e hätte es mir noch besser gefallen :-)
Nun, ich glaube das jede Evolution eine sanfte Revolution ist. :)

Der Artikel aus dem Spiegel würde mich erschrecken, wenn ich nicht schon vor etwa 15 Jahren von Forschungen ähnlicher Art gehört hätte. Interessant ist dabei auch die Reaktion der allermeisten Menschen, wenn man ihnen sagt, dass das Militär an bestimmten Projekten arbeitet, die die Beeinflussung menschlicher Gedanken zum Ziel haben. Man wurde von den meisten als Spinner oder Verschwörungstheoretiker abgestempelt.
Von einem ersten, wenn auch noch kruden Schritt in diese Richtung kann mensch bei http://www.spiegel.de/wissenschaft/...,354671,00.html nachlesen, wobei ich die Aufmerksamkeit nicht auf die technischen Schilderungen sondern die impliziten Selbstverständlichkeiten der aussagenden Personen lenke möchte.
Diese Selbstverständlichkeiten offenbaren die wahre Natur der aussagenden Personen. Sie machen das Ganze jedoch auch öffentlicher und damit kann das Thema weniger leicht als Unsinn abgetan werden. Das mit dem Getränkeautomaten finde ich noch bizarrer. Irgendwie keimt in mir dabei die Lust,
so ein Gerät mit einem großen Hackbeil zu bearbeiten. :evil:

Bestimmtes Wissen entzaubert die Welt keineswegs. Allerdings ist die Liebe dabei für mich ein wenig ein Tabu. Ich befürchte, dass sie einen Teil ihres Zaubers verlieren könnte und das obige Beispiel von Ipsissimus verdeutlicht nur allzu gut, wie man mit künstlich erzeugten Emotionen Menschen unter totale Kontrolle bringen kann. Das Wissen für diesen Zweck liefert die Wissenschaft. Aufklärung ist nicht immer eine Befreiung, davon bin ich überzeugt.

Maurice
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Do 12. Mai 2005, 07:55 - Beitrag #27

Wie soll denn so eine totale Kontrolle aussehen? Da müsste man den entsprechenden Menschen schon an eine Maschine anschließen.
Abgesehen davon macht es nach der Identitätstheorie keinen Unterschied in der Emotion, ob sie durch eine externe Sache über natürlichen Wege entsteht, oder durch direkte gezielte Reizung der Neuronen.
Ich kann mir dabei nicht vorstellen, wie man einen Menschen mit letzterer Methode vollständig kontrollieren will, ohne ihn an eine große Maschine anzustellen. Ich bezwefle, dass ein kleiner Chip Zugriff auf alle nötigen Neuronen haben könnte. Generell ausschließen möchte ich es nicht, aber es kommt mir dennoch äußerst unwahrscheinlich vor.

Den Artikel habe ich noch nicht gelesen, werde das aber wohl noch nachholen.

PS: Da fällt mir ein, dass ich vor einiger Zeit in einem anderen Thread eine biologische Erklärung von "verliebt" gepostet hatte, die aus meinem Bio-Reader stammte. Weil das hier eigentlich auch reinpasst, poste ich das hier nochmal:
Verliebtheit wird in vielen Kulturen als Krankheit bezeichnet. Dieser Zustand hat in der Tat mit der Stressreaktion vieles gemein, nämlich Shclaflosigkeit, Unruhe, Schweißausbrüche, trockener Mund, Hände- und Kniezittern, Eintrübung der Gedanken und Konzentrationsschwäche. Verliebtheit wird weitgehend von unbewusst wirkenden Reizen bestimmt, wozu auch Achselschweiß als Phermon, die emotionale Tönung der Stimme, das Aussehen, die Körperhaltung, Augen und Blick gehören. [...]
In seinem Artikel "What is love, medically speaking" entwickelt Seeley (1999) ein Zwei-Stufen-Modell für den Verlauf von Liebesbeziehungen. Das Geschehen beginnt in diesem Modell mit einer Phase des "Betörens" und geht dann (sofern es dazu kommt) in eien Phase der "Bidnung" ("attachment phase") über. Die "Betörungsphase" ist durch ein erhöhtes Lebensgefühl ("im siebten Himmel schweben"), intensive Hinwendung zu einer Person und Sehnsucht gekennzeichnet. Neurochemisch gesehen sieht Seeley Oxytocin hierbei als zentralen Wirkstoff an. Wie berichtet, gilt Oxytocin seit längeren als "Bindungshormon". Es aktiviert Zell-Oberfläschen-Proteine im Nucleus accumbens, was die Freisetzung von Dopamin und endogenen Opiaten zur Folge hat. [...]
Besonders charakteristisch für den Zustand der Verliebtheit ist das, was man wissenschaftlich-trocken (Kontextkonditionierung" nennt, aber auch wie bei Furcht und Angst als "Gefühls-Diffusion" bezeichnen kann. Das Hochgefühl, das mit dem Verliebtsein einher geht, breitet sich aus und überträgt sich auf die Umgebung: Alles sieht schöner aus, die Welt wird optimistischer (durch die berühmte rosarote Brille) gesehen. Die heftige Zuneigung zur geliebten Person überträgt isch auf Dinge, die mit ihr zu tun haben, auch wenn díese an sich völlig neutral sind: DAs Haus und die Straße, in der sie/er wohnt. Man ist überwältigt von Erinnerungen beim erneuten Anblick der Parkbank, auf der man mit ihm/ihr saß, dem Restaurant, in dem man zu Abend aß und so fort. Dies ist bei Furchtkonditionierung und Angstentstehung nicht anders. Es fällt später, auch wenn die Verliebtheit längst vorbei ist, schwer, durch die Straße, an der Bank und am Restaurant vorbeizugehen, ohne ein gewisses schmerzhaftes oder wehmütiges Gefühl zu empfinden, das relativ inhaltsleer sein kann.
Leider - oder zum Glück - ist die Phase der Verliebtheit zeitlich begrenzt. Nach Basar und Mitarbeitern (Basar 2003) dauert die Phase des Verliebtseins gewöhnlich drei bis zwölf Monate. [...]
Jedoch ergibt sich, wenn die betörende Wirkung des PEA und damit das Gefühl des Verliebtseins abnehmen sollten, für die Liebenden die Chance, in die nächste Phase der Bezeiehung einzutreten, nämlich diejenige der tieferen Bindung. Diese ist offenbar - wie bereits gehört - vornehmlich mit der Ausschüttung des Neuropeptids Oxytocin verbunden, das nicht umsonst "Bindungshormon" genannt wird und beim Entstehen der Eltern-Kind-Beziehung eine große Rolle spielt. Zweifellos hat die Liebe zwischen zwei Erwachsenen viel mit der Liebe zwischen Eltern und Kindern gemeinsam. Selbstverständlich kommen hierbei viele andere emotionale und kognitive Komponenten hinzu, und ob es für die Hirnforschung mit der Aufklärung der neurobiologischen Grundlagen von Liebe so "einfach" ist wie mit Verliebtsein (wo auch noch nicht das letzte Wort gesprochen ist), sei dahingestellt.

Ipsissimus
Dämmerung
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Fr 13. Mai 2005, 00:28 - Beitrag #28

ich verarge dem Utilitarismus, daß er eine selbsterfüllende Prophezeiung ist.

Ich gebe dem Obdachlosen Geld. Ich fühle mich gut danach. "Aha", triumphiert der Utilitarist, "du gibst, damit du dich gut fühlst." Das ist nicht wiederlegbar, meine Beteuerungen, meine Erinnerungen an die vielen Male, wo ich gegeben habe, ohne mich vorher oder hinterher besser zu fühlen - gegenstandslos ... IRGENDETWAS, so die Gewißheit des Utilitaristen, habe ich auf jeden Fall davon.

Über solch ein System diskutiert mensch genauso gern, wie mit einem Zeugen Jehova über die Bibel. Mensch kann nur dabei verlieren. Aus der Verwechslung von Korrelation und Kausalität resultiert anscheinend heißbegehrte Gewißheit.

Maurice
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Fr 13. Mai 2005, 00:40 - Beitrag #29

Ich gebe dem Obdachlosen Geld. Ich fühle mich gut danach. "Aha", triumphiert der Utilitarist, "du gibst, damit du dich gut fühlst." Das ist nicht wiederlegbar, meine Beteuerungen, meine Erinnerungen an die vielen Male, wo ich gegeben habe, ohne mich vorher oder hinterher besser zu fühlen - gegenstandslos ... IRGENDETWAS, so die Gewißheit des Utilitaristen, habe ich auf jeden Fall davon.

Sorry aber das ist Unsinn. Beschäftige dich vielleicht mal etwas mit dem Thema, dann sollte sich dein Bild auch etwas differenzieren.

Wenn Bedarf besteht können wir ja einen Thread dazu aufmachen. Hier jetzt große Ausführungen zu machen, wäre wohl ot.

Ipsissimus
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Fr 13. Mai 2005, 00:44 - Beitrag #30

^^ auch wenn meine explizite Beschäftigung damit schon ein paar Jahre her ist, ist das kein Unsinn, sondern schlimmstenfalls eine böswillige, schlagworthafte Zusammenfassung. Aber krame ruhig den Thread noch mal aus (ich entsinne mich dunkel, daß es mal nen Utilitarismus-Thread gab?)

Maurice
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Fr 13. Mai 2005, 01:02 - Beitrag #31

Ein kurzer Einblick in den Utilitarismus

Ach was solls, soll ein Mod den Teil hier abspalten...

Also im Utilitarismus geht es um Nutzenmaximierung. Nun gibt es verschiedene Richtungen, die Nutzen verschieden definieren. Ich bleibe jetzt erstmal bei der Befriedigungstheorie, die die dominante ist und auch von Bentham vertreten wurde. Einen solchen ("Standart"-)Utilitarismus kann man mit der Formel zusammenfassen "Das größte Glück für die größte Zahl der Menschen". Nun gibt es wiederum einen engen und einen weiten Glücksbegriff. Der enge umfasst nur positive "körperlich-sinnliche Lustempfindungen", während der weite alle positiven Empfindungen beinhaltet, so auch ästhetisches Wohlbefinden, moralische Befriedigung usw. Eine Handlung ist aus dieser utilitaristischen Sicht dann moralisch gut, wenn sie sich positiv auf die Glücksbilanz der beteiligten Personen auswirkt. Moralisch schlecht ist dagegen eine Handlung, wenn sie sich negativ auf die Glücksbilanz auswirkt.
Meine persönliche Meinung lasse ich hier erstmal außen vor. Auch lasse ich hier vorerst die Unterscheidung von Handlungs- und Regelutilitarimus beseite. Dazu wohl später mehr.

Nun betrachten wir mal dein Beispiel im Rahmen des oben skizzierten Utilitarimus:
Du gibst einem Obdachlosen Geld.
Folge: Der Obdachlose freut sich = Verbesserung der Glücksbilanz
Dein Glück reduziert sich nicht durch die Spende, sondern wird in manchen Fällen sogar auch gesteigert = keine Auswirkung auf die Glücksbilanz oder Verbesserung der Glücksbilanz
Ergebnis: Deine Handlung war aus utilitaristischer Sicht moralisch gut, weil sie die Glücksbilanz der beteiligten Personen verbessert hat. Ob du dich nun freust, etwas zu spenden oder nicht, macht die Handlung nicht moralisch oder unmoralisch, weil sie ja auf jeden Fall durch die Vermehrung des Glücks des Obdachlosen moralisch geworden ist. Wenn du dich auch über die Spende freust, macht es die Handlung nur zusätzlich besser.

Diese Analyse hat wohl nichts mit dem zu tun, was du behauptet hast.

Es ist wahr, dass der Utilitarimus seine Schwachstellen und Probleme hat, aber das hat JEDE Ethik. Eben weil diese Ethik ihre Schwachstellen hat, wurde und wird ja auch versucht diese zu verbessern.

So bei Bedarf später mehr...

C.G.B. Spender
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Fr 13. Mai 2005, 12:30 - Beitrag #32

@Maurice: "Total" ist bei dem erwähnten Beispiel vielleicht etwas hochgegrgiffen. Zumindest ermöglichen solche Waffen temporär eine fast vollkommene Kontrolle der betreffenden Personen.

Am gefährlichsten sind solche Entwicklungen der Wissenschaft immer, wenn sie von irgendwelchen skrupellosen Menschen als Machtmittel mißbraucht werden.

Bowu
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Fr 13. Mai 2005, 16:26 - Beitrag #33

Gefährlich sind solche Entwicklungen entweder immer oder gar nicht. Der mögliche Gebrauch, gehört doch unmittelbar zu einer Erfindung.

Rosalie
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Fr 13. Mai 2005, 23:13 - Beitrag #34

@Maurice
Warum sollte die Liebe eine solche Kraft sein? Oder sind die folgenden Sätze die Begründung gewesen?

Weil dieses, unser Universum aus Liebe (eines Gottes) erschaffen wurde und all unser positives Denken und Tun seinen letzten Grund in der Liebe (diesen Begriff im weitesten Sinne gefasst) hat.

Überlebungstrieb? Für wen oder was? Wenn es nichts liebenswertes (=lebenswertes) gibt und ich nicht fähig bin irgendwas (!) zu lieben, weshalb soll ich dann leben? Und ich glaube nicht, Maurice, dass Du Dir ein Leben ohne Liebe vorstellen kannst .... Liebe kann sich ja auch auf rein materielle Dinge (und für mich sind Menschen, Tiere, wie Du weißt, keine reine Materie) beziehen.

Sicher werde ich nicht entgegen meiner eigenen Interessen handeln (obwohl es viele Menschen gibt die dies tun, einfach weil sie nicht den Mut haben, zu sagen, was sie möchten und dann einfach sich dem Willen der Außenwelt beugen) . Wenn mir das Wohl eines anderen über das meiner eigenen Person geht, ist es immer noch von meinem Interesse getragen :d´accor. Es muß auch nicht mein eigenes Glück irgendwie fördern, sondern diesem vielleicht sogar im Wege stehen. Stimmt alles, aber Voraussetzung für all dies ist widerum die Liebe .

C.G.B. Spender
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Sa 14. Mai 2005, 07:36 - Beitrag #35

Zitat von Bowu:Gefährlich sind solche Entwicklungen entweder immer oder gar nicht. Der mögliche Gebrauch, gehört doch unmittelbar zu einer Erfindung.
Ja, natürlich gehört der Gebrauch zu einer Erfindung dazu. Nur was ist, wenn diese Erfindung für sich schon sehr viel Macht verleiht und entweder in falsche Hände gerät oder jemals nur in den Händen der Machthaber eines Landes ist? Sowas könnte ziemlich tiefgreifende Folgen haben, für alle Menschen.

Es gibt leider eine Menge skrupelloser Menschen auf der Welt, die vor rein garnichts zurückschrecken.


Rosalie, deine Vorstellungen über Liebe gefallen mir.

Der Begriff "Materie" im Bezug auf Lebewesen mag aus einer bestimmten wissenschaftlichen oder philosophischen Sichtweise heraus zutreffen, jedoch unterschlägt er meiner Meinung nach etwas sehr wichtiges. Lebewesen haben einen höheren Wert, als die Summe ihre biologischen Systeme. Man dürfte nichts empfinden, wenn Menschen sterben, wenn es vielleicht darum geht, dass Verwandte und Geliebte sterben. Man dürfte nichts empfinden, wenn man Menschen tötet - solange es nur Materie ist, denn Materie bedeutet für mich als Begriff, dass etwas sehr tot und leblos ist. Ich möchte diesen Begriff deswegen am liebsten nie auf irgend etwas in der Welt anwenden, außer bei physikalischen Phänomenen.

Die Welt ist voller Leben.

Vielleicht mißverstehen wir Maurice auch, vielleicht meint er mit Materie eben dieses allgegenwärtige Leben. ;)

Zumal ich kein Utilitarismusexperte bin, hoffe ich, dass ich mich jetzt nicht zu weit aus dem Fenster gelehnt habe. :D

Maurice
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Sa 14. Mai 2005, 11:20 - Beitrag #36

nüchterne Weltsicht

Spender deine Kritik an dem Begriff Materie hat hier imo nichts mit einer utilitaristischen Kritik zu tun gehabt. Ich würde gerne mal was, was für verrücktes Zeug sich manche hier unter dieser philosphischen Richtung vorstellen. ^^*

Lebewesen haben einen höheren Wert, als die Summe ihre biologischen Systeme.

Nichts hat an sich einen Wert, an sich ist alles wertlos. Natürlich unter der Prämisse, dass man keine intrinsischen Werte annimmt, die wohl nicht ohne einen transzendenten Wertgeber auskommen. Von Wert ist etwas imo nur für ein wertendes Subjekt. Für uns haben Lebewesen in der Regel mehr Wert, als tote Materie, aber das ist z.T. auch nur anerzogen. Es wäre eine starke Behauptung, dass jemand in seiner Wertschätzung von Leben einen intrinsischen Wert erkennen würde. Das zu begründen, stelle ich mir nicht einfach vor, wenn es nicht pauschal nur über ein Gottespostulat laufen sollte. Aus diesem Blickpunkt heraus vermisse ich auch bei den Menschenrechte eine adäquate Begründung. Für mich wirken diese immer ziehmlich ad hoc oder religös. Das heißt nicht, dass ich gegen die Menschenrechte bin, sondern nur eine mir plausible Erklärung einfordere, die ich sehr wohl für möglich halte. z.B. lassen sie sich utilitaristisch begründen oder auch vertragstheoretisch.
Aber ich schweife ab...

Lebewesen haben einen höheren Wert, als die Summe ihre biologischen Systeme. Man dürfte nichts empfinden, wenn Menschen sterben, wenn es vielleicht darum geht, dass Verwandte und Geliebte sterben. Man dürfte nichts empfinden, wenn man Menschen tötet - solange es nur Materie ist, denn Materie bedeutet für mich als Begriff, dass etwas sehr tot und leblos ist.

Die Welt ist voller materieller Dinge, von denen manche Emotionen besitzen und andere sogar ein Bewusstsein. Diese Dinge sind so in ihrer Art, dass sie nach bestimmten anderen Dingen streben und diese angestrebten Dinge, dadurch dass sie angestrebt werden, von die strebenden von Wert sind.
Wo aber liegt nüchtern betrachtet der große Unterschied zwischen "lebender" und "toter" Materie? Ist dies doch auch nur eine Einteilung des Menschens, die an sich so nicht existiert. An sich gibt es nur materielle Dinge. An sich ist das Leben nicht mehr wert als der Tod, sondern nur für ein wertendes Subjekt.
Emergente Eigenschaften machen ein System an sich nicht automatisch zu etwas besseren, als deren Einzelteile, die diese Eigenschaften noch nicht besitzen, weil das wieder intrinsische Wertigkeiten postulieren würde.
Dass wir (zumindest die meisten unserer Spezies) Menschen automatisch einen Wert zumessen, liegt nicht im Wesen des bewerteten Dinges (hier des bewerteten Menschens), sondern im Wesen des wertenden Dinges, da dieser Wertmaßstäbe hat, die entweder angeboren oder anerzogen sind.

Vielleicht mißverstehen wir Maurice auch, vielleicht meint er mit Materie eben dieses allgegenwärtige Leben.

Meine Ausführungen sollten gezeigt haben, dass ich das eben nicht meine. ;)

Kacktus
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Sa 14. Mai 2005, 20:52 - Beitrag #37

@Rosalie :
(und für mich sind Menschen, Tiere, wie Du weißt, keine reine Materie)

Hier würde mich mal interessieren ob du allumfassend jede Art von Leben als übermateriell ansiehst oder ob du an irgendeiner Stelle Grenzen ziehst (z.B. bei Insekten oder ,noch krasser ,Mikroorganismen).
Anmerkung : Dieser Satz sollte doch ein Seele-Postulat andeuten, oder habe ich ihn missverstanden?

@Utilitarismus : Ich bin bin mir bei weitem noch nicht sicher welche Art des Utilitarismus ich für am vorteilhaftesten halte, doch meiner jetzigen materialistschen Weltauffassung nach kann ich eigentlich imo nur noch System der Nutzenmaximierung vertreten (bezüglich des Individuums gezwungenermaßen ; bezüglich der Gesellschaft sofern ich das Beste für die Menschheit wünsche). Ich kenne zugegeben noch nicht allzu viele philosophische Theorien, aber bis heute ist mir noch keine untergekommen, die so mit dem Materialismus in Einklang steht wie der Utilitarismus. Die Hauptfrage ist nun wie man diesen letzten Endes umsetzt...

Bowu
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Sa 14. Mai 2005, 21:15 - Beitrag #38

Eine Ethik ist normativ, auch der Utilitarismus ist normativ, und die Menschenrechte sind auch normativ.
@Maurice
Du selbst gibst zu, eine wirklich schlüssige Begründung der Menschenrechte ist nicht möglich, und forderst im selben Absatz eine Begründung der Menschenrechte...
Damit würdest du sie aushölen, untergraben - überholt machen. Denn die Begründung wäre (auch nach deiner und meiner Meinung) leicht kritisierbar.
Die Menschenrechte, müßen normativ sein, um wirksam zu sein. Und bis wir eine Begründung haben, die jeder für intuitiv logisch und endgültig richtig hält, würde ich auf jede Begründung verzichten.
(Schon Kants 'universelle' Begründung der Menschenwürde hatte zu enge Grenzen)

@C.G.B.
Technologische Verantwortung muß auf allen Ebenen ansetzen, nicht nur bei der Verwendung (das meinte ich).
Und wenn Forschungen im Hirnbereich die Möglichkeiten schaffen Menschen zu programmieren, und wir dieses als unmoralisch bewerten, dann dürfen wir nicht erst unsere Forschung antreiben, und dann mit dem Stinkefinger auf den zeigen, der die Technologien nutzt (mißbraucht).

Maurice
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Sa 14. Mai 2005, 21:43 - Beitrag #39

Habe ich mich verschrieben gehabt?
However... jedenfalls meinte ich, dass es MOMENTAN keine imo adäquadte Begründung der Menschenrechte gibt, eine solche Begründung aber sehr wohl MÖGLICH ist.
Entweder ich habe mich missverständlich ausgedrückt oder du hast etwas falsch verstanden.
Es ist imo auch gar nicht nötig, eine Begründung zu liefern, die für alle intuitiv evident ist, denn eine solche Begründung wird bei keiner Ethik möglich sein. Es geht ja auch imo nur darum die Menschenrechte ohne unnötigen transzendenten Schnickschnack zu begründen oder eine ad hoc Hypothese auszusprechen.
Es klingt für mich so, als ob du keine Begründung einer kritisierbaren Begründung vorziehst. Dass kann ich nicht nachvollziehen, weil es bedeuten würde, dass keine Begründung möglich wäre, denn jede Begründung lässt sich irgendwie kritsieren.

Ich denke wenn wir weiter darüber diskutieren wollen, dann sollte das in einem eigenen Thread passieren, weil wir sonst noch zu ot werden.

Bowu
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Sa 14. Mai 2005, 22:21 - Beitrag #40

Ich habe tatsächlich mehr (oder anderes) gelesen als du geschrieben hattest. Für solch eine radikalisierte Skepsis gibt sich aus deinen Ausführungen wahrlich kein Hinweis.

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